Sebastian Ring
- Medienpädagogischer Referent am JFF - Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis
Zur Person
Sebastian Ring hat Sozialpädagogik und Philosophie studiert. Seit 2006 ist er medienpädagogischer Referent am JFF Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis in München. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen interaktive und digitale Medien, insbesondere Computerspiele, sowie genderbezogene Aspekte der Mediennutzung.
Beiträge in merz
Annabelle Jüppner/Sebastian Ring/Gisela Schubert: PLAN NORD OST
Wie können Jugendliche an Stadtplanentwicklung beteiligt werden? Welche Formate und medienpädagogischen Methoden bieten sich an, in denen sie ihre Wünsche und Ideen sammeln, weiterentwickeln und veröffentlichen können? Das Projekt PLAN NORD OST zeigt Potenziale digitaler Medien für Beteiligungsformate mit Jugendlichen auf und zeigt, inwiefern sich diese auf das Interesse junger Menschen für Politik und Partizipation auswirken.
Literatur:
ACT ON! (2015). Kinder- und Jugendkonferenzen. www.jff.de/act-on/kinder-und-jugendkonferenzen [Zugriff: 08.09.2017]
Demmler, Kathrin/Heinemann, Kerstin/Schubert, Gisela/Wagner, Ulrike (2012). Materialien zur pädagogischen Peer-to-Peer-Arbeit. www.jff.de/peerhochdrei/wp-content/uploads/2014/02/expertise_peerhochdrei-foerdern_vernetzen_qualifizieren_2012.pdf [Zugriff: 15.08.2017]
Moser, Sonja (2010). Beteiligt sein. Partizipation aus der Sicht von Jugendlichen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Ring, Sebastian/Schemmerling, Mareike (2014). MyGames. Jugendtagung zu Computerspielen. In: Demmler, Kathrin/Lutz, Klaus/Ring, Sebastian (Hrsg.), Computerspiele und Medienpädagogik. Konzepte und Perspektiven. München: kopaed, S. 157–164.
Stange, Waldemar (2007). Was ist Partizipation? Definitionen – Systematisierungen. Baustein A 1.1. www.kinderpolitik.de/beteiligungsbausteine/pdf/a/Baustein_A_1_1.pdf [Zugriff: 15.08.2017]
Sebastian Ring: Zwischen Konsole, Kanzlerin und Kongress
‚The Heart of Gaming‘, so lautete Mitte August in Köln das Motto der Gamescom. Allemal ist sie die weltweit größte Veranstaltung dieser Art und es wurden erneut Rekorde über Rekorde gebrochen, unter anderem an Ausstellerinnen und Ausstellern, Besucherinnen und Besuchern oder der Anzahl anwesender Politikerinnen und Politiker. Games sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen – diese Phrase ist so überflüssig und zeitlos wie eh und je: Immerhin ist nun auch ALDI in das Geschäft mit der digitalen Distribution von Games eingestiegen und beteiligte sich mit einer recht überschaubaren Präsenz am Massenspektakel in Köln. Games sind aber mittlerweile auch an der Spitze der Politik angekommen. Die Bundeskanzlerin beehrte die Messe zum ersten Mal, mitten im Wahlkampf und auch, um – nach ihren eigenen Worten – „der Branche meine Reverenz zu erweisen“. Solch hoher Besuch – im Schlepptau der neue NRW-Ministerpräsident Armin Laschet – ist tatsächlich eine Botschaft für sich. Schließlich hatte sich die Messe in den letzten Jahren noch mit Staatssekretärinnen und -sekretären sowie Landesministerinnen und -ministern begnügen müssen.
Die Sphäre der öffentlichen Hand ist auch an anderer Stelle präsent: Natürlich präsentierten sich – fast schon traditionell – unter anderem die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Näher in den Fokus rückt aber die Förderung der Computerspiel-Branche mit öffentlichen Mitteln. So wurde verkündet, dass man die Stärkung des Standorts intensivieren möchte und sich dazu die in den letzten Jahren entstandenen 13 Netzwerke, Förderer und Standort-Initiativen stärker vernetzt haben, unter dem Label Games Germany – Regional Funds and Networks. Vorbild sind zum einen die Vereinigung der Filmförderinitiativen focus germany zum anderen jene Länder, wie Kanada oder Polen, die die Games-Branche bereits erfolgreich fördern.
Auch das Thema Bildung war prominent vertreten. Die Bundeskanzlerin machte sich auf ihrem Messerundgang eine Bild davon, wie Minecraft im Bereich der naturwissenschaftlichen Bildung ins Spiel kommt – auch wenn gerade bei diesem Beispiel die Widrigkeiten des Einsatzes von Games im Schulalltag sichtbar werden, wie mein Kollege Ulrich Tausend in seinem Blog www.tausend-medien.de illustriert. Auf dem Areal des Jugendforum NRW präsentierten sich auch etliche Akteurinnen und Akteure aus der Medienpädagogik, unter anderem die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) und der Spielratgeber NRW. Auch der Gamescom Congress widmete sich zu Teilen der Bildung. Die GMK war einer der Veranstalter des Fortbildungstags ‚Schule und Games‘, der in Workshops und Paneldiskussionen Grundlagen vermittelte und praktische Wege des Einsatzes von Games im Unterricht aufzeigte.
Darüber hinaus wurden unter dem Dachthema des Kongresses ‚Mehr als Wissen‘ weitere Aspekte des Bildungspotenzials von Games beleuchtet, unter anderem durch Rachelle Vallon vom New Yorker Institute of Play oder Vera Marie Rodewald und Christiane Schwinge von der Initiative Creative Gaming.Natürlich nutzten viele Ausbildungsinstitute und Hochschulen die Plattform, um sich einem technikaffinen Publikum zu präsentieren. Auch die Bundeswehr präsentierte sich erneut – mit dem gesamten Medienarsenal zwischen VR und Snapchat, direkt neben den obligatorischen Panzern. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz war in Recruitingmission unterwegs und informierte unter dem Motto ‚Im Verborgenen Gutes tun‘ über Karriereoptionen.Friedlich ging es zu auf der Gamescom.
Geduldig warteten die Fans auf die Chance, die Neuauflage der bekannten Blockbusterserien anzuspielen. Auch wenn sich leider in der Fortsetzung von Serien bei den großen Publishern die Innovationskraft Jahr für Jahr erschöpft: FIFA 18 mit Cristiano Ronaldo als Coverboy, Assassin‘s Creed Origins, das zu den Anfängen der Erzählung ins antike Ägypten führt, Anno 1800, entwickelt mit Unterstützung der Gamingcommunity und Die Sims 4 lassen ab November 2017 Katzen und Hunde in ihre Häuser einziehen. Dabei begegnen einem an den Messeständen zunehmend Spielerinnen und Spieler mit VR-Brille auf der Nase.
Wohltuend sind da Nischen wie die Indie Arena Booth. Diese Plattform für unabhängige Entwicklerstudios, die im vergangenen Jahr mit dem Deutschen Computerspielpreis ausgezeichnet wurde, zeigte erneut, was die Indie-Entwicklerszene zu bieten hat. Darunter einige vielversprechende Titel wie Orwell, das bereits Ende 2016 veröffentlicht wurde und mittlerweile fünf Episoden umfasst. Im Spiel geht es um die staatliche Überwachung der privaten Kommunikation von Bürgerinnen und Bürgern des fiktiven Staats the nation. Mit dem Rising Star Award ausgezeichnet wurde RITE of ILK, ein local multiplayer game, bei dem Spielende kooperativ zwei im Spiel aneinander gebundene Kinder steuern.Traditionell wurden auf der Gamescom natürlich nicht nur Games präsentiert.
Neben Software stehen Hardware, Gaming Gear und Merchandising im Fokus des Interesses. Auch die facettenreichen Aspekte der digitalen Spielkultur fanden hier ihre Bühne. Eine adäquate Bühne hatte zugleich Cosplay, zum einen mit dem eigenen Bereich cosplay village, zum anderen durch die Performances vieler Besucherinnen und Besuchern.Der digitalen Natur von Games und der über das Gaming hinaus führenden Funktionen von Konsolen als Multimedia-Hotspots in den Wohnungen ist geschuldet, dass die Messe auch für andere Technik- und Medienbereiche (3D-Druck, Spotify und Co.) interessant ist. Entsprechend macht deren Präsenz auch Sinn. Darüber hinaus präsentieren sich die einschlägigen Medien (YouTube Gaming, rocketbeans.tv, Twitch).
Ob das Herz des Gaming wirklich auf der Gamescom in Köln schlägt oder nicht viel mehr auf den vergleichsweise kleineren und intimeren Events wie dem PLAY – Creative Gaming Festival oder dem A MAZE Indepentdent Games And Playful Media Festival, auf denen mehr gespielt als gewartet werden kann, ist vielleicht eine Frage des Geschmacks. Für die professionell mit dem Thema Befassten steht die Bedeutung der Gamescom natürlich außer Frage (wobei auch einige namhafte Hersteller wie Crytek, Riot Games oder Rockstar Games nicht anwesend waren). Für viele zigtausende, nach wie vor sehr junge Besucherinnen und Besucher ist sie jedenfalls ein sozialer und emotionaler Höhepunkt des Jahres.
Nächstes Jahr dann wieder im August, wieder in Köln: 21. bis 25. August 2018.
Angelika Beranek und Sebastian Ring: Nicht nur Spiel – Medienhandeln in digitalen Spielwelten als Vorstufe zu Partizipation
Welche Partizipationspotenziale halten digitale Spielwelten und ihre Strukturen für heranwachsende Computerspielende bereit? Um ein besseres Verständnis von pädagogischen Handlungsbedarfen zur Förderung der Beteiligung in digitalen Spielwelten und partizipationsrelevanter Kompetenzen sowie von Ansprüchen an die Gestaltung digitaler Spiele und spielbezogener Kommunikationsplattformen zu erlangen, wird dabei ein Stufenmodell der Partizipation in digitalen Spielwelten entwickelt. Als Partizipation wird hierbei nicht nur politisches Handeln verstanden. Der Begriff wird weiter gefasst und auch Veränderungsmöglichkeiten der digitalen Spielwelten an sich werden als Teilhabemöglichkeiten an diesen Welten begriffen.
Literatur:
Consalvo, Mia (2007). Cheating. Gaining Advantage in Videogames. Cambridge: MIT Press.
Fatke, Reinhard/Schneider, Helmut (2005). Kinder- und Jugendpartizipation in Deutschland. Daten, Fakten, Perspektiven. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung.
