Heinrike Paulus
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Heinrike Paulus: Cyber Heroes – Neue Materialien zu Hass im Netz
Wie Heranwachsende auf Hass im Netz reagieren können, anstatt ihn hinzunehmen, zuzusehen oder gar selbst mitzumachen, erklärt die kostenfreie Handreichung für den Schulunterricht ‚Hass im Netz kontern. Wir sind Cyber Heroes: Wir unternehmen etwas, anstatt zuzuschauen und mitzumachen!‘
Die sechs Übungen richten sich an neun- bis zwölfjährige Schüler*innen. Zu jeder Einheit gibt es einen ausgearbeiteten Ablaufplan, Übungsblätter und Lösungshinweise. So sollen Schüler*innen ein Gefühl dafür entwickeln, welche Konten und Inhalte sie melden sollten oder wie sie auf boshafte Kommentare angemessen antworten. Sie erfahren außerdem, warum Hass-Postings entstehen, wann eine Reaktion darauf vernünftig ist und wie diese umgesetzt werden sollte. „Kinder lernen schnell, dass ein rauer Umgang miteinander mitunter normal ist, und nehmen diesen oft einfach hin oder schließen sich dem allgemeinen Umgangston an“, heißt es im Vorwort der Publikation. Dagegen soll mit den Materialien angegangen werden. Herausgegeben wurden sie von saferinternet.at und dem Österreichischen Institut für angewandte Telekommunikation. Altersgerechte und handlungsorientierte methodische sowie didaktische Hinweise geben zugleich Raum für kreatives Arbeiten. Die Publikation basiert auf dem abgeschlossenen Forschungsprojekt Cyber Heroes der Universität Wien.
Im Projekt wurde untersucht, wie sich Jugendliche (zwischen 14 und 19 Jahren) im Umgang mit Hass, Cybermobbing oder anderen Formen digitaler Gewalt zu Counter Speech mobilisieren lassen.
Heinrike Paulus: Elisabeth Lechner (2021). Riot, don’t diet! Aufstand der widerspenstigen Körper. Wien: Kremayr & Scheriau. 230 S., 22,00 €.
Was ist schön? Wer definiert das? Wie prägen Schönheit und Schönheitsideale die Strukturen unserer Gesellschaft?
Die promovierte Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Lechner hat zu diesem Thema mit ‚Riot, don’t diet‘ ein lesenswertes und zugleich emphatisches Buch vorgelegt. Im Fokus stehen dabei unter anderem dicke, haarige, queere und alternde Körper, People of Colour sowie Menschen mit Behinderung.
„Wer in unserer Gesellschaft nicht der Norm entspricht, wer sich und seinen Körper nicht dem kommerzialisierten Zwang zur Selbstoptimierung unterwirft, wird marginalisiert, gemobbt und ausgegrenzt“, ist dem Klappentext zu entnehmen. Konkret heißt das, dass zum Beispiel Frauen inzwischen etwa Morddrohungen erhalten, wenn sie sich in Sozialen Netzwerken mit unrasierten Beinen zeigen.
In zehn fundiert recherchierten Kapiteln erläutert die Autorin wie Machtstrukturen das zutiefst politische Geschäft mit der Schönheit beeinflussen und welchen nicht unerheblichen Anteil Medien am Entstehen und Verbreiten von Schönheitsidealen haben. Dabei konstatiert die Expertin, die an der Schnittstelle von Popkultur-Studien, feministischer Medienwissenschaft, Affect & Body Studies forscht, „dass wir in einer zutiefst lookistischen Gesellschaft leben, in der Menschen aufgrund ihres Aussehens bewertet, stereotypisiert und oft auch diskriminiert werden.“
Zugleich ermutigt sie, sich – online wie offline – gegen Schönheitswahn und Fremdbestimmtheit aufzulehnen. Medienkompetenz kann dabei ein entscheidender Faktor sein, dem Schönheitsdruck zu entrinnen – ganz nach dem Motto: „Body Shaming raus! Empowerment und Widerstand rein!“ Nicht zuletzt deshalb sollten die von Elisabeth Lechner diskutierten Aspekte zeitnah in der Medienwissenschaft sowie ihren angrenzenden Disziplinen und vor allem in der Medienpädagogik auf theoretischer und praktischer Ebene wahrgenommen und dementsprechend als Handlungsauftrag verstanden werden.
Die kämpferische Devise des Buchtitels wird auch dann deutlich, wenn Lechner auf Basis der Forschungsergebnisse ihrer Dissertation, die die Grundlage für die vorliegende Publikation bildet, nicht nur allein für einen „inklusiven Schönheitsbegriff“ plädiert. Vielmehr möchte sie eine „Schönheitsrevolution“ anzetteln. Als Kick-off hierzu gibt sie den Leser*innen einen „5-Punkte-Plan“ an die Hand.
Deutlich wird dabei, dass jeder auf dem Weg zu einer inklusiveren und mitmenschlicheren Gesellschaft gefragt ist.
Heinrike Paulus: Schurzmann-Leder, Lena (2021). Körper, Leistung, Selbstdarstellung. Medienaneignung jugendlicher Zuschauerinnen von Germany‘s Next Topmodel. Bielefeld: transcript. 400 S., 49,00 €.
‚Germany’s Next Topmodel‘ läuft seit 2006 jährlich auf dem Privatsender Pro 7. 2021 startete die 16. Staffel. Der öffentliche Diskurs dreht sich in diesem Zusammenhang häufig viel mehr um Heidi Klum als um die Kandidatinnen selbst. Doch wie nehmen jugendliche Mädchen grundsätzlich dieses Sendeformat wahr? Ein ganzes Jahrzehnt lang widmete sich Lena Schurzmann-Leder diesem Forschungsthema. Insbesondere die komplexe Medienaneignung jugendlicher Zuschauer*innen hinsichtlich populärer Formate steht im Fokus ihrer Publikation, bei der es sich zugleich um ihre Dissertation handelt.
Die qualitative Datenerhebung in Form von Gruppendiskussionen in Berlin mit 104 Jugendlichen mit heterogenem Bildungshintergrund erfolgte 2011 und 2017. Deutlich wird aus den Ergebnissen, dass weibliches Aussehen in der Lebenswelt von Zuschauer*innen eine große Bedeutung hat. Zudem spiele das Aussehen bei der Sendung selbst nur eine geringe Rolle: „Beim ersten Durcharbeiten der Gruppendiskussionen fiel auf, wie einmütig selten die Befragen im Kontext der Aushandlungen zu ‚Germany’s Next Topmodel‘ Aussehen, Äußeres, Körper oder Schönheit selbstreferenziell thematisieren.“
Die sechs Kapitel der Publikation befassen sich neben der Methodik und Darstellung der Auswertungsergebnisse mit der Verknüpfung von Subjekt, Gesellschaft, und Medien sowie einer theoretischen Einführung und Darstellung des aktuellen Forschungsstandes zu Reality TV, Castingsshows und insbesondere ‚Germany’s Next Topmodel‘. Für den theoretischen Hintergrund verknüpft die Autorin unterschiedliche Ansätze beispielsweise zur Medienaneignung, Cultural Studies oder Foucaults Gouvernementalitätskonzept. Dementsprechend hoch ist der wissenschaftliche Anspruch des Buches. Doch hierin liegt auch eine kleine Schwäche, was auf die verkopften Formulierungen zurückzuführen ist. All jene, die aus der (medien-)pädagogischen Praxis kommen und für die das Thema sicherlich für die alltägliche Arbeit mit Jugendlichen von Relevanz sein dürfte, sind anscheinend als potenzielle Leser*innen-Zielgruppe von wissenschaftlichen Beiträgen bedauerlicherweise von vorne herein unter dem Radar geblieben. Die vorliegende Publikation leistet trotzdem einen facettenreichen Beitrag zum medien- sowie erziehungswissenschaftlichen Diskurs und richtet sich daher insbesondere an Wissenschaftler*innen dieser Disziplinen.
Heinrike Paulus: Ist ‚fair‘ das neue ‚smart‘!?
Dass Telefonieren viel mit Nachhaltigkeit zu tun hat, beweist schon die zweifelhafte Herkunft der in Smartphones oder Tablets verbauten metallischen Rohstoffe. Die Edelmetalle kommen aus Ländern wie China, Peru oder dem Kongo. Um sie zu gewinnen, werden Menschenrechte verletzt, nicht zuletzt durch Kinderarbeit. Gleichzeitig landen abertausende Endgeräte auf dem Müll, ungeachtet ihrer eigentlichen technischen Lebensdauer. Es ist leider oft ein bewusst gewolltes frühes Ende als Elektroschrott, weil das neueste Smartphone für viele als wichtiges Statussymbol gilt.
Die Publikation ‚Digitalisierung und Klima‘ der österreichischen Initiative saferinternet.at möchte deshalb Lehrer*innen dazu animieren, Umwelt- und Medienbildung im Schulunterricht der Sekundarstufe II zu verknüpfen. Ziel ist es, durch einen umfassenden lebensweltlichen Bezug gleichzeitig das Umweltbewusstsein in der digitalen Welt und die Medienkompetenz der Schüler*innen zu fördern. In konkreten Projekten wird ihnen Gelegenheit gegeben, Wissen zu erwerben und praktisch anzuwenden: So sollen die Jugendlichen etwa Apps bewerten oder eine eigene Social-Media-Kampagne zu einem klima- bzw. gesellschaftspolitischen Thema planen.
Die Intention der Handreichung ist es, „Anregungen für ein bewusstes Leben in dem Spannungsfeld zwischen Digitalisierung und Klima zu geben“, schreibt saferinternet.at auf der eigenen Internetseite. So sollen Jugendliche ihr Medienhandeln reflektieren, persönliche Entscheidungsprozesse bewusst vollziehen oder den ökologischen Einfluss von digitalen Geräten hinterfragen. Es sei wichtig, die Zusammenhänge von Digitalisierung und Klima zu kennen. Schließlich gehe es darum, „die Tragweite der eigenen Entscheidungen und des eigenen Handelns abschätzen zu können“ (saferinternet.at). Die Initiative wird von der Europäischen Union, verschiedenen österreichischen Bundesministerien sowie den Großkonzernen Facebook, A1 und Huawei finanziell unterstützt.
Für Lehrer*innen und Medienpädagog*innen ist die Broschüre, die sich in neun Themen- und Übungseinheiten gliedert, daher ein fundierter Ideengeber für die Vermittlungsarbeit. Anhand von Gruppenarbeiten, Präsentationen und Diskussionen erfahren Jugendliche zum Beispiel, wie energieaufwändige, digitale Anwendungen das Klima beeinflussen. Zugleich erwerben sie Informationskompetenz, indem sie Einblicke in die Quellenkritik erhalten. Die jungen Mediennutzenden widmen sich auch den technischen und naturwissenschaftlichen Grundlagen von Smartphones. Sie kommen etwa der Herkunft der Rohstoffe oder dem Ressourcen-Verbrauch bei Produktionen auf die Spur. Ohne erhobenen Zeigefinder wird den Schüler*innen so vor Augen geführt, wie bedeutend es für den Klima- und Umweltschutz ist, die Lebensdauer von Endgeräten auszunutzen.
saferinternet.at (2020). Digitalisierung und Klima. Umweltbewusstsein in der digitalen Welt: www.saferinternet.at/news-detail/neues-unterrichtsmaterial-digitalisierung-und-klima, kostenlos verfügbar
Heinrike Paulus: Erzähl mal von Nachhaltigkeit!
Fischer, Daniel/Fücker, Sonja/Selm, Hanna/Sundermann, Anna (Hrsg.) (2021): Nachhaltigkeit erzählen. Durch Storytelling besser kommunizieren? München: oekom. 178 S., 29,00 €.
Ob Artensterben, Kinderarbeit in der Schokoladenproduktion oder das Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser: Mit Hilfe eines interessanten und effizienten Storytellings lassen sich nachhaltigkeitsbezogene Themen jungen Erwachsenen besser kommunizieren.
Die wissenschaftliche Publikation Nachhaltigkeit erzählen beleuchtet Mehrwert und didaktische Potenziale des Geschichtenerzählens für dieses Thema. Was heute mit dem Buzz-Word Storytelling umschrieben wird, ist schon seit tausenden von Jahren als älteste und ursprünglichste Form der Vermittlung bekannt. Schon damals wurden Geschichten am Lagerfeuer erzählt, denn Menschen werden auf Themen aufmerksam oder gar dafür begeistert, wenn diese gelungen und spannend aufbereitet werden. Die Geschichten sollen die Adressat*innen fesseln, inspirieren, bewegen oder gar zum Handeln motivieren.
Auf die dramaturgische Methode des Storytellings wird deshalb gerne in Journalismus, Marketing, Hochschulbildung, Unternehmens- oder Forschungskommunikation zurückgegriffen. Bestimmte Erzähl-Strukturen werden angewandt, „um bestimmte effektive, kognitive oder konative Auswirkungen bei Lesenden zu erzielen“ (S. 22). Ihnen wird so ein leichterer Einstieg ermöglicht, um sich mit komplexen Zusammenhängen und moralisch-ethischen Fragen zu befassen, Wissen zu erwerben oder das eigene Handeln zu verändern. Da Storytelling auch pädagogische Ziele verfolgt, sollte es sich an für die Nachhaltigkeit relevanten, ethischen Grundwerten orientieren. Außerdem sind Kompetenzen wie etwa Sachwissen, (selbst-)kritischer Umgang, Schreibtechnik oder Kreativität unerlässlich.
Im Band kommen auf 178 Seiten in acht Fachbeiträgen zu Forschung und Praxis Redakteur*innen und Expert*innen aus dem Bereich Storytelling sowie Presse und Öffentlichkeitsarbeit sowie Professor*innen für Umweltpsychologie, Journalistik, Lehr- und Lernforschung oder Medienpsychologie zu Wort. Nachhaltigkeit erzählen eignet sich als Einstiegslektüre und ist das Ergebnis eines von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Forschungsprojekts zur Nachhaltigkeitskommunikation. Die empirischen Studienresultate verdeutlichen die Einsatzmöglichkeiten und Grenzen des Storytellings. Ebenso wird aufgezeigt, wie Medienbeiträge in Form von Texten, Vorträgen, Ausstellungen, Science Slams, Podcasts oder Videos von Rezipient*innen der Altersgruppe zwischen 18 und 24 Jahren wahrgenommen werden und auf sie wirken. Beleuchtet wird auch das Verhältnis von Storytelling und E-Learning. Zudem werden den Lesenden Anwendungsbeispiele für nachhaltigkeitsbezogenes Storytelling aufgezeigt. Jedoch könnten gerade diese vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Beiträge durchaus umfassender sein. Die angegebenen Literaturhinweise können dies nur bedingt aufgefangen. Trotz des umfangreichen Praxisbezugs bleibt größtenteils unerwähnt, wie Soziale Netzwerke durch multimediales Erzählen zu Erzählplattformen für nachhaltigkeitsbezogene Themen werden könnten.
Heinrike Paulus: Runge, Maurus (2021). Weht der Geist durch Bits und Bytes? Glauben in digitalen Zeiten. Münsterschwarzach: Vier-Türme-Verlag. 128 S., 16,00 €.
