Erika Kovacsics
Beiträge in merz
Erika Kovacsics: Draussen bleiben
Ein kleiner Bolzplatz in München am Harras. Zwei Mädchen toben ausgelassen um den ledernen Ball herum, scherzen und lachen. Sie üben verschiedene Fußballtricks – gekonnt sieht das aus. Doch längst ist nicht alles so sorglos, wie es scheint. Die beiden Protagonistinnen, Suli und Valentina, haben sich in einer Münchner Flüchtlingsunterkunft kennen gelernt und Freundschaft geschlossen. Den Migrationshintergrund haben sie gemeinsam – beide sind vor Jahren mit ihren Familien nach Deutschland geflohen, die eine aus Nordchina, die andere aus dem Kosovo. Doch während die uigurische Familie der siebzehnjährigen Suli längst als politisch Verfolgte angesehen und ihnen der Aufenthalt samt Wohnung genehmigt wurde, schwebt die jüngere Valentina stets in Ungewissheit. Die Angst vor der Abschiebung begleitet sie tagtäglich: Ihre Familie wird in Deutschland lediglich geduldet und das immer nur für zwei bis drei Monate, dann beginnt das Bangen von Neuem. Was die Behörden an der endgültigen Abschiebung noch hindert, ist die psychiatrische Behandlung, in die sich Valentinas Mutter aufgrund zerrütteter Familienverhältnisse begeben hat. Sie leidet unter den schwierigen Lebensumständen, wirkt müde und abgestumpft, sagt schon lange nichts mehr zu dem wilden Treiben ihrer sechzehnjährigen Tochter. Die kosovarische Familie lebt in einem Münchner Asylbewerberheim. In der Enge der Behausung herrscht reichlich Trubel. Valentinas Tagesablauf scheint durch ihre Standardmahlzeit, Rührei mit Fertigbrötchen, begleitet vom alltäglichen Streit der Nachbarn um die gemeinsame Waschmaschine, etwas wie Regelmäßigkeit zu gewinnen. Doch nur draußen fühlt Valentina sich frei. Unabhängig vom Einfluss der Familie, unbeschwert von gesellschaftlichen Konventionen und Zwängen. Zusammen mit ihrer besten Freundin Suli stromert sie in U-Bahnstationen und Hinterhöfen herum, außerdem geht sie als Anführerin der kleinen Mädchengang ‚Harras Ladies’ der gemeinsamen Leidenschaft, dem Straßenfußball, nach.
Im Freundeskreis der Mädchen gehören interkulturelle Konflikte und Handgreiflichkeiten untereinander ebenso zur Normalität wie Probleme in der Schule und mit den Behörden. Da wird Schule geschwänzt, die Kontroversen um die Hautfarben der anderen auf der Straße ausgetragen, der Verlust des Respekts vor der Polizei öffentlich begründet und debattiert. Valentina, obwohl in großer Unsicherheit aufgewachsen, scheint ihr Leben selbstbewusst und unbefangen zu meistern. Die zurückhaltendere Suli bewundert ihre Freundin für deren Durchsetzungsvermögen und scheinbare Unabhängigkeit. Doch die Realität holt die beiden schnell ein: Es hat wieder einmal Probleme mit der Polizei gegeben. Valentina muss für einen Monat in den Jugendarrest, es folgt ein reger Briefwechsel zwischen den beiden Freundinnen. Valentina greift das Leitmotiv des Filmes in eigener Aussage auf: „Ich vermisse die Freiheit.“Draussen bleiben ist ein außergewöhnlicher Dokumentarfilm über zwei junge Mädchen in einer kulturellen Kluft zwischen Verweigerung und Vernunft, Selbstbewusstsein und Identitätsfindung, Illusion und Realität. Die Kamera begleitet die beiden Freundinnen in ihrem Alltag, meist als stumme Beobachterin, manchmal auch mit der Stimme aus dem Off, die mit den Teenies in Dialog tritt und der Dokumentation so noch mehr Authentizität verleiht. Ob Wunschträume eines kleinen, afrikanischen Jungen, ein reicher Fußballprofi zu werden, persönliche Definitionen von Glück oder der ständig wiederkehrende, improvisierte Sprechgesang eines Jugendlichen, der dadurch sein Lebensgefühl auszudrücken versucht – typische Grundbedürfnisse des Menschseins werden im Filmverlauf immer wieder aufgegriffen und verleihen der Dokumentation eine nahezu philosophische Note. Außergewöhnliche Kameraperspektiven lassen die Szenen zu einem visuellen Genuss werden – mal finden sich die Zuschauenden als Zielobjekte hinter einem Fußballtor wieder, mal nehmen sie die groteske Position eines Schminkspiegels ein. Regisseur Alexander Riedel versteht sich darauf, die Mädchen gekonnt in Szene zu setzen. Er verschafft den Zuschauerinnen und Zuschauern eine einzigartig Einsicht in das Leben zweier Teenager, die sich in der Anonymität der Großstadt ihre eigene Welt aufgebaut haben. Das sind Einsichten in einen Münchner Alltag, die sich dem Publikum normalerweise verschließen. Draussen bleiben ist zu Recht Preisträger der Internationalen Hofer Filmtage und anderer Dokumentarfilmfestivals des vergangenen Jahres. Er ist eine schamlose, sozialkritische und realitätstreue Dokumentation zweier Jugendlicher mit Migrationshintergrund, die ihren Platz in der Gesellschaft noch nicht gefunden haben und daher ‚draussen bleiben’.