Fritz, Jürgen/Lampert, Claudia/Schmidt, Jan-Hinrik/Witting, Tanja (Hrsg.) (2011). Kompetenzen und exzessive Nutzung bei Computerspielern: Gefordert, gefördert, gefährdet. Berlin: Vistas.
Fritz, Jürgen (2011). Wie Computerspieler ins Spiel kommen, Theorien und Modelle zur Nutzung und Wirkung virtueller Spielwelten. In: lfm (Hrsg.), Schriftenreihe Medienforschung der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, Band 67. Berlin: Vistas Verlag GmbH.
Gebel, Christa (2010). Kompetenz erspielen – kompetent spielen? In: merz | medien + erziehung, Nr. 4/2010, S. 45-50.
Hart, Roger (1997). Children’s participation. The theory and practice of involving young citizens in community development and environmental care. Reprinted. New York.
Hugger, Kai-Uwe (2008). Uses-and-Gratification-Approach und Nutzenansatz. In: Sander, Uwe/von Gross, Friederike/Hugger, Kai-Uwe (Hrsg.), Handbuch Medienpädagogik. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 173-177.
Huizinga, Johan (1956). Homo ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel. Hamburg: Rowohlt.
Jörissen, Benjamin (2010). Strukturale Ethnografie virtueller Welten. In: Grell, Petra/Marotzki, Winfried/Schelhowe, Heidi (Hrsg.), Neue digitale Kultur- und Bildungsräume. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 119-144.
Juul, Jesper (2005). Half-Real. Video Games between Real Rules and Fictional Worlds. Cambridge: MIT Press.
Krotz, Friedrich (2009). Computerspiele als neuer Kommunikationstypus. Interaktive Kommunikation als Zugang zu komplexen Welten. In: Quandt, Thorsten/Wimmer, Jeffrey/Wolling, Jens (Hrsg.). Die Computerspieler. Studien zur Nutzung von Computergames. 2. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 25-40.
Krüger, Thomas (2011). Politische Bildung online – Wege zur Partizipation Jugendlicher? In: Theunert, Helga/Wagner, Ulrike (Hrsg.), Alles auf dem Schirm? Jugendliche in vernetzten Informationswelten. München: kopaed, S. 139-153.
Kuhn, Axel (2010). Der virtuelle Sozialraum digitaler Spielwelten. Struktur und Auswirkungen auf das Spielerleben. In: Kaminski, Winfred/Lorber, Martin (Hrsg.), Computerspiele: Medien und mehr … München: kopaed, S. 129-146.
Oser, Fritz/Ullrich, Manuela/Biedermann, Horst (2000). Partizipationserfahrungen und individuelle Kompetenzen. Literaturbericht und Vorschläge für eine empirische Untersuchung im Rahmen des Projekts “Education à la Citoyenneté Democratique (ECD)” des Europarats. Universität Fribourg. edudoc.ch/record/29371/files/249.pdf [Zugriff: 18.05.2016].
Piasecki, Stefan (2015). Kondensstreifen der Online-Sozialisation. Videospiele als Zuträger von persönlichen Informationen und Verhaltensparametern. In: merz | medien + erziehung, Nr. 1/2015, S. 45-52.
Ring, Sebastian (2014). Im besten Sinne ‚gut‘ spielen. Kompetent computerspielen. In: Demmler, Kathrin/Lutz, Klaus/Ring, Sebastian (Hrsg.), Computerspiele und Medienpädagogik. Konzepte und Perspektiven. München: kopaed, S. 73-78.
Ring, Sebastian/Funiok, Rüdiger (2015). Harmloses Als-Ob, nützliches Lebenstraining, problematische Menschenbilder – Braucht es eigene ethische Maximen für Computerspiele? In: Prinzing, Marlies/Rath, Matthias/Schicha, Christian/Stapf, Ingrid (Hrsg.), Neuvermessung der Medienethik. Weinheim und Basel: Beltz, S. 177-190.
Schröder, Richard (1995). Kinder reden mit. Weinheim: Beltz.Soßdorf, Anna (2016). Zwischen Like-Button und Parteibuch. Die Rolle des Internets in der politischen Partizipation Jugendlicher. Wiesbaden: Springer VS.
Stange, Waldemar (2007). Was ist Partizipation? Definitionen – Systematisierungen. Baustein A 1.1. Online verfügbar unter www.kinderpolitik.de/beteiligungsbausteine/pdf/a/Baustein_A_1_1.pdf.
Theunert, Helga (2009). Medienkompetenz. In: Schorb, Bernd/Anfang, Günther/Demmler, Kathrin (Hrsg.), Grundbegriffe Medienpädagogik. Praxis. München: kopaed, S. 109-204.
Unger, Alexander (2012). Modding as Part of Game Culture. A Handbook of Digital Games Studies. In: Fromme, Johannes/Unger, Alexander (Hrsg.), Computer Games and New Media Cultures. Dordrecht, New York: Springer, S. 509-523.
Wagner, Ulrike/Brüggen, Niels (2013) (Hrsg.). Teilen, vernetzen, liken. Jugend zwischen Eigensinn und Anpassung im Social Web. Baden-Baden: Nomos.
Wagner, Ulrike/Gerlicher, Peter/Brüggen, Niels (2011). Partizipation im und mit dem Social Web – Herausforderungen für die politische Bildung. Expertise für die Bundeszentrale für politische Bildung. www.jff.de/jff/index.php?id=74&type=0&jumpurl=uploads%2Fmedia%2FExpertise_Partizipation_Im_Social_Web_01.pdf&juSecure=1&locationData=74%3Att_content%3A428&juHash=4ea7a96e2471ad2a47a1ffa549af0f29ca269b13 [Zugriff: 18.05.2016].
Weiss, Wolfgang W. (1981). Überlegungen für ein theoretisches Modell politischer Sozialisation. In Klingemann, Hans-Dieter/Kaase, Max (Hrsg.), Politische Psychologie, S. 37-55. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Widmaier, Benedikt (2011). Von der Politikverdrossenheit zum Wutbürger? Partizipation als Ziel der politischen Bildung. In: Widmaier, Benedikt/Nonnenmacher, Frank (Hrsg.), Partizipation als Bildungsziel. Politische Aktion in der politischen Bildung. Schwalbach/Ts.: Wochenschau, S. 7-15.
Wimmer, Jeffrey (2013a). Kontextualisierung versus Komplexitätsreduktion. Medienwirkung aus kulturtheoretischer Perspektive. In: Schweiger, Wolfgang/Fahr, Andreas (Hrsg.), Handbuch Medienwirkungsforschung. Wiesbaden: Springer, S. 119.
Wimmer, Jeffrey (2013b). Massenphänomen Computerspiele: Soziale, kulturelle und wirtschaftliche Aspekte. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft, S. 81.
Zimmerman, Eric (2007). Gaming Literacy – Game Design as a Model for Literacy in the 21st Century. www.ericzimmerman.com/files/texts/Chap_1_Zimmerman.pdf [Zugriff: 18.05.2016].
Sebastian Ring: Wo geht’s hier lang?
Digitale Spielwelten stellen von außen betrachtet möglicherweise einen undurchsichtigen, kaum überschaubaren Dschungel dar. Wer diesen Dschungel noch nicht selbst betreten hat und das aus welchen Gründen auch immer auch nicht möchte, ist auf Unterstützung angewiesen. Das kann ein Guide sein, der durch den Dschungel führt und Fragen beantwortet, ein Reiseführer mit Hintergrundinformationen über die entlegenen Gebiete und seine Bewohnerinnen und Bewohner oder doch zumindest eine Karte, die Orientierung bietet und Highlights oder dunkle Ecken ausweist.Eine komplette Übersicht über alle gegenwärtigen Computerspiele zu bieten ist schwierig. Nicht nur der konventionelle Markt für Computer- und Konsolenspiele der großen Publisher, die ihre oft teuren Produktionen entsprechend bewerben und über die USK einer Prüfung unterziehen, ist sehr umfangreich. Auch der Bereich der Smartphonesspiele ist sehr dynamisch und unübersichtlich, ebenso wie der Bereich der Indiegames, also jener Spiele, die unabhängig von großen Firmen meist in kleineren Gruppen entwickelt werden, boomt und breite Zielgruppen erreicht, wie zum Beispiel der Millionenerfolg Minecraft (Mojang 2011) gezeigt hat.Die Bewertung von Computerspielen ist zudem kein leichtes Unterfangen, da der Umfang, die Geschichte und Spielwelt sehr umfangreich sein können und bei vielen Spielen nicht komplett einsehbar sind. Guter Rat ist also gefragt, speziell für diejenigen, zu deren primären Interessen Computerspiele nicht zählen, die aber als Eltern computerspielbegeisterter Kinder oder pädagogische Fachkräfte dazu angehalten sind. Gerade bei ihnen bestehen oft Unsicherheit und pauschale negative Vorbehalte gegenüber der Mediennutzung der heranwachsenden Generation (vgl. Wagner et al. 2013).
Sie benötigen Unterstützung dabei, digitale Spielwelten einzuschätzen und zu beurteilen. Ein Überblick über pädagogische Materialien zum Thema Computerspiele, durch sie behandelte Themen und Ratschläge ebenso wie Leerstellen wurde im Rahmen der Expertise für das Projekt GamesLab des JFF erarbeitet (vgl. Wagner et al. 2013). Für diejenigen Eltern, die nach Informationen suchen, stellt das Internet eine wichtige Quelle dar. Neben einer Vielzahl von journalistischen Websites, die sich an Gamer jeden Alters richten, wenden sich einige Onlineangebote, die Games bewerten, speziell an Eltern und pädagogische Fachkräfte. Die bekanntesten unter ihnen werden hier beschrieben und vorgestellt. Ein wichtiger Aspekt bei der Rezeption dieser Beurteilung ist, die Spiele einschätzen zu können, Hinweise zu ihren Inhalten, Genres und dem spielerischen Handlungsspektrum zu erhalten. Dabei spielt nicht nur die Story der Spiele eine Rolle, sondern das, was die Spielenden mit den Spielen und mit ihren Mitspielerinnen und Mitspielern anstellen können. Solche Beschreibungen beziehen sich auf konkrete Spiele aber auch auf weitere Kontexte wie Spiel- und Entwicklungstheorien, aktuelle Forschungsergebnisse, den gesellschaftlichen Diskurs und vieles mehr.Eine konstruktive Unterstützung sollte dabei nicht nur die Computerspiele selbst beschreiben, sondern auch die Perspektive von Heranwachsenden inkludieren. Dazu zählt natürlich auch, dass nicht nur Risiken, sondern auch Potenziale in den Blick genommen und Hinweise gegeben werden, wie Erwachsene die Spielkultur der Heranwachsenden, mit denen sie zu tun haben, bereichern können.Wünschenswert wäre zudem, dass die Plattformen ihre Testkriterien transparent machen.
