Daniela Schmohl
Beiträge in merz
Daniela Schmohl: Zur Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager
Geschichte zu vermitteln ist keine leichte Aufgabe. Das Unbeschreibliche begreifbar zu machen und damit die Erinnerung und die Mahnung an die Verbrechen des Nationalsozialismus wach zuhalten, noch viel schwieriger. Gerade in Zeiten, in denen der Zweite Weltkrieg als „Hintergrund“ immer neuer Computerspiele (siehe merz 6/02) dient, Auschwitz als Erklärung für militärische Präventivschläge (siehe Kosovo-Krieg) angeführt wird und trotz aller Regierungsprogramme (von civitas bis entimon) ein Zurückdrängen rechter Gewalt, antisemitischer Propagandadelikte und rassistischer Übergriffe nicht absehbar ist, ist das fundierte Wissen um die nationalsozialistische Terrorherrschaft eine entscheidende Grundlage der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus aber auch der deutschen Geschichte und dem Selbstverständnis einer Demokratie.Gegen das Vergessen II - Häftlingsalltag im KZ Sachsenhausen 1936-1945United Soft Media Verlag GmbH. ISBN 3-8032-1610-9, Preis: EUR 29,90. Systemvoraussetzungen: Win95/Win98/WinMe/WinNT 4.0/Win 2000/Win XP; CPU-Typ Athlon/Pentium, 166 MHz; 64 MB RAM, 15 MB Festplattenspeicher; 1024x768 bei 16 Bit Farbtiefe; 8-fach CD-ROM LaufwerkDie CD-ROM „Häftlingsalltag im KZ Sachsenhausen 1936-1945“ entstand in Zusammenarbeit der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen und der United Soft Media Verlag GmbH. Im Mittelpunkt stehen die Biographien von 20 ehemaligen Häftlingen, deren Lebensgeschichte vorgestellt wird. Von zentraler Bedeutung sind dabei Interviews mit den Überlebenden oder ihren Nachkommen.
In sechs Schwerpunkte wird das Leben der Menschen gegliedert: „Wege nach Sachsenhausen“, „Häftlingsgesellschaft“, „Arbeit“, „Raum und Zeit“, „Gewalt, Sterben, Tod“ und „Leben mit der Erinnerung“. Diese Begriffe erschließen sich beim ersten Lesen nicht sofort und auch die sehr kleine graphische Navigation ist am Anfang nicht sehr hilfreich. Erkundet man aber neugierig und mit viel Zeit das Leben eines Menschen, erfährt man anhand der O-Töne und zahlreicher Materialien wie Fotos, Dokumente, Zeichnungen und anderer persönlicher Gegenstände wichtige Details und erhält eindringliche Erkenntnisse über die Systematik nationalsozialistischer Verfolgung und die Geschichte der Konzentrationslager.Anhand der einzelnen Verfolgungsgeschichten werden gleichzeitig die unterschiedlichen Häftlingsgruppen vorgestellt. Hier begegnen uns bekannte Namen wie der Gewerkschafter Lothar Erdmann, der Kommunist Rudi Wunderlich oder der niederländische Widerstandskämpfer Ab Nicolaas, aber auch die polnische Zwangsarbeiterin Janina Krawczyk, der Sinto Walter Winter und der als sogenannter Berufsverbrecher in Sachsenhausen inhaftierte Erich Ziebarth. Neben der bereits genannten biographischen Annäherung und der Unterteilung der Häftlingsgesellschaft in politischen Widerstand, sozial, rassisch oder patriotisch Verfolgte und Zwangsarbeiter kann auch der thematische Zugang über die obigen Kapitel („Wege nach Sachsenhausen“ usw.) gewählt werden. Man erhält zunächst allgemeine Informationen über die Geschichte des Lagers oder der Zwangsarbeit – die einzelnen Biographien dienen hier der Veranschaulichung.
