Jana Schröpfer
Beiträge in merz
Jana Schröpfer: Wenn ich …
Aktion Jugendschutz, Landesarbeitsstelle Bayern e. V.(2016). Medien. Wenn-Ich-Karten zum Thema exzessive Nutzung. Mit Jugendlichen ins Gespräch kommen. München. Spiel mit 139 Karten, 44-seitiges Begleitheft, 15,50 €.
Lückenhaften Aussagen wie „Bei einer Hassgruppe würde ich (nicht) mitmachen, weil …“ auf gedruckten Spielkarten sollen Kinder und Jugendliche beim Erlernen eines risikoarmen und kritischen Gebrauchs von digitalen Medienangeboten unterstützen. Die Aktion Jugendschutz, Landesarbeitsstelle Bayern e. V. hat mit den sogenannten Wenn-Ich-Karten eine Materialbox entwickelt, die einen Austausch unter Heranwachsenden über die Bedeutung und den Nutzen von Smartphones, Computerspielen und sozialen Netzwerken sowie deren Einstellungen und Erfahrungen diesbezüglich ermöglichen soll. Diese spielerische Form der Auseinandersetzung existiert bereits für andere erziehungsrelevante Themen, stellt mit den Karten zu exzessiver Mediennutzung aber erstmals medienpädagogische Anliegen ins Zentrum. Die Box besteht aus fünf Kartendecks, die ‚allgemeine Fragestellungen‘ sowie Lückensätze zu den Themenschwerpunkten ‚Computerspielen‘, ‚soziale Netzwerke‘, ‚Smartphone‘ und ‚Glücksspiel im Internet‘ enthalten.
Zentraler Bestandteil des medienpädagogischen Pakets ist das Begleitheft, das nicht nur eine Spielanleitung inklusive denkbarer Variationen enthält, sondern auch über das Phänomen der exzessiven Mediennutzung aufklärt. Mithilfe empirischer Studien wird einleitend über die Verbreitung digitaler Medien und die Mediennutzung Heranwachsender referiert. „Medienabstinenz kann heute kein Ziel mehr sein“ – so die Schlussfolgerung der Broschüre. Die Faszination, die von Computerspielen, Smartphones und sozialen Netzwerken ausgeht, wird daher ebenfalls mit sich daraus ergebenden Risiken beleuchtet. Auch Internetsucht, ihre tatsächliche Verbreitung und Diagnosekriterien finden ihren Platz – was pädagogische Fachkräfte für das beiliegende Gruppenspiel sensibilisiert und vorbereitet. Das tatsächliche Kartenspiel funktioniert sehr simpel.
In Gruppen von fünf bis etwa 15 Personen decken die Teilnehmenden nach und nach die verdeckten Satzkärtchen auf, was – ähnlich eines beliebten Teenagerspiels – unter anderem durch das Drehen einer Flasche initiiert werden kann. Nun gilt es die Sätze auf den Karten zu vervollständigen und gegebenenfalls in der Gruppe darüber zu diskutieren. Neben allgemeinen Fragestellungen zur digitalen Mediennutzung werden auch explizit suchtbezogene Aussagen in den Raum gestellt: „Ich habe (nicht) genug Zeit für Sport, Hobbys, Freunde, Schule, weil …“ oder „Als computersüchtig würde ich jemanden bezeichnen, der …“. Projektionsfragen wie letztere ermöglichen ehrlichere Antworten und vermeiden Effekte der sozialen Erwünschtheit. Karten, die zu einer tieferen Reflektion anregen – „Man sagt, dass einsame Menschen durch soziale Netzwerke in der realen Welt immer mehr vereinsamen. Das kann ich mir (nicht) vorstellen, weil …“ – ermöglichen zudem eine ideelle bzw. normative Auseinandersetzung mit der Thematik. Konfliktthemen wie Pornografie oder Datenschutz werden ebenfalls eingebunden: „Pornos haben viel/wenig mit der realen Sexualität zwischen Erwachsenen zu tun, weil …“ oder „Für eine Nutzung, die meine Daten sicher macht, würde ich (nicht) zahlen, weil …“. Von zentralem Vorteil ist dabei, dass die Formulierungen auf den Karten je eine positive und negative Valenz der Aussagen ermöglichen, sodass den Spielenden nicht durchweg negative Interpretationen in den Mund gelegt werden. Zudem werden auch erfreuliche Aspekte der Mediennutzung mit einbezogen, wenn es zum Beispiel um die schönste Erfahrung in sozialen Netzwerken geht. Letztendlich können sich die Heranwachsenden mit Hilfe der Stimulus-Karten auch eigne Handlungsempfehlungen aussprechen: „Im Umgang mit digitalen Medien sollte man folgende Regeln beachten …“.