Das erleichtert ihren Zielgruppen zum eine die Bewertung besser einzuschätzen zu können, zum anderen wird für wichtige Bewertungskriterien sensibilisiert. Man lernt stetig dazu – sowohl im Hinblick auf die Einschätzung von Computerspielen als auch im Hinblick auf medienerzieherische Fragestellungen. Hilfestellungen, die Eltern oder pädagogische Fachkräfte in ihr alltägliches Tun integrieren können und die sie beim learning-by-doing unterstützen, können sehr nützlich sein. Die Beurteilungen sollten dem sehr unterschiedlichen Wissensstand und Erfahrungshintergrund ihrer Zielgruppen Rechnung tragen. Die heutige Eltern- und vor allem Vätergeneration kann durchaus auf eigene Spielerfahrungen verweisen. Dennoch gibt es viele, für die digitale Spielwelten Neuland und die in diesem Kosmos verwendeten Begriffe unverständlich sind.
spielbar.de
spielbar.de ist die Plattform der Bundeszentrale für politische Bildung zum Thema Computerspiele. Die Plattform richtet sich an pädagogisch Verantwortliche und Eltern und bietet ihnen unter anderem gegenwärtig knapp 450 Spielbeurteilungen, Praxiswissen, Begriffserklärungen, Literaturtipps, aktuelle Nachrichten, Fachartikel und Handreichungen zu pädagogischen, aber auch ludologischen und spielkulturellen Themen. spielbar.de greift immer wieder auch aktuelle Schwerpunkte der Entwicklung digitaler Spielwelten wie zum Beispiel mobiles Spielen auf. spielbar.de kooperiert bei der Erstellung der Spielbesprechungen mit Jugendeinrichtungen im gesamten Bundesgebiet und in Österreich. Durch die Einbeziehung jugendlicher Testergruppen wird die Sicht der Spielenden selbst integriert. Darüber hinaus bietet auch die Website und Facebook-Page die Möglichkeit der Diskussion aktueller Informationen oder Spielbesprechungen. Die Texte auf spielbar.de stehen unter CC-Lizenz zur Weiterverbreitung zur Verfügung.
Spieleratgeber NRW – Wissen, was gespielt wird!
Der vom gemeinnützigen Verein ComputerProjekt Köln e. V. getragene und vom Land NRW finanzierte Spieleratgeber NRW unter der Schirmherrschaft der nordrhein-westfälischen Familienministerin bietet Eltern und pädagogischen Fachkräften über die gesetzlich verbindlichen Alterskennzeichnungen hinaus Informationen zu Computerspielen unter medien- und bildungspädagogischen Gesichtspunkten (1). Knapp 900 Spielebeurteilungen, zu denen jeweils neben einer umfangreichen Spielbeschreibung auch eine pädagogische Beurteilung zählt, befinden sich gegenwärtig in der Datenbank. Die eigene Jugendredaktion und insgesamt zwölf Spieletestergruppen von Kindern und Jugendlichen im Raum NRW erarbeiten unter Anleitung qualifizierter Medienpädagoginnen und Medienpädagogen die Spielbeschreibungen. Die Website umfasst darüber hinaus Basiswissen zu Computerspielen, Handlungswissen für die Praxis und informiert über aktuelle Veranstaltungen, Publikationen, pädagogische Projekte und vieles mehr.
bupp.at – Bundesstelle für die Positivprädikatisierung von Computer- und Konsolenspielen
Im Gegensatz zur deutschen USK oder dem europäischen Bewertungsmodell PEGI, die Computerspiele unter Rücksicht auf mögliche Risiken für die gelingende Entwicklung Heranwachsender beurteilen, geht die vom österreichischen Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend getragene BuPP einen anderen Weg. Nach dem Motto „Empfehlen statt verbieten“ (2) steht hier die Positivbewertung und Empfehlung als Orientierung für die Auswahl und den Kauf von Spielen für Kinder und Jugendliche im Vordergrund. Neben Tipps zur Auswahl von Spielen als eine Art Guideline sind auch die Bewertungskriterien und das Prüfverfahren auf der Website beschreiben. Gut 600 PC- und Konsolenspiele enthält die Datenbank gegenwärtig. Auch mobile Konsolen werden thematisiert, allerdings keine Browser- oder Smartphonespiele. Ähnlich wie bei der USK muss ein Spiel zur Prüfung eingereicht werden. Entsprechend fehlen hier auch Indiegames. Die Website bietet Eltern und pädagogischen Fachkräften auch Informationen zu Theorie und Forschung, sowie Handlungsempfehlungen zu Chancen und Risiken. Auch Jugendliche werden – wenn auch in deutlich geringerem Umfang – mit eigenen Unterseiten angesprochen. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt games-wertvoll.de, eine Initiative des ComputerProjekt Köln e. V. und des Bundesverbands des Spielwaren-Einzelhandels e. V. (BVS). Sie vergibt das Gütesiegel „pädagogisch wertvoll“ an Spiele der USK-Kennzeichnung 0, 6 und 12 und möchte damit also explizit Computerspiele auszeichnen, die über einen pädagogischen Mehrwert verfügen. Kurze Beschreibungstexte und die Begründungen der Auswahljury sind online veröffentlicht.Feibel.de –
Das Büro für Kindermedien
Eine der bekannteren Plattformen unter denen für die Beschreibung von Computerspielen für Kinder ist die Website feibel.de, die auch zu den Veranstaltern des Kindersoftwarepreises TOMMI (siehe unten) zählt. Betreiber der Website ist der Journalist Thomas Feibel. Auf der Website werden „Spiele des Monats“ unterschiedlicher Plattformen, vorwiegend für PC und Konsole und nach einer Vielzahl von thematischen Kategorien gegliedert in kurzen Texten beschrieben. Über Auswahl- und Bewertungskriterien wie die Autorschaft gibt die Website allerdings keine Auskunft. Interessant ist, dass es mit feibelito.de ein eigenes Webangebot für Kinder gibt, das nach einer Vielzahl von Rubriken gegliedert ist. Die Auswahl der Spiele und die Beurteilungskriterien sind allerdings auch hier nicht transparent. So scheint etwa die Rubrik für Mädchenspiele lediglich eine Aufzählung gängiger Klischees von Pferde-, Tier- und Beauty-/Fashionspielen zu sein.
And the winner is …
Eine andere Form der Beurteilung von Computerspielen stellen Computerspielpreise dar. Dass Games Kulturgut sind, kann nicht mehr ernsthaft bezweifelt werden. Vielmehr stellt sich aber die Frage nach Beurteilungskriterien und Zielsetzung der Preise.Der Kindersoftwarepreis TOMMI unter der Schirmherrschaft von Bundesjugendministerin Kristina Schröder wurde von feibel.de und dem Family Media Verlag initiiert, um innovative, herausragende und altersgemäße Kindersoftware zu prämieren. Jährlich bestimmen Kinder in Bibliotheken aus dem gesamten Bundesgebiet nach Vorauswahl durch eine Fachjury die Gewinnerinnen und Gewinner des TOMMI. Um eine Auszeichnung bewerben können sich alle Hersteller, die Teilnahme an der Jurierung ist für sie kostenpflichtig.Mit dem Interaktiv-Preis Pädi des gemeinnützigen SIN – Studio im Netz e. V. werden multimediale Produkte für Kinder und Jugendliche prämiert. Zur Auszeichnung können Computerspiele in diesem Fall durch Kinder, Jugendliche, Eltern, Fachkräfte und Hersteller vorgeschlagen werden. Eine Jury von Kindern, Jugendlichen und erwachsenen Fachleuten entscheidet anhand von pädagogischen, ästhetischen und zielgruppenorientiertenKriterien über die Nominierten.Bereits zum fünften Mal wurde der von den Branchenverbänden BIU e. V. und G.A.M.E. e. V. gemeinsam mit dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien getragene Deutsche Computerspielpreis verliehen, mit dem herausragende deutsche Spielproduktionen ausgezeichnet werden und damit besondere Anreize für die Entwicklung innovativer, kulturell und pädagogisch wertvoller Spielekonzepte und -inhalte gesetzt werden sollen (3). Die kontroverse Diskussion über diesen Preis in den vergangenen Jahren machte unter anderem deutlich, wie wichtig es ist, sich mit Kriterien für die Beurteilung von Spielen auseinanderzusetzen, die Meinung von Spielenden zu hören, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Ein technisch hochwertiges und ästhetisch ansprechendes Spiel muss natürlich nicht zwangsläufig für Kinder und Jugendliche geeignet sein. Für eine Differenzierung sollen hier unterschiedliche Kategorien wie bestes Kinderspiel, bestes Jugendspiel, bestes Serious Game et cetera sorgen.Mit dem interantionalen A MAZE. Indie Connect Festival hat sich in Berlin eine Plattform für die Indiegameszene gebildet, die auch als Ideenschmiede für die Fortentwicklung des Gamedesigns gelten kann. Besonders innovative Konzepte sind hier zu finden. Deren pädagogische Eignung ist allerdings nicht Gegenstand der Beurteilung durch die Jury. Hier geht es um Kriterien wie Innovation, Fortschritt oder kulturelle Bedeutung.Die digitalen Spielwelten entwickeln sich sehr dynamisch. Ebenso hoch sind die Anforderungen an Eltern und pädagogische Fachkräfte sowie die Portale, die sich zum Ziel gesetzt haben, Eltern Orientierung und Information zu bieten. Einfache und gut erreichbare Informationen bieten sowohl kommerzielle als auch non-kommerzielle Anbieter. Defizite und nur teilweise geschlossene Lücken sind zum einen im Bereich von neuen Plattformen wie mobilen Endgeräten und neueren Genres auszumachen. Zum anderen wäre noch eine stärkere Transparenz und Erläuterung bezüglich der Auswahl- und Bewertungskriterien wünschenswert.
Anmerkungen:
(1) www.spieleratgeber-nrw.de/site.8.de.1.html(2) www.bupp.at/die-bupp/empfehlen-statt-verbieten(3) www.deutscher-computerspielpreis.de/5.0.html
Literatur:
Wagner, Ulrike/Gebel, Christa/Lampert, Claudia (Hrsg.) (2013). Zwischen Anspruch und Alltagsbewältigung: Medienerziehung in der Familie. Berlin: Vistas.