Da die CD-ROM konzeptionell als multimediale Ausstellung angelegt ist, werden die gesprochenen Einführungssequenzen nicht noch einmal zum Nachlesen angeboten und auch für die Vertiefung des Themas stehen z.B. keine Überblicksdarstellungen der Geschichte des Lagers oder ausdruckbare PDF-Dokumente zu den verschiedenen Themen zur Verfügung.Insgesamt sprechen die umfangreichen, wissenschaftlich fundierten Recherchen und die anspruchsvolle multimediale Umsetzung für die CD-ROM. Die Software wurde bereits mit dem „Europrix Multimedia“ in der Kategorie „Wissen“ und dem Deutschen Bildungssoftware-Preis „digita“ ausgezeichnet.Buchenwald – Ein KonzentrationslagerPahl-Rugenstein Verlag Bonn. ISBN 3-89144-335-8, Preis: EUR 24,95 (Staffelpreise für Schulen und Bildungseinrichtungen). Systemvoraussetzungen: Win95/NT - Win XP; ab 366 MHz; ab 34 MB RAM; 800x600, 16 Bit Farbtiefe; 10-fach CD-ROM LaufwerkDie CD-ROM Buchenwald, herausgegeben von der Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora/ Freundeskreis e.V. bietet ein anderes Herangehen an die Auseinandersetzung mit dem NS-Terror und dem KZ-System. Sie richtet sich in erster Linie an Jugendliche und sie vermittelt ihr Wissen bewusst aus der Position der überlebenden KZ-Häftlinge. Damit wird neben dem Lageralltag, den Verbrechen der SS und der Arbeit im KZ auch dem Aspekt des organisierten politischen Widerstands große Aufmerksamkeit gewidmet.Auch hier kommen wieder zahlreiche Zeitzeugen in Video- oder Audiobeiträgen zu Wort, zeugen zahlreiche Dokumente (von Haftbefehlen, über Anweisungen des Lagerkommandanten bis hin zu persönlichen Postkarten der Häftlinge und zahlreichen Kunstwerken der Inhaftierten) vom Leben und Sterben, aber auch vom Widerstand im KZ.Bereits im Beiheft der CD-ROM erhält man einen ersten Überblick über die Entwicklung des Systems der nationalsozialistischen Konzentrationslager und die Geschichte Buchenwalds.
Mit dem Start der CD-ROM kann man die Geschichte des Terrors in den Kapiteln KZ-System, Buchenwald, Lageralltag, Arbeit im KZ und SS-Verbrechen selbst nachlesen, hören, Bilder und Fotos ansehen aber auch PDF-Dokumente zum nachlesen und weiterarbeiten ausdrucken. Gerade der Ausdruck zahlreicher Dokumente (von der Hilfe über das Glossar und die Chronik bis hin zu einzelnen Plänen, wie die Zeichnung der Genickschussanlage oder dem nach der Selbstbefreiung verabschiedeten Manifest der demokratischen Sozialisten) ermöglicht eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema und ist zugleich eine wichtige Hilfe für den Einsatz im Unterricht. Eine ganze Rubrik ist der Vorbereitung und Begleitung eines Gedenkstättenbesuchs mit SchülerInnen gewidmet. Hier finden sich neben gedenkstättendidaktischen Hinweisen und Diskussionsvorschlägen auch Arbeitsblätter zum ausdrucken und bearbeiten.Die Kapitel Kunst im KZ, Widerstand und Selbstbefreiung vermitteln ein facettenreiches Bild des Widerstehens gegen den NS-Terror. Besonders hervorzuheben ist dabei die Vermittlung der Solidarität unter den Häftlingen und der illegalen Organisierung vom Krankenrevier bis zur Internationalen Militärorganisation (IMO), die maßgeblichen Anteil an der Durchführung der Selbstbefreiung hatte. Von Historikern ist die Wirksamkeit der IMO bei der Selbstbefreiung unterschiedlich bewertet oder gar negiert worden. Umso wichtiger sind die zahlreichen hier angeführten Zeugenaussagen und Dokumente und die genaue Aufführung der äußeren Umstände (abrücken eines Großteils der SS-Wachtruppen, Nähe der amerikanischen Truppen etc.), die die Selbstbefreiung ermöglichten.
Im Kapitel Vermächtnis werden die Programme für den antifaschistischen Neubeginn dokumentiert, aber auch der Umgang mit den Tätern ins Visier genommen – und dazu gehört auch die Einrichtung des Speziallagers Nr. 2 auf dem Gelände des KZs 1945-50.Kritischer hätte dagegen die Auseinandersetzung mit der Instrumentalisierung des Antifaschismus als „Staatsideologie“ in der DDR (gerade in Bezug auf die Entstehung der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald 1958) sein müssen. Auch eine bessere Gliederung der angegebenen Literatur (z.B. in Erinnerungen ehemaliger Häftlinge und Sekundärliteratur) könnte die Auswahl und Einschätzung für Uninformierte erleichtern. Die „Parteilichkeit“ der Sichtweise der ehemaligen Häftlinge und die geschichtsdidaktische Aufarbeitung des Themas für die Arbeit mit Jugendlichen machen diese CD-ROM sehr empfehlenswert.In der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus zählt jeder Name, der nicht in Vergessenheit gerät und jede Erinnerung an die geschehenen Verbrechen. Beide CD-ROMs leisten dafür einen wichtigen Beitrag und sind ein Anstoß zur weiteren Beschäftigung mit der deutschen Geschichte.