Das Kartenspiel beruht auf der Annahme, dass Kinder und Jugendliche gerne erklären, was sie tun und warum etwas für sie wichtig ist. Darüber hinaus ermöglicht das simple Spiel einen aufrichtigen Austausch in der Peergroup: Gerade problematische Verhaltensweisen oder fragliche Äußerungen können in der Gruppe zur Diskussion gestellt werden und durch Gleichaltrige, die nicht nur als Gleichgesinnte sondern häufig auch als Expertinnen und Experten auf diesem Feld angesehen werden, reflektiert, kritisiert und im besten Fall korrigiert werden.
Das medienpädagogische Kartenspiel beruht sichtlich auf theoretischer und praktischer Expertise, jedoch mangelt es an Anreizen zur Umsetzung. Es stellt keine neue Methode zur Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex dar und ist gerade für die empfohlene Altersgruppe (ab zwölf Jahren) möglicherweise zu simpel. Der propagierte spielerische Umgang mit medienerzieherischen Themen ist sicherlich von großer Bedeutung, der bloße Einsatz von Satzkarten kann jedoch schnell zu Langeweile führen. Während vorhergehende Wenn-Ich-Karten zu Problemfeldern wie ‚Sucht‘ und ‚Gewalt‘ sicherlich ihren präventiven Zweck erfüllten, hätte die Spielkonzeption hinsichtlich des Themas exzessiver Mediennutzung erweitert werden und beispielsweise digitale Medien in das spielerische Szenario einbezogen werden können, wenn nicht sogar sollen, um die Auseinandersetzung mit den einhergehenden Möglichkeiten und Risiken authentischer zu gestalten. Zudem wirken die Satzkarten trotz der sowohl positiv als auch negativ auslegbaren Formulierung nicht vollständig suggestionsfrei und trotz des sehr reflektierten Begleitheftes lassen sich dem Gruppenspiel bewahrpädagogische Motive entnehmen. Nichtsdestotrotz eignet sich die Materialbox für pädagogische Fachkräfte der schulischen und außerschulischen Jugendarbeit, die kompetent aufbereiteten Input zu digitalen Medien und exzessiver Mediennutzung erhalten möchten und die dazu bereit sind, die Spielkarten auch mit eigener Kreativität einzusetzen.
Jana Schröpfer war studentische Hilfskraft am JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis und bei merz | medien + erziehung. Derzeit studiert sie den Masterstudiengang Internationale Public Relations an der Ludwig-Maximilians- Universität München.
Jana Schröpfer: Wie angebracht sind digitale Ängste?
Milzner, Georg (2016). Digitale Hysterie. Warum Computer unsere Kinder weder dumm noch krank machen. Weinheim: Beltz. 256 S., 18,95 €.
Es ist Wahnsinn, was mit Kindern heute geschieht. Wahnsinn? – Ja, und zwar hinsichtlich beider Konnotationen des Wortes, hält Diplompsychologe und Psychotherapeut Georg Milzner fest. Wahnsinn kann für etwas stehen, das man schrecklich oder krankhaft findet, oder aber für etwas, das positiv beeindruckt. „Und tatsächlich ist das, was Kinder im Zeitalter der Digitalität erleben, auch beides, toll und möglicherweise gefährlich.“ Zu Beginn schildert Milzner in einem Problemaufriss den bekannten Wahnsinn, den ein Großteil der Gesellschaft mit übermäßigem Computerkonsum verbindet. Es geht um Störungsbilder, um nervöse, verhaltensauffällige oder zurückgezogene Kinder. Dieses Szenario stellt er anschließend dem gegenüber, wenn danach gefragt wird , ob es nicht „irre“ sei, wie souverän Kinder ein Smartphone bedienen können, wie schnell sie technische Probleme lösen und neue zukunftsrelevante Kompetenzen herausbilden. Bereits die Einleitung spricht somit digitale Skeptikerinnen und Skeptiker wie auch euphorische Personen an. Wer aufgrund des Buchtitels also eine reine Lobeshymne an digitale Medien erwartet, liegt falsch. Milzner plädiert für einen konstruktiven Umgang mit der Thematik, die aktuelle Debatte würde falsch geführt und sei zudem höchst widersprüchlich. Seine zentrale These, dass „Computerkinder“ nicht degenerieren, sondern sich für eine bereits absehbare Zukunft mit neuen Anspruchshaltungen wappnen, verfolgt er auf differenzierte Weise. Eingangs kritisiert er mitunter nicht sachlich geführte Diskussionen über den „Bildschirm“. Die diversen Beschäftigungen vor und mit Bildschirm-Medien werden von den meisten Menschen als Einheitsbrei betrachtet. Auch wissenschaftliche Studien trennen häufig nicht zwischen dem Konsum von Fernsehen und dem aktiven Spiel an der Computerkonsole – was laut Milzner deutlich unterschiedliche Beschäftigungen sind.