Wagner, Ulrike/Gerlicher, Peter/Ring, Sebastian/Schubert, Gisela (2013). Computerspiele in der pädagogischen Arbeit. Expertise im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des Projekts GamesLab. www.jff.de/games/gameslab-expertise [Zugriff: 10.05.2013]
Martin Geisler und Sebastian Ring: Editorial
„Computerspiele sind Teil der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen …“, „Computerspiele sind eine der liebsten Freizeitbeschäftigungen von Jungen…“, „Computerspiele sind aus dem Alltag von Kindern, Jugendlichen und immer mehr Erwachsenen nicht mehr wegzudenken“ …– So oder ähnlich werden regelmäßig Eltern oder pädagogische Fachkräfte in Fortbildungsausschreibungen oder Einladungen zu Elternabenden angesprochen. Dies legt den Eindruck nahe, dass bei Erwachsenen ein Defizit vorliegt bezüglich des Wissens über digitale Spielwelten und bezüglich Bewertungsmaßstäben die Spiele und das Spielen betreffend. Dabei sind Computerspiele längst kein neues Phänomen mehr. Was lange von großen Teilen der Gesellschaft insbesondere als Freizeitbeschäftigung junger Männer angesehen wurde, hat sich stark ausdifferenziert und einen gewichtigen Anteil am Entertainmentmarkt erobert. Die erste Generation der Atari-, C64-, oder Gameboy-Spielerinnen und - Spieler hat inzwischen selbst Nachwuchs. Zudem sind und waren Computerspiele nicht ausschließlich ein Medium für Kinder und Jugendliche. Ungefähr drei von vier deutschen Haushalten, in denen Kinder und Jugendliche leben, sind mit PCs oder Spielkonsolen ausgestattet (vgl. KIM 2010, S. 7 und JIM 2011, S. 5).
Fast ein Fünftel der Eltern unter 34 Jahren spielt selbst tagtäglich oder mehrmals pro Woche Computerspiele (vgl. FIM 2011, S. 57). Wie sich das digitale Spielen in den familiären Alltag einfügt, welche Rolle Games bei der Identitätsentwicklung und Partizipation an sozialen Prozessen einnehmen, ist im Vergleich zu anderen Medien allerdings noch eher randständig untersucht.Die Welt der Computerspiele entwickelt sich nach wie vor überaus dynamisch – mit Blick auf die verfügbaren Geräte, Plattformen, Genres oder Erlösmodelle. Darüber hinaus sind Computerspiele stark mit der konvergenten Medienwelt verwoben. Sie tauchen in dieser als Thema der Kommunikation oder als Handlungsprinzip, beispielsweise durch Anwendung von Spielprinzipien auf andere Bereiche wie Werbung, Bildung oder Wissensvermittlung (Gamification) auf. Games spielen mittlerweile in vielen gesellschaftlichen Systemen eine Rolle: Wirtschaft, Pädagogik, Politik, Wissenschaften und Kunst beschäftigen sich mit den verschiedenen Facetten des Themas. Es hat sich inzwischen auch eine vielschichtige Kultur in und rund um digitale Spielwelten etabliert.
Unterschiedliche Genres bieten für nahezu jede und jeden Anreize zum Spielen. Casual Games und Partyspiele machten das Computerspielen auch für Erwachsene, Familien sowie Seniorinnen und Senioren attraktiv. Circa 2,5 Millionen Intensivspielerinnen und - spieler engagieren sich im deutschen E-Sport. Eigene Fernsehsender und Zeitschriften behandeln das Computerspiel oder gar einzelne Spiele. Kreativwettbewerbe, Gamejams, Barcrafts, Messen und Festivals widmen sich verschiedenen Spielformen und fördern den kreativen Umgang mit Games. Auch sprachlich hat die Szene ihre individuellen Abgrenzungsmechanismen gefunden. Sie erweckt daher den Eindruck, es handle sich um eine eigenständige Jugendkultur. Angesichts der breiten Altersstruktur, der Vielfalt an und Differenzen zwischen Spielformen und Genres, erscheint diese Kategorisierung jedoch anfechtbar.Die vorliegende merz-Ausgabe geht aus verschiedenen Perspektiven der Frage nach möglichen sozialen, kulturellen und medial-sprachlichen Konturierungen von Spielerkulturen nach: Friedrich Krotz erörtert in seinem Beitrag Computerspielen als Handeln in sozialen Welten: Abschied von der These einer Jugendkultur der Computerspieler zunächst die Frage, ob sich Computerspielerinnen und Computerspieler überhaupt zu einer Sub-, Co- oder Jugendkultur zusammenfassen lassen. Empirische Hinweise auf den Mangel an zusammenhängenden Orientierungen und Wertvermittlungen, sowie die Veränderungen von Vergemeinschaftungs- und Vergesellschaftungsformen in der postmodernen Gesellschaft sprechen eher gegen diese These. Krotz bietet als eine Alternative, die diesen Bewegungen Rechnung trägt, den Begriff der sozialen Welten.
Sebastian Pranz beleuchtet die Zeichenwelt, die in Computerspielen in komplexer Form präsentiert wird, zeigt auf, wie Computerspielerinnen und - spieler diese interpretieren und auf welche Weise Computerspiele auf die soziale Realität referieren: Use chainsaw with radioactive slime. Über Symbole in Spielwelten.Judith Ackermann wirft in ihrem Text die Frage auf Sprechen Gamer eine eigene Sprache? Und untersucht, welche Rolle die Sprache bei der Abgrenzung von anderen Spielenden und Nicht- Spielenden einnimmt und wie Spielende über Computerspiele und ihr Spielerleben kommunizieren. Die situative Verwendung von Sprache folgt dabei sowohl konvergenz- als auch divergenzorientierten Strategien und kann sowohl der Abgrenzung als auch Inklusion dienen. Ilona Cwielong setzt sich in ihrem Beitrag Das japanische popkulturelle Fantum – Fankultur in digitalen Welten mit dem japanischen popkulturellen Fantum auseinander. Hierbei wird auch die Rolle des Webs für Information und Kommunikation und die Produktion von FanArt, zum Beispiel im Cosplay, thematisiert.
Martin Geisler, Sebastian Ring und Jürgen Sleegers schließlich skizzieren kultur-, medien- und spielpädagogische Perspektiven auf das Computerspiel(en) und geben einen Überblick über die Landkarte gegenwärtiger Praxis zu und mit Games. Grundlage hierfür war ein Call for Projects, über den in den vergangenen Wochen circa 50 Projekte erfasst werden konnten. Der in diesem Heft verfügbare Platz wird der Menge und Vielfalt an eingereichten Projekten nicht gerecht. Deshalb werden alle Projektsteckbriefe auf der merz-Homepage zugänglich gemacht: www.merz-zeitschrift.de/ bestpractice_computerspiele.
Martin Geisler, Sebastian Ring und Jürgen Sleegers: Medienpädagogische Projekte zu Computerspielen
Für diese Ausgabe der merz wurden durch einen Onlinefragebogen aktuelle pädagogische Projekte zu oder mit Computerspielen erhoben. Nach der Skizzierung kultur-, medien- und spielpädagogischer Perspektiven auf das Computerspiel(en) wird ein Überblick über die gegenwärtige Praxis gegeben und eine erste Kategorisierung vorgenommen.
Literatur:
Bildungskommission NRW (1995). Zukunft der Bildung – Schule der Zukunft. Neuwied.
Gebel, Christa (2010). Kompetenz erspielen – kompetent spielen? In: merz | medien und erziehung, Vol. 54, Heft 4, S. 45 – 50
Herriger, Norbert (2006). Empowerment in der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. 3. erweiterte und aktualisierte Auflage. Stuttgart.
Kade, Jochen (1997). Riskante Biographien und Risiken lebenslangen Lernens. In: Literatur und Forschungsreport Weiterbildung 39/1997. S. 112-124.
Fuchs, Max (2000). Bildung, Kunst, Gesellschaft. Beiträge zur Theorie und Geschichte der kulturellen Bildung. Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (Hrsg.), Band 55. Remscheid.
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Sebastian Ring: Die Gamescom 2012
275 000 Menschen kamen, um sich das Spektakel anzusehen, das heuer zum dritten Mal in Köln stattfand. Genug, um den Zugang zur Messe am Samstag vorsichtshalber sperren zu lassen – sehr zum Missfallen derjenigen, die sich vor dem Messegelände drängten und nun mit kühlen Drinks abgespeist wurden, während sie ihrem Ärger bei Facebook Luft machten. Allemal zu viele waren es auch in den Messehallen, und das führte dazu, dass die Wartezeiten zum Ausprobieren der Neuigkeiten ins Endlose gedehnt wurden. Aber das sollte niemanden wirklich abschrecken. Die Gamescom lebt davon, Treffpunkt für die Gamesbranche und Gamesbegeisterte zu sein und sie bietet schlicht die Möglichkeit, wenigstens einen kurzen Blick auf Battlefield 3, FIFA12, Diablo 3, Assassin’s Creed Relevations, Deus Ex: Human Revolution oder viele andere der Neuerscheinungen zu erheischen und kennerhaft im Freundeskreis und der Welt mitteilen zu können, dass in diesem Jahr eigentlich nichts wirklich Neues dabei war: Weit und breit keine wirklich neuen genreprägenden Titel in Sicht – bevor sich an dieser Stelle Widerspruch regt: Doch, The Witcher 2 des polnischen Entwicklerstudios CD Projekt RED und From Dust des Designers Eric Chahi sind tatsächlich einen zweiten Blick wert. Neben der Software waren aber auch keine Hardwareinnovationen greifbar – nicht einmal die noch im Juni auf der weltgrößten Videospielmesse E3 präsentierte Wii U. Lediglich die Playstation Vita und überhaupt das Spielen auf mobilen Endgeräten, sowie Cloud Gaming- Dienste wie onlive, die antreten, um Konsolen und Gaming-PCs überflüssig zu machen, zeigen offensichtlichere Entwicklungslinien auf.