Draussen bleiben
Deutschland 2007, 84 min
Regie: Alexander Riedel
Produktion: pellefilm
Erika Kovacsics: Mit den vier Spürnasen auf Indizienjagd
TKKG Das unheimliche Zimmer. Windows 2000/XP/Vista, 256 MB RAM, Pentium III 1,2 GHz, 3D Grafikkarte Geforce 2 mit 128 MB RAM oder vergleichbar, DirectX-kompatible Soundkarte. Festplattenbedarf 500 MB; USK: Freigegeben ohne Altersbeschränkung; 18,99 €
Wer kennt sie nicht, die beliebte Jugendkrimiserie TKKG, die in den 1980er Jahren per Hörspiel und Buch Einzug in sämtliche Kinder- und Jugendzimmer hielt?TKKG – das sind Tim, Karl, Klößchen und Gabi, vier erfolgreiche Jungdetektive, die mit Unterstützung von Hund Oskar jeden noch so kniffligen Kriminalfall meistern. Längst hat der Spielehersteller Tivola das Konzept der Detektivbande für seine Kindersoftware aufgegriffen. Seit 1997 sind in der TKKG-Computerspielreihe 15 erfolgreiche Adventure Games erschienen, die sich jeweils mit einem neu konzipierten Fall beschäftigen. Diesen gilt es zu lösen – zusammen mit den jungen Protagonisten. Das neueste Rätsel trägt den unheilschwangeren Titel ‚Das unheimliche Zimmer’ und reiht sich als Nummer 16 in die Abenteuer von TKKG ein. Nicht nur die altbekannte Titelmelodie zu Beginn des Spiels sorgt für einen Wiedererkennungseffekt – auch die einführende Vorgeschichte des Falls, die sowohl in Textform auf dem Display erscheint als auch vorgelesen wird, erinnert an die Hörspielserie: TKKG befinden sich auf einer Fahrradtour, als plötzlich ein Unwetter aufzieht. Die vier Jugendlichen beratschlagen, wiederum in Text- und Audioform für die Nutzerin bzw. den Nutzer ersichtlich, was zu tun ist. Nun gilt es, inmitten der einsamen Landschaft einen Unterschlupf für die Bande zu suchen. Gemäß dem Spieltitel stößt die Bande bald auf ein altes, verlassenes und mysteriös wirkendes Hotel, dessen Räumlichkeiten ein schauriges Geheimnis zu bergen scheinen. Die Indizienjagd beginnt. Dazu wird der Mauszeiger in eine Lupe umgewandelt. Sobald man ein Objekt in der Gegend betrachtet, erscheint ein Textfeld mit der jeweiligen Beschreibung, mitunter auch mit Hinweisen, die für den weiteren Spielverlauf hilfreich sind.
Stößt man auf ein aufzusammelndes Indiz, wandelt sich der Mauszeiger automatisch in eine Greifhand um, mit deren Hilfe man den Gegenstand in das Inventar aufnehmen kann. Die im Spiel integrierte Iconleiste bietet neben einer Auflistung des Inventars noch zwei weitere Anwendungsmöglichkeiten, auf die jederzeit zugegriffen werden kann: eine kurze, schriftliche Darstellung der aktuellen Situation, die jedoch keine Lösungsvorschläge offeriert und eine vogelperspektivische Übersicht der Orte, deren Zugang man sich im Spielverlauf selbst erschließen muss. Oft sind mehrere Ortswechsel nötig, um durch scharfsinnige Anwendung und Kombination der gesammelten Gegenstände immer weiter in den Kriminalfall vordringen zu können. Taktische Interaktion und Konversation mit anderen Charakteren des Spiels, seien es kostümierte Kinder, harmlose Dorfbewohner oder unheimliche Fremde, treiben die Handlung voran. Gelungene Grafiken und geschickt eingesetzte Soundeffekte begleiten das Geschehen. Nachwuchsdetektivinnen und -detektive werden ihre Freude an diesem kniffligen Rätsel haben, bei dem Taktik, Logik und Kombinationsgabe gefragt sind. Jedoch ist die Altersempfehlung von acht Jahren deutlich zu niedrig angesetzt. Es gibt keine Hilfestellung, sodass man angesichts der teils schier abwegigen Schlussfolgerungen schnell stecken bleibt. Zudem besitzt das Geheimnis um ‚Das unheimliche Zimmer’ eine leicht gruselige Komponente, denn TKKG bleiben nicht von der Konfrontation mit Friedhöfen und einem Monster verschont. Für Kinder ab dem Sekundarstufenalter, die Spaß am Rätseln haben, ist dieses Adventure Game jedoch sicher ein gelungener Zeitvertreib.