Dr. Eike Rösch
- Redaktion
Vita
Begleitung und Unterstützung von Organisationen und Fachpersonen bei der Verortung von Digitalität in der Soziokultur im Rahmen des Vereins Radarstation in Zürich.
Langjährige Tätigkeit als Dozent für Medienbildung und Informatik an der Pädagogischen Hochschule Zürich und als Medienpädagoge in der Jugendarbeit und Jugendhilfe am Institut für Medienpädagogik in Mainz.
Aktivitäten
Ich bin Redakteur bei merz seit September 2017.
Schwerpunkte
Aktuell beschäftigen mich zwei Dinge besonders: Einerseits die Mediatisierung von Jugendarbeit und sozialer Arbeit, andererseits die Umsetzung von «Medien und Informatik» in der Schweizerischen Volksschule. In beiden Bereichen ist mir wichtig, den Hype um «Digitalisierung» zu reflektieren (und eher beiseitezulassen). Stattdessen muss die Praxis so gestaltet werden, dass die Subjekte gesellschaftliche Zusammenhänge reflektieren können und handlungsfähig(er) werden.
Ausgewählte Veröffentlichungen
Herausgeberschaften
Rösch, Eike; Demmler, Kathrin; Jäcklein-Kreis, Elisabeth, Albers-Heinemann, Tobias (Hrsg.) (2012): Medienpädagogik Praxis Handbuch. Grundlagen, Konzepte, Inspirationen für aktive Medienarbeit. München: kopaed
Lutz, Klaus; Rösch, Eike; Seitz, Daniel (Hrsg.) (2012): Partizipation und Engagement im Netz - neue Chancen für Demokratie und Medienpädagogik. München: kopaed
Medienpädagogik Praxis-Blog (gemeinsam mit Tobias Albers-Heinemann): Herausgeberschaft 2006-2018
Artikel in Sammelbänden
Rösch, Eike (2017): Aktive Medienarbeit. In: Bernd Schorb, Anja Hartung-Griemberg und Christine Dallmann (Hg.): Grundbegriffe Medienpädagogik. 6. Aufl. München: kopaed, S. 9–14.
Rösch, Eike (2017): Medienprojekte. In: Hollenstein, Erich; Nieslony, Frank; Speck, Karsten; Olk, Thomas (Hrsg.): Handbuch der Schulsozialarbeit: Band 1. Weinheim, S. 266-272
Rösch, Eike; Seitz, Daniel (2015): YouTube als Teil der Jugendkultur – Genres und medienpädagogische Anknüpfungspunkte. In: Jürgen Lauffer und Renate Röllecke (Hg.): Bewegte Bilder – Bewegende Pädagogik. Visuelle Medienkulturen in der Jugendmedienarbeit ; medienpädagogische Konzepte und Perspektiven. München: kopaed-Verl. (Dieter Baacke Preis Handbuch, 10), S. 25–29.
Demmler, Kathrin; Rösch, Eike (2014): Aktive Medienarbeit in einem mediatisierten Umfeld. In: Kammerl, Rudolf et al. (Hrsg.): Jahrbuch Medienpädagogik 11. Diskursive und produktive Praktiken in der digitalen Kultur. Wiesbaden : Springer, S. 191-207
Artikel in Fachzeitschriften
Rohrauer, Bernd; Rösch, Eike (2016): Sozialräume (auch) digital analysieren. Impulse zur Weiterentwicklung der Nadelmethode. In: Deutsche Jugend. - Weinheim : Juventa-Verlag (2016), Nr. 2, S. 77–85
Rösch, Eike (2013): Jugendarbeit im Social Web - gute Gründe, damit anzufangen. In: Deutsche Jugend. - Weinheim : Juventa-Verlag (2013), Nr. 4, S. 162–169
Beiträge in merz
Verena Ketter/Klaus Lutz/Eike Rösch/Angela Tillmann: Jugendarbeit im digitalen Wandel
Zur Diskussion gestellt
Was bedeutet der digitale Wandel für die unterschiedlichen Felder der Jugendarbeit? Welche Rolle kann die Medienpädagogik bei einer konstruktiven Gestaltung dieses Wandels übernehmen? Jugendarbeit muss sich mit den Veränderungen in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen, aber auch der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wie auch der eigenen Arbeitsbedingungen auseinandersetzen. Doch was bedeutet das konkret? Als Diskussionsformat über diese Fragen lädt merz zur Blogparade ein.
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Diskutiert wird auf dem Medienpädagogik Praxis-Blog: mitmachen
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Als Grundlage für die Blogparade hat merz Expertinnen und Experten aus Forschung und Praxis gebeten, Fragen zu beantworten. In diesem Text sind ihre Diskussionsbeiträge zusammengestellt.
Für einen diskursiven Einstieg sorgen: (1) Prof. Dr. Verena Ketter, Professorin für Medien in der Sozialen Arbeit an der Hochschule Esslingen, (2) Klaus Lutz, pädagogischer Leiter des Medienzentrum PARABOL, (3) Eike Rösch, Herausgeber des Medienpädagogik Praxis-Blog und (4) Prof. Dr. Angela Tillmann, Professorin an der Fachhochschule Köln.
Warum sollte sich Jugendarbeit mit digitalen Medien auseinandersetzen?
Jugendarbeit unterstützt beim Aufwachsen mit Medien und fördert den Mediendiskurs
Rösch Jugendliche weisen Medien eine große Bedeutung und verschiedenste Funktionen innerhalb ihrer Sozialisation zu. Jugendarbeit, die Jugendliche im Aufwachsen unterstützen möchte, muss dem gerecht werden und Medien auch in ihrer Praxis eine ebenso große Rolle zuweisen.
Lutz Zentraler Ansatz der außerschulischen Jugendarbeit ist die Ausrichtung ihrer Angebote an der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen. Unbestritten sind die Medien zu einem festen Bestandteil der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen geworden. Die Medien sind zentrales Werkzeug ihrer Kommunikation, Medienkonsum bestimmt einen großen Teil ihrer frei verfügbaren Freizeit. Daraus ergibt sich für die Jugendarbeit die Notwendigkeit, Medien in die Arbeit mit einzubeziehen. Zum einen, um die Jugendlichen dort abzuholen, wo sie stehen, zum anderen aber auch, um mit ihnen in den Diskurs über ihren Mediengebrauch zu treten. Dieser Diskurs sollte sich einerseits an ihren Interessen und Leidenschaften in Verbindung mit Medien orientieren, andererseits aber auch eine Reibungsfläche für die Reflektion ihrer eigenen Mediennutzung bieten sowie die gesellschaftlichen Auswirkungen einer immer stärker mediatisierten Gesellschaft einbeziehen.
Ketter Der Jugendarbeit kommt als ein Handlungsfeld der Sozialen Arbeit die Aufgabe der Bildung und der Unterstützung zu. Neben formalen und informellen Settings stellt sie einen weiteren Bildungsort dar, der einen wechselseitigen Austausch vom Ich und einer durch digitale Medien beeinflussten Welt eröffnet. So sollte Jugendarbeit Heranwachsende bei der Identitätsbildung und Lebensbewältigung unterstützen, Orientierung in der digitalisierten Gesellschaft bieten sowie dem Auftrag nachgehen, soziale Gerechtigkeit herzustellen – vor allem, weil die Digitalisierung zur Reproduktion von Ungleichheitserfahrungen beiträgt.
Medien können zum selbstbestimmten und sozial engagierten Handeln anregen
Tillmann Die Lebenswelten Jugendlicher sind medial durchdrungen. On- und Offline-Welten durchdringen sich vielseitig und dynamisch. Teilhabe bedeutet für junge Menschen heute auch immer digitale Teilhabe. Wenn die Jugendarbeit die digitale Kommunikation und die digitalen Angebote ausblendet, würde sie einen wichtigen Aspekt des (Alltags-)Lebens Jugendlichen ignorieren – und ihrem Auftrag, die Entwicklung Jugendlicher zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu fördern, nicht umfassend nachkommen. Eine Bildung ohne Medien ist heute nicht mehr möglich, darauf hat bereits das von mehreren Institutionen der Medienpädagogik initiierte und ausgearbeitete Medienpädagogische Manifest im Jahr 2009 hingewiesen. Über Medien werden Jugendlichen neue Perspektiven auf die Welt als auch neue Möglichkeiten der Artikulation von eigenen Interessen und Positionen eröffnet. Die Jugendarbeit ist daher aufgefordert, die digitalen Medien und Technologien in ihrer Arbeit zu berücksichtigen und mit den Jugendlichen gemeinsam zu schauen, wie Selbstbestimmung, gesellschaftliche Verantwortung und soziales Engagement auch in Medien oder medienunterstützt möglich sind. Hierbei gilt es auch zu schauen, wie Angebote gemeinschaftlich online ausgestaltet werden können. Darüber hinaus eignet sich die Jugendarbeit aber auch im besonderen Maße für die Förderung von Medienbildung und Medienkompetenz, da sie Jugendliche an anderer Stelle abholt als die Familie, die sich Jugendliche im buchstäblichen Sinne nicht aussuchen können, oder die Schule, die verpflichtend ist und sich noch als ein sehr undemokratischer Ort präsentiert. Leitbegriffe der Freiwilligkeit, Partizipation, Selbstorganisation und Verantwortungsübernahme gehören nach wie vor zu den Leitbegriffen der Jugendarbeit – hierauf verweist beispielsweise auch der 15. Kinder- und Jugendbericht. Dies prädestiniert die Jugendarbeit nicht zuletzt auch für die politische Medienbildung. Die Jugendarbeit kann somit neben Elternhaus und Schule wichtige und notwendige Optionen eröffnen, dass Jugendliche sich kritisch mit der digitalen Kommunikationskultur und Gesellschaft auseinandersetzen – und darin auch eine Sinn für sich erkennen. Im Kontext der Angebote der Jugendarbeit sollte es Jugendlichen dann auch möglich sein, die Bedeutung und den Mehrwert eines sozialverantwortlichen Umgangs in und mit Medien zu erfahren und Ausgrenzungs- und Diskriminierungserfahrungen, die sie in je spezifischer Form sowohl on- als auch offline erleben, zu reflektieren und bearbeiten zu können. Es gilt, Jugendlichen darüber hinaus auch Räume zur Verfügung zu stellen, in denen sie ihre Kommunikationsroutinen aufbrechen und die Bedeutung der digitalen Kommunikation und Information für die persönliche Entwicklung als auch für die Kommunikationskultur und Meinungsbildung reflektieren können.