In seinem Buch blickt Autor Maurus Runge auf das kommunikative Miteinander in den Sozialen Netzwerken und darauf, wie sich digitale Beziehungen gestalten lassen. In rund 15 Beiträgen verdeutlicht er, dass digitale Beziehungen reale Beziehungen sind. Ist das Internet inzwischen doch ein Lebensraum, in dem sich reale Menschen mit verschiedenen Erfahrungen und Einstellungen zusammenfinden, um miteinander zu kommunizieren. Runge ist Benediktinermönch und ausgebildeter Social-Media-Manager. Seine Gedanken zur theologisch-kommunikativen Praxis konkretisiert er in seiner nicht-wissenschaftlichen Publikation mit fundierten theologisch-medienethischen Reflexionen etwa zu Seelsorge im Netz oder Trauer und Tod in der digitalen Welt. Gleichzeitig konkretisiert der Autor Überlegungen zu Handlungsempfehlungen für einen verantwortungsbewussten Medienumgang, wie er sich etwa in Social-Media Guidelines manifestiert. Technisches Können sollte sich zudem mit einer Grundsensibilität verknüpfen. Sei es im Medienalltag von Mediennutzenden oder in einer für die Digitalisierung aufgeschlossen Kirche. Deshalb plädiert er etwa für Instawalks in Kirchen: „Besucher werden in das Geheimnis, das Besondere des jeweiligen Raumes durch eigenes Erleben eingeführt“ (S. 69), konstatiert er über Fotografie-Events mit dem Smartphone in Gotteshäusern. Runges theologischer Hintergrund ist während der Lektüre durchwegs zu spüren. So stellt er Rituale vor, die Halt und Orientierung geben können, wie etwa Treffen unter dem Motto #SocialCoffee mit anderen User*innen für eine digitale Kaffeepause im Homeoffice.
Für Aktive in Wissenschaft und Praxis in den Bereichen Kirche, Religion Erwachsenenbildung, Medienpädagogik sowie Kommunikations- und Medienwissenschaft liefert der Band daher wertvolle Gesprächsanlässe etwa für den Religions-oder Ethikunterricht in der Oberstufe, Seminare, Kurse oder Gottesdienste.
Heinrike Paulus: Kohout, Annekathrin (2022). Nerds. Eine Popkulturgeschichte. München: C. H. Beck Verlag. 272 S., 16,95 €.
Hornbrille, pickeliges Gesicht, Computergenie, männlich, unsozial und unsportlich – mit diesen Klischees wird der Nerd häufig assoziiert. Doch es braucht mehr als nur viele Stunden vor dem Computer, um ein Nerd zu sein.
Ausgehend von ihrer Dissertation widmet sich Annekathrin Kohout in ihrem facettenreichen Buch dem Sozialphänomen Nerd von den Anfängen bis zur Gegenwart. Die heutige Vorstellung der Figur ist überhaupt erst in Wechselwirkung mit den Medien entstanden, etwa durch US-Teenagerserien oder Filmkomödien wie ‚Der verrückte Professor‘ (1963, 1996, 2008). Schlagartig bekannt wurde die Nerdfigur 1977 durch die Sketche ‚The Nerds‘ der US-amerikanischen Comedyshow ‚Saturday Night Live‘. Weitere filmische Beispiele hat die Kulturwissenschaftlerin, Medienwissenschaftlerin, Bloggerin und Autorin (‚Netzfeminismus‘ 2019) in einem umfassen Filmverzeichnis am Ende des Buchs zusammengetragen. Die wissenschaftlich-unterhaltsame Publikation gibt in ihren 16 Kapiteln darüber hinaus Einblicke in die Geschichte von wachsender und abnehmender Computer- und der Technikskepsis sowie der Mediennutzung.
Vor allem in Deutschland gilt der Nerd als Sinnbild des Internet-Zeitalters. „Der Nerd wurde durch die Entstehung und Etablierung der Computertechnologie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts populär, steht also für den Übergang ins Informationszeitalter, bis er sogar zur stilgebenden Figur eines neuen Technikoptimismus avancierte“ (S. 24). Heute wird der Begriff inflationär und in unterschiedlichen Kontexten verwendet. Deutlich wird dabei, dass die Figur selbst wandlungsfähig ist, ein ‚quecksilbriges Wesen‘, wie Kohout es nennt.
Gleichzeitig ist die Figur nicht unumstritten. Deshalb setzt sich die Autorin auch kritisch damit auseinander, dass der Nerd gemeinhin als männlich, weiß und homosexuell gilt. Frauen und People of Color fällt es schwer, sich mit dem Nerd zu identifizieren. Die Autorin geht davon aus, dass die Figur verschwinden wird, wenn es ihr nicht gelingt, sich zu verändern oder weiterzuentwickeln.
Heinrike Paulus: Brandl, Evelyn/Brandl, Julia (2022). Digitale Medien-Tools kompetent und kreativ nutzen. 40 Karten für Fachkräfte in Kita, Aus- und Fortbildung, München: Don Bosco Verlag. 40 Karten und ein Begleitheft, 20,00 €.
In jeder Branche werden heute digitale Kompetenzen benötigt. In diversen Bildungseinrichtungen ist das nicht anders. Wie dies unkompliziert gelingen kann, erklärt eine pädagogische Handreichung, die aus der Praxis für die Praxis entstanden ist. Die Autor*innen haben diese wie einen digitalen Werkzeugkoffer konzipiert. Im Begleitheft werden medienpädagogische Basisinformationen erläutert. Herzstück des Leitfadens sind 40 Bild-Text-Karten. Sie zeigen, wie sich digitale Medien-Tools als Arbeitsmittel nutzen lassen: Sei es um die Kommunikation mit Eltern in der eigenen pädagogischen Institution zu vereinfachen, Administration, Verwaltung sowie Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützen oder Lern- und Bildungsangebote zu bereichern. Ebenso werden konkrete Anregungen an die Hand gegeben, wie sich Medienkompetenz und Medienbiografien reflektieren lassen. Die Karten führen Schritt für Schritt durch die Anwendungen und zeigen erfahrenen Mediennutzer*innen und Einsteiger*innen die möglichen Anwendungsbereiche: Selbstorganisation, Team- oder Elternarbeit in Kindertagesstätten und Bildungseinrichtungen sollen so optimiert werden.
Für medienpädagogisch Versierte sind zwar keine bahnbrechenden neuen Methoden zu finden. Doch für die Vermittlungsarbeit in Aus- und Weiterbildung ist der Koffer trotzdem eine wahre Fundgrube. Technische Vorgehensweisen und praktische Anwendungsmöglichkeiten werden unter didaktisch-methodischen Gesichtspunkten detailliert näher gebracht, wovon gerade Berufsanfänger*innen profitieren dürften. Mehr denn je gilt es, die leicht umsetzbaren Impulse der Autor*innen konstruktiv sowie kompetent und kreativ in den Ablauf des pädagogischen Arbeitsalltags zu integrieren.
Heinrike Paulus: Friesike, Sascha/Sprondel, Johanna (2022). Träge Transformation. Welche Denkfehler den digitalen Wandel blockieren. Ditzingen: Philipp Reclam jun. 92 S., 6,00 €.
Es holpert trotz vieler Leuchtturm-Projekte noch gewaltig bei der digitalen Transformation, gerade im Bildungssystem. Wurden langersehnte Tablets endlich bewilligt, liegen sie nun teils ungenutzt ‚in der Ecke‘. „Das Land der Dichter und Denker, das sich selbst gerne für seinen Erfindungsreichtum lobt, scheint es geschafft zu haben, sich selbst systematisch auszubremsen“ (S. 7). So lautet angesichts des aktuellen Stands der Digitalisierung in Deutschland die vernichtende Kritik zu Beginn des bemerkenswerten Essays ‚Träge Transformation‘ von Sascha Friesike, Professor an der Universität der Künste Berlin und Direktor des Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft, und Johanna Sprondel, Professorin für Medien, Kommunikation und Marketing in Stuttgart. Acht Missverständnisse machen sie darin aus, auf welche diese Rückständigkeit zurückzuführen sei, und die somit „den digitalen Wandel blockier[e]“. Ein Auslöser sei eine große Technikhörigkeit, welche die Möglichkeiten der Technik vollkommen überschätze, wenn in ihrer bloßen Anwesenheit die Möglichkeit zur Problemlösung gesehen wird. Gleichzeitig werde Neuem mehr vertraut als Bewährtem. Erfahrung werde mit Vergangenheit assoziiert und in Folge negativ bewertet. Bisweilen werde damit im Zuge digitaler Transformation ein Generationenkonflikt heraufbeschworen: „Junge Menschen sprechen zuweilen erfahreneren Mitarbeitenden ihre Existenzberechtigung ab, weil diese ‚das Digitale‘ nicht verstehen würden. Die Älteren beklagen im Gegenzug, wie wenig Erfahrung man haben muss, um allen Ernstes zu glauben, dass Erfahrung wertlos sei“ (S. 43 f.).
Um im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben, bedarf es eines adäquaten Verständnisses von Digitalisierung und Transformation. Beides werde vielmehr verwechselt, so der Ansatz von Friesike und Sprondel. Es gehe nicht allein darum, Gegenstände oder Strukturen einfach ins Digitale zu überführen oder gar mit kurzfristig ausgelegten Lösungen Problemen zu Leibe zu rücken. Digitale Transformation ist vielmehr ein stetiger, kollaborativer und kontinuierlicher Prozess. Vielmehr gehe es darum, zu reflektieren und „zweckrational zu handeln“.
Das Buch ist ein mutiger Fingerzeig, um den Sand im Getriebe des Digitalisierungsprozesses auf die Spur zu kommen.
Heinrike Paulus: Komplexe Medienwelten einfach erklärt
Theisen, Manfred (2022): Einfach erklärt – Social Media – Cybermobbing – Deine Daten im Web. Bindlach: Loewe, 12,95 €.
Wie lässt sich Heranwachsenden die Welt von Medien, Computer, Internet, Journalismus, Social Media oder Datenschutz verständlich näher bringen? Gedanken dazu hat sich Journalist, Autor und Politologe Manfred Theisen gemacht. Entstanden ist ein gelungenes Sachbuch für Leser*innen ab zehn Jahren. Es ist ein modernes, spritziges und altersgerechtes Kompendium über Medien, Medienkompetenz, Chancen und Gefahren der Internetnutzung und die digitalisierte Welt. Dass gerade letztere nicht immer schwarz-weiß ist, sondern aus durchaus verwirrenden Grauzonen besteht, erklärt Theisen einfach, ohne belehrend zu sein: Seien es In-App-Käufe, die beim Gaming abzocken, oder dass durch Filterblasen oder Echokammern eine Welt entsteht, in der es sich zwar durchaus angenehm leben lässt, in der jedoch irgendwann Engstirnigkeit und Ich-Bezogenheit entstehen. Eindrücklich erklärt der Autor außerdem, wie im Internet manipuliert wird, etwa durch Fake News, Social Bots oder Trolle.
Theisen möchte mit seinem Sachbuch junge Menschen, die gerade kurz vor oder mitten in der Pubertät stecken, für einen verantwortungsvollen Medien umgang sensibilisieren. Doch dafür brauchen sie die Unterstützung Erwachsener, ob in der Familie, der Schule oder der außerschulischen Jugendarbeit. Und gerade deshalb ist das Buch ein generationsübergreifender Ratgeber im Umgang mit Sozialen Medien, Cybermobbing oder den eigenen Daten im Netz. Alles Wissenswerte wird in 15 Themenschwerpunkten aufbereitet: Von Influencer*innen über sichere Passwörter, Urheberrecht, Computerspiele bis hin zum Berufsbild von Journalist*innen. Es gibt quasi kein Thema, das Theisen nicht aufgreift. Und deshalb geht es nicht nur darum, Informationen aus dem Internet zu hinterfragen, sondern ebenso das eigene Mediennutzungsverhalten. Zum Beispiel, wenn man selbst oder andere Probleme mit dem Gaming-, PC- oder Handykonsum hat bzw. haben, oder Mobbing den Alltag bestimmt. Um all diese komplizierten Sachverhalte anschaulich zu erklären, hat der Autor sich den Grafikdesigner und Illustrator Ole Häntzschel an seine Seite geholt für Infografiken etwa zu Cookies, Verschwörungstheorien, Hate Speech und Recherchearbeit für Schulreferate.
Bei der Bandbreite des Werks fehlen auch kuriose oder witzige Details über die digitalisierte Welt nicht, seien es die zehn beliebtesten Emojis oder die Geschichte des @-Zeichens, das im Deutschen Klammeraffe genannt wird oder im Italienischen ‚chiocciola‘ für Schnecke.
Heinrike Paulus: Lebensweltorientierte Medienpädagogik in der Kita
Ob Bilderbuchkino am Laptop oder klingelndes Handy auf dem Spielplatz: Kinder sind im Alltag von einer Vielzahl an Medien – ob digital oder analog – umgeben. Medienkompetenz alters- und entwicklungsangemessen zu fördern, dazu möchte das Medienset ‚Medienerziehung in der Kita‘ animieren und motivieren. Autor Christoph Horner sieht einen großen Bedarf an pragmatischer Beratung. Sie sollte allerdings nicht mit erhobenem Zeigefinder erfolgen, weil „Eltern nicht gerne über ihren familiären Medienalltag sprechen“, konstatiert der studierte Pädagoge und Leiter einer Berufsfachschule für Kinderpflege in München in der Einführung seines gleichnamigen Praxisbuchs. „Sie stehen unter Druck, haben die Befürchtung, zur Projektionsfläche gesellschaftlicher Bewertungen zu werden oder dass Erzieher*innen sie abqualifizieren.“ Eine lebensweltorientierte Medienpädagogik gelte es aus diesem Grund in den Alltag der Familien zu integrieren. Schlussendlich sollen das Wohlergehen und der Schutz der Kinder im Rahmen des pädagogischen Handelns im Fokus stehen.
Die Publikation umfasst deshalb drei Schwerpunktkapitel. Sie widmen sich den Grundlagen der Medienpädagogik, der kindlichen Medienaneignung in Kita und Familie zwischen 0 und 16 Jahren sowie der Medienerziehung und medialen Bildungsangeboten. Zum gesamten Medienset gehören analoge und digitale Inhalte. Online sind Checklisten, Fragebögen etwa zur Reflexion des eigenen Medienverhaltens zum kostenfreien Download verfügbar. In einer Papierbox befinden sich neben dem Praxishandbuch auch Bildkärtchen für die praktische Arbeit. Beides zieren jeweils liebevolle Illustrationen von Manuela Olten. Die Kärtchen mit Diskussions- und Reflexionsfragen sowie Fallbeispielen dienen als Gesprächsimpulse für einen Austausch im pädagogischen Team oder mit Eltern. Durch den starken Bezug zum pädagogischen Alltag liefert das gelungene Praxisset für die praktische Arbeit fundiertes Fach- und Hintergrundwissen, etwa bei der Entwicklung eines Konzepts zur Medienbildung oder der medienpädagogischen Aus- und Weiterbildung. Interessant sind die Materialien daher für Pädagog*innen in Kindergarten, Kinderkrippe, Hort, für Lehrer*innen in der Grundschule, Medienpädagog*innen sowie Mulitplikator*innen und Familien im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich und Schweiz).