Hinsichtlich Ungenauigkeit und Verallgemeinerungen bemängelt er auch populäre empirische Studien, deren Urteile häufig negativ und einseitig sind, obgleich die statistischen Ergebnisse solche Urteile meist gar nicht zulassen. Hinzu kommt die Unsauberkeit von Vorgehensweisen, wenn zum Beispiel Extremfälle einer Stichprobe zu simplen Durchschnittswerten zusammengefasst oder 19-jährige junge Erwachsene mit zwölfjährigen Vorpubertären in einen „Studientopf“ geworfen werden. Besonders einleuchtend sind seine Ausführungen zum derzeitigen „digitalen Dilemma“, das darin bestünde, dass viele Bevölkerungsgruppen über den Umgang der Heranwachsenden mit Computern in Sorge sind, „während sich gleichzeitig unsere Lebenswelt immer mehr digitalisiert“. Im Kontrast zu den besorgten Aufschreien stehen die Digitalisierung von Schulen, das Aufrüsten von Haushalten mit allerlei Computern oder das immense Vorhandensein von „Bildschirmarbeitsplätzen“. Im weiteren Verlauf bezieht der Autor Stellung zu viel diskutierten Fragen: Macht Computerspielen beispielsweise dumm und gewalttätig? Lässt es Sprachkompetenzen und Kreativität verarmen? Wie gefährlich sind soziale Netzwerke wirklich? Zuweilen nimmt er auch Bezug auf bekannte Studien oder Buchklassiker der letzten Jahre, die gegenläufige Thesen vertreten, wie Turkles Verloren unter 100 Freunden oder Spitzers populistisches Werk Digitale Demenz. Dabei geht es ihm nicht um eine vollständige Widerlegung verbreiteter Auffassungen; vielmehr hält Milzner fest, dass viele Ableitungen so nicht getroffen werden können und dass viele Ergebnisse weniger Anlass zur Beunruhigung liefern als auf den ersten Blick angenommen. Besonders interessant ist dabei das Kapitel über Internet- bzw. Computersucht. Milzner konzentriert sich hier nicht (nur) auf psychiatrische Diagnosekriterien, sondern reflektiert Suchtverhalten logisch und nachvollziehbar anhand verwandter Erscheinungsformen wie Gewohnheit, Exzess oder Leidenschaft. Man kann Milzner nicht vorwerfen, dass er Tatbestände beschönigt. Neben seinen abgewogenen Überlegungen schildert er sowohl harmlose positive als auch besorgniserregende Fälle aus seiner Alltagspraxis als Psychotherapeut. Seine Lösungsansätze sind nicht neu. Unter anderem empfiehlt er einen begleitenden Umgang mit digitalen Medien: keinen ignoranten, verbietenden, sondern einen interessiert-emphatischen. Das Befolgen solch bekannter Empfehlungen würde die gesellschaftliche Hysterie hinfällig machen, denn Computerkinder seien gesünder als weitläufig prognostiziert, vor allem diejenigen, die begleitet werden.
Die erwachsene Leserschaft findet sich wohl am ehesten im Kapitel „Computerproblem als Beziehungsproblem“ wieder, in dem es darum geht, wem man heutzutage noch ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt. Milzner empfiehlt eine „kleine Aufmerksamkeitsethik“, die jede bzw. jeder (wieder-)erlernen und Kindern beibringen sollte. Das findet sich auch abschließend in den Handlungsempfehlungen unter „Was Kinder im digitalen Zeitalter von uns brauchen“ wieder. Dort findet sich zwar ebenfalls nichts bahnbrechend Neues, jedoch tragen die vorhergehenden Ausführungen erheblich zur Einsicht und zum Nachvollziehen der (selbst-)erzieherischen Maßnahmen bei. Mit dem letzten Kapitel wird Milzner noch einmal seinem bereits zu Beginn des Buches getroffenen Appell treu: Digitale Hysterie sei fehl am Platz; an ihre Stelle sollte eine interessierte und ‚echte' Auseinandersetzung zwischen Eltern, Erziehenden, Kindern und Jugendlichen treten. Die Publikation eignet sich damit für alle, die sich dafür interessieren, was hinter der digitalen Panik steckt. Besonders empfiehlt sie sich für Erziehende und besorgte Eltern, die mit ihren Schützlingen des Öfteren aufgrund benannter Themen aneinandergeraten. Digitale Hysterie ist zwar kein wissenschaftliches Buch, dennoch beruht es auch auf eigenen ‚empirischen‘ Erfahrungen. Zeitweise erinnert es an eine umfassende Kolumne oder einen journalistischen Kommentar. Vorgestellt werden die persönlichen Erfahrungen und Überlegungen eines Diplompsychologen und Psychotherapeuten. Im Gegensatz zum Titelvorläufer Digitale Demenz sind diese jedoch ausgewogen und differenziert, und die Diskussion gegenläufiger Studien und Publikationen erfolgt mit logischer Präzision und wissenschaftlicher Expertise. Auch wenn manch subjektive Überlegungen auf die gleiche Weise widerlegt oder durch Studienergebnisse untergraben werden könnten, ist dieses Buch dennoch eines: logisch und nachvollziehbar. Weder Hype noch Verteufelung des digitalen Wandels finden Platz – es ist eine reflektierte Auseinandersetzung mit dem höchstaktuellen und kontrovers diskutierten Themenkomplex.
