Stefan Sailer
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Stefan Sailer: Persepolis
Basierend auf der gleichnamigen vierteiligen Comic-Reihe erzählt der Animationsfilm Persepolis die Lebensgeschichte der in Teheran geborenen Marjane Satrapi. Die Comicvorlage wurde von Marjane Satrapi selbst gezeichnet und steht in der Tradition von Art Spiegelmans Maus. Gemeinsam mit Vincent Paronnaud hat sie die Comicvorlage für den Film überarbeitet und umgesetzt. Der Film, der sich an ein erwachsenes Publikum richtet, ist überwiegend in schwarz-weiß und in 2D-Optik dargestellt.Ausgangspunkt der Geschichte ist der Flughafen Orly, an dem Marjane, geplagt von Heimweh, am Schalter steht, um ihre zweite Heimat Frankreich zu verlassen und in den Iran zurückzukehren. Unter Tränen besinnt sie sich, bleibt doch in Frankreich und blickt auf einer Bank sitzend auf ihren bisherigen Lebensweg zurück.Ihre Erinnerung setzt ein, wie sie, als achtjähriges Kind, den Übergang von der Regierung des Schahs zur Islamischen Republik miterlebt.
Ihre Familie, gebildet und engagiert im Kampf für die Verbesserung der Gesellschaft, setzt große Hoffnungen in die Islamische Revolution, wird jedoch enttäuscht und muss den Aufbau des Gottesstaates und damit verbundene Einschränkungen der Menschenrechte miterleben. Willkürliche Einweisungen Oppositioneller in Gefängnisse und die Vorschrift für Frauen, ein Kopftuch zu tragen, bestimmen fortan das Bild in Iran. Marjane widersetzt sich den rigiden Vorschriften und beginnt, sich für Bruce Lee, Iron Maiden und Punk zu interessieren. Jedoch bringt sie sich und ihre Familie dadurch immer wieder in Schwierigkeiten. Ihre spielerische und kindlich-naive Auflehnung sowie der beginnende Krieg zwischen Iran und Irak veranlassen die Familie, sie ins Ausland nach Wien zu schicken.
Dort findet sie Anschluss an die Punkszene, lebt unter anderen Außenseitern, macht erste Erfahrungen mit Jungs und wird mit ihrer iranischen Herkunft konfrontiert. Von Liebeskummer geplagt kehrt sie zurück zu ihrer Familie. Gestärkt durch ihr altes Umfeld beginnt sie ein Studium, heiratet und verlebt eine Zeit die trotz widriger Umstände von dem Willen zu Spaß und Lebensfreude geprägt ist. Doch inzwischen haben die Mullahs ihren rigiden Gottesstaat weiter gefestigt, worunter vor allem Frauen, die ständig von den Revolutionsgarden wegen ihres Fehlverhaltens und ihres unpassenden Kopfschmucks belästigt werden, zu leiden haben. Und so erkennt Marjane, diesmal aus freien Stücken, dass sie in ihrer geliebten Heimat keine Zukunft hat. Trotz der Tragik und Ernsthaftigkeit der Geschichte, verliert sich der Film nicht in endloser Tristesse oder gar Depression, sondern überzeugt ebenso durch Leichtigkeit, Witz und eine gehörige Portion Selbstironie. Persepolis zeigt dadurch, dass die Vermittlung komplexer und schwerer Inhalte auf humorvollem und unterhaltsamem Wege gelingen kann. Humor wird von Marjane Satrapi bewusst eingesetzt, um Widerstand auszudrücken, denn wie sie selbst sagt, ist „Gelächter immer noch die subversivste Waffe von allen.
“Unterlegt wird der Film mit einem perfekt auf die einzelnen Szenen abgestimmten Soundtrack, der die Stimmungen der Charaktere widerspiegelt und es so ermöglicht, sich leicht in die Gefühlslagen der Charaktere hinein zu versetzen. Dass Persepolis ein Film mit brisantem politischem Inhalt ist, zeigt sich darin, dass eine dem Iran nahestehende Produktionsfirma sich für ein Vorführverbot auf den Filmfestspielen in Cannes ausgesprochen hat, da er die Auswirkungen der islamischen Revolution nicht würdigt.Persepolis ist ein durchweg fesselnder Film, der einen Abriss der jüngeren Geschichte Persiens, eine Geschichte über Liebe und Identitätsfindung, über Leben im Exil, Würde und Selbstbewahrung bietet. Und so verwundert es nicht, dass Persepolis auf den Filmfestspielen in Cannes mit dem „Preis der Jury“ und vor allem dem längsten Applaus ausgezeichnet wurde.