Die im medienpädagogischen Grundlagenwerk enthaltenen Erläuterungen zu Medienerziehung und Medienkompetenz basieren auf den wissenschaftlichen Modellen von einschlägigen Expert*innen wie Dieter Baacke, Helga Theunert oder Bernd Schorb. Horner verdeutlicht, dass es nicht ausreichend sei, sich medienpädagogisches Wissen einmalig anzueignen. Vielmehr unterliege es ständigen Veränderungsprozessen und müsse regelmäßig aktualisiert werden: „Das medienerzieherische Handeln muss von Korrekturmöglichkeiten, Veränderungsbereitschaft und Hinterfragbarkeit geprägt sein.“
Horner, Christoph (2021). Kinderschutz: Medienerziehung in der Kita. Basiswissen, Fallbeispiele, Reflexionsfragen und Checklisten für Team- und Elternarbeit. München: Don Bosco. 120 S. und 30 Bildkärtchen, 25,00 €.
Heinrike Paulus: Huber, Wolfgang (2022). Menschen, Götter und Maschinen. Eine Ethik der Digitalisierung. München: C.H. Beck. 207 S., 18,00 €.
Huber, Wolfgang (2022). Menschen, Götter und Maschinen. Eine Ethik der Digitalisierung. München: C.H. Beck. 207 S., 18,00 €.
„Der digitale Wandel ist nicht nur in seiner technischen Dynamik, sondern auch in seiner ethischen Brisanz eine der enormen Herausforderungen unserer Zeit“. Theologie-Professor Wolfgang Huber befasst sich in seiner wissenschaftlich-ethischen Publikation mit einer Ethik der Digitalisierung. Die acht Kapitel sind ein Plädoyer, den Menschen und nicht die Technik in den Mittelpunkt des Diskurses über technische und soziale Entwicklungen der Digitalisierung zu stellen. Verantwortungsbewusstes Handeln angesichts der Digitalisierung ist der rote Faden in Hubers Ausführungen, bei denen er sich unter anderem auf den israelischen Historiker Yuval Noah Harari, den Oxforder Philosophen und Medienkritiker Luciano Floridi oder den Soziologen Max Weber und dessen Verantwortungsethik bezieht.
Der Mensch muss sich verantwortlich wissen, was technische Instrumente bewirken. Ein Tenor: „Die Herrschaft des Menschen über seine Werkzeuge schließt die Verantwortung für die Zwecke ein, denen sie dienen sollen“ (S. 41). Das impliziert unter anderem, dass Kinder mit dem Medienkonsum nicht allein gelassen werden, Mediennutzende die Souveränität über Technologien behalten oder diese zurückgewinnen. Huber arbeitet heraus, dass viele Menschen mit dem von der Digitalisierung vorgegebenen Tempo nicht mehr mithalten können. Er dokumentiert, inwieweit Technologie-Entwicklungen das gesamte Leben in Arbeit und Alltag verändern und dies angesichts des Schutzes der Menschenwürde eine Herausforderung für den medien- sowie digitalethischen Diskurs darstellt. Wie der Umgang mit im Netz zu beobachtenden, sinkenden Hemmschwellen, die mit Cybermobbing, -stalking und Hate Speech in massive digitale Gewalt münden.
1Medientipp dazu: Gespräch mit Andreas Brönte: nachtlinie. Von einer Ethik der Digitalisierung, Mediathek, Bayerischer Rundfunk.
Heinrike Paulus: Noppenberger, Anke/Bohnstedt, Antje (2023): Henry: Handy gut, alles gut? Bilderbuchgeschichten. München: Don Bosco Medien. Bildkarten und Begleitheft, 18,00 €.
Ein eigenes Smartphone besitzen inzwischen etwa sieben Prozent der Kinder im Alter von sechs und sieben Jahren. Rund 54 Prozent sind es bei den Zehn- bis Elfjährigen. Am Beispiel von kleinen, bunten Monstern, etwa Henry und seinem Schokoladen-Handy, wird in der kindgerechten Bildergeschichte erzählt, wie „übermäßiger Spielekonsum auf Kosten des Schlafes, der Aufmerksamkeit und der Leistungsfähigkeit gehen kann“ (S. 7). Die ansprechend illustrierten, großformatigen dreizehn Bildkarten sollen Gesprächsanlässe über den Medienkonsum stiften und zum Erzählen animieren. Sie eignen sich für die pädagogische Arbeit mit Kindern zwischen fünf und zehn Jahren in Kindertagesstätten, Grundschulen oder Familien. Aufgegriffen werden durch die dargestellten Erlebnisse der Monster unter anderem Ängste, die ausgelöst werden, wenn die Kinder mit erschreckenden Inhalten aus dem Internet konfrontiert werden. Ebenso wird auf ein Medienverhalten eingegangen, das sozialen Druck oder Mobbing entstehen lässt oder gar zu einer exzessiven Nutzung führt. Gleichzeitig werden Möglichkeiten für einen maßvollen und bewussten Medienumgang aufgezeigt, damit das Smartphone nicht zum ‚Zeitfresser‘ wird. Im Begleitheft widmet sich Sozialpädagogin und Erzieherin Anke Noppenberger in zwei Schwerpunktkapiteln den Chancen und Gefahren von Smartphones in Kinderhänden. Dabei nimmt sie Bezug auf einschlägige wissenschaftliche Studien und Fachliteratur, was sie auch für medienpädagogische Anfänger*innen oder Lai*innen verständlich erläutert. Der präventive Charakter der pädagogischen Handreichung zeigt sich über die kleine Monster-Geschichte hinaus durch eine Palette von kreativen Ideen. Sie sollen unkompliziert und unterhaltsam das Üben mit dem ersten mobilen Endgerät und den Alltag damit erleichtern: Sei es durch einen altersgerecht verständlichen Vertrag, um die Nutzungsdauer des Handys zu regeln, oder das Gestalten einer Ruhebox für das Gerät während der medienfreien Zeit.
Heinrike Paulus: Von Gutenberg bis Newsdesk. Neuer Teilbereich zu Medien und Journalismus im digitalen Zeitalter im Museum für Kommunikation in Nürnberg
Ob mit der gedruckten Tageszeitung gemütlich am Frühstückstisch oder mit dem Smartphone beim Warten auf den Bus: Jede*r kann sich inzwischen von nahezu überall aus informieren, was in der Welt passiert. Je mehr Angebote via Smartphone, Printmedien, Radio oder Fernsehen allerdings zur Verfügung stehen, desto schwieriger wird es, sich umfassend und wahrhaftig auf dem Laufenden zu halten. Spannende Einblicke zur Nachrichtenproduktion oder der Arbeit von Journalist*innen gewährt seit diesem Frühjahr eine neue Abteilung zu Medien und Journalismus in der Dauerausstellung des Museums für Kommunikation in Nürnberg. Unter dem Motto ‚Wie kommt Neues in die Welt?‘ ist auf rund 60 Quadratmetern zu sehen, wie rasant technologische Umbrüche den Wert von Nachrichten verändert und zu einem Wandel in der Berichterstattung geführt haben. Stehen doch auf Smartphone oder Tablet inzwischen in Echtzeit permanent Informationen zur Verfügung. Die Palette reicht dabei von Online-Angeboten klassischer Zeitungsverlage und Sendeanstalten über Nachrichtenportale bis hin zu Social-Media-Kanälen wie Facebook, TikTok oder Instagram, die immer mehr zur Informationsquelle werden. „Somit ist die Nachrichtenproduktion nicht mehr an einen festen Veröffentlichungszeitraum gebunden. Sie wird schnelllebiger, weil jetzt nahezu sekündlich veröffentlicht wird“, sagt Michael Graßl. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Journalistik mit Schwerpunkt Innovation und Transformation der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Die Hochschule gehört zu jenen Kooperationspartner*innen, mit denen das Museum für Kommunikation in den letzten Jahren zusammengearbeitet hat, um die Abteilung auf den aktuellen Stand der Forschung zu bringen. Beteiligt waren an der Neukonzeption der Abteilung auch Studierende der KU Eichstätt. „Wir sind sehr glücklich über die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Museum für Kommunikation in Nürnberg, das uns nach unserer wissenschaftlichen Grundlagenarbeit weiterhin permanent in die architektonische und medienpädagogische Neukonzeption der Dauerausstellung miteinbezogen hat“, so Graßl. Bereits im Sommer 2021 produzierten Studierende für den Podcast newsdesk insgesamt zehn fundiert journalistisch und mediendidaktisch aufbereitete Episoden in Kooperation mit dem Museum. In Beiträgen und Interviews berichten Journalist*innen und Expert*innen über ihre Erfahrungen, ihren Arbeitsalltag oder erläutern Fachbegriffe. Einige Podcast-Folgen können auch in der Ausstellung angehört werden. „Wir wollen vermitteln, welch wichtiges Gut demokratischer und professioneller Journalismus ist“, erklärt Museumsdirektorin Annabelle Hornung zur von der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern geförderten Präsentation. Eine Station widmet sich daher auch der Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen. „Wir informieren über die Arbeit der Organisation und ihre Ziele. Gleichzeitig können Besucher schätzen, wie es um die Pressefreiheit steht und sich darüber informieren, wie man sich für Pressefreiheit engagieren kann.“ Herzstück der neuen Präsentation ist eine Vitrine. Zu sehen sind darin unter anderem eine Schreibmaschine, ein Tonbandgerät und das erste internetfähige Handy. Die Objekte sollen den Museumsbesuchenden erläutern, was der technische Wandel seit den 1980er-Jahren bis in die Gegenwart für Medienmachende bedeutet. Zu ihnen gehören inzwischen nicht nur Journalist*innen, sondern auch Influencer*innen. Sie produzieren für ihre Kanäle in den Sozialen Netzwerken zum Beispiel Videobotschaften, um so ihre Follower*innen zu informieren. Die Ausstellung blickt auch zurück in die Mediengeschichte. Schon im Lauf der Jahrhunderte hat sich Medien- und Nachrichtenkommunikation stark verändert und weiterentwickelt, wie ein Zeitstrahl anschaulich erläutert. Auf ihm fehlen weder der Erfinder des Buchdrucks Johannes Gutenberg im 15. Jahrhundert noch das Internet, das in den 1990er-Jahren kam, um zu bleiben. Berücksichtigt werden auch einschneidende Medienereignisse, darunter der Untergang des Luxusdampfers Titanic 1912. Damals zeugten noch Holzschnitt-Bilder in den Zeitungen von der Katastrophe. Ein wenig dürfen sich die Besuchenden selbst auch als Journalist*innen fühlen, wenn sie etwa mittels Künstlicher Intelligenz eigene Titelseiten gestalten. Mitmach-Stationen wie diese sollen der eigenen Medienkompetenz auf die Sprünge helfen. So kann jede*r ihr*sein Wissen zum Pressekodex testen oder Falschnachrichten entlarven. Auf diese Weise wollen die Ausstellungsmachenden bei den Besucher*innen ein Bewusstsein dafür schaffen, wie sich Nachrichten und Informationen zum Beispiel quellenkritisch prüfen und einordnen lassen. „Ganz wichtig war uns, in allen Bereichen die Vermittlung von Medienkompetenz mit in den Fokus zu nehmen“, erklärt Hornung den Bildungsauftrag der neuen Abteilung. „Wir wollen auch vermitteln, dass es guten Journalismus nicht umsonst gibt: sich zu informieren bedeutet immer entweder mit Geld oder Daten zu bezahlen. Es gibt also in dem Sinne keine direkten Tipps, aber genug Anregungen, sich zu fokussieren auf wenige vertrauensvolle Kanäle.“
Zur Ausstellung: https://mfk-nuernberg.de/ journalismus
Zum Podcast newsdesk: https://mfk-nuernberg.de/ newsdesk-podcast
Heinrike Paulus: Geier, Fabian/Rosengrün, Sebastian (2023): Digitalisierung. Die 101 wichtigsten Fragen. München: Verlag C.H.Beck. 160 S., 14,00 €
Die ‚eine‘ Digitalisierung gibt es nicht. Das veranschaulichen 101 Antworten zu mannigfaltigen Fragen der beiden Philosophen Fabian Geier und Sebastian Rosengrün. Die beiden Autoren plädieren dafür, die Digitalisierung nüchtern zu betrachten: „Wann und wo ist Digitalisierung sinnvoll? Welche Vorteile entstehen, welche Nachteile, welche Abhängigkeiten?“ (S. 35). Dabei richten sie sich auch ausdrücklich an die Lesenden selbst: „Fangen Sie damit an“, appellieren sie etwa, als es um den Schutz der Privatsphäre online geht. Die Digitalisierung ist weder Dämon noch Heilsbringer, das wird im Zuge der Lektüre deutlich. Der Mensch muss bei der Digitalisierung im Mittelpunkt stehen. So braucht es klare Regeln und Sanktionen für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Das ist eine der essenziellen Botschaften der jeweilig in sich schlüssigen über hundert Kurzkapitel. Hier verknüpfen die Autoren unterhaltsam technische, gesellschaftliche und politische Hintergründe mit ethischen Reflexionen. In zwölf Schwerpunkten widmen sie sich etwa Themen wie Digitalgeschichte, Sicherheit, Algorithmen, Digitalwirtschaft oder digitaler Lebenswelt. Dort geben sie Einblicke in Programmiersprachen oder diskutieren, wie neutral Plattformen sein sollten. „Es geht um die Bildung des Urteilsvermögens“, schreiben die beiden Wissenschaftler in ihrem Vorwort (S. 11). Die Technikphilosophen wollen zum Verstehen und Nachdenken anregen, um so einen reflektierten und souveränen Umgang mit KI und Digitalisierung zu ermöglichen. Gleichzeitig wollen sie Lust auf Technik und Digitalisierung wecken. Das leicht zu lesende Sachbuch ist dabei nicht, wie man vermuten möchte, hochwissenschaftlich abgehoben. Selbst technische und philosophische Lai*innen können daraus ebenso Erkenntnisse gewinnen wie auch Expert*innen. Gerade deshalb eignet sich der Band, der technisches Wissen und angewandte ethische Reflexion verknüpft, als Lektüre sowie digital- und medienethisches Nachschlagewerk für den medienpädagogischen Alltag.
Heinrike Paulus: KI - Immer und Überall?
Zahn, Angelika/ Hesse, Lena (2023): Was ist Künstliche Intelligenz? Wo sie uns im Alltag begegnet und wie sie funktioniert. Weinheim/ Basel: Beltz & Gelberg. 90 S., 16,00 €.