Jana Schröpfer war studentische Hilfskraft am JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis und bei merz | medien + erziehung. Sie studiert Internationale Public Relations an der Ludwig- Maximilians-Universität München.
Jana Schröpfer: Verräter oder Held?
Wer war Edward Joseph Snowden, bevor er im Sommer 2013 durch den NSA-Enthüllungs- Skandal weltweit bekannt wurde? Was kann einen Mann dazu bringen, Verfolgung und Hass eines ganzen Staatsapparates auf sich zu ziehen, um der Welt die Augen zu öffnen? Der Film von US-Regisseur Oliver Stone geht genau diesen Fragen nach. Schnell wird klar: Snowden lebte vor seinen Enthüllungen ein komfortables Leben in Hawaii, profierte von Anerkennung und verdiente eine Menge Geld – er hätte das alles nicht tun müssen. Doch sein Innenleben verhielt sich anders: Er konnte seine Arbeit, vor allem seine dadurch gewonnenen Erkenntnisse, nicht mit seinem Gewissen vereinbaren und entschied sich daher, sie der Gerichtsbarkeit der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Diesen Gewissensweg zeichnet die Filmbiografie SNOWDEN in Hollywood-Manier nach.
Entsprechend weist eine zu Beginn eingeblendete Untertitelung darauf hin, dass es sich um eine Fiktionalisierung der realen Ereignisse handelt. Der Spielfilm beginnt mit einer ausgeschmückten Darstellung des bereits Bekannten. In einem Einkaufszentrum in Hong Kong warten eine Dokumentarfilmerin und ein Journalist des Guardian auf den noch identitätslosen Whistleblower. Der erste Auftritt Snowdens, dargestellt durch Schauspieler Joseph Gordon-Levitt, zeigt einen jungen, seltsamen Kautz, der sich den Journalistinnen und Journalisten unsicher und befangen mit einem Zauberwürfel in der Hand nähert. Sein seltsam anmutendes Verhalten wird im Folgenden weiter ausgemalt, wenn er sich beispielsweise zum Schutz seiner Passwörter mit einem Laptop unter der Bettdecke versteckt oder die Handys der Journalistinnen und Journalisten in einer strahlungssicheren Mikrowelle verstaut. Was zunächst wie neurotisch-paranoides Verhalten wirkt, gewinnt durch die filmischen Erzählungen an erschreckender Rechtfertigung.
Auch der nerdige, verquere Snowden entwickelt sich im Laufe des Films zum Sympathieträger. Eingeschobene Flashbacks erzählen seine Geschichte, die mit einem jungen amerikanischen Mann beginnt, der einen nahezu stereotypen patriotischen Idealisten mimt. Mit einem Großvater, der eine wichtige Amtsstellung bekleidete, und einem Vater bei der US-Küstenwache wollte auch der junge Ed Snowden seinen Teil für Amerika leisten und in den Irakkrieg ziehen. Aufgrund zwei gebrochener Beine wird er jedoch ausgemustert und beginnt seine Karriere bei der CIA mit der Selbstaussage: „Ich will meinem Land dabei helfen, die Welt zu verbessern“. Zu dieser Zeit schweben ihm noch Terrorabwehr und das Abhören von Feindinnen und Feinden zum Schutz der USA vor. Als Computergenie wird er schnell zum Ausbildungsbesten der CIA und nimmt deren propagierte Ideologie zunächst pflichtbewusst an.
Doch bereits zu dieser Zeit wird er mit gegenläufigen Einflüssen konfrontiert. So lernt er zum Beispiel seine spätere Freundin Lindsay Mills – dargestellt von Shailene Woodley – kennen, eine liberale Demokratin und Irakkrieg-Gegnerin, die den konservativen Snowden zunehmend bekehrt. Auch einer seiner Ausbilder, in Person des ruhiggelassen agierenden Nicolas Cage, gibt ihm durch implizite Kritik an den Geheimdiensten erste Anlässe des Zweifels. Die wahren Momente des Augen-Öffnens‘ ergeben sich jedoch direkt aus Snowdens Arbeit für die US-Sicherheitsdienste. Sei es, als ein aufsässig-jugendlicher Kollege in Genf ihm erstmals zeigt, wie man durch Laptopkameras in die Schlafzimmer von Zivilistinnen und Zivilisten blicken kann, sei es der Missbrauch von privaten Informationen durch einen Vorgesetzten, der beinahe tödliche Folgen für die Bespitzelten hat, oder durch andere Szenarien. Wie sehr diese Ereignisse Snowden belasten wird im Film recht emotionalisiert dargestellt – durch seine epileptischen Anfälle und Probleme in seiner Liebesbeziehung zu Lindsay. Lindsay selbst steht dabei nicht selten für die Naivität des Normalbürgers, wenn sie beispielsweise Unverständnis darüber äußert, warum sie ihre Laptopkamera abkleben soll. „Ich habe doch nichts zu verbergen“ – ein Satz, der auch im aktuellen gesellschaftlichen Diskurs nicht selten fällt. An seiner NSA-Arbeitsstelle in Hawaii werden Snowden schließlich die Ausmaße der amerikanischen Bespitzelung bewusst, die sich nicht – wie weiterhin erhofft – auf feindliche Staaten, sondern vor allem auf die amerikanische Bevölkerung richten. Sein Enthüllungsentschluss und der ‚Diebstahl‘ der geheimen NSA-Dokumente stellen schließlich den Spannungshöhepunkt des Filmes dar, welcher durch schnelle Schnitte, Erzählsprünge und unruhige Musik einem Actionfilm in nichts nachsteht.