Entstehen neue Methoden, Ansätze oder Inhaltsbereiche für die Jugendarbeit?
Konzepte und Methoden von Jugendarbeit reagieren auf die mediatisierte Lebenswelt und schaffen eine Beziehungsbindung
Lutz Medien sind Mittel zur Kommunikation. Kommunikation ist das zentrale Element zur Beziehungsbindung, welche die Grundvoraussetzung für eine gelingende Jugendarbeit darstellt. Allein die vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten durch Medien eröffnen eine Vielzahl von neuen "Kanälen", um Beziehungsstränge mit Jugendlichen zu knüpfen. Diese reichen von der Bewerbung von Veranstaltungen bis zur Lebensberatung in Krisensituationen. Desweitern haben sich die Räume, die der Jugendarbeit zur Verfügung stehen, auf den virtuellen Raum erweitert. Auch wenn Jugendliche nicht vor Ort sind, kann zum Beispiel gemeinsam an Projekten gearbeitet oder ein Turnier gespielt werden.
Rösch Ich bin der Auffassung, dass sich zunächst die Konzepte von Jugendarbeit weiterentwickeln müssen: Sie müssen eine Antwort darauf geben, wie Jugendarbeit grundsätzlich aussehen muss, wenn die Lebenswelt von Jugendlichen weitgehend mediatisiert ist. Medien dürfen hierbei kein Add-on sein, sondern müssen selbstverständlicher Teil der pädagogischen Praxis sein. Auf dieser Basis werden sich auch die Methoden weiterentwickeln, manche auch neu entwickeln. In der mobilen Jugendarbeit ist das heute schon gut zu beobachten. Aber auch andere Bereiche der Jugendarbeit müssen sich ganz grundlegende Fragen neu stellen. Ich denke darüber hinaus, dass sich digitale Jugendkultur zu einem neuen Inhaltsbereich entwickelt. Hierzu gibt es mehr und mehr Angebote auch außerhalb spezifisch medienpädagogischer Projekte – ebenso selbstverständlich wie in anderen jugendkulturellen Bereichen.
Ketter Hypermedialität, Orts- und Zeitunabhängigkeit, Peering, Interaktion, Kollaboration und Sharing sind Prinzipien digitaler Medien, die das professionelle Handeln auf allen Ebenen tiefgreifend beeinflussen. Im administrativen Bereich sind digitale Dienstleistungen vorzuhalten, gesetzlich verankert ist beispielsweise der elektronische Zugang für Bürgerinnen und Bürger zur Verwaltung oder die digitale Aktenführung. Dieser Dateneinsatz wie auch der Einfluss digitaler Medien auf der Adressatinnen- sowie Adressaten- und Professionsebene (zum Beispiel visuelle Methoden, aufsuchende Ansätze, gleichrangige Konzepte) verweisen auf die Notwendigkeit einer Ethik in digitalisierten Arbeitskontexten.
Kann Medienpädagogik zur positiven Gestaltung des "digitalen Wandels" beitragen?Medienpädagogik kann ...
... Kinder und Jugendliche bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit unterstützen
Lutz Zentrale Aufgabe jeder Pädagogik ist es, Kinder und Jugendliche bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit zu unterstützen und zu begleiten. Ziel einer erfolgreichen Medienpädagogik ist darüber hinaus die Entwicklung von Medienkompetenz, die Kindern und Jugendlichen ein gelingendes Leben mit Medien ermöglicht. Sowohl eine Persönlichkeit, die zum kritischen Denken fähig ist, als auch Medienkompetenz, die den Einsatz von Medien im Sinne ihrer Nutzer zu steuern weiß, sind beste Voraussetzungen dafür, dass Medien als Gestaltungselement der Zukunft wirksam werden.
... sich in den politischen Diskurs über die Digitalisierung einbringen und positionieren
Ketter Ethnografisch sollte die medienpädagogische Praxis und Forschung Medientechnologien in den Blick nehmen und auf ihre Bedeutung für die Jugendarbeit analysieren, gegebenenfalls übertragen. Zudem muss sich Medienpädagogik im Sinne ihrer Adressatinnen und Adressaten in den politischen Diskurs über die Digitalisierung einbringen und sich positionieren, um restriktive Maßnahmen zu verhindern und Menschenrechte zu wahren. Unerlässlich ist, den Adressatinnen und Adressaten eine Stimme zu geben, sie zu mobilisieren und gemeinsam an der digitalen Weiterentwicklung mitzuwirken, um damit den Wandel nicht nur Medieninstitutionen zu überlassen.
Tillmann Mit ihrem Fokus auf Bildungsprozesse macht Medienpädagogik deutlich, dass es zu kurz greift, nur die ökonomische Seite des digitalen Wandels in den Blick zu nehmen, sondern dass es stattdessen um den Menschen und den Zusammenhalt der Gesellschaft geht, und somit auch um Fragen der sozialen Gerechtigkeit und des demokratischen Miteinanders in und im Umgang mit Medien und digitalen Technologien. Diese Bildungsprozesse lassen sich nicht steuern und kontrollieren, sondern benötigen anregende Lernorte und Freiräume. Die Medienpädagogik kann, indem sie einen kritisch-reflexiven und sozial verantwortlichen Umgang mit Medien fördert, einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass die Kommunikationskultur eine demokratische bleibt und Menschen sich für ihr Handeln verantwortlich fühlen, kreativ einbringen und die Kommunikationskultur sowie den digitalen Wandel mitgestalten (möchten). Die Herausforderungen des digitalen Wandels lassen sich also nicht alleine von technologischer, rechtlicher und politischer Seite lösen. Mit ihrem Fokus auf Medienkompetenz und Medienbildung kann die Medienpädagogik zeigen, welche Fähigkeiten, welches Wissen und Können, aber auch welche gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen in einer datengetriebenen und kommerzialisierten Welt notwendig sind, damit Menschen die Gesellschaft weiterhin mitgestalten, ihr aber auch widerständig begegnen können.
... Standards zur Fortbildung von Fachkräften in der Jugendarbeit weitergeben
Rösch In der Medienpädagogik gibt es eine breite methodische Erfahrung und eine spezifische Professionalität. Mit der Mediatisierung der Sozialen Arbeit ist eine umfassende Weiterbildung von Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeitern erforderlich. Medienpädagogik sollte es hier gelingen, ihre fachlichen Standards weiterzugeben. Sie kann zudem dazu beitragen, Brücken zwischen verschiedenen pädagogischen Feldern sowie Szenen zu schlagen. Denn auch für die Jugendarbeit ist es mehr und mehr erforderlich, sich mit Medienproduzentinnen und -produzenten, Hackerinnen und Hackern, Netz- und Techaktivistinnen bzw. -aktivisten sowie anderen zu vernetzen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Nicht zuletzt kann Medienpädagogik Jugendarbeit auch dabei unterstützen, notwendige technische Mittel gemeinsam mit anderen Fachleuten zu entwickeln: etwa Kommunikationsplattformen, die professionellen Standards genügen oder Beteiligungstools, die besonderen Anforderungen entsprechen.
Was sollte im Zuge der "Digitalisierung" nicht passieren?
Der Fokus sollte jenseits des (Jugend-)Schutzgedankens und Big Data liegen
Ketter Im Rahmen der Digitalisierung sollte es nicht passieren, dass die (Jugend-)Schutzgedanken und die enormen Datenbestände ausschließlich in den Fokus medienpädagogischer Praxis und Forschung gestellt und darüber die Relevanz des kreativ-ästhetischen, identitätsfördernden und demokratisierenden Potenzials übersehen werden. Explorative Räume für die medienpädagogische Praxis und Forschung sind weiterhin aufrechtzuerhalten und genussvoll zu erkunden. Dafür ist eine finanzielle Förderung von medienpädagogischer Praxis, Forschung und Weiterqualifizierung sicherzustellen, die über die Projektförderung hinaus verstetigt ist und vielfältige Perspektiven auf- bzw. einnimmt.