Von klein auf begegnen Kinder in ihrem Alltag bereits Künstlicher Intelligenz (KI) und Algorithmen. In einem verständlichen Kinderbuch erklärt Autorin und Journalistin Angelika
Zahn, wie KI funktioniert. Gezeigt wird, wie ein Tagesablauf vom Aufstehen und Zähneputzen bis zum Ins Bett gehen etwa durch diverse Apps durchgetaktet sein kann. Nicht immer muss KI als Roboter daherkommen, sie steckt auch im Smartphone oder inzwischen sogar im Kühlschrank. Erzählt wird auch die Geschichte der KI, angefangen beim Mathematiker Alan Turing in den 1930er-Jahren über einen Schachcomputer, der einen Schachweltmeister bezwingen konnte, bis hin zum Durchbruch von Sprachassistenten. Altersgerechte Erklärtexte vermitteln Kindern ab acht Jahren die Welt von Künstlicher Intelligenz: Was genau ist eigentlich ein Algorithmus? Wie wird KI die Arbeitswelt verändern? Welche Gesetze sind für einen verantwortungsbewussten Umgang erforderlich? Wie kann KI für Schule und Lernen oder für Gesundheit und Medizin genutzt werden? Herzstück des Bandes sind die farbenfrohen und fröhlichen Illustrationen, die an kleine Comics erinnern und Szenen aus dem Alltag von Heranwachsenden und Erwachsenen abbilden. Bei der Lektüre, ob in Kindertagesstätte, Schule oder Familie, erinnert das Buch an einen Mix aus Lach- und Sachgeschichten. Es eignet sich, um Kindern Informationen für einen immer smarteren und digitalen Alltag zu vermitteln. Chancen und Herausforderungen der KI, die schon seit geraumer Zeit in einschlägigen medienwissenschaftlichen und medienpädagogischen Publikationen sowie Sachbüchern für Erwachsene diskutiert werden, sind nun auch für Kinder verständlich zwischen zwei Buchdeckeln erschienen. Handelt es sich bei KI doch um eine Technik, die zukünftig unsere Gesellschaft vermutlich mehr verändern wird, als wir es heute schon vorausahnen können. Viel Gutes für die Menschheit könne KI bringen, prognostiziert Autorin Angelika Zahn in ihrem Fazit. Jedoch knüpft sie dies an eine Bedingung: „Vorausgesetzt, sie wird klug und verantwortungsvoll eingesetzt“ (S. 90).
Heinrike Paulus: Burow, Olaf-Axel (2024): Mit KI zu leidenschaftlicher Bildung. Ein Manifest. Weinheim, Basel: Beltz. 137 S. 22,00 €
Eigentlich hofften viele, das althergebrachte Bildungssystem würde durch die Herausforderungen der Corona-Pandemie endlich im digitalen Zeitalter angekommen sein. Unterhält man sich mit Lehrer*innen über immer noch fehlendes WLAN an Schulen und liest noch dazu das Manifest des Bildungswissenschaftlers Olaf-Axel Burow, wird man eines Besseren belehrt.
Im November 2022 wurde ChatGPT für die Öffentlichke
it zugänglich. Spätestens durch solche neuen Entwicklungen sind Veränderungen im Bildungs- und Schulwesen nicht mehr aufzuhalten und mehr denn je notwendig. Der KI-Chatbot verfasst in kürzester Zeit Texte, kennt auf Knopfdruck Antworten auf viele Fragen und liefert so Lösungen für Arbeitsaufgaben im Lernalltag – vom Deutschaufsatz bis zum Biologiereferat. Doch bis jetzt sind die so vorgeschlagenen Konzepte noch immer nicht ganz fehlerfrei. Lernen mit digitalen Medien wird bisherige Lern- und Lehrroutinen in der Schule somit durchbrechen. Zeitgemäßes Lernen wird mehr denn je auf „Kollaboration, Kreativität, kritisches Denken und Kommunikation“ angewiesen sein (S. 8). Der Autor (‚Positive Pädagogik‘ und ‚Digitale Dividende‘) bezieht sich bei seiner Feststellung in seiner jüngsten Publikation auf das Modell der 4K-Kompetenzen des OECD-Bildungsdirektors Andreas Schleicher.
In Bezug auf KI sieht Burow in der Folge in den auf das Bildungssystem zukommenden Veränderungen insbesondere Chancen, die den „Abschied von der aus dem Zeitalter des Industrialismus stammenden Massenpädagogik“ (S. 8) einläuten:
„Kreativ eingesetzt, ermöglichen auf KI basierende digitale Assistenzsysteme nicht nur passgenauere Unterrichts- und Trainingshilfen, sondern sind längst in der Lage, Lehrkräfte von Routinetätigkeiten zu entlasten, so dass sie mehr Zeit für die wichtige Interaktion mit SchülerInnen sowie individuelles Lerncoaching haben“ (S. 9 f.).
Anregungen für das Lehren und Lernen in digitalen Zeiten gibt es viele, doch sie werden zu wenig genutzt und eingesetzt. Das ist ebenfalls eine Quintessenz des fünf Kapitel umfassenden Manifests. Der Autor berät Bildungseinrichtungen im In- und Ausland und DAX-Unternehmen in Change-Prozessen, er war Professor für Allgemeine Pädagogik in Kassel und forscht und publiziert seit vier Jahrzehnten zu Zukunftsfragen der Bildung.
Seiner Auffassung nach beachtet der standardisierte Unterricht zu wenig die individuellen Persönlichkeiten der Schüler*innen. Zu sehr wird auf vergleichbare Leistungen gesetzt, viel zu wenig auf individuelle Neigungen. Es werde darüber hinaus zu sehr an überkommenen Routinen festgehalten.
Daher verbinden Heranwachsende oft negative Gefühle mit der Schule. Oft entstehen diese 91 schon bei der Einschulung, bei der die Kinder „nach Alterskohorten sortiert, in anregungsarmen Klassenzimmern“ (S. 11) landen.
Leidenschaft ist für Burow ein Schlüssel zum Lernerfolg. Das Lernen dürfe sich nicht wie harte Arbeit anfühlen: „Lernfreude, Veränderungsbegeisterung, ja Leidenschaft sind gefordert, wenn wir etwa zum Aufbau eines Bedürfnisses nach »lebenslangem Lernen« beitragen wollen“ (S. 17). Wählen Heranwachsende ihre eigenen Ziele, können sie ihr Lerntempo selbst bestimmen und sind zu größeren Anstrengungen bereit. Burow nimmt dabei Bezug auf Bildungswege berühmter Persönlichkeiten, darunter Basketball-Champion Dirk Nowitzki oder Bauhaus-Begründer Walter Gropius.
Ebenso befasst sich der Autor größtenteils differenziert mit dem kreativen Einsatz von KI und ChatGPT, ohne dabei pessimistisch oder euphorisch zu sein. ChatGPT könne „ein nützliches Werkzeug im Schul- und Unterrichtskontext sein“ (S. 93). Zu dieser Einschätzung kommt der Bildungswissenschaftler jedoch nicht nur selbst. Vielmehr hat er hierzu selbst ChatGPT befragt und innerhalb weniger Sekunden Antworten zu etwaigen Vorteilen und Nachteilen erhalten.
ChatGPT und KI können laut Burow, was Schule und Unterricht anbelangt, „als Gamechanger, die bisherigen Vorgehensweisen grundlegend infrage stellen“ (S. 90). Das reine Auswendiglernen und Wiedergeben von Wissen scheint in vielen Lernsituationen überholt zu sein, was er als „Abschied von der alten Pauk- und Repetierschule“ (S. 114) versteht. „Wenn wir ChatGPT in der Hoffnung nutzen, Anregungen für die Gestaltung der Zukunft – in unserem Fall für Zukünfte von Schule und Lernen – zu erhalten, müssen wir uns klar machen, dass das System Aussagen über die Zukunft nur aus Daten der Vergangenheit zusammenstellt“ (S. 102). Immer mehr müsse daher die Kollaboration oder gar der „Wettlauf zwischen Mensch und Maschine“, wie Burow es nennt, in den Blick genommen werden (S.123). Letztere ist schlussendlich bereits jetzt in der Lage, innerhalb weniger Sekunden Rechenzeit beispielsweise Textentwürfe vorzulegen. „In Würdigung dieser durchaus trivialen Leistung“, schreibt Burow angesichts der Textvorschläge für ein etwaiges „Manifest für leidenschaftliche Bildung“, „muss ich anerkennen, dass ChatGPT schon in seiner derzeitigen Form ein hilfreicher Assistent, vielleicht sogar eine Art virtueller Synergiepartner ist“ (S. 123). Daher fordert er seine Leser*innen direkt auf, sich ein eigenes Manifest zu überlegen.
ChatGPT und KI sind sicherlich nicht das Patentrezept, um das Schulsystem wieder in der Zeit angemessene Bahnen zu lenken. Doch bei der Lektüre wird deutlich, dass es mit den bisherigen eingefahrenen Bahnen nicht weitergehen kann, dass es aber auch große Anstrengungen braucht, um Veränderungen herbeizuführen. Burows Manifest ist daher auch ein leidenschaftlicher Impuls für einen ebenso leidenschaftlichen Diskurs.
Heinrike Paulus arbeitet freiberuflich als Journalistin. Ihre Schwerpunkte sind Themen der Bereiche Kultur und Literatur, Kommunikation und Medien, Wissenschaft und Bildung sowie Religion. Darüber hinaus ist sie im Kulturmanagement und als Medienpädagogin tätig.
Burow, Olaf-Axel (2024): Mit KI zu leidenschaftlicher Bildung. Ein Manifest. Weinheim, Basel: Beltz. 137 S. 22,00 €
Heinrike Paulus: Unrealistische Körperbilder im Netz
Jugendliche suchen sich häufig Vorbilder wie Influencer*innen, um ihre Identität oder das eigene Körperbild zu festigen. Vermeintlich perfekte Körper prägen so ihr Verständnis von Schönheit und beeinflussen Körpergefühl und -wahrnehmung. Die zehnseitige Broschüre Schönheitsideale im Internet. Tipps für selbstbewussten Umgang mit Schönheitsidealen in virtuellen Welten von Internet Service Providers Austria (ISPA) klärt über unrealistische Körperbilder auf und gibt praktische Hinweise zu Selbstwahrnehmung und -akzeptanz.
Niedrigschwellig werden der Schönheitsbegriff, Filteralgorithmen, sexualisierte Darstellungen und gesundheitsgefährdende Körperbilder reflektiert. „Besonders in der vulnerablen Phase des Erwachsenwerdens sollte die Stärkung des Selbstbewusstseins Priorität haben“, heißt es in einem Erklärtext. Zudem enthält die Broschüre für Familien, Lehrer*innen oder Pädagog*innen Tipps und Informationen, wie sie Jugendliche unterstützen können.
Obwohl vielen Heranwachsenden bewusst ist, dass die unrealistischen, idealisierten Körperbilder von beispielsweise Influencer*innen auch durch den Einsatz von Bildbearbeitungssoftware und Filter entstehen, eifern viele diesem Ideal nach. Dazu kommen von KI erzeugte Fotografien. Oft lastet auf Heranwachsenden ein großer Druck, den sie zu kompensieren versuchen, indem sie selbst Videos und Bilder durch Filter idealisieren. Vor diesem Hintergrund erhalten Jugendliche in der Handreichung wertvolle Hinweise, wie sich die Selbstakzeptanz fördern lässt. Die Handreichung basiert auf einer Studie zu Schönheitsidealen, die 2024 vom Institut für Jugendkulturforschung und Kulturvermittlung im Auftrag des Österreichischen Institut für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) und der ISPA im Rahmen der EU-Initiative Saferinternet.at durchgeführt wurde (siehe merz 24-2).
https://ispa.at/wissenspool/ broschueren
Heinrike Paulus: Weinert, Frederik (2019). Hilfe, mein Kind ist ein Smombie. Unsere Kids im digitalen Rausch. Baden-Baden: Tectum. 215 S., 20,00 €.
Eines ist klar: Nur weil Kinder mit digitalen Medien aufwachsen, heißt es noch lange nicht, dass sie dafür Expertinnen und Experten sind. Selbst wenn sie alle technischen Feinheiten ihres Smartphones beherrschen, müssen sie nicht unbedingt verantwortungsbewusst damit umgehen. Mobile Endgeräte verändern, wie wir kommunizieren, aber auch unser menschliches Zusammenleben. Smombies („Smartphone“ und „Zombie“) werden Mediennutzende genannt, die sich so stark ablenken lassen, dass sie ihre Umgebung kaum noch wahrnehmen. Ein realistisches oder eher überzeichnetes Bild?
In Hilfe, mein Kind ist ein Smombie sucht Weinert Erklärungen für das Medienverhalten Heranwachsender. Dazu verknüpft er Medienpädagogik, Medien- und Kommunikationswissenschaftensowie Medienlinguistik, analysiert Soziale Netzwerke, Messenger-Dienste inklusive Streaming- Portale und interviewt Expertinnen und Experten, Influencerinnen und Influencer sowie Eltern. Dabei bedient er sich Methoden der Sprachwissenschaft und erklärt unter anderem die Gamersprache. Auch unternimmt er Selbstversuche, indem er etwa selbst in die Spielewelt eintaucht. Der Band beschreibt die Medienkindheit ebenso wie das von digitalen Medien geprägte Gefühlsleben Jugendlicher – vom Flirtverhalten bis zum Ghosting. Am Beispiel eines Bloggers und einer Influencerin arbeitet er heraus, wie heute digitale Karrieren entstehen können. Daneben nimmt er Gefahren von Spielsucht und Gewalt in den Blick.
Seine Erkenntnisse vermittelt Weinert auf eine Weise, wie man sie aus dem Boulevardjournalismus kennt, um die digitale Welt allgemeinverständlich zu erläutern. Zugleich sind humorvolle und provozierende Seitenhiebe spürbar, die der Selbstreflexion dienen sollen. Die Publikation ist Eltern und pädagogischen Fachkräften zu empfehlen, die leicht zu lesende, medienerzieherische Impulse erhalten möchten. So erfahren sie, welchen potenziellen Herausforderungen Kinder ausgesetzt sind, die von ihnen häufig unterschätzt oder sogar nicht erkannt werden. hp
Heinrike Paulus: Lepold, Marion/Ullmann, Monika (2018). Digitale Medien in der Kita. Alltagsorientierte Medienbildung in der pädagogischen Praxis. Freiburg im Breisgau: Verlag Herder. 160 S., 20,00 €.
Die Digitalisierung prägt die heutige Erfahrungs- und Lebenswelt von Kindern bereits in den ersten Lebensjahren. Allein schon über die intuitiv bedienbare Oberfläche eines Tablets erobern sie sich mühelos ihre digitale Welt. Gleichzeitig gab es noch nie so viele verschiedene Möglichkeiten zur Information, Kommunikation oder Unterhaltung. Deshalb müssen Kinder früh auf die Medienwelt vorbereitet werden. Intensiv und teilweise emotional wird derweil der Einsatz digitaler Medien in Kindertageseinrichtungen von pädagogischen Fachkräften und Experten, Eltern sowie Erziehenden diskutiert.
Mit Blick auf die gegenwärtige medienpädagogische Forschung widmen sich die Sozialpädagogin Marion Lepold und die Montessori-Pädagogin Monika Ullmann intensiv den Themenbereichen Medienumgang, Medienaneignung sowie Medienkompetenz im Kindesalter. Schwerpunkt ist zudem, inwieweit Kindertagesstätten auf die digitale Gesellschaft und digitale Medien reagieren müssen, um diese altersgerecht in ihrer pädagogischen Arbeit einsetzen zu können.