Das Ende des Filmes widmet sich schließlich der heroischen Darstellung Edwards Snowdens. Seine gelingende Flucht nach den Enthüllungen erleichtert das Publikum und der Film läuft mit Vorträgen Snowdens aus, die er computerübermittelt von Russland aus führt. Eine wahre Überraschung erfährt der Film jedoch noch, wenn die Figur des Snowden plötzlich nicht mehr durch Schauspieler Gordon-Levitt vertreten wird, sondern die reale Person Edward Snowden auf die Leinwand tritt. In Interviewform darf dieser die letzten mahnenden Worte des Filmes sprechen. So wirkt die Erzählung – trotz der Fiktionalisierung der Ereignisse – wie eine Bestätigung, dass alles auf einer wahren Geschichte beruht. Der Spielfilm über Snowden könnte wie sein Titelheld selbst einige Kontroversen hervorrufen. Bemängeln lässt sich die Hollywood-Aufmachung des Filmes, vor allem die ausgiebige Konzentration auf die Liebesbeziehung zwischen Snowden und Mills. Dunkle Szenenbilder, enge Flure, Bildvariationen von Kameralinsen, übergroße Bildschirme mit flackernden Computercodes, beeindruckende Animationen und andere Stilmittel untergraben darüber hinaus das Dokumentarische an dem Film und machen ihn zu einem Politthriller, der auch von solchen genossen werden kann, die gar nicht wissen, dass Edward Snowden tatsächlich existiert. Doch ist das wirklich schlimm? Die Botschaft des Filmes ist dennoch klar und deckt sich mit der Intention des Whistleblowers: Man kann immer und überall überwacht werden, und dies von Menschen, die ihre Macht möglicherweise missbrauchen.
Zwar läuft der Film entgegen Snowdens Wunsch, dass sich die Öffentlichkeit eigenständig eine Meinung bildet, indem die ‚Verräter-Held-Frage‘ sehr eindeutig beantwortet wird und auch die Geschehnisse entsprechend und kaum anfechtbar gerahmt werden. Möglicherweise trifft dies aber den Kern der Zeit: Snowdens Enthüllungen sind bereits drei Jahre her, die öffentliche Debatte hat sich zusehends beruhigt und so gut wie nichts hat sich geändert. Vielleicht bedarf es hier – über die bereits veröffentlichten Dokumentationen und Interviews hinaus – schlichtweg einem massentauglichen Spielfilm, der ein breites Publikum mittels einer dramatischen Personalisierung ermahnt, die Enthüllungen jenes Mannes nicht zu vergessen.
Jana Schröpfer war studentische Hilfskraft am JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis und bei merz | medien + erziehung. Derzeit studiert sie den Masterstudiengang Internationale Public Relations an der Ludwig-Maximilians- Universität München.
Jana Schröpfer: Was bin ich, was will ich sein und welche Konsequenzen hat das?
Medienprojekt Wuppertal e. V. (2016). Alles Mädchen, alles Junge. Ein Film über Mädchen und Jungen. DVD, 30,00 €.
Medienprojekt Wuppertal e. V. (2015). I’m too sexy for my … Ein Film über Sexismus. DVD, 30,00 €.
Wann ist ein Junge ein Junge? Was ist typisch weiblich? Welche geschlechterspezifischen Rollenerwartungen werden an Heranwachsende gerichtet? Und: Welche Verhaltensweisen fallen unter Sexismus? All dies sind hochsensible Fragen, die unterschiedliche Aspekte der gesellschaftlichen Genderdebatte darstellen und gerade in der Entwicklung von Jugendlichen eine wichtige Rolle spielen. Mit Unterstützung des Medienprojekt Wuppertal haben sich gemischtgeschlechtliche Jugendgruppen daher in Videoprojekten mit Gender- und Sexismus-Themen auseinander gesetzt. Entstanden ist eine DVDReihe, die zur Reflexion der eigenen Geschlechterrolle anregt, aber auch intime Informationen über das andere Geschlecht bietet.