Die ökonomische Rationalität sollte nicht über die Gesellschaftsordnung und das mündige Subjekt gestellt werden
Tillmann Das ökonomische Prinzip bzw. die ökonomische Rationalität sollte nicht über die gesellschaftliche Ordnung gestellt werden. Es kann nicht das vordergründige Ziel sein, die Welt effizienter zu gestalten. Hierzu trägt die Digitalisierung aktuell in enger Verbindung mit der Kommerzialisierung und Ökonomisierung bei. So werden zu jeder Zeit und bei zunehmend mehr Gelegenheiten Daten über Menschen gesammelt werden, die zur Mustererkennung eingesetzt werden (können): in der Politik, der Marktforschung, der Medizin, der Verwaltung, im Bildungswesen, in der Sozialen Arbeit etc. Die darauf aufbauenden Entscheidungen und Maßnahmen sorgen allerdings nicht nur für scheinbar effizientere Lösungen, sondern können auch normbildend, verhaltensbestimmend und damit auch diskriminierend wirken. Aktuell wissen wir auch nicht, wer welche Daten in welchem Kontext von uns erhebt und auswertet, und wir können unsere Daten nicht nachträglich löschen. Die intransparente Datensammlung und -verarbeitung tangiert damit unmittelbar unsere Persönlichkeitsrechte. Die Menschen sollten sich mit dieser Situation und Entwicklung nicht abfinden. Parallel zu den Entwicklungen, die mit dem Begriff der Datafizierung beschrieben werden, lässt sich eine Tendenz in der Gesellschaft beobachten, in Folge der die Verantwortung für die Lebensgestaltung immer mehr dem einzelnen Menschen auferlegt wird. In diesem Kontext fügen sich Technologien ein, die Menschen zur Selbstvermessung und zur Selbstoptimierung einladen. Wer Jugendliche als ‚digital natives‘ bezeichnet, bürdet ihnen ebenfalls viel Verantwortung auf und unterstellt, dass sie a priori für die ‚digitale Gesellschaft‘ vorbereitet und qualifiziert sind. Ausgeblendet werden damit strukturelle Rahmenbedingungen von weiterhin bestehenden und sich verfestigenden sozialen Ungleichheiten, die sich im Medienzugang und -handeln zeigen, ebenso wie verschiedene Formen von Benachteiligung und Diskriminierung. Beobachten lässt sich weiterhin, dass die Digitalisierung zur Beschleunigung von Prozessen und Ereignissen in der Gesellschaft und damit auch einer Steigerung des Lebenstempos beiträgt. Wir sind immer und überall erreichbar, können jederzeit auf Informationen zugreifen, befinden uns in permanenten Reaktionsschleifen. Auf den Einfluss der technologischen Entwicklung auf diese Beschleunigungsprozesse hat bereits vor einiger Zeit Hartmut Rosa hingewiesen. Demnach haben Menschen, die sich den stetig wechselnden Handlungsbedingungen nicht konsequent anpassen, Sorge, die Anschlussvoraussetzungen und -optionen für die Zukunft zu verlieren. Gefördert werden auf diese Weise gleichermaßen Verpassensängste und Anpassungszwänge. Dem gilt es entgegenzusteuern. Darüber hinaus trägt der technologische Wandel auch zu weiteren Entgrenzungen bei – Entgrenzungen zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, Freizeit und Schule sowie Arbeit und so weiter. Alle diese Entwicklungen fordern Menschen, auch schon in jungen Jahren. Es gilt also die Disziplinierungs- als auch Ermöglichungspotenziale der Technologien weiterhin kritisch im Blick zu haben und eine Kommunikationskultur zu etablieren, in der Menschen Zeit und Raum haben, innezuhalten, nachzudenken, sich selbstbestimmt zu orientieren und auch widerständig positionieren zu können.
Rösch Pädagogische Felder müssen generell gefeit sein, dass sie nicht zu einem Teil einer gesellschaftlichen Mobilisierung zur Vorbereitung auf einen angeblichen globalen Wettbewerb zwischen mediatisierten Gesellschaften gemacht werden. Dies passiert aktuell zum Teil in der Schule, wo ‚digitale Bildung‘ zur Grundqualifikation hierfür erklärt wird. Damit läuft Bildung Gefahr, nicht mehr das mündige Subjekt, sondern die toughe Arbeitnehmerin oder den toughen Arbeitnehmer zum Ziel zu haben. Genauso darf Jugendarbeit nicht verzweckt werden, etwa zur Prävention, Problembehandlung oder zur Qualifikation.
Offenheit für Veränderungen, kritische Reflexion und Nutzung von Gestaltungsmöglichkeiten
Lutz Die Zukunftsszenarien bezüglich der fortschreitenden Digitalisierung sind überwiegend besorgt bis ängstlich. Will man die Zukunft mitgestalten, sollte man sich den auf uns zukommenden Veränderungen stellen, sie kritisch reflektieren, aber auch die Gestaltungsmöglichkeiten nutzen. Sicherlich sind die Veränderungen tiefgreifend. Aber immer wenn man denkt "alles soll doch bitte so bleiben wie es ist", wird es höchste Zeit, etwas zu verändern.
Wie kann/sollte Jugendarbeit mit Dilemmata der Digitalisierung, wie mit dem Schutz und der Auswertung von Daten umgehen?
Ein Spagat zwischen Selektion wertvoller Medienangebote, Aufgreifen jugendlicher Alltagspraktiken und Förderung von Medienkompetenz
Lutz Dieses Dilemma ist nicht aufzulösen. Dies entbindet uns aber nicht davon, immer wieder auf dieses Dilemma zu verweisen. Es ist enorm wichtig, Kenntnis davon zu haben, welchen ‚Preis‘ man für die Nutzung moderner Kommunikation zahlt, um für sich persönlich ausloten zu können, wo eine Grenze überschritten wird. Darüber hinaus bedarf es eines Paradigmenwechsels im Bereich des Datenschutzes. Der Einzelne ist nicht mehr in der Lage, durch eigenes Handeln seine Daten zu schützen. Hier verlagert sich die Verantwortung auf eine übergeordnete Ebene. Dem Staat kommt es immer stärker zu, dafür Sorge zu tragen, dass uns die persönliche Datenspur nicht zum Nachteil gereicht wird, die wir durch die – nicht immer frei wählbare – Nutzung von Medien hinterlassen.
Rösch Das Kernproblem hierbei sind die Machtverhältnisse auf den großen kommerziellen Plattformen: Wenige Menschen entscheiden darüber, was dort passiert und was nicht, zahlende Nutzerinnen und Nutzer dürfen die Daten verwenden, während insbesondere Jugendliche de facto gezwungen werden, die gegebenen Bedingungen zu akzeptieren. Jugendarbeit muss das zum Thema machen – mit den Jugendlichen, aber auch auf politischer Ebene –, um eine Sensibilität hierfür, aber auch um andere Rahmenbedingungen zu schaffen. Darüber hinaus kann und muss Jugendarbeit hier an ihren beiden Prinzipien Lebensweltorientierung und Partizipation ansetzen: Einerseits ist es geboten, die Plattformen genau deswegen auch zu nutzen, weil sie eine Bedeutung für Jugendliche haben. Andererseits ist Jugendarbeit gefordert, im angemessenen Maße gemeinsam mit Jugendlichen alternative technische Plattformen zu schaffen und zu pflegen. Auf diese Weise kann sich nach und nach eine andere Praxis entwickeln.
Ketter Abgesehen von pädagogisch initiierten Räumen (Erprobungsräume) bedarf es der Orientierung an der Alltags- und Lebenswelt aller Internetnutzerinnen und -nutzer – unabhängig von der Lebensphase. Nur wenn Medienpädagogik sich kommerzieller Produkte bedient, kann eine anwendungsorientierte Auseinandersetzung erfolgen. Jugendliche lernen zum Beispiel in Beteiligungsprojekten unterschiedliche Mediensysteme kennen, beschäftigen sich reflektiert-kritisch mit der Datenverarbeitung, sodass Daten sensibel mitgeteilt werden. Medienpädagogik hat zugleich die Verantwortung an einer adressatinnen- sowie adressatenorientierten Ausgestaltung der Digitalisierung.
Tillmann Aufgabe der Medienpädagogik ist es, auf Software-Produkte hinzuweisen, die verantwortungsvoll mit den Daten der Menschen umgehen und Aufgabe der Fachkräfte ist es sicher auch, mit gutem Vorbild voran zu gehen. Aber gleichermaßen ist es unsere Aufgabe, Jugendliche bei ihren Alltagspraktiken abzuholen. Medienkompetenz und somit ein kritischer Umgang mit Medien werden im Umgang bzw. in der Auseinandersetzung mit Medien(-angeboten) entwickelt. Für die Medienpädagogik besteht somit die Herausforderung darin, Wege zu finden, wie dieses Dilemma thematisiert werden kann – ohne erhobenen Zeigefinger und ohne, dass jemand ausgeschlossen wird. Vielmehr gilt es die Folgen der Datensammlung und -auswertung erfahrbar zu machen und dafür Strategien und kreative Methoden zu entwickeln. Darüber hinaus greift es aber auch zu kurz, die Verantwortung allein beim Subjekt zu suchen und auf den Selbstschutz zu setzen. Vielmehr sind auch die Unternehmen und die Politik in der Pflicht. Sie sind aufgefordert, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, sodass die privaten Daten weiterhin ausreichend geschützt sind. Auch haben sie Sorge dafür zu tragen, dass Jugendliche in die Diskussion einbezogen werden, sie mitbestimmen können, was mit ihren Daten passiert. So betont auch der 15. Kinder- und Jugendbericht die Notwendigkeit, Jugendliche für die Teilnahme am Diskurs der Netzwerkgesellschaft nicht nur zu befähigen, sondern sie auch daran zu beteiligen. Es gilt somit, gemeinsam mit Jugendlichen Wege zu finden, wie wir unsere informationelle Selbstbestimmung zurückerobern und erhalten.
Sind medienfreie Angebote für Jugendliche in einer von Medien dominierten Welt notwendig?
Medienverzicht kann Inspiration für spannende Erkenntnisse liefern, wenn nicht der moralischen Zeigefinger erhoben wird
Rösch Generell sollten Medien der Zielsetzung eines pädagogischen Angebots dienen. Dazu kann es auch gehören, keine Medien zum Teil des Angebots zu machen – aus welchem Grund auch immer. Das Angebot sollte aber vor allem auch einem Bedürfnis der Jugendlichen entsprechen. Solche mit moralischem Zeigefinger bekommen sie auch woanders, dafür braucht es keine Jugendarbeit.
Lutz Ein systematischer Verzicht auf Dinge und Handlungen, die uns im Alltag als selbstverständlich erscheinen, ist immer ein Quell spannender Erkenntnisse. In diesem Sinne sind sicherlich auch medienfreie Angebote für Jugendliche sinnvoll. Ist das Ziel solcher Angebote aber, Jugendliche zu einem Wandel oder gar stärkeren Verzicht ihrer Mediennutzung im Alltag zu bewegen, halte ich solche Methoden für verfehlt. Es gilt vielmehr, die Medienaffinität Jugendlicher dazu zu nutzen, Themen aufzuarbeiten oder Partizipationsprozesse zu gestalten. Die Medien im Sinne ihrer Interessen einsetzen zu lernen, ist hier oberste Zielsetzung. Dies kann nur mit Medien gelingen.
