Prof. Dr. Lothar Mikos
Beiträge in merz
Lothar Mikos: Selbstermächtigung mit populären Fernsehformaten
Welche Rolle spielen populäre Fernsehformate bei der Identitätsbildung von Kindern und Jugendlichen? Der folgende Beitrag untersucht Ursachen und Gründe für den Erfolg von Daily Soaps, Big Brother und Co.
Ohne deren Inhalte pädagogisch zu be- oder verurteilen, zeigt der Artikel die Bedeutung der Programme für ihre Zielgruppe und gibt damit Grundlagen für eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema.
(merz 2005-2, S. 54-59)
Mikos, Lothar/Hoffmann, Dagmar/Winter, Rainer. Mediennutzung, Identität und Identifikationen. Die Sozialisationsrelevanz der Medien im Selbstfindungsprozess von Jugendlichen.
Mikos, Lothar/Hoffmann, Dagmar/Winter, Rainer (2007). Mediennutzung, Identität und Identifikationen. Die Sozialisationsrelevanz der Medien im Selbstfindungsprozess von Jugendlichen. Weinheim: Juventa, 280 S., 24 €
Der vorliegende Sammelband geht der leider immer noch im Mainstream der Jugend- und all-gemeinen Sozialisationsforschung vernachlässigten Relevanz von Medien im Selbstfindungs- bzw. Selbstbildungsprozess von Jugendlichen nach. In der Einleitung betont das Herausgeberteam, dass die Auseinandersetzung der Heranwachsenden mit dem vielfältigen symbolischen Angebot des Medienspektrums eben nicht isoliert und gleichsam ‚asozial’ abläuft, sondern im sozialen Leben stattfindet. Zuerst geschieht dies mit einem Schwerpunkt, wie Angelika Keppler in ihrer Studie schon 1994 festgestellt hat, in der Familie. Hier werden in den Diskussionen über das Gesendete thematisch Aspekte aufgegriffen, die dann individuell angeeignet werden, um die eigene Position auszuhandeln. Im Verlauf der Ju-gend gewinnen dann die Peers zusehends Relevanz als Aushandlungsforum. Die semiotischen Ressourcen der Medien werden zudem nicht nur interpersonal verarbeitet – vielmehr gehen sie ein in produktive ,Eigenproduktionen’, die nach außen sichtbar sind: in der Reflexion über das eigene Leben, in Kleidung, Zimmereinrichtung und Frisur.
Vor dieser Folie untersucht ein weites Spektrum von Beiträgen, wie herkömmliche Identitätsvorstellungen angesichts des überbordenden aktuellen semiotischen Medienbasars problematisiert werden. So könne zum Beispiel unterstellt werden, dass die Akteure in Fernsehserien, Beziehungs- und Castingshows, Daily Talks und Reality-Shows jeweils in Abhängigkeit zu den je-weiligen lebens- oder entwicklungsgeschichtlichen Themen für jugendliche Rezipientinnen und Rezipienten entweder Chance, Verunsicherung oder gar Hindernis für eine eigenständige, authentische Identitätsbildung sind. Einen markanten, hier ausführlich dokumentierten Beitrag liefert dazu Tanja Thomas. Sie analysiert Casting-Shows mit dem Instrumentarium der von Michel Foucault inspirierten Gouvernementalitätsstudien. Die Bezüge von Jugendlichen zu den Casting-Shows mit ihrer neoliberalen Botschaft des ,Erfinde-Dich-Selbst’ lassen sich verstehen im Rahmen der sozialen Verortung der Jugendlichen, wie die Autorin anhand von Interviewauszügen zeigt.
Sara Bragg und David Buckingham liefern auf der Basis einer britischen Studie einen wichtigen Diskursbeitrag zur schwierigen Materie des Umgangs von Kindern und Jugendlichen mit Darstellungen von Beziehungen, Liebe und Sexualität. Dabei arbeiten sie sehr subtil auch die Vorteile heraus, die Jugendliche für sich in diesen Repräsentationsmodi sehen. Renate Müller und ihr Team von der PH Ludwigsburg brin-gen die aktuellen Identitätsdiskurse ins Gespräch mit Daten aus der Hardcore-Musikszene. Nachgewiesen wird, wie reflektiert und zum Teil in offensiver Absetzung vom kulturell dominierenden Marktgeschehen Bedeutungen produziert werden. Gleichzeitig wird in diesen Forschungen der Ludwigsburger Forschergruppe ganz offensichtlich, wie notwendig und sinnvoll der oftmals vorschnell ,abgewatschte’ Begriff der Selbstsozialisation ist, gerade wenn es um Kultur und Identität geht.
Der weite Reigen der Beiträge erstreckt sich zusätzlich auf die Ultras, also jugendliche Fußballfans und ihre mediale Selbstthematisierung (Jürgen Schwier), die eigene Homepage als Identitätsarbeitsplatz (Sabina Misoch) und vieles andere mehr. Instruktiv ist schließlich der Beitrag zu neuen Methoden in der Publikumsforschung von David Gauntlett. Insgesamt gesehen liegt hiermit ein wichtiger, facettenreicher Reader vor, der eine spannende sowie anregende Zwischenbilanz des Forschungsstandes bietet, die auch im Rahmen von Lehrveranstaltungen mit Gewinn eingesetzt werden kann. Zum hohen Gebrauchswert des Bandes trägt nicht zuletzt eine informative Übersicht über die Autorinnen und Autoren bei.
Neumann-Braun, Klaus/Mikos, Lothar: Videoclips und Musikfernsehen. Eine problemorientierte Kommentierung aktueller Forschungsliteratur
Neumann-Braun, Klaus/Mikos, Lothar (2006). Videoclips und Musikfernsehen. Eine problemorientierte Kommentierung der aktuellen Forschungsliteratur. Berlin: VISTAS Verlags GmbH, 156 S., 10,00 Euro
Klaus Neumann-Braun und Lothar Mikos tragen in diesem Buch nach Sichtung aktueller Forschungsliteratur die Erkenntnisse zur Rezeption von Musikvideos zusammen. Die Darstellung von Gewalt, Sexualität, Gender und Race wird ebenso unter die Lupe genommen, wie Nutzungsmotivationen, Rezeptionsformen und Wirkungen von Musikvideos. Anhand der Sender MTV und VIVA und deren Programmstruktur sollen potenzielle Problemkontexte erläutert werden.
Der Diskussion um Inhalte, Qualität und Wirkung von Musikvideos wird im vorliegenden Buch ein wissenschaftlich fundierter Ausgangspunkt gegeben. Jugendmedienschutz und Medienkompetenzförderung finden hier wichtige Anregungen hinsichtlich der Frage, welcher Handlungsbedarf in Bezug auf Musikvideos besteht. Mit der Betonung der „Interaktion zwischen Medientext, also Musikvideo, und ZuschauerInnen“ und der Feststellung, dass „die Musiksender eine Vorlage für die Identitätsarbeit der jungen RezeptientInnen liefern, wobei die Interpretationen der medialen Angebote von den verschiedenen sozialen Kontexten und Lebenssituationen abhängig sind“, trägt das Buch zu einer Versachlichung der Diskussion bei und weist auf wichtige Aspekte der Rezeptionsforschung hin. Neben zahlreichen Erkenntnissen stellen die Autoren aber an verschiedenen Punkten einen Forschungsbedarf heraus. Das Buch bietet somit eine fundierte Zusammenstellung wissenschaftlicher Ergebnisse, die eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Thema ermöglicht und zu einer differenzierten Diskussion des Gegenstandes anregt.