Für eine aktive Medienarbeit mit Kindern werden dabei beispielhaft Projekte wie unter anderem Videodreharbeiten oder Foto-Memorys vorgestellt. Der Band zeichnet sich durch seine hochaktuelle Praxisorientierung aus und intendiert gleichzeitig die Ausbildung und Förderung von Medienkompetenz bei Kindern und deren Eltern sowie pädagogischen Fachkräften. Dies spiegelt sich auch im von Marion Lepold und Monika Ullmann aufgezeigten pädagogischen Beispielkonzept wider, das für Neueinsteigerinnen und -einsteiger im Bereich Medienbildung besonders gewinnbringend ist. In einem solchen Konzept kann jede Einrichtung ihr medienerzieherisches Profil und die damit verbundenen Ziele verankern. Fundiert erläutern die Autorinnen in diesem Zusammenhang, wie sich etwa digitale Medien in der Kindertageseinrichtung implementieren oder Medienleitlinien entwickeln lassen. Ihr Band ist deshalb als geeignete Starthilfe in die medienpädagogische Arbeit allen pädagogischen Fachkräften sowie all jenen zu empfehlen, die sich mit dem Medieneinsatz und den dafür erforderlichen Rahmenbedingungen in Kindertageseinrichtungen befassen möchten.
hp
Heinrike Paulus: Fleischer, Jane (2018). Erwachsenwerden als Prozess mediatisierter Sozialisation. Wie junge Menschen mit Hilfe online verfügbarer Informationen eigene Entwicklungsaufgaben bearbeiten. Baden-Baden: Nomos. 356 S., 64 €.
Jugendliche und junge Erwachsene eignen sich aktiv Informationen aus dem Netz an, um Entwicklungsaufgaben wie etwa die Loslösung vom Elternhaus zu bewältigen. Im Verhältnis zu früheren Generationen hat sich der Verlauf dieser Lebensphase gewandelt: Mehr denn je müssen sie ihr Leben selbstverantwortlich planen, sei es etwa im Hinblick auf das Berufsleben oder die Gründung einer eigenen Familie. Zugleich kommt aufgrund fehlender Medienkompetenz bei den jungen Menschen die kritische Reflexion des eigenen Medienhandelns zu kurz.
Zu diesen Ergebnissen kommt Jane Fleischer in ihrer Forschungsarbeit Erwachsenwerden als Prozess mediatisierter Sozialisation. Ihr Hauptaugenmerk legt sie dabei auf die Omnipräsenz digitaler Medien und inwieweit diese jungen Menschen im Übergang zum Erwachsenenalter Orientierung bieten und Informationen liefern. Ausgehend vom Konzept der mediatisierten Sozialisation untersucht sie dies mit Hilfe eines explorativen, multi-methodischen Ansatzes. Durch die Kombination von Beobachtungs- und Befragungsdaten bietet Fleischer unter anderem einen Einblick in Prozesse der Informationsaufnahme, -selektion und -bedürfnisse Jugendlicher und junger Erwachsener.
Vor diesem Hintergrund richtet sich der Band vor allem an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Bereichen Medien- und Kommunikationsforschung, Medienpädagogik, Soziologie und Erziehungswissenschaft. Mit ihrer Arbeitet leistet Fleischer, die schon an der Universität Augsburg und der Technischen Hochschule Nürnberg lehrte und forschte, einen wertvollen Beitrag zur gegenwärtigen wissenschaftlichen Reflexion der Mediensozialisation und -pädagogik. Für all jene, deren berufliche Aufgabe es ist, mit Heranwachsenden zu arbeiten, ist ihre Forschungsarbeit ein notwendiger Appell, zu überlegen, wie diese auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden unterstützt werden können. Allerdings bleibt in dieser Studie offen, wie dies nachhaltig in der pädagogischen Praxis umgesetzt werden kann. hp
Heinrike Paulus: van Ackeren, Isabell/Kerres, Michael/Heinrich, Sandra (Hrsg.) (2018). Flexibles Lernen mit digitalen Medien ermöglichen. Strategische Verankerung und Erprobungsfelder guter Praxis an der Universität Duisburg-Essen. Münster: Waxmann Verlag
Ein Studium ohne Computer und Internet ist heute nicht mehr vorstellbar: Vielfach erfolgt etwa die Kommunikation zwischen Lehrenden und Studierenden per Mail und Lernmaterialien sind größtenteils nur noch online verfügbar. Wie verändern sich in der Folge Lehr- und Lernprozesse an Hochschulen durch die Digitalisierung? Wie können die daraus resultierenden Chancen im alltäglichen Hochschulbetrieb genutzt werden?
Diesen Fragen geht der Sammelband Flexibles Lernen mit digitalen Medien ermöglichen nach. Grundlage hierfür bildet die seit 2010 entwickelte E-Learning-Strategie der Universität Duisburg-Essen. Im Rahmen von Pilotprojekten werden zahlreiche E-Learning-Formate getestet, darunter das Lernen mit Lernplattformen oder die Verbindung von Online- und Präsenzveranstaltungen. Erfolgreiche Projekte setzen dadurch Impulse für eine nachhaltige Prüfungsvorbereitung und die Hochschullehre an allen Fakultäten. Deutlich wird dabei, dass die Digitalisierung der Hochschulbildung alle Arbeitsbereiche der Hochschule tangiert und einen umfassenden und längeren Transformationsprozess erfordert.
Der Sammelband umfasst interdisziplinäre Beiträge und Erfahrungsberichte etwa aus den Bereichen der Soziologie, Wirtschaft, Mathematik, Naturwissenschaft, Medizin und Lehrerbildung. Die vorgestellten Beispiele einzelner E-Learning-Formate werden in Hinblick auf ihr Konzept, ihre praktische Durchführung sowie die daraus gewonnenen Erkenntnisse aus interdisziplinär-forschungswissenschaftlicher Perspektive vorgestellt und in ihrer jeweiligen Ausgangssituation verortet. Durchaus wünschenswert wäre es, wenn die Autorinnen und der Autor auch die Nachteile des E-Learnings in der Hochschullehre berücksichtigt hätten. All jenen, die im Bereich Mediendidaktik oder als Forschende und Dozierende an Hochschulen tätig sind, liefert der Sammelband dennoch neben wissenschaftlichen Hintergründen auch Strategien, etwa für Kursplanung und Lehrpraxis sowie onlinebasiertes wissenschaftliches Arbeiten. hp
Heinrike Paulus: Schaumburg, Heike/Prasse, Doreen (2019). Medien und Schule. Theorie – Forschung – Praxis. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt. 288 S., 19,99 €.
Ein Blick in die Geschichte der Medienpädagogik zeigt: Im Unterricht sind Medien seit jeher allgegenwärtig und notwendig, angefangen beim Buch über den Film bis zu den konvergierenden Medien wie Tablet oder Smartphone. Zugleich ist Medienbildung eine essenzielle Aufgabe der Schule. Unerlässlich ist es heute, Schülerinnen und Schülern auf ein selbstbestimmtes und verantwortliches Handeln in der Medienwelt vorzubereiten. Als zentralen Akteure der Medienintegration müssen Lehrkräfte daher über Innovationsbereitschaft sowie medienerzieherische und mediendidaktische Kompetenz verfügen. Heike Schaumburg und Doreen Prasse erläutern in ihrer Publikation Konzepte wie die der Medienbildung, Medienkompetenz und schulischen Medienerziehung unter Berücksichtigung internationaler Studien. Daneben stellen sie medienpädagogisches (Grundlagen-)Wissen verständlich und strukturiert dar. In sechs mehrfach untergliederten Kapiteln werden Theorien und Befunde zur Nutzung, emotionalen Wirkungsweise und zu Potenzialen und Risiken von (digitalen) Medien zusammengetragen. Dabei konzentrieren sich die Autorinnen auf die von Digitalität durchdrungene Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen. Neben den Nutzungsweisen Heranwachsender richten sie ihr Augenmerk auch darauf, wie digitale Medien gewinnbringend im Unterricht genutzt und zugleich medienbezogene Kompetenzen fachintegriert vermittelt werden können. Den Leserinnen und Lesern werden praxisrelevante Hinweise für einen pädagogisch angemessenen Umgang mit Medien an die Hand gegeben, etwa zur Arbeit mit iPads, Web Quests oder Entwicklung einer Handyordnung an der Schule. Besonders hilfreich je Kapitel sind die kompakten Infokästen zu relevanten Theorien, Definitionen, Studien oder Praxisbeispielen, welche ergänzt werden durch strukturierte Schaubilder oder tabellarische Übersichten. Das wissenschaftliche Studienbuch richtet sich an alle, die sich für Schule und Medien interessieren, insbesondere an Lehrerinnen und Lehrer aller Schularten sowie Lehramtsstudierende, deren zukünftiger Berufsalltag mehr denn je vom digitalen Lernen geprägt ist.
Heinrike Paulus: Toman, Hans (2018). Perspektiven der aktiven Medienarbeit im Projektunterricht. Merkmale, Methoden, Kompetenzen, Szenarien und Perspektiven. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. 269 S., 24,00 €.
Eine der wichtigsten Methoden der Medienpädagogik ist die aktive Medienarbeit. Dadurch lässt sich individuelle Medienkompetenz nicht nur erlernen, sondern auch festigen und weiterentwickeln. Einen wichtigen Beitrag leistet dabei eine kritische und kreative Nutzung von Medien im projektbezogenen Unterricht. So lassen sich auch realitätsnahe und sozialorientierte Themen mit Hilfe von Medien bearbeiten. In seinem aktuellen Band zeigt Hans Toman, wie Schülerinnen und Schüler durch eine realitätsnahe, im Projektunterricht gestaltete aktive Medienarbeit lernen, sich medial im gesellschaftlichen Diskurs zu artikulieren und so ihre eigene Sichtweise einzubringen. Der Autor greift verschiedene Themenbereiche wie etwa Sport und Medien oder Kinder und Medien auf, die sich durchaus mittels aktiver Medienarbeit erörtern lassen. Der neun Kapitel umfassende Band widmet sich intensiv den Facetten von Projektunterricht sowie -methoden und setzt sich mit medienwissenschaftlichen Grundlagen, aber auch mit Merkmalen der aktiven Medienarbeit auseinander, die durch praxisrelevante Projekte und Szenarien ergänzt werden. In einem gesonderten Kapitel ergründet Toman ebenso das bildungspolitische Thema Inklusion und zeigt, wie diese mit aktiver Medienarbeit unterstützt werden kann. Der Band ist als eine medienpädagogische Bestandsaufnahme zu verstehen, die fundiert relevante Themen der Medienpädagogik anspricht, an manchen Stellen jedoch die aktive Medienarbeit etwas aus dem Blick verliert. Den noch gelingt es, praxisbezogene Hinweise mit den gängigen theoretischen Grundbegriffen der Medienpädagogik zu verknüpfen. Das Glossar könnte gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung allerdings einige Begriffe mehr umfassen. Dennoch ist der Band ein idealer Unterrichtsbegleiter für Lehrkräfte aller Schularten und Jahrgangsstufen, Studierende der verschiedenen Lehrämter sowie Medienpädagoginnen und -pädagogen.
Heinrike Paulus: von Gehlen, Dirk (2018). Gebrauchsanweisung für das Internet. München: Piper Verlag. 217 S., 15,00 €.
Ist Heimat da, wo sich das WLAN automatisch verbindet? Oder ist das Internet selbst schon Heimat? Wie muss man sich eigentlich dieses Internet vorstellen? All diesen Fragen und mehr geht der Journalist und Medienwandel- Experte Dirk von Gehlen nach. Sein Buch richtet sich daher an jene, die zwar Grundlegendes zur Anwendungen des Internets besitzen, aber noch mehr etwa über dessen Mediengeschichte oder physische Grundstruktur erfahren wollen. Wertvolles Hintergrundwissen wird in Gebrauchsanweisung für das Internet vermittelt, das Mediennutzerinnen und -nutzer aller Generationen in ihrer Medienkompetenz stärken kann und somit eine geeignete Quelle auch für alle Aktive im Bereich der Medienbildung darstellt. Für von Gehlen ist das Internet ein großer Kontinent und gleichsam ortloser Ort, den es zu erkunden und zugänglich zu machen gilt. Seine Leserinnen und Leser nimmt er in seinem gut recherchierten Buch mit auf eine spannende Reise – selbstbestimmt und angstfrei sollen sie davon zurückkommen. Bezüge zum Alltag machen das vermittelte Wissen anschaulich: So vergleicht er die Passwörter von E-Mail-Postfächern oder zahlreichen Benutzerkonten mit der eigenen Zahnbürste. Beide wechselt man regelmäßig und gibt sie nicht weiter. Mit unterhaltsamen Beispielen wie diesem und auch sachlich fundierten Darlegungen erläutert von Gehlen die gesellschaftlichen, politischen und technischen Mechanismen und Prinzipien des Internets. Dabei widmet er sich nicht nur dem, was auf dem Bildschirm von Tablet, Smartphone und Laptop geschieht, sondern auch der technischen Infrastruktur. In 21 Kapiteln geht der Autor etwa dem digitalen Dialekt in der Emoji- Nutzung auf den Grund, stellt eine Typologie der Nutzerinnen und Nutzer auf oder zeichnet deren Gepflogenheiten nach. Zugleich widmet er sich auch medienpädagogischen Kernthemen, Kinder als zentrale Nutzergruppe und Cybermobbing. Den Schluss seiner Ausführungen rahmt ein sehr ausführliches Glossar, das sowohl der Erläuterung der wichtigsten Begriffe und zentraler Personen des Web erläutert, als auch als themenspezifische Zusammenfassung des Bandes nutzbar ist.
Heinrike Paulus: Stapf, Ingrid/Prinzing, Marlis (Hrsg.) (2019). Aufwachsen mit Medien. Zur Ethik mediatisierter Kindheit und Jugend. Baden-Baden: Nomos. 363 S., 69,00 €.
Always on and mobile: Mit diesem Prinzip lässt sich größtenteils der Alltag heutiger Kinder und Jugendlicher beschreiben. Digitale Medien sind aus vielen Situationen des täglichen Lebens nicht mehr wegzudenken und vernetztes Computerspielen, YouTube oder WhatsApp werden zu einem ständigen Lebensbegleiter. All dies steht nicht nur im Fokus der Medienpädagogik, sondern bedarf auch einer ethischen Diskussion.
Die vorliegende Publikation setzt sich deshalb intensiv mit (medien-)ethischen Fragestellungen im Hinblick auf die heranwachsende Generation auseinander. In den wissenschaftlichen Beiträgen ist erkennbar, dass Medienethik und Medienpädagogik ähnliche Intentionen verfolgen: Kinder und Jugendliche sollen dahingehend gefördert werden, dass sie sich zu verantwortungsvollen, kritikfähigen und selbstbestimmten Persönlichkeiten entwickeln können.
Aufwachsen mit Medien umfasst über zwanzig Beiträge von namhaften Expertinnen und Experten, darunter Alexander Filipović, Rüdiger Funiok, Petra Grimm und Ingrid Stapf. Zugleich werden verschiedenste medienbezogene Disziplinen, wie unter anderem Game Design, Medien- und Kommunikationsethik, Medienpädagogik, Medien- und Kommunikationswissenschaft sowie Journalistik einbezogen. Das Werk verknüpft theoretische sowie praxisbezogene Zugänge mit aktuellen medialen Entwicklungen und untergliedert sich in drei Themenkomplexe. Der erste widmet sich den Grundlangen der (Medien-)Ethik.