Angebote ohne Medien können entschleunigen und die Reflexion des Medienhandelns fördern
Tillmann Das übergeordnete Ziel der Pädagogik ist es, die Persönlichkeitsbildung zu fördern – also die Perspektive zu erweitern, neue Zugänge zur Welt zu entwickeln und die Wahrnehmung und Achtsamkeit gegenüber Menschen, Dingen und der Welt zu schulen. Hier bieten Medien einen wichtigen, aber nicht den einzigen Zugang. Es gibt zahlreiche andere Möglichkeiten, soziale Verantwortung zu lernen, Ich-Stärke, Eigensinn, Kritikfähigkeit und Kreativität zu entwickeln. Vor dem Hintergrund der technologisch angetriebenen Beschleunigungsprozesse und impliziten Anpassungszwänge ist es sogar wichtig, sich der digitalen Kommunikation zeitweise zu entziehen. Das eigene Medienhandeln kann Menschen auch in Distanz zu sich, zu anderen Menschen und der Welt bringen. Wenn die Distanz zu groß wird und das alltägliche Leben entgleitet, können medienfreie Angebote helfen, wieder einen Zugang zu sich und der Welt zu finden. Medienfreie Angebote eröffnen außerdem Optionen, Medienerlebnisse zu verarbeiten und das eigene Medienhandeln zu reflektieren.
Analog und digital sind zusammenzudenken
Ketter Es geht nicht um ein Ausspielen von medienfreien und mediennutzenden, pädagogischen Interventionen – analog und digital sind zusammenzudenken. Bildung in einer durch digitale Medien geprägten Gesellschaft bedeutet gerade auch, aus der Vielfalt an Angeboten auszuwählen und die Konzentration auf einen Gegenstand oder eine Angelegenheit richten zu können. Diesen Aspekt in Bildungsarrangements zu vermitteln und währenddessen innovative Konzepte und Ansätze zu entwickeln, ist entscheidend.
Künftiger Arbeitsalltag und Qualifikationen von Fachkräften in der Jugendarbeit
Augenscheinlich geringe Veränderungen bei zunehmender Medienintegration
Lutz Aus meiner Sicht wird sich der Arbeitsalltag in der Jugendarbeit in den nächsten Jahren nicht so entscheidend ändern. Vor allem die mit Medien gestützte Freizeitgestaltung wird eine immer zentralere Rolle im Alltag von Jugendlichen spielen. Dieses Freizeitverhalten wird sich in den Angeboten der Jugendarbeit widerspiegeln müssen, um an den Interessen und Fähigkeiten der jungen Menschen anzuknüpfen. Vor allem die Expertise der Jugendlichen bezüglich ihrer Mediennutzung, sei es die Könnerschaft in Computerspielen oder der virtuose Umgang mit der Handykamera, muss auch in ihrer Freizeit eine Würdigung finden. Dies gilt umso mehr, als ich nicht glaube, dass die Anerkennung dieser Fähigkeiten in der nächsten Zeit in der Schule stattfinden wird.
Rösch Auf den ersten Blick wird sich der Arbeitsalltag der Jugendarbeit nur wenig verändern. An vielen Stellen fällt aber auf den zweiten Blick die selbstverständliche Integration von Medien und mediatisierter Kommunikation ins Auge: nicht nur das Smartphone, sondern auch spezifische Websites und andere Tools. Hiermit gelingt es Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeitern, Jugendliche in ihrer mediatisierten Sozialisation angemessen zu begleiten. Hilfreich sind dabei Einblicke in die digitale Jugendkultur und mediatisierte Identitätsarbeit. Ebenso sind aber angepasste Konzepte und Methoden wie auch die entsprechende eigene Medienkompetenz der Fachkräfte wichtig.
Ketter Aufgrund der stetigen und rasanten Weiterentwicklung von Medientechnologien – und auch der nicht intendierten Medienpraktiken Heranwachsender – ist bereits der Blick in eine nahe Zukunft unwägbar. Wichtig für die Planung und Durchführung von Fachkräftequalifizierung erscheint das seismografische Arbeiten, das heißt ein immerwährender Abgleich der medientechnologischen Entwicklungen, die Analyse der damit einhergehenden Phänomene, das explorative Erproben und Erforschen sowie ein innovativer Transfer auf die Soziale Arbeit respektive Jugendarbeit.
Tillmann Die Schnittmengen und Überlappungen zwischen On- und Offline-Räumen werden weiter zunehmen, Online-Räume weiter an Attraktivität gewinnen – dies vielleicht umso mehr, je weniger öffentliche Orte Jugendlichen zur Verfügung stehen. Damit ändern sich auch die Entwicklungsbedingungen Jugendlicher (Datafizierung, Datenklau, Fake News, Socia Bots, Hate Speech, Cybermobbing, Sexting usw.). Das hat Auswirkungen auf das alltägliche, soziale und kulturelle Handeln Jugendlicher. Im Zuge dessen verändert sich auch das Arbeitsfeld der Jugendarbeit – steigen die (medien-)pädagogischen Anforderungen an die Fachkräfte. Im 15. Kinder- und Jugendbericht wird darauf hingewiesen, dass es in der Jugendarbeit immer auch darum geht, Jugendliche und junge Erwachsene über schulische Qualifizierungsprozesse hinaus bei der Bewältigung der Kernherausforderungen der Jugendphase – der Qualifizierung, Verselbstständigung und Selbstpositionierung – zu begleiten und zu unterstützen. Herausgearbeitet wird in dem Bericht, dass das Internet einen wichtigen Ermöglichungsraum darstellt, in dem Jugendliche die drei Anforderungen bearbeiten können. Die Jugendarbeit ist aufgefordert, dieser Entwicklung zukünftig verstärkt Rechnung zu tragen. Zu klären ist weiterhin, wie die Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeiter den digitalen Kontakt zu Jugendlichen zukünftig gestalten und mit der Rundum-Verfügbarkeit umgehen. Dies setzt eine Diskussion über Standards und Qualitätskriterien voraus und erfordert – angesichts der Dominanz kommerzieller Angebote – auch eine Reflexion der Datensicherheit. Nicht zuletzt gilt es auch im Umgang mit digitalen Medien, klare Qualitätsstandards für Einrichtungen zu entwickeln, die den Mitarbeitenden Sicherheit im Umgang mit der Mediennutzung der Kinder und Jugendlichen geben. Jugendarbeiterinnen sowie Jugendarbeiter in fünf Jahren werden sich also weiterhin den Entwicklungen und Herausforderungen, die mit dem digitalen Wandel einhergehen, stellen müssen. Es wird eine immer engere Verknüpfung von sozial- und medienpädagogischem Wissen in der Jugendarbeit notwendig sein. Erforderlich sind medienpädagogische Fort- und Weiterbildungen, die den Fachkräften eine klare Handlungsorientierung für den Umgang mit Medien in ihrem Arbeitsfeld geben und sie gleichermaßen dazu befähigen, Bildungsgelegenheiten für Jugendliche zu schaffen, die eine (Weiter-)Entwicklung von Medienkompetenz ermöglichen. Ziel ist somit einerseits die Vermittlung eines sozialisatorischen Wissens über das Medienhandeln Jugendlicher als auch die Förderung von Medienkompetenz und mediendidaktischer Kompetenz bei Fachkräften. Nicht zuletzt kann die Jugendarbeit die digitalen Medien zukünftig noch stärker auch zur Vernetzung mit anderen Initiativen nutzen und auch dazu, die eigene Sichtbarkeit zu erhöhen.
Welche neuen Qualifikationen brauchen Fachkräfte in der Jugendarbeit sowie Medienpädagoginnen und Medienpädagogen?
Lutz Vor allem müssen Fachkräfte verstehen, was Jugendliche an medialen Welten so fasziniert und wie wichtig sie für die Bewältigung ihrer Entwicklungsaufgaben sind. Den Überblick zu behalten ist nicht immer leicht – auch nicht für Medienpädagoginnen und Medienpädagogen.
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Aufruf zur Blogparade
merz erkundet in der Ausgabe merz 4/2017 Soziale Arbeit digital Potenziale in der Verbindung von offline und online und ruft mit diesem Beitrag, der auch in der Printausgabe erschienen ist, zu einer Blogparade "Jugendarbeit im digitalen Wandel" auf. Damit sollen neue Räume für die Diskussion über das Heftthema eingebunden werden.
Alle Leserinnen und Leser sind eingeladen, eigene Blogbeiträge zu ihrer Perspektive auf das Thema zu verfassen und diese mit dem Startbeitrag zu verlinken. Die Beiträge werden hier beim Beitrag gelistet, in der kommenden Ausgabe merz 5/2017 erscheint ein Kurzbericht zu den Beiträgen der Blogparade.
Zeitraum der Blogparade ist bis 15. September 2017 .
Beiträge können aber auch danach noch beigesteuert werden.
Für die Beiträge können die nachstehenden Leitfragen beantwortet, aber auch durch weitere Themenfacetten ergänzt werden:- Warum sollte sich Jugendarbeit mit digitalen Medien auseinandersetzen?
- Welche neuen Methoden, Ansätze oder Inhaltsbereiche für die Jugendarbeit entwickeln sich durch den Einbezug digitaler Medien?
- Was kann Medienpädagogik zur positiven Gestaltung des "digitalen Wandels" beitragen?
- Was sollte im Zuge der sogenannten Digitalisierung nicht passieren?
- Wie mit dem Dilemma umgehen, dass wir für unsere Arbeit kommerzielle Produkte nutzen, die Jugendlichen nicht ermöglichen, ihre privaten Daten ausreichend zu schützen? ggf. Welche weiteren Herausforderungen sehen Sie/siehst du?
- Sind medienfreie Angebote für Jugendliche in einer von Medien dominierten Welt notwendig? Warum?
- Wie sieht der Arbeitsalltag in der Jugendarbeit in fünf Jahren aus? Welche neuen Qualifikationen brauchen Fachkräfte in der Jugendarbeit und Medienpädagoginnen und Medienpädagogen dann?