Alte Spiele in neuen (Verkaufs-) Schläuchen
Stattdessen setzt die Industrie auf die Ausbeutung etablierter Marken. Das sind zum einen bewährte AAA-Titel, wie eben beispielsweise die Reihen Call of Duty, Diablo, FIFA, Silent Hill, Anno et cetera und zum anderen aus anderen Medienbereichen bekannte Bestseller, zum Beispiel das Tanzspiel Black Eyed Peas Experience oder das MMORPG Star Wars – The Old Republic. Irgendwie bemerkenswert waren auch die runden Geburtstage von Spieleserien (z. B. 25 Jahre Zelda) oder Entwicklerstudios und Publishern (z. B. 25 Jahre ubisoft), die auf der Gamescom gefeiert wurden. Die Branche hat sich etabliert, keine Frage, aber Neuentwicklungen lassen sich eher im Bereich von Geschäftsmodellen ausmachen. Free-to-play-Modelle greifen um sich, vorwiegend im Bereich der Browser- und Social Games, aber zum Beispiel auch die Vertriebsplattform Steam bietet diese Möglichkeit mittlerweile. Für Spieleproduzenten ist diese Form des Bezahlens durchaus einträglich. Bigpoint zählt laut eigenen Angaben zum Weltmarktführer für Browsergames und setzt stark auf dieses Bezahlmodell. Für viele Spielende bietet das die Möglichkeit, Spiele kostenfrei zu spielen oder eben zu entscheiden, wie viel Geld einem ein Spiel wirklich wert ist – sofern die Kostenmodelle ausreichend transparent sind und Kaufentscheidungen autonom getroffen werden. Flexibilisierung von Kosten findet auch an anderer Stelle statt: Neben den vollen Kosten für eine als boxed product oder Download vertriebene Vollversion stehen kostenpflichtige Zusatzdownloads (DLC) oder Onlinedienste (z. B. Call of Duty Elite) bereit. Solche Modelle sind wichtig und interessant für die Gamesindustrie, die auf Wachstum abzielt und die sich auch der Konkurrenz durch Spielangebote im Niedrigpreisbereich, zum Beispiel auf Smartphones, erwehren will. Die Gamescom bietet der Branche zum Beispiel durch die Business Area und die Games Developer Conference Europe Anlässe und Räume für Kontakt und Austausch über solche Entwicklungen.
Gamescom – Jahrmarkt der Gameswelt
Für die normalen Besucherinnen und Besucher standen die Spiele und das Spektakel im Vordergrund. Auch in dieser Hinsicht wurde hier einiges geboten. Brandneue Autos wie der BMW M5 wurden präsentiert, Kamele trugen die dritte Version von Uncharted durch die Stadt zum Messestand und die ESL und die World Cyber Games fanden ihr Publikum. Einfallsreichtum war gefragt, um aufzufallen. Das galt auch für die Cosplayer, die sich zahlreich und wie jedes Jahr geschminkt und in aufwändig gestaltete Roben und Kostüme gehüllt, auf der Gamescom tummelten. Was eine so große Zahl von spielbegeisterten Menschen lockt, zieht natürlich auch die Werbetreibenden an, die an dieser Zielgruppe interessiert sind. Klar im Fokus standen natürlich die Spiele, aber auch Hardwarehersteller (z. B. für Konsolen, Mäuse etc.) präsentierten sich. Zeitschriftenverlage stellten ihre Magazine, Romane oder Comics zu Games aus. Die Bundeswehr war mit von der Partie, die Junge Union und etliche Gamer stürmten neugierig die PC-Stationen der Deutschen Post, um dort das vermeintliche Game namens E-Postbrief zu testen. Wie in den vergangenen Jahren stand aber nicht nur die Unterhaltung im Fokus. Einige Serious Games wurden der Öffentlichkeit präsentiert, beispielsweise Zappelix, das laut Herstellerangabe einzige Computerspiel, das man in der Apotheke erwerben kann und das ADHS-Kindern und ihren Eltern als wirkungsvolle Alternative zu dem nicht unumstrittenden Medikament Ritalin angeboten wird. Oder SQUIN – Smoke Quit Win!, eine Smartphoneapp, die frischgebackenen Ex-Raucherinnen und Ex-Rauchern in schwachen Momenten unter anderem mit einem Notfallbutton den rettenden Strohhalm reicht. Interessanter unter den ernsthafteren Angeboten der Gamescom erscheint da doch der gamescom campus, auf dem sich neben anderen das Jugendforum NRW, die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) und die Personalabteilungen deutscher Spieleentwickler präsentieren. Auch wenn an diesen Ständen keiner stundenlang anstehen musste, war die Nachfrage doch gut und vor allem die Einblicke in den Arbeitsmarkt und Wege dorthin von vielen jungen Spielern und Spielerinnen auch stark nachgefragt. Die deutsche Gamesbranche entwickelt sich stetig weiter. Öffentliche Förderung durch einige Bundesländer soll diesen Zukunftsmarkt und die Rolle Deutschlands im globalen Wettbewerb stärken. Deutschland ist weltweit in Sachen Games nicht gerade als Hotspot für Innovation bekannt.
Die Spiele(r) und ihr Platz in der Gesellschaft
Um das zu ändern, gilt es auch, das Bild von Computerspielen und ihren Spielerinnen und Spielern in der Öffentlichkeit differenzierter darzustellen. Zu negativ erscheint es im Allgemeinen und die klischierten Vorstellungen von Gamern als meist jungen, männlichen, pickligen, pummligen und Pizza essenden Nerds ist immer noch weit verbreitet. Eindrucksvoll belegte das ein Bericht von RTL Explosiv, der – jenseits journalistischer Professionalität und Ethik – einzelne Gamescombesucher maßlos bloßstellte und ihre Offenheit und Auskunftsfreude ausnutzte, um eben jene Klischees zu bedienen. Die Aufregung der Gamer darüber war groß und zurecht braute sich ein Sturm der Entrüstung über RTL zusammen. Dieser führte schließlich immerhin dazu, dass sich der verantwortliche Redakteur und mit ihm der Sender entschuldigen mussten.
Aufrufe zur Beschwerde über die Sendung, die über das Netz verbreitet wurden, erreichten, dass das Online-Bürgerportal der Landesmedienanstalten www.programmbeschwerde.de seine größte Beschwerdewelle erfuhr und zeitweise von den über 100.000 Anfragen überfordert war. Ein medienrechtlicher Verstoß konnte durch die zuständige Niedersächsische Landesanstalt für Rundfunk (NLM) jedoch nicht festgestellt werden. Diese Geschichte dokumentiert aber deutlich, dass sich die vielen Gamer mit ihrem schlechten Image in der Öffentlichkeit nicht abfinden möchten und sich dagegen zur Wehr setzen. Interessanter erscheint in diesem Kontext der Schritt, den das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit seinem Spartensender zdf.kultur erstmals wagte: For the win übertrug E-Sport. Was in anderen Ländern längst selbstverständlich erscheint, nämlich die Berichterstattung über E-Sport im Massenfernsehen, ist in Deutschland nach wie vor randständig entwickelt. Aus Gründen des Jugendschutzes – eine der Disziplinen, in der die E-Sportler gegeneinander antraten, war der erst ab 16 Jahren freigegebene Shooter Counter-Strike – wurde die Sendung erst spät in der Nacht ausgestrahlt. Eine breitere öffentliche Berichterstattung über Spielerkulturen, zu der unter anderen auch der E-Sport zählt, täte auch der Differenzierung der öffentlichen Debatte über Computerspiele im Allgemeinen gut.
Mehr Aufmerksamkeit für Spielkultur
Im Umfeld der Gamescom wurden noch weitere Facetten dieser kulturellen Seite des Gaming sichtbar. Zum zweiten Mal veranstaltete die Agentur 37 Grad das Platine Festival für elektronische Kunst und alternative Spielformen (www.platine-cologne.de). Besonders charmant erschien hier das Spiel Pong Invaders Reality von Tobias Othmar Herrmann (www.tmmbach.net), bei dem man auf einer Tischtennisplatte und mit Schläger und Ball bestückt gegen Space Invaders antritt. Eine weitere seiner Kreationen befand sich am Stand der Bundeszentrale für politische Bildung: Milky Boat, bei dem man ein ferngesteuertes Boot über einen kleinen Milchsee zu steuern hatte und dieses vor dem – tatsächlich ebenso physischen Untergehen nach Crash mit projizierten Seeminen – bewahren musste. Man darf sich wünschen, dass solche Formen von Spielkultur mehr öffentliche Aufmerksamkeit erfahren und der Facettenreichtum der Gameskultur stärkere Anerkennung erfährt. Die bundesdeutsche Gesellschaft – oder zumindest Teile von ihr – haben hier noch einiges zu lernen und ein erster Schritt hierzu könnte sein, sich ein eigenes Bild zu machen und die Gamescom zu besuchen.
Als größte Gamesmesse Europas hat sich die Gamescom in den drei Jahren in Köln etabliert und ist gewachsen. Aber bei weitem nicht alle Aussteller und Gäste sind zufrieden mit den Rahmenbedingungen und den Organisationsverläufen der koelnmesse. So steht in den Sternen, ob der Tross nicht in den nächsten Jahren weiterzieht. Wie leicht das vonstatten gehen kann, zeigte der Umzug von Leipzig nach Köln. Vielleicht belebt aber auch Konkurrenz das Geschäft. Die zweitgrößte US-amerikanische Gamesmesse PAX denkt über einen möglichen Ableger in Europa nach. Für das kommende Jahr scheint aber alles auf die Stadt am Rhein hinauszulaufen. Der Termin wurde angekündigt und kann getrost in den Terminkalender eingetragen werden: Die Gamescom findet vom 15. bis 19. August 2012 statt – am ersten Tag ist der Zugang dem Fachpublikum vorbehalten. Die Game Developer Conference Europe findet ebenso wieder in Köln statt, und zwar vom 13. bis 15. August 2012.
Sebastian Ring: gamescom 2010
Die gamescom ist ja nun schon eine ganze Weile her und alle Besucherinnen und Besucher haben sich wieder in alle Winde zerstreut. Was bleibt von der Messe, die sich als Motto „celebrate the games“ auf die Fahnen schrieb? Über eine Viertelmillion Menschen, die mit und von den Games leben, waren dort und haben sich während der fünf Tage in den kühlen Messehallen getummelt. Zuallererst sind das natürlich die vielen Gamerinnen und Gamer selbst. Besser gesagt, es sind die vielen Gamer und wenigen Gamerinnen, denn Jungs dominieren nach wie vor deutlich das Bild. Die gamescom ist aber ein wichtiges soziales Ereignis. Unter all denen, die sich in den ersten Minuten nach der Öffnung an den Besuchertagen gierig auf die Spiele stürzen, lassen sich viele kleine Freundesgrüppchen ausmachen, darunter auch Pärchen, die gemeinsam und Händchen haltend die Messe und ihre Neuheiten erkunden und großen Spaß daran haben: Stundenlanges Anstellen für knappe 15 Minuten Spielspaß, etwa das neue Add-on Cataclysm für World of Warcraft, wird locker in Kauf genommen für einen Blick auf ein lang erwartetes Spiel. Es ist das spannende und unterhaltsame Gefühl, dabei zu sein, einer der ersten zu sein und stolz darüber zu twittern, sich im Chaos der vier Messehallen, der Gänge und Outdoor-Area zu verlieren, um Giveaways aller Art – T-Shirts, Gaming-Mäuse, Software und vieles andere mehr – zu erheischen, sich wie die Spielhelden und -heldinnen zu verkleiden, die Spiele und die Spielbegeisterung zu inszenieren und zu feiern. „Celebrate the games“ – die Rechnung geht auf. Manche Eltern, die ihre Kids lieber zum Spektakel begleiten (oder sie als Vorwand für den eigenen Messebesuch vorschieben?) staunen selbst nicht schlecht und posieren für das Familienfoto neben Darth Vader oder Lara Croft. Die Messe funktioniert nach wie vor als Riesenrummel und abgesehen von Games wartete sie auch heuer wieder mit Beachball, Konzerten, Massageständen, Gastronomie, ESL-Meisterschaften und vielen anderen Dingen mehr auf.