Darauf aufbauend befasst sich der zweite Bereich mit praktischen Anwendungsbereichen wie Unterhaltungsmedien, digitalen Spielen, Onlinespielsucht (Gaming Disorder) und Identitätsbildung. Zum Abschluss werden im dritten Themenkomplex Folgen für Gesellschaft, Politik und Bildung diskutiert.
Das hochbrisante Thema der Kinderrechte wird unter Berücksichtigung des Kindeswohls im Hinblick auf die digitalisierte Kindheit und Jugend pointiert reflektiert. Beiträge wie diese verdeutlichen jedoch, dass Vorkenntnisse in den Disziplinen Kommunikations- und Medienwissenschaft, Ethik und Erziehungswissenschaft für die Lektüre jedoch unerlässlich sind.
Maßgeblich zeigt der Band, dass digitale Bildung, Ethik und digitale Verantwortung untrennbar miteinander verwoben sind, was als wegweisender Impuls der Medienpädagogik gedeutet werden kann. hp
Heinrike Paulus: „Wie werden Familien „medienfit“?
Österreichisches Institut für angewandte Telekom munikation | Saferinternet (2018). Medien in der Familie. Tipps für Eltern. Wien. 60 S. www.saferinternet.at/fileadmin/categorized/Materialien/Medien_in_der_ Familie.pdf, kostenfrei.
Fernsehen mit dem Tablet, Telefonieren über das Internet oder Bilderbuch-Apps für die lange Zugfahrt: Digitale Medien sind inzwischen fester Bestandteil des Alltags und somit des täglichen Familienlebens geworden. Schon von klein auf kommen Kinder mit Smartphone und Tablet in Kontakt, Wischen und Zoomen ist für sie selbstverständlich. Medienerziehung tangiert folglich nicht nur die Gesellschaft insgesamt, sondern auch Familien im Besonderen.Der familiären Medienerziehung widmet sich intensiv die Broschüre Medien in der Familie der österreichischen Initiative Saferinternet. Alltagstaugliche Hinweise sollen Eltern und Erziehungsberechtigte dabei unterstützen, die neuen Herausforderungen bewältigen zu können, die sie aufgrund der durch die Digitalisierung hervorgerufenen, sich wandelnden Mediennutzung ereilen können. Zudem ist es in der digitalen Gesellschaft unerlässlich, Heranwachsende auf ein selbstbestimmtes und verantwortungsvolles Handeln in der Medienwelt vorzubereiten. Ebenso gilt es, Kinder vor jenen nicht altersgerechten Inhalten zu schützen, die für die jeweilige Entwicklungsphase ungeeignet sind. Medienerziehung in der Familie müsse Saferinternet zufolge die Intention verfolgen, Kinder darin zu fördern, sich selbstständig „ausreichend Kompetenzen anzueignen, um mit problematischen Situationen besser umgehen zu können“.
Um welche problematischen Situationen es sich dabei handeln kann, zeigen die behandelten Themen von In-App-Käufen über Cybermobbing und Kommerzialisierung der Kindheit bis hin zu Internet und Sexualität, mit denen sich Medien in der Familie in 17 übersichtlichen und sehr gut verständlichen Kapiteln, unter anderem anhand realitätsnaher Fallbeispiele, befasst.Bereits im Eingangskapitel weisen die Herausgebenden darauf hin, dass (Groß-)Eltern die wichtigste Anlaufstelle für Kinder darstellen, wenn diese durch die (digitale) Mediennutzung mit Fragen und Problemen konfrontiert werden. Durch einen solchen Austausch und das Darüberreden wird die Möglichkeit gegeben, dass Eltern und Kinder im Idealfall durch unterschiedliche Erfahrungen gegenseitig voneinander lernen. Ebenso kann dies von allen Familienmitgliedern zum Anlass genommen werden, gemeinsam Regeln für den Mediengebrauch im Familienalltag zu entwickeln. Denn „nur so können [die Regeln] von allen verstanden und eingehalten werden“, konstatieren die Expertinnen und Experten von Saferinternet. Eltern müssen sich hierfür jedoch zunächst selbst „medienfit“ machen, indem sie sich erforderliches Wissen aneignen. Der Ratgeber ist hierfür ein guter Impulsgeber, jedoch könnte er mehr an seine Leserinnen und Leser nahelegen, dass seine Lektüre kein kontinuierliches Engagement der Erziehungsberechtigten ersetzt, sich mit der Mediennutzung der Heranwachsenden auseinanderzusetzen. Zudem bedarf es darüber hinaus medienerzieherischer Weiterbildungsangebote etwa durch Kindertagesstätten oder Schulen, die sich speziell an den Bedürfnissen von Familien orientieren.
Die medienpädagogisch brisante Frage, wann ein Kind sein eigenes Smartphone bekommen soll, diskutieren die Autorinnen und Autoren im fünften Kapitel und appellieren dankenswerterweise auch an medienkompetentes Handeln der Eltern innerhalb des eigenen Umgangs mit den mobilen Endgeräten. So sind Mütter oder Väter im alltäglichen Leben zu sehen, die dem Smartphone mehr Aufmerksamkeit schenken als der Erziehung. Doch kleine Kinder benötigen der Broschüre zufolge direkten Kontakt und Zuwendung: „Der direkte Kontakt zu den Kindern ist wichtig, um eine Bindung mit ihnen aufzubauen. Vor allem die Jüngsten nehmen die Handys der Eltern oft als Konkurrenz wahr.“
Neben Smartphone und Computer berücksichtigt die Publikation die verschiedenen Facetten des Fernsehens im digitalen Zeitalter, darunter Videoplattformen, Mediatheken oder Apps für mobile Endgeräte, die das klassische TV-Gerät ergänzen oder gar ersetzen. Vor allem YouTube fasziniert Kinder und Jugendliche besonders, wie auch die JIM-Studie 2018 bestätigt. Dabei versuchen inzwischen viele Kinder und Jugendliche, neben der Rezeption der Videos, ihren Idolen auch nachzueifern und manche von ihnen sehen ihre eigene Zukunft im ‚Traumberuf YouTuber‘. Aus diesem Grund widmet sich das dritte Kapitel des Bandes der Frage, wie Eltern mit diesen Berufswünschen pädagogisch adäquat umgehen können. Der Schutz der Privatsphäre des Kindes selbst sowie aller Familienmitglieder müsse dabei oberste Priorität besitzen. Als Kritikpunkt ist hier anzumerken, dass die erzieherische Dimension des in (Medien-)Pädagogik und Medienethik umstrittenen Influencer-Marketings unberücksichtigt bleibt. Bisweilen erfolgt dies auch auf Initiative der Eltern, indem sie ihren Nachwuchs vor laufender Kamera etwa zum Testen von Spielzeug animieren.
Medien in der Familie ist in gedruckter Form erhältlich oder online abrufbar. Die Handreichung ist eine von vielen Angeboten rund um Medienerziehung der Initiative Saferinternet, diemit dem gleichnamigen InternetportalImpulse für die medienpädagogische Arbeit liefern. Die Expertinnen und Experten möchten darin Lehrende, Eltern, Kinder und Jugendliche, Fachkräfte in der Jugendarbeit wie auch Seniorinnen und Senioren bei einem sicheren, kompetenten, reflektierten und verantwortungsvollen Umgang mit (digitalen) Medien unterstützen.
Die neuerschienene Handreichung ist daher größtenteils am Puls des digitalen Zeitalters und zeichnet sich durch Tipps sowie konkrete Hilfestellungen für viele Alltagssituationen aus. Sie richtet sich an Familien, die Medien wie Computer, Smartphone oder Fernseher selbstverständlich in ihren Alltag integrieren. Zugleich bezieht sie jene mit ein, die diesen eher kritisch gegenüberstehen,
Zu empfehlen ist Medien in der Familie allen Erziehenden und jenen Multiplikatorinnen sowie Multiplikatoren, die mit Kindern, Jugendlichen sowie deren Familienangehörigen pädagogisch arbeiten. Darüber hinaus können Studierende der Medienpädagogik und Erziehungswissenschaften Impulse für eine praxisbezogene Medienerziehung beziehen.
Heinrike Paulus: Rieß, Johanna (2019). Internet in Nairobi, Kenia. Medienaneignung als Konstruktion. Bielefeld: transcript. 318 S., 39,99 €.
Rieß, Johanna (2019). Internet in Nairobi, Kenia. Medienaneignung als Konstruktion. Bielefeld: transcript. 318 S., 39,99 €.
Viele Bilder, die den Weg von Afrika nach Europa finden, beschreiben den Kontinent anhand von Stereotypen, die diesen wie eine zukunftslose Ödnis erscheinen lassen: Kriegszerstörte Häuser, korrupte Regime und Zugang zum Internet scheinen demnach keine Selbstverständlichkeit zu sein.
In ihrem Forschungsband widerlegt die Autorin Johanna Rieß am Bespiel der kenianischen Hauptstadt Nairobi diese Vorurteile im Hinblick auf die voranschreitende Digitalisierung. Die Projektmanagerin, Redakteurin und Medienanalystin verdeutlicht damit, dass die seit den 1990er-Jahren vorherrschenden Ansätze des Digital Divide – auch als digitale Kluft bekannt – inzwischen als überholt anzusehen sind.
Rieß untersucht im Rahmen einer explorativen Feldforschung Formen konstruktivistischer Internetaneignung von Nutzerinnen und Nutzern aus drei Internetcafés aus verschiedenen Stadtteilen der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Diese so herausgearbeiteten „Modi der Internetaneignung“ lassen auf ein konkretes Nutzerverhalten schließen. Zudem können auch die Einstellungen und Interpretationen der Nutzenden berücksichtigt werden. Bewusst klammert sie dabei den entwicklungspsychologischen Nutzen des Internets aus. Von zentraler Bedeutung ist in ihrer neun Kapitel umfassenden Untersuchung die Digitalisierungsgeschichte Kenias aus der Perspektive der sozialen Konstruktion von Technologie. Ausführlich beschreibt die Autorin den von ihr gewählten Forschungsstil der Grounded Theory, wonach sie die einzelnen Phasen der biographischen Aneignung von Internet- und Computertechnologie eingehend erläutert.
Durch die interdisziplinäre Herangehensweise werden differenzierte Perspektiven auf den Mediengebrauch in Kenia und somit einer anderen Weltregion eröffnet, was zugleich zur Internationalisierung der Medienwissenschaft beiträgt. Neue internationale Zusammenhänge werden in einem Themenfeld aufbereitet und eingeordnet, das von ständigen Veränderungen und rasanten Entwicklungen geprägt ist. Daher ist die Lektüre des Bands vor allem Forschenden und Studierenden der Disziplinen Kommunikationswissenschaft und Medienwissenschaft sowie Erziehungswissenschaft zu empfehlen.
Dürnberger, Martin (Hrsg.) (2018). Öffentlichkeiten. Salzburger Hochschulwochen. Innsbruck, Wien: Tyrolia. 264 S., 21,00 €.
Dürnberger, Martin (Hrsg.) (2018). Öffentlichkeiten. Salzburger Hochschulwochen. Innsbruck, Wien: Tyrolia. 264 S., 21,00 €.
Die Digitalisierung wandelt das individuelle und gesellschaftliche Leben. In Zeiten von Facebook, YouTube oder Instagram verschwimmt die Grenze zwischen privat und öffentlich. Mediennutzende erstellen eigene Medienprodukte und konstruieren so ihre Identitäten. Gleichzeitig stellen Fake News nicht nur den Journalismus vor Herausforderungen. Im Sommer 2017 widmeten sich die Salzburger Hochschulwochen dem aktuellen wissenschaftlichen Diskurs über mediale und nicht-mediale „Öffentlichkeiten“, unter anderem aus theologischer, soziologischer und medienwissenschaftlicher Perspektive.
Im hieraus entstandenen Sammelband Öffentlichkeiten erläutern Expertinnen und Experten aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, wie (mediale) Öffentlichkeit die individuelle und gesellschaftliche Diskussion prägt. Sie appellieren beispielsweise an die Verantwortung der Medienakteure durch qualitätsvolle Arbeit Vertrauen zu gewinnen. Daneben werden Vorschläge für eine pflichtbewusste Kommunikation in sozialen Medien aufgezeigt. Zu den Mitautorinnen und -autoren gehören etwa die Sozialwissenschaftlerin Marianne Heimbach-Steins, der Spiegel-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer oder die Soziologin Kristina Stoeckl. Die hohe Bedeutung der Themen Privatheit und Öffentlichkeit wird durch die explizite Behandlung in allen Beiträgen erkennbar. Diese zeichnen sich jeweils durch einen sehr übersichtlichen Aufbau aus. Der Publikation liegt dabei ein religiöser Schwerpunkt zugrunde.
Breite interdisziplinäre Kenntnisse sind für ihre Lektüre teilweise unerlässlich. Öffentlichkeiten ist für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Sozial- und Bildungswissenschaften sowie Medien- und Kommunikationswissenschaften interessant, da sie einen vertiefenden Einblick in verschiedene Sichtweisen erhalten, die vor dem Hintergrund der digitalen Gesellschaft neue Denkanstöße liefern können. hp
Heinrike Paulus: Grimm, Petra/Keber, Tobias O./ Zöllner , Oliver (Hrsg.) (2019). Digitale Ethik. Leben in vernetzten Welten. Ditzingen: Reclam. 252 S., 8,80 €.
Immer mehr digitale Phänomene bedürfen hinsichtlich ihrer Gefahren und Potenziale eines ethischen Diskurses: Angefangen bei künstlicher Intelligenz und Arbeit 4.0 über Datenschutz bis hin zu Onlinespielen. Den Alltag von Mediennutzerinnen und -nutzern bestimmen zudem vielfach Verletzungen und Übergriffe durch Online-Gewalt wie etwa Cybermobbing, Beleidigungen, Drohungen, Hate Speech oder auch Doxing, dem Veröffentlichen von privaten Daten im Netz. Ein Forschungszweig der angewandten Ethik, der all das reflektiert, ist die digitale Ethik. Sie gleicht einem Kompass, der durch die verschlungenen Wege der digitalen Welt navigiert. Dieses Wissen um ethische Herausforderungen, Regeln und Wertmaßstäbe wird gerade für Menschen aller Generationen immer notwendiger – für Heranwachsende ganz besonders. Die Publikation Digitale Ethik richtet sich an Schülerinnen bzw. Schüler sowie all jene Interessierte, die einen fundierten Einblick in dieses hochaktuelle Themenfeld erhalten möchten. Strukturiert wird ein angemessener Umgang mit den Technologien und ihren Auswirkungen diskutiert. Neben grundlegenden Theorieansätzen erklären die neun Autorinnen und Autoren sowie Mitarbeitende des Instituts für Digitale Ethik (IDE) an der Hochschule der Medien in Stuttgart schülergerecht in 13 Kapiteln zentrale Aspekte dieser Disziplin. Unerlässlich für die Lektüre ist jedoch das Glossar mit den neuesten relevanten Fachbegriffen der gegenwärtigen Forschung, wie etwa Privacy Paradox oder Quantified Self. Der Band eignet sich insbesondere für Schülerinnen und Schüler der Oberstufe. Einige Kapitel, wie etwa jenes Fake News, lassen sich bereits in der Mittelstufe einsetzen. Reflexionsfragen am Ende jedes Kapitels helfen, das erlernte Wissen anzuwenden – ohne dabei das praktische Alltags- und Kommunikationshandeln aus den Augen zu verlieren. Neben Ethik und Religion ist der Band auch für weitere Unterrichtsfächer empfehlenswert, darunter Wirtschaft und Recht, Sozialkunde oder Deutsch. Die Publikation verdeutlicht, dass das Wissen um digitale Ethik gerade im schulischen Kontext mehr berücksichtigt werden muss. Es bleibt daher zu hoffen, dass dieses Know-how ebenso wie Goethes Faust oder der Satz des Pythagoras zu einem festen Bestandteil der schulischen Bildung werden. hp
Heinrike Paulus: Heusinger, Monika (2020). Lernprozesse digital unterstützen. Ein Methodenbuch für den Unterricht. Weinheim/ Basel: Beltz. 160 S., 24,95 €.