Es laden ein: Niels Brüggen und Klaus Lutz für merz | medien + erziehung.Friedrich Krotz und Eike Rösch: Apps verändern die Medienpädagogik
Als vor nur sieben Jahren das iPhone vorgestellt wurde, sagten viele ein schnelles Ende der Neuentwicklung voraus. Apps spielten in der damaligen Diskussion kaum eine Rolle und in Apples Entwurf waren sie noch nicht mal vorgesehen. Heute hat das Smartphone Technik, Arbeit und Leben und die Nutzung des Internet revolutioniert; genau genommen, die Art und Weise, wie die Menschen den mobilen Minicomputer „Smartphone“ nutzen, der gleichzeitig am Telefonnetz sowie am Internet hängt und dabei auch nicht selten Ortungsinformationen preisgibt, hat Arbeit und Alltag, Leben und soziale Beziehungen in Kultur und Gesellschaft schnell und in vielfältiger Weise verändert. Dafür spielten und spielen insbesondere Apps eine wichtige Rolle: Sie schaffen eine Fülle von meist einzelnen Anwendungen, von denen manche immens funktional und hilfreich sind, während andere kaum vernünftig brauchbar sind oder gar nur dazu dienen, den Userinnen und Usern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Diese Vielfalt untermauert das geflügelte Wort, es gebe für alles eine App. Natürlich werfen Apps wie alle Programme auch viele alte und neue Fragen auf, so einmal mehr die nach den Potenzialen für Kommunikation und Medienproduktion, aber auch nach dem Verhältnis von Datenschutz und Ausspähung. Hier ist Medienpädagogik nicht nur pädagogisch, sondern auch politisch gefragt. Für die pädagogische Arbeit und die Medienpädagogik im Speziellen haben sich auch die Rahmenbedingungen menschlichen Handelns grundlegend gewandelt, von denen sie ausgehen müssen: Smartphone-Nutzende haben ständig multifunktionale Minicomputer dabei, mit denen sie auf das Wissen der Welt zugreifen können, soweit es im Internet verfügbar ist, mit der Welt kommunizieren können, sofern ihre Kommunikationspartnerinnen oder -partner ebenfalls vernetzt Apps verändern die Medienpädagogik sind, und/oder Medienprodukte herstellen und mindestens in ihren Bekanntenkreisen distribuieren können, für die früher aufwändige Technik bereitgestellt werden musste. Dass man mit Apps auch sonst noch viel mehr machen kann, dass Apps aber auch ausgesprochen eindringlich sind, alle möglichen Rechte verlangen, zum Teil ständig auf die Userinnen und User Einfluss zu nehmen versuchen und an den Konsumkapitalismus anschließen, weiß, wer über ein Smartphone verfügt. Mit dem Schwerpunkt dieser merz-Ausgabe soll daher betrachtet werden, was Apps im Leben der Menschen und insbesondere von Kindern und Jugendlichen bedeuten, an welche Potenziale Medienpädagogik anknüpfen und mit welchen sie sich auseinandersetzen muss und welche Bedeutung sie somit für spezifische Bereiche der Medienpädagogik haben. Dabei ist einschränkend zu sagen, dass die Entwicklung hier derzeit sehr schnell geht, bisher noch wenige belastbare empirische Studien und theoretische Überlegungen vorliegen und auch im Bereich der Medienpädagogik vor allem neue Ideen erprobt werden – über fertige Rezepte verfügt auch hier niemand. Im ersten Aufsatz begreift Friedrich Krotz die Trägermedien Smartphone und Tabletcomputer, auf denen die Idee von Apps entstanden ist, im Sinne des Mediatisierungsansatzes als eine Weiterentwicklung des Mobiltelefons, das unter anderem schon mit Kamera und Kalender ausgerüstet war, bei dem das Telefonieren und SMS-schreiben aber noch im Vordergrund standen. Auf dieser Basis lassen sich Apps dann in ihrer Vielfalt etwas systematischer beschreiben, insofern es darum geht, die damit verbundenen Forschungsfragen zu identifizieren und vielleicht auch erste Antworten auf der Basis explorativer Studien zu entwickeln. Dabei stehen die Potenziale und die Risiken für die Nutzenden im Vordergrund. Die Auseinandersetzung mit diesen Risiken im Umgang mit Apps ist auch ein wichtiger Gegenstand der Medienerziehung. Die trotz aller Skandale weiter wachsenden Zahlen der Nutzerinnen und Nutzer von WhatsApp etwa zeigen, dass es nicht leicht ist, Nutzende zu einer Verhaltensänderung zu bewegen. Manuel Neunkirchen und Jeffrey Wimmer entwickeln mit ihrem Beitrag „Es könnte ja passieren, dass …“ eine wichtige Grundlage für pädagogische Angebote im Hinblick auf Apps: In einer Studie der TU Ilmenau wurde untersucht, welche Risiken im Zusammenhang mit Apps wahrgenommen werden und durch welche Faktoren das Risikobewusstsein beeinflusst wird. Auch in der Schule hat die Diskussion über Lernen mit digitalen Medien durch Smartphones und Tablets eine neue Dynamik bekommen: Apps spielen dabei eine zentrale Rolle.
Eike Rösch und Björn Maurer betrachten die Hintergründe dieser Entwicklung und stellen pädagogische Überlegungen in den Mittelpunkt. In der aktiven Medienarbeit haben Apps eine ganz eigene praktische Relevanz, etwa indem ‚klassische‘ Projektformen mit mitgebrachten Geräten und Apps realisiert werden können, aber auch weil völlig neue Produktionen möglich geworden sind. Björn Friedrich und Daniel Seitz beleuchten die Potenziale und Knackpunkte dieser Entwicklung und kommen unter anderem zu dem Schluss, dass das mediale und pädagogische Know-how der Fachkräfte gefragter ist denn je. An Apps und Smartphones manifestieren sich alle aktuellen Herausforderungen für den Jugendschutz: die zunehmende Dominanz von Konzernen, die Versäumnisse bei gesetzlichen Regelungen sowie die zunehmende Internationalität. Darum und was das für jugendschützerische Aktivitäten bedeutet, geht es in einem Interview, das Swenja Wütscher mit Markus Gerstmann geführt hat. Einen bedeutenden Teil von Apps machen Spiele aus und mit Smartphones sind Games endgültig im Alltag angekommen und überall präsent – gespielt werden kann auf dem Sofa, auf dem Klo, im Bus und auf dem Schulhof. Tobias Miller und Anne Sauer betrachten verschiedene Spielformen im Mobile Gaming und deren jeweilige Attraktivität für die Nutzenden. Als pädagogisches Moment bringen sie Beurteilungskriterien für mobile Spiele in die Diskussion ein.
Steffen Griesinger und die Beteiligten in seinem Projekt haben den Spieß umgedreht und selbst eine App programmiert, mit der sich lokalisierte Spielszenarien realisieren lassen. In seinem Artikel skizziert er die Rahmenbedingungen, den Ablauf und pädagogische Empfehlungen für ein solches Projekt. Abschließend skizziert Christine Feil im Gespräch mit Kati Struckmeyer das Konzept der neuen Datenbank des DJI Apps für Kinder, erläutert Beurteilungskriterien und Entwicklungspläne und gibt generelle Einschätzungen zur App-Welt. Die Datenbank soll einen Orientierungspunkt im immer größer werdenden Ozean von Apps für Kinder bieten. Nicht fehlen dürfen in einer Ausgabe über Apps Empfehlungen zu ebendiesen. Swenja Wütscher hat Medienpädagoginnen und -pädagogen nach ihren Erfahrungen gefragt und einige empfohlene Apps einer kritischen Betrachtung unterzogen. In der Gesamtschau der Einschätzungen aus den verschiedenen Bereichen wird deutlich, dass sich die Medienpädagogik einmal mehr neu erfunden hat: Durch Smartphones, Apps und das mobile Internet erleben Medienpädagoginnen und Medienpädagogen eine neue Phase der Medienevolution, in der einiges neu definiert wird, teilweise aber auch auf alte Erfahrungen zurückgegriffen werden kann.
Mit den genannten Schlaglichtern möchten wir die Diskussion über die Relevanz von Apps für die medienpädagogische Forschung und Praxis anregen, Erfahrung sammeln und offene Fragen stellen. Denn eins ist klar: Auch in diesem Feld bleibt es spannend. Und dies wird auch sicher nicht das letzte Heft sein, das sich mit den Möglichkeiten und Problemen von Programmen auf dem Smartphone beschäftigt.
Eike Rösch und Björn Maurer: Apps in der Schule
Aktuell steht in der Auseinandersetzung um mobiles Lernen mit Tablets die Diskussion um die besten Apps für den Schulunterricht oft im Vordergrund. Wie ist das Umfeld dieser Diskussion beschaffen? Welche Potenziale und mögliche Fehlentwicklungen gibt es? Und worauf kommt es beim Einsatz von Apps in der Schule wirklich an?
Eike Rösch, Björn Friedrich: Informationsbezogenes Handeln Heranwachsender
Informationsbezogenes Handeln ist per Definition ein zentrales Element medienpädagogischer Aktivitäten. Je bedeutender die Rolle von Informationen und ihrer erfolgreichen Aneignung für die Sozialisation von Kindern und Jugendlichen wird, umso mehr Anknüpfungspunkte und auch Handlungsnotwendigkeiten ergeben sich für Medienpädagoginnen und Medienpädagogen, die mit Konzepten dazu beitragen möchten, diese Aneignungsprozesse gelingend zu beeinflussen. Nachfolgend wird ein Überblick über die Ziele, Rahmenbedingungen und Ansätze in diesem Zusammenhang gegeben.
Literatur:
Castells, Manuel (2001). Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Opladen Leske + Budrich.
Schorb, Bernd (2005). Medienkompetenz. In: Hüther, Jürgen/Schorb, Bernd (Hrsg.). Grundbegriffe Medienpädagogik. München: kopaed, S. 257-262.