Alles nur Spiel?
Auch für die Spieleindustrie – die Spieleproduzenten, -entwickler und -vertriebsleute, Beschäftigte von Spielezeitschriften, Hardwarehersteller et cetera – ist die Messe ein wichtiger und internationaler Treffpunkt geworden. Nicht nur für große Fische, auch für die kleinen ist die gamescom eine wichtige Kontaktbörse und so findet sich immer ein kleiner Slot für Gespräche und Networking. Der Games Convention in Leipzig scheint nun endgültig der Rang abgelaufen und die Luft ausgegangen zu sein, auch wenn viele nach wie vor von der intimeren und weit über die Messehallen hinaus in die Stadt und urbane Kultur hinein greifende Atmosphäre schwärmen. Schade für den Standort Leipzig, denn eines ist klar: Die Spielemesse ist kommerziell nicht ohne. Das gilt natürlich auch für die vielen Menschen, die an den Ständen Promotion machen. Das scheinen auf den ersten Blick allerdings nach wie vor hauptsächlich Frauen zu sein, möglichst jung und blond, möglichst kess und kontaktfreudig, von Games oder den Dingen, die sie dort darstellen und promoten, haben sie meist keine Ahnung. Es ist Showbusiness. Die Bundeswehr setzte an ihrem Stand für diese Aufgabe eher auf smarte, junge und uniformierte Herren. Sie verzichtete auf den Panzer, der noch im Vorjahr den Stand schmückte, und verteilte stattdessen Popcorn.
Spätestens mit einem Blick auf das Plakat des Standnachbarn er Bundeswehr, der das (Kriegs-)Strategiespiel R.U.S.E mit dem Politikerzitat „Die Wahrheit ist das erste Opfer des Krieges“ präsentiert, wird man auf einmal damit konfrontiert, wie nah Spiel und Ernst des Lebens beieinander liegen können. Militärspiele stehen nach wie vor hoch im Kurs. Im September erscheint der Nachfolger des Kassenschlagers Call of Duty – Modern Warfare II mit dem Titel Call of Duty: Black Ops. Auch die Präsentation von Medal of Honor, jenem Spiel, das heftig diskutiert wird, weil man darin im Afghanistankrieg auch in das Gewand der Taliban schlüpfen kann, durch den Sänger von Linkin Park offenbarte eine beklemmende Nähe zwischen Computerspielinszenierung und Videoaufnahmen aus dem Irakkrieg, die Wikileaks Anfang diesen Jahres veröffentlichte, so berichtete Chris Stöck von Spiegel Online www.spiegel.de/netzwelt/games/0,1518,713257,00.html). „Celebrate the games“ bekommt da dann eher einen schalen Beigeschmack. Und so wäre es wünschenswert, dass auf der gamescom Spiele nicht eben nur einfach glorif iziert und gefeiert werden, sondern auch über die gesellschaftlichen und politischen Implikationen diskutiert wird. Es macht Sinn, dass sich politische Parteien dort präsentieren und ist zu kritisieren, dass die einzigen, die sich dort der Diskussion mit einem Stand stellten, die Jungen Piraten und die Junge Union waren.
Päd & Play: Aktionen, Ausstellungen und Prädikate
Es macht auch Sinn, dass sich Institutionen, Projekte und Initiativen der Medienpädagogik und des Jugendschutzes präsentieren. Viele waren dort zu finden: Die Bundeszentrale für politische Bildung, das Jugendforum NRW, Jugend online, die Initiative Creative Gaming, das Institut Spielraum und der Spieleratgeber NRW, das Münchner Netzwerk Inter@ktiv, klicksafe, die Kommission für Jugendmedienschutz, die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle und viele andere mehr. Für sie ist die gamescom auch ein wichtiger bundesweiter ‚Branchentreffpunkt‘ geworden, auf der Kontakte geknüpft, Ideen und Ansätze ausgetauscht und diskutiert und gemeinsame Aktivitäten geplant werden. Einen im wahrsten Sinne des Wortes auch schönen Ansatz präsentierte das Institut für Computerspiel Spawnpoint. Neben einem Workshop wurden die Ergebnisse des Artwork Contest – pic your game life! (www.artworks-contest.de) für Spielerinnen und Spieler gezeigt, in dem eine kreative Auseinandersetzungen mit den und dem Computerspielen stattfand und durch den auch die Sichtweisen der daran Teilnehmenden vermittelt wurden. Jugend online mit der Aktion watch your game, der Multimediawettbewerb MB21 und der Handyclipwettbewerb Ohrenblick mal! präsentierten sich passend zur Messe spielerisch, zum einen mit der Schreibox, in die neben 4.000 Besucherinnen und Besucher auch einige Star Wars Krieger und Nasguls ihren Weg fanden (siehe www.netzcheckers.de/p1975404185_545.html).
Zum anderen mit einer QR-Code Rallye zu Games und Jugendschutz, die mit dem Smartphone gespielt wurde und über mehrere über das Messegelände verteilte Stationen führte. Am Stand der Initiative Creative Gaming konnten etwa Filme mit den Sims 2 gedreht werden (siehe www.youtube.com/user/InsideCreativeGaming). Auf der gamescom wurde zudem das Gütesiegel pädagogisch wertvoll (www.games-wertvoll.de) präsentiert. Es soll Konsumentinnen und Konsumenten bei der Auswahl von Videospielen für in erster Linie Sechs- bis Zwölfjährige helfen. Im Gegensatz zur Kennzeichnung durch die USK, die den Schutz der Spielenden vor Schaden im Blick hat, geht es bei dieser Positivprädikatisierung darum, Eltern Hinweise für die Auswahl von Spielen zu geben, die einen pädagogischen Mehrwert bieten. Hersteller können ihre Spielezur Prüfung einreichen und entsprechend der Prüfkriterien durch ein pädagogisches Gremium Label in den Kategorien soziales Verhalten, Kreativität, Bewegung, Wissensvermittlung, für die Jüngsten, strategisches Denken, Gedächtnistraining, logisches Denken oder Lernprogramm erhalten. Veranstalter ist die HSG Handels-Servicegesellschaft mbH, ideelle Träger des Gütesiegels sind das ComputerProjekt Köln e. V. und der Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels e. V. (BVS). Eine entsprechende pädagogisch fundierte Orientierungshilfe wäre überaus zu begrüßen und kann für Eltern bei ihrer Auswahl durchaus nützlich sein, denn oft fehlt im (Medien-) Erziehungsalltag schlichtweg die Zeit, sich fundiert mit Computerspielen zu beschäftigen.
Auf der anderen Seite ist die Bewertung nach kompetenzförderlichen Potenzialen überaus schwierig, weil sie ja nicht nur abhängig vom Produkt, sondern auch von den Spielhandlungen der Spielenden selbst ist. Inwieweit die dann auf dem Produkt notwendigerweise recht reduzierte Darstellung im Stile von „3x pädagogisch wertvoll“ dem Sachverhalt gerecht ist, wird auch die Praxis zeigen. Man darf gespannt sein, wie sich dieses Label entwickeln wird, wie es einerseits von der Spieleindustrie und andererseits von den Käuferinnen und Käufern angenommen wird.
Und was gibt es Neues in der Welt der Spiele?
Zunächst gab es mal viel zu entdecken und schon Bekanntes wieder neu zu entdecken, auszuprobieren oder Einblicke in noch zu erscheinende Titel zu gewinnen. Jede Menge Fortsetzungen oder Add-ons erfolgreicher Spiele, aber auch Neuentwicklungen fanden ihre Fans. Neben den schon genannten World of Warcraft Cataclysm und Call of Duty: Black Ops weitere wie etwa Star Wars: The Old Republic, Guild Wars 2, Diablo III, Mafia II und vieles andere mehr. Die Bereiche Online und Social Gaming, die nicht zuletzt wegen inadäquater Jugendschutzmechanismen, Fragen des Datenschutzes und intransparenter Finanzierungsmodelle eine Herausforderung für die Pädagogik darstellen, fanden auch auf der gamescom ihre Präsentationsfläche. Bigpoints Poisonville, ein 3D-Action Online Rollenspiel, das von der USK mit der Altersfreigabe ab 16 Jahren eingestuft wurde, tritt in die Fußstapfen großer Vorbilder wie Rockstars Grand Theft Auto IV. Der große Trend liegt aber in neuen Steuerungsgeräten. Die von Microsoft für die Xbox 360 entwickelte Hardware Kinect verzichtet komplett auf ein herkömmliches Gamepad zur Steuerung. Spielende können sich so frei vor dem Bildschirm bewegen. Ihre Bewegungen werden gefilmt und als Steuerung der Figur in das Spiel übertragen. So kann man beispielsweise auf dem Crossboard 7 an Wettrennen teilnehmen, mit Michael Jackson – The Game oder bei Kung Fu Live das Bein schwingen.
Bei letzterem wird gleich der komplette Spieler per Kamera in das Spiel übertragen. Auch Sony präsentierte die Playstation Move, einen bewegungsempfindlichen Controller für die Hand, der in seiner Bedienung an die Wii Remote erinnert, allerdings um ein bunt leuchtendes Element an seiner Spitze erweitert ist. Beides ist als Antwort auf die äußerst erfolgreiche Entwicklung und Vermarktung der Wii zu verstehen, die auch in deren Akzeptanz als bewegungsorientiertes Spielgerät für die ganze Familie begründet ist. Ein weiterer Trend sind Spiele in 3D. Auf der IFA in Berlin wurde das für den Bereich Fernsehen und Video überaus deutlich, bei Computerspielen war dies allerdings praktisch noch nicht so recht sichtbar. Nintendo präsentierte etwa seine mobile Spielkonsole 3DS, die ohne Brille funktioniert und neben Spielen auch Filme in 3D darstellen kann. Das Feld bleibt insgesamt dynamisch, im Bereich der Hardwareentwicklung, der Entwicklung der Grafik und – wenn auch vielleicht nicht ganz so rasant – im Bereich der Entwicklung neuer Spielgeschichten. Dies hier ist selbstverständlich nur ein kleiner Ausschnitt aus den vielen Angeboten, Highlights und Aktionen der Spielemesse.