Alles Mädchen, alles Junge ist ein Zusammenschnitt der beiden zuvor veröffentlichten Schwerpunkt- Dokumentationen Alles Mädchen und Alles Junge und erlaubt authentische, personalisierte Einblicke in die Lebenswelten von Jungen und Mädchen mit verschiedenen sozio-kulturellen Hintergründen. Der episodenhafte Film setzt sich aus Interviews, Alltagsporträts und persönlichen Videotagebüchern der Jugendlichen zusammen. Das vierminütige Intro der Dokumentation ermöglicht einen schnellen Einstieg in die Thematik. Kontrastierend werden rollentypische Bilder der zwei Genderwelten gegenübergestellt: Raufende Jungen zu trommelartigen Tönen, Mädchen beim Shoppen, begleitet von Popmusik, sowie Selbstaussagendazu, warum es schön ist ein Junge oder ein Mädchen zu sein. Trotz der dargestellten Eigenheiten der Geschlechter beschränkt sich der Film jedoch nicht auf Stereotype, sondern artikuliert und reflektiert diese bereits zu Beginn in kurzen Szenen. So hält ein Transgender orientiertes Mädchen – laut Videoprojekt ein sogenannter Tomboy – fest, dass „es uns ja einfach nur beigebracht [wurde], was Mädchen und was Junge ist.“ Gleichermaßen äußert sich ein älterer männlicher Jugendlicher kritisch dazu, dass „man auf das biologische Geschlecht heruntergestuft wird“ und trifft den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf: „Es ist doch scheiß egal, ob man jetzt ein Mann oder eine Frau oder alles Mögliche ist.“ Neben dieser wichtigen Botschaft wird den Jugendlichen im Rahmen des Films aber auch die Chance gegeben, ihre genderspezifischen Merkmale herauszustellen und alltagsnah aufzuzeigen, was ihr biologischen oder soziales Geschlecht für sie bedeutet. Die sequenzhaften Beiträge der Jugendlichen gehen im Filmfluss zwar nahtlos ineinander über, doch die im Menü auswählbaren Kapitel geben Aufschluss darüber, wie das Rahmengerüst der Doku aufgebaut ist. An das themenöffnende Intro reihen sich Zusammenschnitte zu den in der Pubertät besonders relevanten Bereichen ‚Schönheit und Aussehen', ‚Was ist männlich, was ist weiblich?', ‚Erdbeerwoche', ‚Freundschaft und Liebe', ‚Sex und Sexobjekt' sowie ‚Erwachsenwerden'. Auch hier werden die Porträts der männlichen und weiblichen Jugendlichen gegenübergestellt, jedoch mit bewussten Überraschungen bzw. vermeintlichen Umkehrungen: Zwei Mädchen sprechen beispielsweise über ihre Begeisterung für Fußball und ein zuvor rollentypischer Junge referiert über seinen Berufswunsch als Tanzlehrer. Obwohl die Ausführungen der Jugendlichen unbekümmert und charmant artikuliert werden, schwingen gesellschaftskritische Aussagen mit. Besonders bildhaft wird das unter anderem in einer Szene, in der zwei Freunde bei einem Ikea Besuch die extrem klischeehaft ausgestalteten Kinder- und Jungendzimmer unter die Lupe nehmen. Auch zentrale Konfliktthemen der Jugendlichen finden ihren Platz, wenn es zum Beispiel um Gefühlsverletzungen durch das andere Geschlecht, um Übergriffe oder sexuelle Belästigung geht.