Eike Rösch: re:publica
Vom 6. bis 8. Mai 2013 trafen sich bei der re:publica in Berlin circa 5000 Menschen, die sich auf irgendeine Weise intensiv mit Netzkultur und Netzpolitik auseinandersetzen – also Bloggerinnen und Blogger, Netzaktivistinnen und Netzaktivisten, Medienvertreterinnen und Medienvertreter und auch einige Medienpädagoginnen und Medienpädagogen. In Vorträgen und Workshops wurden wie in jedem Jahr vielfältige Inhalte thematisiert, die zum Thema Internet aktuell relevant sind. Alle hier zu nennen, würde den Rahmen sprengen, daher eine persönliche Auswahl:- In einigen einschlägigen Sessions zum Thema wurde einmal mehr deutlich, dass YouTube die wichtigste Social Community für Jugendliche ist und in großen Teilen bereits das Fernsehen verdrängt hat. Dieses Phänomen wird in vielen Bereichen noch nicht angemessen diskutiert. Und auch in der Medienpädagogik sollte YouTube eine größere Rolle spielen.- Ein anderes Thema, das gerade in medienpädagogischen Zusammenhängen sehr präsent ist – MOOCs –, hatte auch seinen Platz auf der re:publica und wurde sehr heterogen diskutiert: Die Analyse bewegte sich zwischen großen Potenzialen durch Niedrigschwelligkeit und überzogenen Erwartungen mit nur geringem Output.- Netzpolitisch sehr aktuell ist der Versuch der Deutschen Telekom und anderer Anbieter, die Netzneutralität durch Ungleichbehandlung der im Internet übertragenen Daten zu unterlaufen.
Die ersten Ankündigungen dazu sind nur wenige Wochen alt und der Widerstand von Netznutzerinnen und Netznutzern groß. Der Umgang mit dieser Firmenpolitik wurde mit Vertreterinnen und Vertretern von Providern, der Internetwirtschaft und der Bundesnetzagentur breit diskutiert.- Selbstverständlich ist die re:publica auch Anlass für die Netzcommunity, Bilanz der netzpolitischen Aktivitäten zu ziehen und Pläne für die Zukunft zu schmieden. Verschiedene Akteure (sic!) riefen dazu auf, netzpolitische Themen noch breiter in die Gesellschaft zu tragen und auch mehr (pragmatische) Koalitionen zu suchen. Was das konkret bedeutet, das müssen alle Beteiligen nun ausgestalten. Ein großer Teil der meist sehr inspirierenden Inputs ist als Videomitschnitt im Internet verfügbar; darüber hinaus entstanden auch drei eBooks zur Veranstaltung. Die gesamte Dokumentation kann kostenlos auf der Website der Veranstaltung betrachtet werden – eine absolute Empfehlung für alle Medienpädagoginnen und Medienpädagogen!
Klaus Lutz/ Eike Rösch: Wege zum Beruf Medienpädagog*in
Die Medienpädagogik ist in den letzten Jahrzehnten von einer Randerscheinung ins Zentrum der Diskurse über Pädagogik und Bildung gerückt. Die Digitalisierung fegt wie ein Hurrikan über die Gesellschaft hinweg. Nichts bleibt wie es war. Im Auge des Hurrikans – in dem bekanntlich Windstille herrscht – versuchen die tapferen Medienpädagog*innen die Herausforderungen zu gestalten, die sich aus diesem Wandel ergeben. Waren es zunächst vor allem Pädagog*innen mit Interesse für Film und Fotografien, die sich der Thematik angenommen haben, so ist jetzt als Folge der Digitalisierung ein eigener Beruf der Medienpädagog*innen entstanden, auch wenn es nach wie vor unterschiedlichste Zugänge und Qualifizierungen hierfür gibt. Häufig fehlt es an qualifizierten Medienpädagog*innen, um die Anfragen zu befriedigen, die sich aus dem stark gestiegenen Bedarf ergeben.
Bereits vor mehr als 15 Jahren war die Medienpädagogik in der Forschung wie auch in der Praxis schon so etabliert, dass ihr der kopaed-Verlag einen eigenen Titel widmete: So erschien im Jahr 2003 der Band Beruf Medienpädagoge (Hrsg. von Norbert Neuß); die Fachpublikation reichte kaum aus, um die Vielschichtigkeit dieser jungen Disziplin zu beschreiben. Jetzt, 15 Jahre später, ist die Medienpädagogik nicht mehr wegzudenken.
Vor allem in der außerschulischen und schulischen Bildungsarbeit ist die Vermittlung von Medienkompetenz zu einer zentralen Aufgabe für ein selbstbestimmtes und souveränes Leben geworden. Als Treibriemen für unseren Berufsstand hat sich vor allem die Erkenntnis erwiesen, dass es künftig keinen Lebensbereich mehr geben wird, der nicht durch die Digitalisierung vor einem grundlegenden Wandel steht. Die Medienpädagogik soll mithelfen, die Risiken einer solchen Entwicklung zu erkennen und zu minimieren, sowie das Individuum dazu befähigen, die Zukunft mit Medien aktiv mitzugestalten. Eine durchaus herausfordernde Aufgabe.
Die Medienpädagogik sorgt für die Fort- und Weiterbildung von Pädagog*innen im Bereich Medienpädagogik und -didaktik: Diese erarbeitet mit Kindern und Jugendlichen eigene Medienprodukte, dreht Filme und YouTube-Clips, produziert Sendungen für Radio und Fernsehen, erstellt Blogs sowie Internetseiten und vermittelt den Kindern und Jugendlichen damit die Funktionsweisen der Medien und die Gefahren durch deren Faszinations- und Manipulationskraft. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Erstellung von Anleitungen und Material zur Medienerziehung sowohl für Pädagog*innen als auch für Eltern. Medienpädagog*innen betreiben aber auch Medienforschung, indem sie unter anderem die Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen untersuchen. Fragestellungen, wie sich beispielsweise Gewaltdarstellungen in Nachrichten oder Computerspielen auf Heranwachsende auswirken, stehen auf der Agenda. Die Forschung beschränkt sich aber längst nicht mehr nur auf Kinder und Jugendliche; sie hat auch die Medienkompetenz von Erwachsenen und Senior*innen im Blick.
Die Qualifikation zur*zum Medienpädagog*in kann man an Universitäten oder Fachhochschulen durch ein eigenständiges Studium, ein Lehramtsstudium oder im Rahmen eines Studiums der Erziehungswissenschaft, Medieninformatik oder der Sozialen Arbeit erwerben. Allerdings: Wo Medienpädagogik draufsteht, ist nicht immer Medienpädagogik drin. Dies liegt zum einen daran, dass sich praktisch jede*r Medienpädagog*in nennen darf, und dass es durchaus sehr unterschiedliche Definitionen gibt, wie der Begriff Medienkompetenz zu interpretieren ist.
Diese Ausgabe möchte dazu beitragen, die Professionalisierung des Berufs Medienpädagog*in nachzuzeichnen und Argumente dafür zu liefern, warum dieser Beruf dringend benötigt wird – und dies gilt nicht nur für pädagogische Handlungsfelder.
Zu dieser Ausgabe
In den letzten Jahren ist eine Vielzahl an Publikationen und Positionspapieren erschienen, die die Medienpädagogik sowohl in ihren theoretischen Bezügen zu definieren versucht als auch Anleitungen für theoriegeleitetes Handeln beschreibt. Patrick Bettinger hat sich der durchaus anspruchsvollen Aufgabe angenommen, den aktuellen Theoriediskurs zu beschreiben sowie die Handlungsfelder der Medienpädagogik zu diesem in Bezug zu setzen. Sein Beitrag liefert eine wichtige Grundlage für die weitere Diskussion des heterogenen Berufsfeldes der Medienpädagogik. Nach Einschätzung des Autors existiert keine zentrale theoretische Begründung der Medienpädagogik. Die damit verbundene Interdisziplinarität eröffnet aber auch anregende Perspektiven, um auf die immer komplexeren Medienwelten adäquat reagieren zu können. Gleichzeitig ist damit aber auch die Gefahr verbunden, dass eine genuin medienpädagogische Theorieentwicklung auf der Strecke bleibt.
Kai-Uwe Hugger setzt sich mit der Frage auseinander, ob die Medienpädagogik ein eigenes Berufsbild darstellt und in welchen Handlungsfeldern der Pädagogik die Medienpädagogik zu verorten ist. In seinen Ausführungen zeigt er die Diskurse der letzten Jahre über die Entwicklung zu dem Beruf Medienpädagog*in auf und beschreibt sehr anschaulich den momentanen Stand. Es ist unstrittig, dass die Medienpädagogik einem Professionalisierungsprozess unterliegt; in vier anschaulichen Thesen steckt Kai-Uwe Hugger zusammenfassend die Bedingungen für diesen wichtigen Prozess ab.
Mit Günther Anfang ist es gelungen, einen Medienpädagogen der ersten Stunde für ein Interview für diese Ausgabe zu gewinnen. Günther Anfang ist einer der Pioniere der Medienpädagogik und hat sie als praktisches Handlungsfeld der Pädagogik maßgeblich mitentwickelt. In seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit hat er den Wandel, dem die Medienpädagogik durch die enorme technische Entwicklung der letzten Jahre unterlegen ist, aktiv miterlebt und begleitet. Neben den zentralen Wendepunkten, die die Medienpädagogik immer wieder verändert haben, beschreibt er aber auch sehr anschaulich, dass es bei allem Wandel und neuer Technik letztlich doch darum geht, Kinder und Jugendliche dazu zu befähigen und zu ermutigen, sich mit Medien auszudrücken und Geschichten zu erzählen. Dies gilt auch gerade für die Allerjüngsten.
