Walter Oberst
Beiträge in merz
Christia Oberst-Hundt, Walter Oberst: Politik – Wirtschaft – Medien
Die Entwicklung des Mediensystems in der Bundesrepublik Deutschland nach dem 2. Weltkrieg war mit unterschiedlichen Erwartungen verbunden.
Letztlich setzte sich die von wirtschaftlichen und politischen Interessen geleitete Richtung durch.(merz 2001-04, S. 223-229)
Christina Oberst-Hundt, Walter Oberst: Zum "Umgang Heranwachsender mit Konvergenz im Medienensemble"
Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, vor allem die Hardware- und Unterhaltungsindustrie und Medien, sowohl die privat-kommerziellen wie auch die öffentlich-rechtlichen, haben aus unterschiedlichen Gründen großes und dauerhaftes Interesse daran, aktuelle und umfassende Daten über alle Aspekte der Mediennutzung zu erhalten.
Private Forschungsinstitute, Universitäten und andere Einrichtungen beschäftigen sich in Permanenz mit den vielfältigen Konsequenzen, welche die dynamische Entwicklung im Mediensektor hervorbringt. Für alle Interessierten, einschließlich WissenschaftlerInnen, ist es in der Regel zweckmäßig und sinnvoll, die Forschungsergebnisse transparent zu machen, abzugleichen und auf ihre Relevanz hin zu überprüfen, neue Fragestellungen und Forschungsmethoden zur Diskussion zu stellen, bislang nicht involvierte Wissenschaftsdisziplinen zur Mitarbeit aufzufordern.
Eine Veranstaltung in diesem Sinne war die von der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) und dem ZDF am 14. März 2002 veranstaltete und vom JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis organisierte ExpertInnendiskussion zum Thema „Umgang Heranwachsender mit Konvergenz im Medienensemble“. Ziel dieser Veranstaltung war es, „den Themenkomplex ‚Medienkonvergenz’ aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten, den interdisziplinären Kenntnisstand zu reflektieren und dies für forschungspraktische Untersuchungsansätze zu Konvergenz nutzbar zu machen.“
Im Rahmen der zur Verfügung stehenden knappen Zeit - zwölf Referentinnen und Referenten stellten in etwa fünf Stunden ihre Ergebnisse zur Diskussion - konnte dieser Anspruch kaum erschöpfend eingelöst werden. Der vorgegebene knappe Zeitrahmen erzwang jedoch einen pointierten Vortrag, ein Beschränken auf Signifikantes und ein Herausstellen der „Highlights“ der Forschungsergebnisse...
( merz 2002/03, S. 180 - 182 )
Walter Oberst: Ein leiser Abschied
Das Medienecho blieb aus. Das Unvermögen der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD), ihr gemeinsames fremdsprachiges Hörfunkangebot für in Deutschland lebende Ausländer aufrecht zu erhalten, war offensichtlich kein Thema für Print und Funk. Dabei geht es in der Auseinandersetzung innerhalb der ARD um das nicht gerade unwichtige Thema, wie die mehr als 8 Millionen Migrant/innen, Rundfunkgebührenzahler wie andere auch, in Deutschland medial versorgt und mit Hilfe der Medien in die deutsche Gesellschaft integriert werden können.Das sich jetzt abzeichnende Ergebnis der ARD-internen Diskussion ist bedauerlich. Es bedeutet eine Zäsur in der mehr als 40-jährigen öffentlich-rechtlichen Programmarbeit für die in Deutschland lebenden ausländischen Mitbürger/innen. Ab 2003 - so zeichnet es sich jetzt ab, wird es kein gemeinsames fremdsprachliches Programmangebot der ARD mehr geben.Von den "Gastarbeiter"-Sendungen zum multikulturellen AngebotIn den Jahren nach dem Bau der Mauer wuchs die Zahl der ausländischen Arbeitnehmer/innen in der Bundesrepublik Deutschland eklatant (1959: 163 000, 1973: 2,6 Millionen).