Letzteres Problem wird in einer weiteren DVD des Medienprojekt Wuppertal dezidiert aufgegriffen. I’m too sexy for my … ist ein Film über Sexismus. Die Reportage setzt sich aus separaten Sequenzen zusammen, die durch Umfragen, Porträts, nachgestellte Inszenierungen und (Experten-)Interviews, die Erfahrungen, Ängste und Wünsche von Mädchen und Frauen hinsichtlich Geschlechterungerechtigkeit beleuchten. Ein beklemmendes Gefühl erhalten die Zuschauerinnen und Zuschauer bereits in der ersten Szene, in der eine junge Schauspielerin die Kamera direkt und ungeniert fokussiert und typische sexistische Sprüche verlauten lässt. Daran schließen sich Aufnahmen von Straßenumfragen mit Mädchen und jungen Frauen an. Antworten wie „Aber ich glaube das ist normal“ zeigen eindrücklich, was bereits der Klappentext der DVD herausstellt: 100 Prozent aller Mädchen und Frauen sind von Sexismus betroffen. In einer Interviewsequenz macht Feministin Anne Wizorek, die 2013 mit dem Hashtag #aufschrei bekannt wurde, eine weite Definition von Sexismus auf. Sie bezeichnet damit „in erster Linie die stereotype Erwartung, wie Menschen Geschlechterrollen zu leben haben.“ Passend dazu werden in dem Wuppertaler Filmprojekt verschiedene Arten von Sexismus beleuchtet. Von verstecktem Sexismus über alltägliche Belästigungen oder Sexismus in den Medien bis hin zu nervigen Blicken – die Protagonistinnen der Dokumentation erzählen von bekannten Szenarien, sprechen aber auch neue, interessante Facetten an. Eine selbstbewusste junge Muslimin spricht beispielsweise über die Vorteile des Kopftuchs, welchen Wert es für sie hat und dass es ein Gefühl der Sicherheit verleiht, während die 16-jährige Mia sich in einem Zwiegespräch mit ihrem Partner damit auseinander setzt, was gut gemeinter Sexismus ist – also das Einnehmen einer Beschützer- oder Kavaliers- Rolle durch die Männer. Abschließend werden Wünsche danach formuliert, „dass man Frauen und Männer nicht so trennt“ und dass bestimmte Unterschiede „einfach nicht mehr relevant sind“. Dies deckt sich auch mit den Leitgedanken in Alles Mädchen, alles Junge. Das Ziel beider Filmprojekte ist es, über das andere Geschlecht zu informieren, Verständnis für Genderaspekte zu erzeugen und die Zuschauerinnen und Zuschauer für Themen der Geschlechterungerechtigkeit zu sensibilisieren. Beide Filme eignen sich als Lehrmaterial an weiterführenden Schulen bzw. sind sogar dementsprechend angelegt. Vor allem der Zusammenschnitt Alles Mädchen, alles Junge eignet sich dafür, kurze Einblicke in die Lebenswelt des anderen Geschlechtes zu geben. So können auch sensible Themen wie die weibliche Periode, die im Kapitel ‚Erdbeerwoche' behandelt wird, angesprochen werden – bedürfen aber gerade bei Schulklassen einer Begleitung durch Fachpersonal. Die halbstündige Zusammenfassung der Filme Alles Mädchen und Alles Junge ist leicht zu rezipieren, bietet genug Abwechslung und Humor, hält durch die filminternen Reflexionen zu Rollenstereotypen aber auch genug Diskussionspotenzial bereit. Der sehr szenenhafte Sexismus-Film hätte einer konkreteren Moderation oder einem stringenteren narrativen Faden bedurft, um gerade jungen Zuschauerinnen und Zuschauern das Filmerlebnis zu erleichtern und spannender zu gestalten. Dennoch erfüllt er sein Ziel und gibt zumindest Einblicke in eine Gesellschaft, in der Sexismus omnipräsent ist. Aufgrund der Filmlänge und Dichte der Thematik eignet sich die Rezeption der Dokumentation eher in Ausschnitten, die zur Veranschaulichung, Diskussionsanstoß oder einfach zum Hineinversetzen in beklemmende Situationen geeignet sind. Beide Filmproduktionen entspringen der Gedanken- und Lebenswelt von Jugendlichen und jungen Erwachsenen und sind im Umkehrschluss auch sehr gut geeignet um eben diese Zielgruppen über Geschlechteraspekte aufzuklären.
Jana Schröpfer ist studentische Hilfskraft am JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis und bei merz | medien + erziehung. Derzeit studiert sie den Masterstudiengang Internationale Public Relations an der Ludwig-Maximilians- Universität München.
Jana Schröpfer: Digitale Gesellschaft in Bewegung
Die deutsche Bevölkerung zeigt einen ausgeprägten Internet-Optimismus sowie eine starke Ausdifferenzierung der Nutzungsprofile. Zu diesem Ergebnis kommt das Deutsche Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) in der Studie DIVSI Internet-Milieus 2016, die von der SINUS Markt- und Sozialforschung GmbH durchgeführt wurde. Bereits 2012 hatte das DIVSI die digitale Gesellschaft in Deutschland vermessen und in Milieus kategorisiert. Seitdem hat das Internet in nahezu allen Lebensbereichen weitere Entwicklungen angestoßen: Doch wie haben sich das Nutzungsverhalten der Deutschen, ihre Wahrnehmung von Chancen und Risiken sowie ihre Einstellungen zu Vertrauen, Sicherheit und Privatsphäre im Internet verändert? Dem ist das DIVSI mittels 56 ethnografischen Interviews und einer darauf aufbauenden Repräsentativbefragung von 2.682 Deutschen über 14 Jahren nachgegangen.
Der Internet- Optimismus äußert sich unter anderem darin, dass 72 Prozent der Befragten mehr Chancen als Gefahren im Internet wahrnehmen. 60 Prozent können sich ein Leben ohne Internet nicht mehr vorstellen (2012 waren es 50 %), die Zahl der Smartphone-Besitzenden hat sich vervierfacht. Die Online-Aktivität der älteren Kohorten hat deutlich zugenommen: Die Nutzung sozialer Netzwerke hat sich unter den Über-64-Jährigen beispielsweise verdoppelt. 16 Prozent der Bevölkerung nutzen das Internet nie; die meisten von ihnen delegieren Online-Aktivitäten aber an Angehörige – sie sind daher zumindest passiv online. Das Internet ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, dennoch differenzieren sich die digitalen Lebenswelten weiter aus. Das DIVSI typologisiert 2016 sieben Internetmilieus. Gerade bei den intensiven Internetnutzenden zeigen sich Veränderungen.