Viele junge Menschen äußern auf die Frage nach ihrem Berufswunsch häufig etwas diffus: „Naja, irgendwas mit Medien.“ Welche Qualifizierungsmöglichkeiten stehen ihnen aber nun offen, wenn sie sich für das Berufsbild Medienpädagogik entscheiden? Johannes Fromme, Steffi Rehfeld und Josefa Much zeigen die Bandbreite der Hochschulen und der Weiterbildungsmaßnahmen auf. Sie gegeben damit einen sehr guten Überblick über den momentanen Stand der Qualifizierungsmöglichkeiten. Darüber hinaus ordnen sie auch die Beschäftigungsaussichten einer solchen Qualifizierung im Kernbereich des pädagogischen Arbeitsmarktes ein. Offen bleibt in dem Artikel die Frage, ob eine Ausbildung zur*zum Medienpädagog*in sinnvoll oder eine medienpädagogische Grundbildung für alle pädagogischen Fachkräfte notwendig ist.
Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von medienpädagogischen Praxisprojekten im pädagogischen Alltag und es ist kaum ein pädagogisches Handlungsfeld denkbar, das ohne Medienprojekte auskommt. Mareike Schemmerling definiert die Leitplanken eines solchen Handelns. Dabei weist sie ausdrücklich darauf hin, dass für alle Konzepte als theoretischer Bezugspunkt die Vermittlung von Medienkompetenz im Zentrum stehen muss. Denn nicht der Einsatz von Medienoder das Behandeln von Medienthemen machen ein medienpädagogisches Projekt aus; vielmehr stellt medienpädagogische Praxisarbeit immer Kinder und Jugendliche ins Zentrum ihrer Aktivitäten und agiert ausgehend von ihrer Sicht auf die Welt, ihren Belangen und Bedürfnissen. Sie verfolgt stets das Ziel, jungen Menschen Kompetenzen zu vermitteln, die sie für ein gelingendes Leben in einer digital-medialisierten Welt benötigen.
Um die internationale Entwicklung der Medienpädagogik mit in den Blick zu nehmen, haben wir Kolleg*innen aus Estland, Finnland, Griechenland, Österreich, Rumänien und der Schweiz für dieses Heft um eine Kurzdarstellung der Medienpädagogik in ihren Heimatländern gebeten. An dieser Stelle nochmals vielen Dank für die Unterstützung. Die Texte sind in kleinen Kästen im Thementeil der Ausgabe verteilt. Wir haben uns sehr über die Zusendung der Beiträge der Kolleg*innen aus ganz verschiedenen Teilen Europas gefreut, da aus unserer Sicht eine Weiterentwicklung der Medienpädagogik in Deutschland nur sinnvoll auch unter Einbeziehung internationaler Konzepte und Erfahrungen gelingen kann.
Im Zeitalter von Bildkommunikation hatten wir – zusammen mit dem Medienpädagogik Praxis-Blog – Kolleg*innen gebeten, ihren medienpädagogischen Alltag bildlich in Szene zu setzen und mit Veröffentlichung unter dem Hashtag
#vonBerufMedienpaed auf einem beliebigen Social-Media-Kanal an unserer Fotoaktion teilzunehmen. Wir waren überwältigt, welche Resonanz der Aufruf erfahren hat. Über 90 Einsendungen haben uns erreicht. Danke!! Unsere Favoriten unter den Einsendungen sind in dieser Ausgabe abgedruckt, ein Bild ziert auch das Titelblatt. Auch der Medienpädagogik Praxis-Blog hat seine Favoriten gekürt!
Niels Brüggen/Eike Rösch: Editorial: Digitale Jugendarbeit. Perspektiven zur Professionalisierung
Sei es mit dem Schlagwort Digitalisierung, der Bezeichnung digitaler Wandel oder dem Terminus der Kultur der Digitalität – in der Kinder- und Jugendarbeit findet derzeit verstärkt eine Auseinandersetzung mit der Bedeutung und Rolle von digitalen Medien und Systemen für die pädagogische Arbeit statt. Diese Auseinandersetzung wurde verstärkt durch die Erfahrungen mit der Nutzung digitaler Medien während der Kontaktbeschränkungen und des Teil-Lockdowns für die Kinder- und Jugendarbeit aufgrund der Corona-Pandemie. Korrespondierend mit den schwammigen Begriffen der ‚digitalen Bildung‘ oder der ‚digitalen Gesellschaft‘ wird hierfür oft der Begriff der digitalen Jugendarbeit herangezogen.
Neben immer wieder neuen guten Beispielen, wie digitale Medien sinnvoll und zeitgemäß als Werkzeug, Aktivität oder Gegenstand in der Kinder- und Jugendarbeit aufgegriffen werden können, ist dabei auch eine Veränderung auf konzeptioneller Ebene zu beobachten, was genau unter dem Begriff digitaler Kinder- und Jugendarbeit als Aufgabenfeld und Schwerpunktsetzung zu verstehen ist. Zudem wird verstärkt diskutiert, welche Rahmenbedingungen digitale Kinder- und Jugendarbeit braucht, um gelingen zu können. Wir sehen darin eine zunehmende Professionalisierung und strukturelle Verankerung der digitalen Kinder- und Jugendarbeit. Diese steht entsprechend im Fokus dieser Ausgabe.
Wir versuchen im ersten Artikel einen Status Quo zu zeichnen, in dem wir in Theorie und Praxis zusammentragen, was hinsichtlich digitaler Jugendarbeit diskutiert und praktiziert wird. Wir stellen zudem Entwicklungselemente heraus, die auf konzeptioneller wie auch struktureller Ebene auf eine Verstetigung digitaler Kinder- und Jugendarbeit hinweisen.
Im Interview mit Dr. Viktoria Flasche geht es um die post-digitale Lebenswelt von Jugendlichen sowie darum, was die Post-Digitalität für die digitale Jugendarbeit bedeutet.
Anu Pöyskö stellt die Frage: Welchen Stellenwert hat ‚das Digitale‘ in den Praxiskonzepten der Jugendarbeit? Anders als ‚einfach‘ nur in allen Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit auch digitale Elemente zu verankern, stellt sie Erfolgskriterien vor, wie eine konzeptionelle Beschäftigung mit allen Akteur*innen der Kinder- und Jugendarbeit ausgestaltet werden kann. Fundiert sind diese Kriterien mit dem entsprechenden Entwicklungsprozess in der Wiener Jugendarbeit.
Linda Längsfeld beschreibt eine praxisnahe Perspektive auf Barrieren, aber auch Erfolgskriterien von medienpädagogischen Weiterbildungen. Die enthaltenen Einblicke und Tipps zur Entwicklung von Weiterbildungen zur digitalen Jugendarbeit sollen besonders auch den Anbieter*innen dabei helfen, die Hemmnisse auf Seiten der Jugendarbeiter*innen durch bedarfsgerechte Gestaltung der Weiterbildungen abzubauen. Die Erfahrungen zieht sie aus dem Projekt Conceptiopa.
Mareike Schemmerling und Nicole Rauch blicken auf strukturelle Rahmenbedingungen, die digitale Jugendarbeit in Bayern unterstützen und zur Weiterentwicklung beitragen. Sie stellen etablierte Strukturen wie das Netzwerk der Medienfachberatung ebenso wie neue Ansätze aus dem Modellvorhaben Digital Streetwork vor. Mit den Erfahrungen der Medien_Weiter_Bildung werden darüber hinaus weiterführende Erfahrungen im Bereich der Qualifizierung vorgestellt.
Franziska Koschei blickt auf ein weiteres Strukturelement digitaler Kinder- und Jugendarbeit, und zwar die Evaluation. Mit dem Ziel, einen besseren Einblick in die Praxis der digitalen Kinder- und Jugendarbeit zu erlangen, sollte Evaluation auch bei digitalen Formaten immer mitgedacht und integriert werden. Hierzu stellt sie Herausforderungen, aber auch konkrete Tools zur Umsetzung einer Evaluation vor.
Wir wünschen eine anregende Lektüre und hoffen, damit Impulse für die strukturelle Weiterentwicklung der ((post-)digitalen) Kinder- und Jugendarbeit geben zu können.
Dr. Niels Brüggen ist Leiter der Abteilung Forschung am JFF – Institut für Medienpädagogik. Seine Schwerpunkte sind Medienpädagogische Evaluationsforschung, Medienaneignungsforschung (insbesondere in Bezug auf digitale Medien), Mediatisierung von Jugendarbeit, Partizipation mit Medien, Ästhetik und medienpädagogische Ansätze.
Dr. Eike Rösch ist beim Verein Radarstation in Zürich tätig. Er begleitet und unterstützt dort Organisation und Fachpersonen bei der Verortung von Digitalität in der Soziokultur. Zudem erforscht er die sozialraumbezogene Entwicklung von Angeboten von Kinder- und Jugendarbeit unter den Bedingungen der Digitalität.
Niels Brüggen/Eike Rösch: ((Post-)digitale) Jugendarbeit ermöglichen. Aktuelle und zukünftige Perspektiven der ‚digitalen‘ Jugendarbeit
In diesem Beitrag werden der Begriff und die Praxis ‚digitaler Jugendarbeit‘ aus verschiedenen Perspektiven in den Blick genommen. So werden konzeptionelle Überlegungen und Entwicklungen mit verschiedenen Ausprägungen aufgezeigt und gebündelt. Gleichzeitig werden sich verstetigende Aspekte der Praxis digitaler Jugendarbeit herausgearbeitet. Das Bild einer ‚digitalen‘ Kinder- und Jugendarbeit, das noch nicht gänzlich klar ist, sich aber immer deutlicher abzeichnet, wird umrissen. Dabei wird auch thematisiert, wo Lücken, Entwicklungslinien, Probleme und Bedarfe liegen.
Literatur
Anfang, Günther/Demmler, Kathrin/Ertelt, Jürgen/Schmidt, Ulrike (Hrsg.) (2006). Handy. Eine Herausforderung für die Pädagogik. München: kopaed.