Vor gut 100 Jahren schrieben Schüler*innen noch mit Griffel auf Schiefertafeln oder mit Federhaltern, die sie in ein in der Schulbank eingelassenes Tintenfass tunkten, in ihre Schulhefte. Gut 50 Jahre später hielten die ersten Tageslichtprojektoren Einzug in die Klassenzimmer und im Jahr 2020 gehören digitale Medien zum Schulalltag. Lehrkräfte nutzen Beamer oder Whiteboards während Schüler*innen mit mobilen Endgeräten wie Smartphones oder Tablets lernen. Doch wie lassen sich durch digitale Medien Lernprozesse effizient unterstützen und zugleich die Lernkultur weiterentwickeln?
Intensiv hat sich mit dieser Frage die Gymnasiallehrerin Monika Heusinger befasst. Sie präsentiert in ihrer Publikation Lernprozesse digital unterstützen aufgrund ihrer Praxiserfahrung ein großes Methodenrepertoire etwa für individualisierte, kooperative oder gamebasierte Lernwege.
Für die Autorin ist der Einsatz von Drohnen im Unterricht ebenso denkbar wie gängige Ideen, wie sie etwa aus der aktiven Medienarbeit bekannt sind, darunter Erklärvideos oder Hörspiele. In kurzen prägnanten Texten werden die einzelnen Methoden vorgestellt. So zeigt sich anhand der beschriebenen Möglichkeiten, wie etwa Social Reading zum gemeinsamen Leseerlebnis beiträgt. Technische Hilfestellungen für die Medienproduktion mit Schüler*innen werden dabei jedoch nicht genannt, was gerade bei medienpädagogischen Neueinsteiger*innen die Hemmschwelle für den Medieneinsatz erhöhen kann. Was Webanwendungen und mobile Apps betrifft, nennt Heusinger aus Aktualitäts- und Werbegründen keine expliziten Beispiele. Gerade deshalb wäre es wünschenswert gewesen, wenn sie ihren Leser*innen zumindest einige Kriterien an die Hand gegeben hätte, wo und wie sich qualitativ hochwertige Angebote finden lassen.
Nicht unberücksichtigt bleiben darf, dass das Buch neue Lernwege und -erfahrungen ermöglicht. Es ist deshalb ein hilfreicher Impulsgeber insbesondere für Lehrkräfte sowie Lehramtsstudierende aller Schularten der Sekundarstufe I und II. Alle Vermittelnden im Bereich der Erwachsenenbildung erhalten ebenfalls Anhaltspunkte für ihre Tätigkeit. QR-Codes-Links führen zu ergänzenden Informationen und anschaulichen Beispielen auf den Blog der Autorin: Lernen in der Postkreidezeit (www.monika-heusinger.info). Auch hier wird deutlich: Medien sollen nicht um ihrer Selbstwillen eingesetzt werden.
Heinrike Paulus: Ulshöfer, Gotlind/Wilhelm, Monika (Hrsg.) (2020). Theologische Medienethik im digitalen Zeitalter. Stuttgart: Kohlhammer. 396 S., 29,00 €.
Jede*r hat statistisch gesehen mindestens ein Handy oder Smartphone in Gebrauch. Aus unserem digital geprägten Leben sind die mobilen Endgeräte nicht mehr wegzudenken und verändern das Kommunikationsverhalten der Mediennutzenden: Einer breiten Öffentlichkeit lassen sich etwa über Soziale Netzwerke Bilder oder Informationen für ein bisweilen nicht mehr überschaubares Publikum zugänglich machen. Begleitet wird der mediale Wandel zugleich von negativen Phänomenen wie Cybermobbing, Hate Speech oder Fake News.
In der Publikation Theologische Medienethik im digitalen Zeitalter befassen sich über 20 Wissenschaftler*innen in deutsch- und englischsprachigen Aufsätzen mit aktuellen Fragen: Wie prägt der mediale Wandel die Gesellschaft? Vor welchen herausfordernden Aufgaben stehen Medienbereiche wie Fernsehen, Film, Journalismus oder Werbung? Die Autor*innen analysieren und diskutieren mediale und digitale Entwicklungen aus medienethischer Perspektive mit einer theologischen Konnotation. Hervorzuheben ist dabei, dass sie Erfahrungen der medialen Praxis nicht aus den Augen verlieren. Aus medienpädagogischer Sicht ist vor allem der Beitrag der Theolog*innen Ines Sura und Roland Rosenstock mit den Schwerpunkten Religions- und Medienpädagogik erwähnenswert. Computerspiele sollen ihnen zufolge auch in der religiösen Bildungsarbeit eingesetzt werden, da sie „Gewissensbildung [anregen]“ und so die Persönlichkeitsbildung fördern. Bei der Lektüre des gesamten Bandes wird deutlich, welche Bedeutung Bildungseinrichtungen bei der Vermittlung eines medienethischen Bewusstseins zukommt. Die Kirchen sind hier ein potenzieller Akteur. Doch auch (medien-)pädagogische Institutionen sollten sich von dieser Handlungsaufforderung angesprochen fühlen, denn schlussendlich ist die Entwicklung von Medienkompetenz ein lebenslanger Prozess, den es zu fördern gilt. Der Sammelband ist Interessierten der Bereiche Kommunikations- und Medienwissenschaften, Journalismus sowie Theologie zu empfehlen. Für Lehrkräfte des Unterrichtsfachs Ethik der Sekundarstufe II und Studierende ist es eine hilfreiche Publikation, die fundiert Einblicke in die Grundlagen der medienethischen Forschung und Arbeit liefert.
Heinrike Paulus: Handke, Jürgen (2020). Humanoide Roboter. Showcase, Partner und Werkzeug. Baden-Baden: Tectum. 230 S., 38,00 €.
Handke, Jürgen (2020). Humanoide Roboter. Showcase, Partner und Werkzeug. Baden-Baden: Tectum. 230 S., 38,00 €.
Kopfdrehende, armbewegende, laufende Roboter agieren mithilfe von Algorithmen automatisiert und selbstlernend. Inzwischen erinnern sie Supermarkt-Kund*innen in Corona-Zeiten an Hygieneregeln oder nehmen an Roboter-Fußballweltmeisterschaften teil. Doch können humanoide Roboter, die in Verhalten, Form und Emotionalität Menschen ähneln, der Bildung Beine machen, indem sie Lehren und Lernen in der digitalen Welt unterstützen?
Die Publikation 'Humanoide Roboter' liefert fundierte Einblicke in die facettenreichen Anwendungsfelder der Robotik. Als Werkzeug helfen Roboter, digitale Kompetenzen etwa im Bereich des Programmierens zu erwerben oder zu festigen. Ebenso eröffnen sie Lehrenden Freiräume, indem sie diesen wertvolle Zeit ersparen, ohne die Person jedoch selbst zu ersetzen.
Das neun Kapitel umfassende Fachbuch, welches Jürgen Handke mit seinen Co-Autor*innen verfasst hat, analysiert, welche Aufgaben Roboter übernehmen und welche Folgen dies für die Gesellschaft und die*den Einzelne*n zukünftig haben könnte. Ebenso erörtert Handke, der bis zum Sommersemester 2020 Professor am Institut für Anglistik und Amerikanistik der Universität Marburg war, Einsatzszenarien etwa bei Prüfungen an Hochschulen oder in der Schule. Deutlich wird dabei, dass die neue Technik nicht Figuren aus Science-Fiction-Filmen gleicht, denn ohne menschliche Unterstützung können die technischen Wesen derzeit weder denken noch handeln.
Jürgen Handke prognostiziert in seinem Forschungsband, dass Roboter – der Name ist abgeleitet vom tschechischen Begriff für 'künstlicher Mensch' – immer mehr begleitend im menschlichen Alltagsleben werden. Lohnenswert ist die Lektüre für all jene, die sich intensiv mit bildungs- und medienwissenschaftlichen Disziplinen befassen.
Einsteiger*innen in diesen Themenkomplex wird ein Glossar an die Hand gegeben. Wer die Inhalte über Roboter vertiefen möchte, den führen QR-Codes zu Videos über Historie und Funktionalität. Juristische und ethische Aspekte zu diskutieren, ist im Bereich der Robotik unerlässlich. Diese werden vor dem Hintergrund des fast 230-seitigen Bandes auf lediglich drei Seiten jedoch viel zu kurz angerissen. Etwas zu wenig wird deutlich, dass je mehr robotisiert wird, desto mehr ethische Maßstäbe erforderlich sind. Offen bleibt auch die Frage, ob künstliche Intelligenz nicht vielleicht doch wie gerufen kommt, um Dinge in einen Roboter hineinzuprojizieren, die wir eigentlich von Menschen erwarten?
Heinrike Paulus: Medien in der Grundschule
Kulcke, Gesine (2020). Kinder. Medien. Kontrolle. Vorstellungen von Lehramtsstudent*innen über den Umgang mit Medien in der Grundschule. Bielefeld: transcript. 332 S., 40,00 €.
Mit dem von den Kultusministerien anlässlich der Corona-Pandemie auferlegten Home-Schooling und Distance Learning wurden Schüler*innen, Lehrer*innen, Eltern und Bildungspolitiker*innen schneller ins kalte Wasser der Digitalisierung geworfen, als gedacht. Einige von ihnen reagierten darauf mit großem Engagement, andere wurden davon bisweilen nicht nur überrascht, sondern fühlten sich sogar überfordert, aus der Ferne das Unterrichtsgeschehen aufrecht erhalten zu müssen. Viele Schulen waren für ‚Distance Schooling‘ (vgl. merz 3/2020, S. 70–75) kaum gerüstet und schienen noch nicht im digitalen 21. Jahrhundert angekommen. Dabei beschlossen Bundesregierung und Bundestag bereits 2018 den ‚DigitalPakt Schule‘in einem Umfang von fünf Milliarden Euro. 2019 trat er in Kraft. Doch bis jetzt geht die digitale Ausstattung etwa mit Tablets oder Laptops für zukunftsorientiertes Lernen nur schleppend voran. Noch immer gehört es zum Alltag vieler Schulen, dass sie Schüler*innen und Lehrer*innen nicht oder nur begrenzt die notwendigen Endgeräte bereitstellen können und es zudem keinen Internetzugang in den Klassenzimmern gibt. Hätte, könnte, wäre – ist Alltag an vielen deutschen Schulen und frustriert Lehrkräfte und Schüler*innen, die sich mit solchen Arbeits- und Lernbedingungen konfrontiert sehen, gleichermaßen. Doch mit der Geräteausstattung allein ist es nicht getan. Lehrer*innen benötigen darüber hinaus fundierte Aus- und Fortbildungen, um die digitalen Endgeräte mit all ihren Möglichkeiten effektiv für die Unterrichtsgestaltung zu nutzen. Ein dringender Nachholbedarf ist bei ihnen also in Sachen Medienkompetenz zu monieren. Dabei kommen drängende Fragen mit Blick auf die Zukunft auf: Sind angehende Lehrer*innen mit den digitalen Medien gut vertraut? Welche Vorstellungen haben sie von der Mediennutzung ihrer Schüler*innen? Gesine Kulcke, derzeit akademische Mitarbeiterin an der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg, analysiert in ihrer elf Kapitel umfassenden empirischen Forschungsarbeit Kinder. Medien. Kontrolle. aus Gruppendiskussionen eruierte Ansichten zum ‚Lernen mit, durch und über Medien‘ von Student*innen des Lehramts an Grundschulen. Gerade in dieser Schulart gilt der Einsatz von Medien als Herausforderung. Ausgangspunkt für Kulcke ist der von Rudolf Kammerl konstatierte „Teufelskreis fehlender Medienbildung“, wonach „fehlende Medienkompetenzen bei Schüler*innen auf fehlende Medienkompetenzen und fehlende medienpädagogische Kompetenzen von Lehrer*innen zurückzuführen sind“. Weiter geht der Ansatz davon aus, dass „Lehramtsstudent*innen ihr Studium aufnehmen, ohne hierfür ausreichende Medienkompetenzen entwickelt zu haben.“ Angehende (Grundschul-)Lehrer*innen sollen sich daher in ihrem Studium technisches, gesellschaftliches, politisches und ökonomisches Wissen rund um die Digitalisierung aneignen, um so Lernprozesse initiieren sowie gestalten zu können. Kulcke beschreibt fundiert und ausführlich Methodologie, Methode und Durchführung ihrer empirischen Studie für die sie die Dokumentarische Methode gewählt hat. Daten hat sie in elf Gruppendiskussionen erhoben und mit Hilfe von formulierender und reflektierender Interpretation ausgewertet. Die 40 Student*innen der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg im Alter zwischen 19 und 38 Jahren tauschten sich im Wintersemester 2014/15 sowie Sommersemester 2015 über Erfahrungen aus, die sie in Schulpraktika sammeln konnten. Kulcke geht es in ihrer Arbeit nicht darum „einzelne Positionen von Student*innen herauszuarbeiten, sondern ein Feld zu beschreiben.“ Dabei kommt sie zu dem Ergebnis, dass die Student*innen das ‚Lernen mit, durch und über digitale Medien‘ vor allem auf „die Aufgabe reduzieren, die Mediennutzung von Kindern zu dosieren und zu kontrollieren [...]“. Ebenso lassen die Gruppendiskussionen eine große Abwehrhaltung der Studierenden gegenüber Medien erkennen. So betrachten sie es beispielsweise als problematisch, wenn Schüler*innen von ihren Erfahrungen und Erlebnissen mit Medien im Unterricht erzählen, da dies andere Kinder in ihrer Unschuld bedrohen könne (S. 205). Darüber hinaus gehen sie davon aus, dass die Medienkompetenz eines Kindes zu einem Kontrollverlust der Lehrkraft führe, die nicht nur befürchten müsse, weniger zu wissen und zu können, als das Kind, sondern von diesem vorgeführt werde (S. 211). Die Einordnung der empirischen Ergebnisse verdeutlicht diese Defensivhaltung: „So werden digitale Medien von den Student*innen, mit denen ich für meine Arbeit gesprochen haben, nicht nur abgewehrt, weil die Student*innen ein Problem damit haben, sich von didaktischen Prinzipien zu lösen, sondern weil sie digitale Medien insgesamt als für Schule bzw. ihre zukünftige Rolle als Lehrer*innen bedrohend wahrnehmen“ (S. 269). Diese Aussage ist aus medienpädagogischer Sicht besorgniserregend. Kulcke beschreibt in ihrem Abschlusskapitel nur vage, wie diese „Überforderungskreisläufe“ in ihren Augen durchbrochen werden könnten: „Im Studium sind digitale Medien daher nicht nur bezüglich ihrer möglichen Effekte auf Lernprozesse in den Blick zu nehmen, sondern es sind die Bildungs- und Subjektivierungsprozesse selbst aufzugreifen.“Auch wenn niemand über eine Glaskugel verfügt, kann sicherlich dennoch prophezeit werden, dass digitale und computerisierte Medien definitiv im Alltags- und Berufsleben zukünftiger Generationen eine entscheidende Rolle spielen werden. Aufgabe von Akteur*innen der Lehrer*innenbildung ist es deshalb, mehr denn je, angehende Lehrer*innen zu animieren und an sie zu appellieren, sich auf die digitalen Medien einzulassen. Nur so können sie lernen, Medien mit ihren Vorzügen und Nachteilen einzuordnen. Eine weitere Forderung, die sich aus der Lektüre ableiten lässt, ist sicherlich, dass die Curricula von Pädagogischen Hochschulen und Universitäten medienpädagogische Inhalte noch umfangreicher berücksichtigen müssen als bisher, und diese nicht nur vor allem auf freiwillige Erweiterungsstudiengänge beschränkt bleiben dürfen. Denn zum Allgemeinwissen gehört für Lehrer*innen im 21. Jahrhundert auch das Wissen über, der Umgang mit und die Reflexion über Medien – ob für Distance Learning oder den vertrauten Präsenzunterricht.