Es lohnt sich, im nächsten Jahr selbst einen Fuß auf das Gelände zu setzen oder einen Blick in die Fülle von medialen Berichten, Blogeinträgen oder Tweets zu werfen. Ein Tag auf der gamescom ist anregend und anstrengend zugleich. Fein, dass es da eine ganze Reihe von (auch Open Air) Ablenkungs- und Verköstigungsmöglichkeiten gibt. Ebenso fein, dass man sich an anderer Stelle gleich wieder in die Menschenmassen stürzen und zwischen den Ständen hindurch schlängeln kann, dieses ausprobierend, jenes beobachtend, ein E-Sport-Match verfolgend und sich wundernd und freuend – über die Computerspiele und auch auf die nächste gamescom vom 17. bis 21. August 2011.
Sebastian Ring und Kati Struckmeyer: Mitmachen im Web 2.0
Das Mitmach-Netz ist aus dem Alltag Jugendlicher längst nicht mehr wegzudenken. Dass Web 2.0-Plattformen für die Heranwachsenden aber nicht nur Risiken bergen, sondern durchaus auch medienpädagogische Potenziale, zeigen zwei Projekte des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. Neben der nötigen Aufklärung der Jugendlichen steht dabei vor allem die kompetente und selbstbestimmte Nutzung der Vorteile von Web2.0-Angeboten im Vordergrund.
Literatur
Grimm, Petra/Rhein, Stefanie/Clausen-Muradian, Elisabeth (2008). Gewalt im Web 2.0. Der Umgang Jugendlicher mit gewalthaltigen Inhalten und Cyber-Mobbing sowie die rechtliche Einordnung der Problematik. Berlin: Vistas.
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Schorb, Bernd/Theunert, Helga (Hrsg.). merz – medien + erziehung: Zeitschrift für Medienpädagogik. Ausgabe 02/2009. Selbstentblößung und Bloßstellung in den Medien. München: kopaed.
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Wagner, Ulrike (Hrsg.) (2008). Medienhandeln in Hauptschulmilieus. Mediale Interaktion und Produktion als Bildungsressource. München: kopaed.
Sebastian Ring : Geschlechtsspezifische Medienarbeit mit Jungen
Jungen und junge Männer werden zunehmend zur Zielgruppe geschlechtsspezifischer Jugendarbeit. Vor diesem Hintergrund werden theoretische Überlegungen zur Jungenarbeit sowie das Verhältnis von Medienpädagogik und Jungenarbeit erörtert.
Im Anschluss liefert eine Vorstellung des geschlechtsspezifischen Praxisprojektes Gewaltig daneben?! die Möglichkeit für eine Reflexion der Potenziale und Grenzen geschlechtsspezifischer Arbeit im Rahmen praktischer Medienarbeit.(merz 2007-02, S. 44-48)
Sebastian Ring: Blumenkranz, Anna (2017). Der kleine Hacker: Wearables für Maker. Experimentieren, nähen, gestalten. Wernding: FRANZIS, 160 S., 25 €.
Wearables wie Smartwatches und Fitnessarmbänder haben längst den Massenmarkt erreicht. Wo auf der einen Seite große Konzerne Maßstäbe setzen und die Nutzung von anziehbarer Technologie definieren, entwickelte sich aus dem Hintergrund heraus auch eine Szene, die das Selbermachen und Gestalten in den Mittelpunkt stellt. Making macht – nicht nur, aber eben auch – Kindern großen Spaß und ist ungeheuer vielfältig, weil kreatives und haptisches Gestalten auf Technologie und Programmierung treffen.
Im Buch Wearables für Maker. Experimentieren, nähen, gestalten, das in der Reihe Der kleine Hacker – Technik spielend verstehen des FRANZIS-Verlags erschienen ist, stellt Anna Blumenkranz Grundlagenwissen, Ideen und Anleitungen zum Thema E-Textiles und Wearables bereit. Die Autorin ist eine der führenden Akteurinnen in diesem Feld und international ausgezeichnet vernetzt. Die Medienkünstlerin und -pädagogin beschäftigt sich seit Jahren mit anziehbarer Technologie und dem kreativen Einsatz von Technik.
Im Buch wird erklärt, wie leuchtende Hipster-Monster, Piranha-Ratsch-Taschen, Musikmützen oder DJ-to-go-Shirts entstehen. Eine Einführung in Nähtechniken vom Steppstich bis zum Endknoten findet sich in der Publikation ebenso wie Grundlagen der Elektronik vom Ohmschen Gesetz bis zur Parallelschaltung. Diese werden in einfacher Sprache anschaulich, wenn auch knapp, erklärt. Schritt-für-Schritt-Anleitungen und Materiallisten schaffen einen leichten Einstieg und einfachen Zugang zu einer komplexen Thematik. Wer schon mit Microcontrollern und Programmierung zu tun hatte, weiß auch, dass Troubleshooting und die Suche nach Fehlern in der Schaltung oder im Code ein ständiger Begleiter sind. Auch hierzu gibt die Publikation praktische Hinweise. Mit den erworbenen Grundkenntnissen dürften Kinder ab zehn Jahren auch mit genügend Wissen und Inspiration versorgt sein, um dann eigene Ideen für größere Projekte zu entwickeln.
Im Gespräch werden Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt, die sich mit E-Textiles beschäftigen, kurz vorgestellt. Die Publikation wirft dabei auch einen Blick über die Ländergrenzen hinaus. sr
Klaus Lutz/Sebastian Ring: Computerspiele in der Jugendarbeit
Der Aspekt des Spielens als eigensinnige, symbolvermittelte Form der Interaktion im pädagogischen Diskurs der vergangenen Jahre ist bisher eher ein wenig zu kurz gekommen. Bisher erfolgte die medienpädagogische Bewertung eher zwischen den Lagern der pädagogischen Einsatzmöglichkeiten von Computerspielen (Game Based Learning, Gamification, Minecraft als Bildungstool usw.) und der Bewertung von Risiken (Diskurs über Lootboxen, Anerkennung von Gaming Disorder als Krankheitsbild durch die WHO). Wie Spielen in digitalen Kommunikationskontexten erfolgt und inwiefern spielerisches Handeln etwa in spielerisch-performativen Strategien der Kommunikation oder Selbstdarstellung auch abseits klassischer Computerspiele sichtbar ist, bleibt dagegen unterbeleuchtet. Die Medienpädagogik sollte sich einer solchen Sichtweise auf Computerspiele nicht verweigern. Denn zugleich kommt ihr auch die Rolle zu, die Nutzungsmotive der Jugendlichen bezüglich digitalen Spielens differenziert zu beschreiben und um Verständnis für das Medienhandeln junger Menschen zu werben. Wichtig ist hierbei die Berücksichtigung der Zunahme von Eigenerfahrungen innerhalb des handlungsorientierten Lernens bei der (Medien-)Erziehung im Altersverlauf. Für die Medienpädagogik bedeutet dies, Kindern und Jugendlichen Reflexionsmöglichkeiten für ihre Medienerfahrungen zu bieten. Dabei ist aber gemäß des Grundsatzes „Anregung statt Aufregung“ zu verfahren. Es wird den Jugendlichen jeglicher Gestaltungs- und somit Bildungsraum genommen, wenn die Gefahren zum zentralen Ausgangspunkt des pädagogischen Handelns gemacht werden. Mit diesem verengten Blick für die vielen Möglichkeiten, welche die Computerspiele für die Pädagogik bieten, würde zudem der Zugang zu aktuellen Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen verloren gehen. Gerade sie suchen nach Bestätigung und Anerkennung mit und in Computerspielen. Dabei berücksichtigen sie ebenso Anerkennung für ihre „Kompetenz“ im Umgang mit digitalen Spielen. Die Leistung, die sie im Umgang mit Computerspielen erbringen, sollte angemessen gewürdigt werden. In anderen europäischen Länder ist dies oft schon Alltag. So ist das Schulfach „eSport“ in Gymnasien in Norwegen keine Seltenheit mehr und in Finnland gibt es Jugendtreffs mit dem Schwerpunkt Computerspiele. Bei einem persönlichen Besuch solcher Einrichtungen berichteten medienpädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass dort lange Wartelisten geführt werden und täglich Eltern anrufen, die ihre Kinder gerne anmelden möchten.
Das zentrale pädagogische Anliegen bleibt in diesem Zusammenhang nach wie vor die Vermittlung von „Medienkompetenz“, die jugendliche Nutzende in die Lage versetzen soll, Medien zielgerichtet und im Sinne ihrer Interessen zu nutzen. Medienkompetenz wird im Prozess der Sozialisation ausgeformt – im Umgang mit Medien ebenso wie durch Anregungen von außen, die bereits erworbenen Fähigkeiten beständig zu erweitern oder auch Haltungen zu korrigieren.
Dieses Heft möchte dazu beitragen, einen interdisziplinären Blick auf das Thema Computerspiele zu werfen und darüber hinaus die aktuelle Entwicklung der vergangenen Jahre zu beleuchten.
Das Schwerpunktthema wird durch den Beitrag „Digitale Spiele in der Medienpädagogik“ von Martin Geisler eröffnet. Darin legt der Autor schlüssig dar, welchen enormen Einfluss die Haltung der Pädagogin oder des Pädagogen zum Spielen selbst auf die Qualität der pädagogischen Arbeit hat. Vom Grundmuster einer gesellschaftlichen Haltung zum Spiel über das Verständnis medienpädagogischer Strömungen bis hin zu den Rahmenbedingungen leitet er Handlungsempfehlungen zur Spielleitung ab. Der Beitrag verdeutlicht dabei: Wenn Spielen nicht auch als zweckfrei und verbunden mit Spaß akzeptiert wird, verschenkt man das eigentliche Potenzial für die Bildungsarbeit.
Einen ungewöhnlichen Blick wirft Klaus Lutz auf das Phänomen Computerspiele im Alltag von Jugendlichen. Es geht nicht um Sucht, Zeitbindung oder Wirkungsfragen bezüglich des Inhalts. Sein Fokus liegt vielmehr – ohne dabei bestimmte Computerspielgenres auszuschließen – auf der persönlichkeitsstärkenden Wirkung, die Computerspiele haben können. Er belegt seine These mit den Erkenntnissen der Resilienzforschung und sieht hier durchaus Anknüpfungspunkte, die sich auf die Computerspielwelten übertragen lassen. Am Beispiel von pädagogisch organisierten eSport-Veranstaltungen führt er nachvollziehbar aus, welches Potenzial für Resilienz und Partizipation in pädagogisch intendierten Computerspielkonzepten steckt.