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Bollig, Christiane/Keppeler, Siegfried (2015). Virtuell-aufsuchende Arbeit in der Jugendsozialarbeit. In: Kutscher, Nadia/Ley, Thomas/Seelmeyer, Udo (Hrsg.): Mediatisierung (in) der Sozialen Arbeit. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren, S. 94–114.
Bollig, Christiane/Glück, Michael/Küchler, Tom/Reuting, Matthias/Steuer, Dirk (2010). Mobile Jugendarbeit 2.0. Herausforderungen und Möglichkeiten Mobiler Jugendarbeit im virtuellen Raum des Internet. Gelnhausen, Stuttgart, Chemnitz. www.agjb.de/wp-content/uploads/2019/09/mja_2.0_handlungsempfehlungen.pdf [Zugriff: 10.05.2022].
Brinda, Torsten/Brüggen, Niels/Diethelm, Ira/Knaus, Thomas/Kommer, Sven/Kopf, Christine/Missomelius, Petra/Leschke, Rainer/Tilemann, Friederike/Weich, Andreas (2019). Frankfurt Dreieck zur Bildung in der digital vernetzten Welt. Ein interdisziplinäres Modell. In: merz | medien + erziehung, 63 (4), S. 69–75.
Brüggen, Niels/Ertelt, Jürgen (2011). Jugendarbeit ohne social media? Zur Mediatisierung pädagogischer Arbeit. In: merz | medien + erziehung, 55 (3), S. 5–9.
Brüggen, Niels/Schemmerling, Mareike (2014). Das Social Web und die Aneignung von Sozialräumen. www.sozialraum.de/das-social-web-und-die-aneignung-von-sozialraeumen.php [Zugriff: 10.05.2022]
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Digitales Deutschland (2021). Rahmenkonzept. https://digid.jff.de/wp-content/uploads/2021/06/Rahmenkonzept_DigitalesDeutschland_Vollversion.pdf [Zugriff: 20.04.2022]
Deinet, Ulrich/Sturzenhecker, Benedikt/von Schwanenflügel, Larissa/Schwerthelm, Moritz (Hrsg.) (2021). Handbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit. Wiesbaden: Springer VS.
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Stalder, Felix (2016). Kultur der Digitalität. Berlin: Suhrkamp.
Tillmann, Angela/Weßel, André (2021). Offene Kinder- und Jugendarbeit in mediatisierten Alltags- und Lebenswelten. In: Deinet, Ulrich/Sturzenhecker, Benedikt/von Schwanenflügel, Larissa/Schwerthelm, Moritz (Hrsg.), Handbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit. Wiesbaden: Springer VS, S. 841–854.
Wunder, Maik (Hrsg.) (2021). Digitalisierung und Soziale Arbeit. Transformationen und Herausforderungen: Julius Klinkhardt.
YouthLink Scotland/Camara Education Limited/Centre for Digital Youth Care/JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis/National Youth Council of Ireland/Verke – The National Digital Youth Work Centre/wienXtra MedienZentrum (2019). Europäische Leitlinien für digitale Jugendarbeit. www.jff.de/fileadmin/user_upload/jff/projekte/digitalisierung_jugendarbeit/DAYW_training_material/Europaeische_Leitlinien_fuer_digitale_Jugendarbeit.pdf [Zugriff: 02.05.2022]
Angelika Beranek/Emily Engelhardt/Eike Rösch: Editorial. Medienpädagogische Perspektiven auf Künstliche Intelligenz
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Künstliche Intelligenz ist sicher das Thema der jüngsten Zeit, wenn es um technologische Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf unsere Gesellschaft geht. Durch die erhöhte Zugänglichkeit und öffentliche Aufmerksamkeit seit Veröffentlichung von ChatGPT wird vor allem generative KI breit diskutiert. Die große Aufregung um diese Anwendungen fordert einmal mehr die Medienpädagogik heraus und setzt diese unter Druck, angemessen zu reagieren, sich zu positionieren und entsprechende Angebote nicht nur für Kinder und Jugendliche zu entwickeln.
Die Brisanz des Themas zeigt sich auch in den zahlreichen Sonderheften, die in letzter Zeit an anderer Stelle zu diesem Thema erschienen sind. Mit diesem Themenheft wird das Spektrum weiter ergänzt. Zentral ist hierbei die medienpädagogische Perspektive auf KI – und zwar über den aktuellen Fokus auf generative KI hinaus. Um diese Perspektive breit aufzumachen, legen die beiden Grundsatzartikel den Schwerpunkt auf die Relevanz von Medienkompetenz im eher theoretischen Diskurs. Ergänzt wird dies durch praktische Ansätze. Dabei versuchen wir uns an einem ruhigen Blick, mit dem die vielseitigen Implikationen für die Medienpädagogik in Theorie und Praxis aufgegriffen und nicht vorschnell Schlussfolgerungen gezogen werden. Denn angesichts der großen Dynamik des Themas werden wir schon in kurzer Zeit viele neue Erkenntnisse zu Künstlicher Intelligenz gewinnen.
ZUR AUSGABE
Im ersten Beitrag stellt Andreas Büsch dar, inwieweit die klassischen MedienkompetenzKonzepte und Definitionen angesichts von KI noch greifen. Er geht davon aus, dass Teile der Konzepte durchaus auf KI anwendbar sind. Die zentrale Frage jedoch ist, ob das Ziel medienpädagogischer Bemühungen, aus ‚Konsument*innen Produzent*innen zu machen‘ noch haltbar ist. Hier stellt er fest, dass die Medienpädagogik angesichts von KI einer qualitativ neuen Herausforderung begegnet. Thomas Knaus erweitert diese Perspektive auf KI und stellt ebenso wie Büsch fest, dass KI kein ‚neuer Hype‘ ist, sondern dass die aktuellen Veränderungen mehr Evolution als Revolution darstellen. Sein Text beleuchtet darüber hinaus die grundlegenden Funktionsweisen KI-basierter Techniken und skizziert deren gesellschaftliche Bedeutung. Daraus leitet er ab, warum KI durchaus ein Thema für die Medienpädagogik sein sollte.
Lea Uhlenbrock führt in ihrem Artikel durch die Landschaft der KI-generierten Inhalte, darunter Bilder, Texte und Videos. Sie beleuchtet die Mechanismen der Technologie und deren wachsenden Einfluss auf die Medienwelt. Der Artikel bietet praktische Checklisten, die als Werkzeuge zur Identifizierung und kritischen Bewertung von KI-generierten Medien dienen. Künstliche Intelligenz kann Gegenstand und Mittel von Aktiver Medienarbeit sein. In einem Interview gibt Sonja Breitwieser Einblicke in die Perspektiven von Jugendlichen und spricht über Ansatzpunkte und Potenziale von Künstlicher Intelligenz in Projekten der Aktiven Medienarbeit. Ergänzend zeigen vier Steckbriefe verschiedene Ansätze von Praxisprojekten mit unterschiedlichen Zielgruppen auf.
Dieses Themenheft soll dazu beitragen, das Thema KI in der Medienpädagogik auch theoretisch zu fassen und gleichzeitig Anregungen geben, wie eine gelungene Aktive Medienarbeit zum Thema KI aussehen kann.
VO R ST E L LU N G D E S T I T E LT H E M A S D U R C H C H ATG P T
Die vorliegende Ausgabe widmet sich einem Thema von brennender Aktualität: dem Einfluss von Künstlicher Intelligenz (KI) auf die Medienpädagogik. KI, weit mehr als ein modisches Schlagwort, ist ein Treiber für Innovationen und gestaltet die Medienbildung neu. Durch einen spezifischen Fokus auf Medienkompetenz und eine vertiefte medienpädagogische Betrachtung unterscheidet sich dieses Heft von anderen Publikationen zu diesem Thema. Angesichts der rasanten Entwicklung der KI-Technologien steht die Medienpädagogik vor großen Herausforderungen, bietet jedoch ebenso einzigartige Chancen. Die Schnelllebigkeit dieser Technologien macht es schwierig, stets aktuelle Inhalte zu liefern, doch genau dies betont die Wichtigkeit, medienpädagogische Konzepte stetig zu hinterfragen und zu erneuern. In diesem Heft verknüpfen wir theoretische Grundlagen mit praktischen Erfahrungen und bieten eine Mischung aus beidem: von der Integration der KI in pädagogische Ansätze bis hin zu konkreten Anwendungsbeispielen aus der Praxis. Diese Kombination soll Ihnen helfen, effektiv in einer von KI geprägten Welt zu lehren und zu lernen. Die Artikel reflektieren die laufende Diskussion und verdeutlichen, wie KI sowohl als Herausforderung als auch als Bereicherung für die Medienbildung gesehen werden kann. Das Heft dient als Ressource, die zum Nachdenken anregt und praktische Handlungsansätze aufzeigt. Wir ermutigen Sie, die Beiträge zu erkunden, die praktischen Erfahrungen zu reflektieren und Ihre eigenen Ansätze kritisch zu überdenken. Möge diese Ausgabe Sie inspirieren, die Rolle der Medienpädagogik in der Ära der KI neu zu definieren.
Dr. Angelika Beranek ist Professorin für Grundlagen der Sozialen Arbeit mit dem Schwerpunkt Medienbildung an der Hochschule München. Sie beschäftigt sich hauptsächlich mit den Auswirkungen der digitalen Transformation auf Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit.
Emily Engelhardt ist Professorin für Digitale Transformation in Sozialen Handlungsfeldern und Gesellschaft an der Hochschule München. Ihr Fokus liegt auf dem Thema Onlineberatung und der Frage, welche Kompetenzen Sozialarbeiter*innen im Zeitalter des digitalen Wandels benötigen. Aktuell erforscht sie die Möglichkeiten, generative KI im Kontext von (Online-)Beratung zu nutzen.
Dr. Eike Rösch ist beim Verein Radarstation in Zürich tätig. Er begleitet und unterstützt dort Organisationen und Fachpersonen bei der Verortung von Digitalität in der Soziokultur. Zudem erforscht er die sozialraumbezogene Entwicklung von Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit unter den Bedingungen von Digitalität.