Heinrike Paulus: Gemeinsam einsam?
Goldhorn, Marius (2020). Park. Berlin: edition suhrkamp. 179 S., 14,00 €.
Arnold lebt in Berlin, ist Mitte zwanzig, Student, liest gerne Gedichte und versucht sich selbst als Dichter 2.0. Er ist der Protagonist in Marius Goldhorns nüchternem post-postmodernen Liebesroman Park. In seinem Leben verschwimmen die Sphären online und offline. Als Digital Native sowie Smartphone- und Internet-Junkie lebt er in einer Internet-Blase aus Wikipedia-Einträgen, QR-Codes, Google-Maps-Touren und Yoga-Videos. Binnen eines Tages prasselt auf ihn eine Flut an Nachrichten ein: über Terroranschläge, in Portugal wütende Waldbrände oder abgestürzte Flugzeuge, doch nichts davon scheint wirklich zu ihm vorzudringen. Zum Zeitvertreib liest er alte Chatverläufe seiner Nachrichten-App, E-Mails von Ex- und Nicht-Geliebten oder schreibt gleich welche an sich selbst. Smartphone und Laptop sind bei ihm im Dauereinsatz.
Auf einer Party trifft er Filmemacherin Odile. Um einem Date auf die Sprünge zu helfen, fotografiert er das Klingelschild des Wohnhauses und durchpflügt so lange die Suchmaschine, bis er Odile per Mail anschreiben kann. Sein Plan geht auf: „Ein halbes Jahr lang aßen sie morgens Brote. Sie aßen abends in billigen Restaurants. [...] Sie lagen mit ihren MacBooks nebeneinander, jeder schaute irgendwas. [...] Sie sahen Systeme stürzen. Sie gingen in den Park.“ Meist scheint es, als scrollten die beiden Liebenden aneinander vorbei. Dann geht Odile nach London. Ihre Beziehung wird zu einer Liaison auf Distanz – räumlich und zeitlich. Da vergehen schon einmal mehr als sechs Monate zwischen den Kontaktaufnahmen, was in gewisser Weise in ein Beinahe-Ghosting mündet. Weil Arnold trotzdem alle Hoffnung in Odile legt, reist er von Berlin über Paris nach Athen zu ihr. Selbst Gemeinsam einsam?während des lange erwarteten Wiedersehens sind Smartphone und Computer-Display allgegenwärtig. Sie sind Dingsymbol für den Normalzustand des Immer-auf-Empfang-Seins. Doch mit einem gedruckten Ausstellungskatalog ist es schließlich ein nicht-digitales Medium, das dem Roman eine spannende Wendung verleiht. Was das bei Arnold auslöst, muss jede*r Leser*in selbst für sich beantworten. Anfang der 1990er geboren, schwimmt Autor Marius Goldhorn, der selbst zur Digital-Native-Generation gehört, mit seiner einfachen Sprache sowie seinem eigenwilligen Humor gegen den literarischen Mainstream. Das macht seinen Debütroman so außergewöhnlich, der eine gelungene Charakterisierung der Mediengesellschaft ist, zu der wir alle gehören. Weil eine andersartige literarische Sichtweise darauf eröffnet wird, lohnt sich die Lektüre daher für all jene, die beruflich oder im Studium mit dem Thema (digitale) Medien befasst sind. Das Buch ist zudem für Medienpädagog*innen und Lehrer*innen ein guter Anlass, um mit Jugendlichen (etwa ab 16 Jahren / 9. Jahrgangsstufe) ins Gespräch zu kommen, zum Beispiel über ihre Vorstellungen vom Leben, der Liebe, der Zukunft, was Smartphone und Social Media ihnen bedeuten oder die eigene Medienbiographie. Der 180-seitige Roman verdeutlicht mit seinen vier Kapiteln, dass unsere Welt digitaler ist, als wir weithin annehmen, vielleicht weil so manches schon Alltagsroutine ist: Sei es das Zusammenrollen der Kopfhörer-Kabel oder der Blick auf das leuchtende Display – Park ist voll davon.
Heinrike Paulus: Sigg, Stephan (2020). Null Empfang. Werdenberg: da bux Verlag. 60 S., 12,74 €.
Für Jugendliche ist das Smartphone heute weit mehr als ein kleines, rechteckiges, technisches Gerät, das einem den Alltag erleichtert. Für sie scheint es als Must-Have und Alleskönner essenzieller Bestandteil des Lebens zu sein. So empfindet es auch Gian, der Protagonist des Jugendromans von Stephan Sigg. Viel ist der Junge online, seine Mutter bringt er damit zur Verzweiflung. Als diese einen Magazin-Beitrag über ein Camp für Digital Detox liest, schicken ihn seine Eltern genau dort hin. Für gestresste und überarbeitete Manager wäre der Ort wahrscheinlich das Paradies. Doch für Jugendliche wie Gian ist es der Horror. Schließlich gibt es dort weder Mobilfunknetz noch WLAN und somit absolut nichts, was sie mit der digitalen Welt verbindet. Dort trifft Gian auf Laura, die für ihn zu einer Verbündeten wird. Bei der ersten Gelegenheit entwischen sie aus dem Camp. Allerdings bleiben ihre Smartphones weiterhin stumm. Kein einziger Balken ist auf den Displays zu sehen. Also beginnt für sie ein Abenteuer durch die Wälder der Schweiz.
Der nicht einmal 60-seitige und leicht zu lesende Roman, der auch leseschwache Jugendliche ansprechen soll, befasst sich intensiv mit der Medienrealität von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Ohne erhobenen Zeigefinger baut Autor Stephan Sigg der die Schattenseiten der Smartphone Nutzung in die Handlung ein: Datensicherheit, exzessives Spielen, ständige Erreichbarkeit oder ‚Abhängigkeit‘. Jugendliche werden mithilfe des Buchs zum Reflektieren über die eigene Mediennutzung anregt. Deshalb eignet es sich insbesondere als Klassenlektüre ab der Mittelstufe. Der Verlag stellt außerdem medienpädagogische Arbeitsmaterialien mit vielfältigen Ideen auf seiner Website bereit. Die Arbeitsaufträge sind so konzipiert, dass sie von Schüler*innen auch in Zeiten von Lockdowns und Distance Learning in Teilen selbstständig oder in Partnerarbeit in einem Video-Meeting bearbeitet werden können. So können sie beispielsweise ein Programm für einen Handy-Reduktionskurs entwickeln, ein Handy-Tagebuch führen oder sich intensiv mit dem Thema Stille befassen. Grundsätzlich ist das Buch aus medienpädagogischer Sicht ein Mutmacher für junge Leser*innen, sich ab und zu smartphonefreie Zeiten zu gönnen und auch mal den Flugmodus zu aktivieren.
Heinrike Paulus: Der Mensch und seine Medien
Fuchs, Max (2021). Der Mensch und seine Medien. Medienbildung als kulturelle Bildung? Weinheim, Basel: Beltz. 180 S., 21,95 €.
Seit Anbeginn kommunizieren Menschen mittels Medien. Seien es der mit Rußtinte beschriebene Papyrus zur Zeit der Pharaonen oder das Läuten der Kirchturmglocken bei Feuer und Gefahr, als es noch keine Sirenen gab. Dank verschiedener Erfindungen kamen im Laufe der Jahrhunderte und Jahrzehnte weitere ‚neue‘ Medien hinzu: Buchdruck, Telefon, Computer, Smartphone und das Internet. Was den Umgang mit all diesen Medien betrifft, so zeigt sich, dass Reflexionen über deren Vorzüge und Nachteile eine sehr lange Tradition haben, die bis in die Antike zurückreicht. Elementarer Bestandteil des pädagogischen Vermittlungsprozesses ist im digitalen Zeitalter auch der reflektierte Umgang mit Medien, wenn beispielsweise das eigene Medienhandeln hinterfragt wird.
Max Fuchs erörtert im Zuge seiner aktuellen Publikation ‚Der Mensch und seine Medien‘, inwieweit Medienbildung als kulturelle Bildung zu verstehen sei. Seine Intention ist dabei, „die anthropologische Relevanz, die Bedeutung der Medien in der kulturellen Evolution des Menschen und insbesondere die soziale, politische und kulturelle Eingebundenheit der Medien zumindest kursorisch aufzuzeigen.“ So versteht er an anderer Stelle „Medienpädagogik als Teil von Kulturpädagogik und Medienbildung daher als spezielle Form von kultureller Bildung.“
Fuchs, der an der Universität Duisburg-Essen als Professor für Allgemeine Pädagogik und Kulturpädagogik lehrt, nähert sich der Thematik Medien aus einer kultur- und erziehungswissenschaftlichen Sicht an. Vornehmlich handelt es sich um einen forschungsliterarischen Zugang, bei dem sich ein anthropologisch-philosophischer Schwerpunkt herauskristallisiert. Dabei bezieht er sich auf die einschlägigen Abhandlungen und Theorien von der Antike bis zur Gegenwart. Die Digitalisierung versteht er beispielsweise als eine weitere Etappe im dynamischen Prozess der Mediengeschichte und -entwicklung. So stellt er etwa den Computer in eine jahrhundertelange Entwicklungslinie mit der automatischen Rechenmaschine.
Auf diese Weise beleuchtet er bekannte Mediengeschichte und Medientheorie aus einem neuen Blickwinkel, was fruchtbringend für zukünftige kultur-, erziehungs- sowie medienwissenschaftliche Diskurse ist.
Seinem Ansatz zufolge gilt es gerade bei Theorien von Medienpädagogik und Medienbildung, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Zudem versteht er Letztere als Allgemeinbildung: „Es geht um die Entwicklung von Lebenskompetenz, um die Entwicklung der Persönlichkeit und eines bewussten Verhältnisses zu sich, zu anderen, zur kulturellen, sozialen und politischen Welt, zu seiner Geschichte, seiner Gegenwart und zu seiner Zukunft.“ Fuchs hat sich tiefgreifend mit der Thematik auseinandergesetzt. Er lässt die Leser*innen an seinen Denkansätzen teilhaben, liefert ihnen aber zugleich auch neue Denkanstöße.
Dabei räumt er gleich zu Beginn seines Vorworts ein, dass er aus einer subjektiven Perspektive bestimmte Entwicklungen, Debatten und Positionen aus diesem komplexen Diskursfeld herausgreife. Fuchs beweist dabei ein glückliches Händchen, denn er offeriert den Leser*innen eine breitgefächerte Themenpalette, die in kulturwissenschaftlichen und medienpädagogischen Debatten aufgegriffen werden sollte. Ihm gelingt es, auch neue Blickwinkel zu eröffnen, indem er sich in einem Kapitel etwa dem in den Medientheorien und der Medienpädagogik immer wieder stiefmütterlich behandelten Verhältnis von Internet und Ökonomie befasst: „Schon bei der Erfindung und Durchsetzung des Buchdrucks spielte […] die ökonomische Dimension eine entscheidende Rolle.“ Gleiches gilt auch für das digitale Zeitalter, denn so muss für die Entwicklung von einschlägiger Hard- und Software ein Interesse an eben dieser bestehen und darüber hinaus das notwendige Forschungsgeld vorhanden sein. Zudem bedarf es in der (medien-)pädagogischen Vermittlung ebenso ökonomischer Grundkenntnisse, um etwa Merkmale von Werbung und deren Intention erläutern zu können.
Jenes der 18 Kapitel der Publikation gilt es besonders zu erwähnen, worin Max Fuchs die Rolle der Industrialisierung für die Medienentwicklung beleuchtet. Neue digitale Entwicklungen werden vielfach mit jenen aus dem 19. Jahrhundert verglichen, als sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen nicht zuletzt durch die Dampfmaschine grundlegend wandelten. Die Fabrik wurde zum Inbegriff des Zeitalters und die Stechuhr unterteilte den Tag in Arbeit und Freizeit, ganze Industriestädte entstanden. Die aufkommende Elektrizität bereitete die Grundlage etwa für Telegrafie und Telefon. In diesem Zusammenhang kann ein Blick über das Buch hinaus auf Fuchs’ online veröffentlichten Essay ‚Technik ist Kultur: Technische Bildung als Teil der Kulturellen Bildung’1 aus dem Jahr 2020 für Leser*innen durchaus erhellend sein. Hierin verdeutlicht er, dass Kultur sowie Technik und in der Folge Kulturpädagogik, Medienpädagogik und Technikgeschichte sich nicht ausschließen. Dies ist ein Ansatz, der nicht nur aus industriegeschichtlicher Sicht zu begrüßen ist. Gerade digitale Medien wären ohne technischen Fortschritt undenkbar. „Wenn Technik Kultur ist, dann ist technische Bildung auch kulturelle Bildung. Dies ergibt sich bereits dann, wenn man unter Bildung die Entwicklung von Lebenskompetenzen versteht. Denn Technik ist ein unverzichtbarer Bestandteil des Überlebens“, konstatiert Fuchs. Hier gilt es sich ihm anzuschließen, denn gerade Medien sind in Zeiten, in denen eine Pandemie die Welt in Atem hält, für viele emotional überlebenswichtig. Und wenn es nur der ‚digitale’ Kontakt zu lieben Menschen wie etwa den Großeltern ist.
Anmerkung
1www.kubi-online.de/artikel/technik-kultur-technischebildung-teil-kulturellen-bildung [Zugriff: 23.01.2021]