Benjamin Bonn und Johannes Karsch bringen in die zurzeit schwelende Debatte um den eSport noch zwei weitere Gesichtspunkte ein. Wie lässt sich eSport von Sport abgrenzen und welche Möglichkeiten bietet er für die Schule? Dabei geht es auch um die grundsätzliche Akzeptanz von Computerspielen als Hobby und primäre Freizeitbeschäftigung wie auch um die so genannte „K“-Frage. Bei dieser „Killerspiel-Frage“, vor allem bei jenen eSport-Veranstaltungen mit Shooter-Spielen, geht es um die grundsätzliche Entscheidung, ob ein Spiel, das das Töten anderer Spielfiguren mit naturgetreuen Waffen beinhaltet, überhaupt als Spiel akzeptiert werden kann. Die Autoren zeigen zudem aus unterschiedlichen Perspektiven pädagogische Einsatzmöglichkeiten von eSport für die Schule auf und beschreiben hierbei mögliche Einsatzszenarien. Jetzt liegt es an der Schule zu entscheiden, wie dieses Potenzial genutzt werden wird.
Welchen Herausforderungen sich Verbraucherinnen und Verbraucher, speziell auch Eltern, durch In-App-Käufe und Monetarisierungsstrategien gegenübersehen, erklärt Tatjana Halm, Referatsleiterin des Bereichs Markt und Recht in der Verbraucherzentrale Bayern, im Interview mit Sebastian Ring. Sie stellt heraus, wie Eltern ihre Kinder im Umgang mit elektronischen Bezahlmöglichkeiten unterstützen können und zeigt hierbei Handlungsmöglichkeiten bei negativen Konsequenzen des Online-Handelns auf. Kritisch betrachtet sie Phänomene wie Loot-Boxen aus Perspektive des Verbraucher-und Datenschutzes und erörtert die rechtliche Verankerung des Minderjährigenschutzes mit bestehenden Sonderregelungen für Vertragsschließungen mit Kindern und Jugendlichen.
Vor allem für junge Menschen ist es nicht immer leicht, in der Berufswelt ihren Platz zu finden. Dies aber ist eine Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben abseits von finanzieller Abhängigkeit und fehlender persönlicher Anerkennung. Verschiedene Bildungsträger begleiten und unterstützen Jugendliche an dieser für sie so wichtigen Schnittstelle ihres Lebens. Romina Nölp geht dabei auf den ersten Blick ungewöhnliche Wege. Sie knüpft an der Leidenschaft von Jugendlichen für digitale Spiele an und nutzt die von ihnen erworbenen Kompetenzen im Umgang mit Spielen als Quelle für eine erfolgreiche berufliche Planung. Anschaulich beschreibt sie in ihrem Artikel, wie es mit Hilfe von Computerspielen gelingen kann, jungen Menschen einen Zugang zu ihren eigenen Kompetenzen zu ermöglichen, ohne sie gleich mit ihren Defiziten zu konfrontieren.
Die Initiative Creative Gaming hatte von Beginn an das Potenzial von Computerspielen für die Förderung von kreativen Prozessen und Medienbildung im Blick. Für ihre Bildungsprozesse nutzt sie kommerzielle Computerspiele auf eine ganz neue Weise. Sie regt zum Beispiel die Gamerinnen und Gamer an, Spielregeln zu ignorieren und digitale Möglichkeitsräume neu auszuloten, Spielszenarien auf die analoge Welt zu übertragen oder mit Hilfe von Computerspielen eigene Filme zu erstellen. Der Phantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Die Idee „mit Spielen die digitale Welt auf den Kopf zu stellen“ bietet auf diese Weise ein unerschöpfliches Repertoire für den Einsatz von Computerspielen in der Medienpädagogik.
Sebastian Ring: In-App-Käufe und Online-Verträge als Herausforderung für Eltern
Wenn Kinder ohne Absprache mit ihren Eltern In-App-Käufe tätigen oder Online-Verträge abschließen, ist der Ärger groß. Tatjana Halm, Referatsleiterin für den Bereich Markt und Recht der Verbraucherzentrale Bayern, spricht im Interview mit Sebastian Ring, medienpädagogischer Referent am JFF, über neue Anforderungen durch In-App-Käufe für Eltern, wie diese ihre Kinder unterstützen können und den rechtlichen Minderjährigenschutz.
Sebastian Ring: Games im Deutschunterricht
Schöffmann, Andreas (2021). Digitale Spiele aus deutschdidaktischer Perspektive. Herausforderungen für den Unterricht. Heidelberg: J.B. Metzler. 282 S., 54,99 €.
Der wissenschaftliche Diskurs über digitale Spiele differenziert sich zunehmend. Das gilt auch für jene Disziplinen, die sich mit Fragen des spielbasierten Lernens befassen. Insgesamt lässt sich aber nach wie vor ein starker Bedarf an wissenschaftlicher Reflexion und Forschung feststellen – nicht nur hinsichtlich der Breite der Fragestellungen, sondern auch in Hinblick auf die Tiefe der Auseinandersetzung.
Die Dissertationsschrift von Andreas Schöffmann, die er an der LMU München vorgelegt und zum Jahresende 2021 veröffentlicht hat, stellt einen Beitrag zur fachspezifischen Forschung im Bereich der Deutschdidaktik dar – und obgleich der Deutschunterricht als medienkulturwissenschaftliches Fach im Mittelpunkt steht, dient sie sicher auch Fachkräften in Bildungsfeldern außerhalb der Schule als Inspiration. Andreas Schöffmann ist zudem einer der Köpfe der Redaktion der Onlinezeitschrift für Computerspielforschung Paidia, deren Spektrum medien- und kulturwissenschaftliche Perspektiven umfasst.
Die Publikation in zugänglicher Sprache gibt tiefergehende Antworten auf die Frage nach Herausforderungen des Einsatzes von digitalen Spielen im Deutschunterricht. Dabei werden Games mit unterschiedlichen deutschdidaktischen Konzepten in Verbindung gebracht. Sie werden dabei aber nicht verkürzt lediglich als Text oder Erzählung verstanden. Vielmehr wird eine breitere medienwissenschaftliche und ludologische Perspektive eingenommen, die auch Aspekte des Spielens und der Simulation (sowie deren Kombination) berührt und damit der spezifischen Medialität digitaler Spiele Rechnung trägt. Entsprechend ist auch das Verständnis von Games als Bildungsmedien in dieser Publikation durchaus breit angelegt und umfasst auch Fragen des Medienkompetenzerwerbs, der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben und Werteentwicklung.
Diese Arbeit bestärkt Lehrkräfte darin, digitale Spiele in der Bildungspraxis einzusetzen. Sie zeigt in einem theoretisch gut begründeten Rahmen Handlungszugänge zum Einsatz von digitalen Spielen auf. Ein zentrales Ziel der Arbeit ist die Herleitung eines Analyseansatzes (Herausforderungsanalyse), der Impulse für den Deutschunterricht gibt, in dem Heranwachsenden Methoden und Werkzeuge zur Verfügung gestellt werden, mit deren Hilfe sie Computerspiele analysieren können. Der Ansatz kann zudem als theoretische Grundlage deutschdidaktischer Forschung herangezogen werden.
Sebastian Ring: Mendel, Meron (2023). Singularität im Plural. Kolonialismus, Holocaust und der zweite Historikerstreit. Weinheim/ Basel: Beltz Juventa. 240 S. 28,00 €.
Meron Mendel ist Historiker und Pädagoge. Als Direktor der Bildungsstätte Anne Frank sind die Vermittlungsarbeit und Erinnerungskultur zentrale Anliegen seines Wirkens –
auch im Kontext digitaler Kultur. Er zählt zu den wichtigen und beachteten Stimmen, die sich klug und engagiert in den öffentlichen Diskurs einbringen. Die von ihm herausgegebene Publikation Singularität im Plural. Kolonialismus, Holocaust und der zweite Historikerstreit nähert sich aus unterschiedlichen Perspektiven den Kontroversen um das Gedenken an Kolonialismus und Holocaust vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher und politischer Konflikte. Um es vorweg zu sagen: Das Buch ist vor den Terroranschlägen vom 07. Oktober 2023 erschienen und damit fehlt natürlich eine direkte Bezugnahme auf die zunehmende Dynamik und Eskalation der medialen und öffentlichen Artikulationen der vergangenen Monate.Im Zentrum der Publikation stehen Fragen und Positionen zu Erinnerungskultur, historisch-politischer Bildung sowie normative, pädagogische und erinnerungspolitische Perspektiven. Die Ausrichtung ist interdisziplinär: 18 Autor*innen aus den Geschichtswissenschaften, der Friedens- und Konfliktforschung, den Erziehungswissenschaften, der politischen Bildungsarbeit oder der Theologie haben am Band mitgewirkt. So gelingt insgesamt eine breite und vielfältige Zusammenschau von Perspektiven auf und zu den Kontroversen, die unter dem Schlagwort des zweiten Historikerstreits zusammengefasst werden. Der Blick der Publikation führt über den Tellerrand des bundesdeutschen Diskurses hinaus. Fünf Kapitel gliedern das Thema in die Unterpunkte. Das einführende Kapitel geht der Frage nach Kontinuitäten und Besonderheiten des zweiten Historikerstreits nach. Das zweite Kapitel stellt postmigrantische Realitäten in Deutschland und Anforderungen an die Erinnerungskultur in den Mittelpunkt. Das Holocaustgedächtnis im internationalen Vergleich mit Blick auf Polen, Israel und USA behandelt das vierte Kapitel. Ob das Wiedergutmachungsabkommen als Vorbild für Restitutionen dient, diskutiert das vierte Kapitel. Das letzte Kapitel vor einer abschließenden Reflexion behandelt die Genese, Inhalt und Zukunft des Postulats deutscher Staatsräson in Hinblick auf Israels Sicherheit.
Mendel, Meron (2023). Singularität im Plural. Kolonialismus, Holocaust und der zweite Historikerstreit. Weinheim/ Basel: Beltz Juventa. 240 S. 28,00 €.- Sebastian Ring: Buettner, Anke, Ebert, Olivia & Hasselberg, Viola (Hrsg.) (2024). Female Peace Palace. Schreiben, Widerstand und Pazifismus im Krieg. Berlin: Verbrecher. 254 S., 25,00 €. (Verfügbar ab 15.10.2024)