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sah sich deshalb auf Grund seines Programmauftrages verpflichtet, die neuen Mitbürger medial zu betreuen. Der Saarländische Rundfunk (SR) begann am 21.10.1961 mit seiner halbstündigen Sendung "Mezz'ora Italiana" (die es bis heute noch gibt), der Bayerische Rundfunk (BR), der Hessische Rundfunk (HR) und der Westdeutsche Rundfunk (WDR) folgten mit Sendungen in italienischer, griechischer, spanischer und türkischer Sprache. Nachdem anfangs die Bemühungen der einzelnen Landesrundfunkanstalten wenig aufeinander abgestimmt verliefen, hatte sich die ARD 1964 entschlossen, die Ausländersendungen künftig zur gemeinsamen Aufgabe aller ARD-Anstalten zu machen und sie als Gemeinschaftsprogramm zu senden. Die Federführung übernahmen der WDR und der BR. Es bestand damals Konsens, dass eine Volksgruppe dann medial zu berücksichtigen sei, wenn ihre Zahl bundesweit rund 80.000 überschritten hatte. Nach dem damaligen Selbstverständnis des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sollten die Sendungen für die in Deutschland ausländischen Menschen eine Brücke zu ihrer bisherigen Heimat sein. Sie sollten helfen, ihre soziale und gesellschaftspolitische Einordnung in Deutschland zu erleichtern, sie sollten der Fortbildung dienen, eine alltägliche Lebenshilfe darstellen und das gegenseitige Verständnis von Ausländern und Deutschen fördern. Und sie hatten damals noch besondere politische Funktionen: sie sollten Migranten aus Diktaturen (Franco-Regime in Spanien, Militär-Junta in Griechenland) mit Gegeninformationen aus ihren Heimatländern versorgen und zur "Abwehr unerwünschter politischer Einflüsse aus dem Osten" beitragen.'RADIOmultikulti' und 'Funkhaus Europa' - ein zusätzliches Medienangebot für Migrantinnen und Migranten in DeutschlandIn den 70er- und 80er-Jahren gab es keine bedeutsamen Änderungen bei den Ausländersendungen in den Hörfunkprogrammen der ARD.
Es gab lediglich einige neue Sendekonzepte und Programmplätze. Erst nach dem Fall der Mauer und der Auflösung der DDR kam es zu zwei gravierenden Änderungen und Bereicherungen: der Sender Freies Berlin (SFB) startete am 18.9.1994 ein viertes Hörfunkprogramm (SFB 4 MultiKulti, seit Frühjahr 2001 läuft es unter dem Namen 'RADIOmultikulti') und der WDR startete am 30.8.1998 sein 'Funkhaus Europa'.'RADIOmultikulti' versteht sich als 24 stündiges multikulturelles Angebot für die in Berlin lebenden Ausländer und interessierte Deutsche. Tagsüber bieten überwiegend deutschsprachige Magazine Informationen, Gespräche und Interviews für die Zielgruppen. Hinzu kommt World Music in den Klangfarben aller fünf Kontinente. Die stündlichen Nachrichten werden nachmittags unter dem Titel "Akte M" durch eine Stunde Aktuelles ergänzt. Um 17 Uhr starten die fremdsprachigen Angebote, im Anschluss folgt bis 22 Uhr das Ausländerprogramm der ARD. Der späte Abend und die Nacht werden mit Konzertmitschnitten, Übernahmen ausländischer Radiosendungen und Musik aus europäischen und außereuropäischen Metropolen bestritten.'RADIOmultikulti' ist empfangbar über UKW, MW, DAB, im Rahmen von ARD Digital und im Internet. Auch das 'Funkhaus Europa' wendet sich an Menschen ausländischer Herkunft und interessierte Deutsche in Nordrhein-Westfalen. In den Redaktionen arbeiten Deutsche mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Ethnien zusammen und gestalten die Inhalte und Formate des 24-Stunden-Programms. Dazu gehören tägliche Magazine, stündliche Nachrichten aus Deutschland und aller Welt in deutscher Sprache, bilinguale Sendungen sowie tägliche, halbstündige Informations- und Service-Sendungen in den Muttersprachen der großen Migranten-Gruppen (Türken, Italiener, Spanier, Serben und Kroaten).
Außerdem gibt es wöchentliche Sendeplätze für Kurdisch, Polnisch, Bosnisch, Albanisch. Für jüngere Zielgruppen, die sowohl aus Migranten der zweiten und dritten Generation, aber auch zunehmend aus deutschen Jugendlichen bestehen, werden Musiksendungen ausgestrahlt, die nicht nur Pop und Folklore bieten, bekannte DJ's präsentieren darüber hinaus Programme speziell mit World- und Ethno-Music. Auch hier wird am Abend bis 22 Uhr das Ausländerprogramm der ARD integriert.Das ‚Funkhaus Europa’-Programm wird auf UKW und analog über einen ASTRA-Satelliten sowie über MW und UKW im Land Bremen ausgestrahlt. Inzwischen ist es auch digital über ARD zu empfangen.Da Migranten in den regelmäßigen Erhebungen der Media-Analysen (MA) nicht ausgewiesen werden, veranlasste der WDR dieses Jahr im Mai und Juni eine repräsentative Befragung in Nordrhein-Westfalen.Diese Untersuchung ergab, dass 22% der befragten Türken, Italiener, Griechen und Zuwanderer aus dem ehemaligen Jugoslawien (der vier zahlenstärksten Ausländergruppen in NRW) das Programm vom ‚Funkhaus Europa’ regelmäßig hören. In der Rangliste der meistgehörten Radioprogramme rangiert das ‚Funkhaus Europa’ bei den Befragten an dritter Stelle noch vor WDR 2 und WDR 4. Der unerwartete Ausstieg des SWRIm Juni dieses Jahres überraschte der Südwestrundfunk (SWR) die ARD und die Öffentlichkeit mit der Mitteilung, dass er ab 2003 neue Angebote und Sendungen im Radio, die sich mit "interkulturellen Themen" auseinandersetzen, plane und gleichzeitig den Ausstieg aus dem gemeinsamen Ausländerprogramm der ARD vollziehen wolle. Die neuen Sendungen sollen ausschließlich deutschsprachig sein und lediglich nur noch im Internet von einem mehrsprachigen Angebot begleitet werden. Die Hörfunk-Fachredaktion SWR International werde für alle Hörfunkwellen spezifische Programmangebote zum Thema Migration zuliefern.
Das Programm könne in Zukunft über Mittelwelle, DAB, Internet und Satellit empfangen werden. Hintergrund dieser Programmänderungen sei, so der SWR, dass hier lebende Migranten muttersprachliche Informationen längst per Satellit aus ihren Heimatländern bezögen. Aktuelle Studien belegten außerdem, dass Migranten deutschsprachige Medien bereits stark nutzten. Auch sei die Nutzung muttersprachlicher Hörfunkangebote der ARD in den vergangenen Jahren um zwei Drittel zurückgegangen. Die bisherigen Ausländerprogramme würden durch die geplanten Veränderungen "aus dem Programm-Ghetto" herausgeholt, interkulturelle Themen bekämen so ihren Platz "mitten im Programm". Vergebliche Ermahnungen und ProtesteDer so plötzlich vom SWR angekündigte Ausstieg aus dem bisher gemeinsam verantworteten Ausländerprogramm wird im Produktionsetat für die ARD-Gemeinschaftsaufgabe "Fremdsprachenprogramme" eine Lücke von rund 1Mio. Euro aufreißen, die zu schließen sich die ARD anscheinend außerstande sieht. Der WDR, der zur Zeit auch den ARD-Vorsitz innehat, erklärte am 18.6.2002, dass der Schritt des SWR "den Fortbestand dieses wichtigen Programmangebots" für Migranten in Deutschland gefährde, da die verbleibenden Rundfunkanstalten die Produktion der Fremdsprachenprogramme "in der gegenwärtigen Form allein nicht finanzieren" könnten. Der WDR-Rundfunkrat bedauerte in seiner Sitzung am 17.7.2002 die Absicht des SWR, sich nicht mehr an der Ausstrahlung der ARD-Fremdsprachensendungen zu beteiligen. Er wies darauf hin, dass dieser Schritt des SWR ein großes Publikum von Menschen nicht-deutscher Herkunft mit unterschiedlichem Integrationsstand dazu zwinge, künftig auf muttersprachliche Sendungen zu verzichten. Ein solcher Verzicht aber fördere das "mediale Abwandern" zu den Satellitenprogrammen ausländischer Herkunft, deren Inhalte nicht unbedingt der Integration in Deutschland dienten
. Den aus dem Ausland stammenden Mitbürgern ein Programm auch in ihrer Sprache zu bieten, sei Bestandteil des öffentlich-rechtlichen Grundversorgungsauftrags. Der Bundesvorstand der Mediengewerkschaft ver.di setzte sich in einem Schreiben an alle ARD-Intendanten für die Beibehaltung des Ausländerhörfunkprogrammes der ARD ein. ver.di Bayern appellierte an den BR, die muttersprachlichen Ausländerhörfunkprogramme zu erhalten, Abordnungen von Beschäftigten aus allen Landesrundfunkanstalten demonstrierten während der ARD-Intendantensitzung am 16.9.2002 in Berlin gegen die beabsichtigte Reduzierung des öffentlich-rechtlichen Programmauftrags und übergaben dem ARD-Vorsitzenden Pleitgen eine Protestresolution. Es half nichts, die Rest-ARD sieht sich bei einem Gebührenaufkommen von mehr als 6 Mrd. Euro nicht in der Lage, die Finanzlücke von rund 1 Mio. Euro zu schließen, die durch das Ausscheren des SWR aus dem gemeinsamen Ausländerprogramm entstanden ist. Der BR wird seine Ausländerredaktionen schließen, Millionen von Migranten in Bayern, Baden-Württemberg und anderen Bundesländern werden vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht mehr muttersprachlich angesprochen.Für die ARD scheint die Diskussion über die drastische Reduzierung der medialen Versorgung der ausländischen Mitbürger/innen abgeschlossen zu sein, für die deutsche Gesellschaft sollte sie jetzt erst richtig beginnen.