Sie lassen sich nun in ‚Netz-Enthusiasten‘ – die das Internet lieben und sich ein netzfreies Leben nicht mehr vorstellen können – und ‚Souveräne Realisten‘ – die das Internet zwar sehr intensiv nutzen und von seinen Potenzialen überzeugt sind, digitale Entwicklungen aber dennoch kritisch beobachten – unterteilen. Diese Milieus unterscheiden sich besonders von den ‚Internetfernen Verunsicherten‘, welche mehr Risiken als Chancen wahrnehmen und mit dem Internetumgang überfordert sind.
www.divsi.de
Jana Schröpfer: Hass im Netz
Hass im Netz ist zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem geworden: Fast jeder Heranwachsende in Deutschland hat schon Erfahrungen mit Hate Speech im Internet gemacht, jedoch gehen die Nutzenden damit unterschiedlich um. Das zeigt eine Forsa-Umfrage, die von der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) in Auftrag gegeben wurde. Laut der Online-Befragung von 2.044 Internetnutzenden ab 14 Jahren sind zwei Drittel schon einmal Zeugin bzw. Zeuge von Hasskommentaren im Netz geworden. Die Altersgruppe der 14- bis 24-Jährigen hat bereits zu 91 Prozent Kontakt mit Hate Speech gehabt – in sozialen Netzwerken, auf Internetseiten oder Blogs.
Während nur ein Prozent der Befragten angibt, auch selbst schon einen Hasskommentar verfasst zu haben, sind sich die Befragten einig (95 %), dass solche Kommentare über das Internet feige sind. Außerdem gaben drei Viertel an, dass sie solche Äußerungen wütend machen; 34 Prozent zeigen sich darüber sogar verängstigt.Doch die gesellschaftlichen Gruppen zeigen unterschiedliche Reaktionen: Empörung und Angst sind bei Frauen stärker ausgeprägt, Männer befassen sich ab und an genauer mit Hasskommentaren, weil sie diese unterhaltsam finden (26 %). Diesen Aspekt teilt auch die Gruppe der 14- bis 24-Jährigen, die manche Hasskommentare zudem interessant findet (52 %).
Der Gesamtanteil derer, die sich näher mit einem Kommentar befassen – also beispielsweise dem Gesprächsverlauf folgen oder das Profil der Verfasserin bzw. des Verfassers aufrufen –, ist eher gering. Die Hälfte der Hate Speech-Zeuginnen und -Zeugen ignoriert Hasskommentare eher, jede fünfte Person hat die Verantwortlichen schon einmal auf irgendeine Art gemeldet. Doch auch hier zeigen sich Unterschiede: Die Hälfte der 14- bis 24-Jährigen befasst sich näher mit einem Hasskommentar und dessen Entstehung, im Alter schwindet dieses Interesse; 68 Prozent der Über-60-Jährigeninteressieren sich nicht für solche Kommentare.
www.lfm-nrw.de
Jana Schröpfer: Flucht und Asyl filmisch inszeniert
Medienprojekt Wuppertal (2016). HIN und WEG 1. Filmreihe bestehend aus acht Kurzfilmen. www.medienprojekt-wuppertal.de, kostenfrei.
Können Filme die Gesellschaft verändern? Und was können sie zu Zeiten von Krieg, Flucht, Asyl und Integration leisten? Das Jugendvideoprojekt HIN und WEG 1, das vom Medienprojekt Wuppertal ins Leben gerufen wurde, hat die Bearbeitung dieser Fragen in die Hände von jungen Menschen gelegt. Herausgekommen ist eine eindrucksvolle Filmreihe mit Kurzfilmen unterschiedlichster Art, die Jugendliche mit und ohne Migrations- bzw. Fluchthintergrund entwickelt und produziert haben. Das von der Bundeszentrale für politische Bildung geförderte Modellprojekt besteht derzeit aus acht Beiträgen, die das gesellschaftliche Phänomen ‚Flucht‘ in dessen Facetten beleuchten.
In dem knapp vierminütigen Animationsfilm Vom Untergang des Schlaraffenlandes wird der vielprognostizierte Untergang des Abendlandes mit einer gehörigen Portion dunklem Humor eruiert. Dazu werden deutsche Werte und Tugenden vorgestellt: „Das Schlaraffenvolk feierte ein ewig währendes Oktoberfest, Bier floss in Strömen und Schweinshachsen wuchsen an den Bäumen. Umhüllt von christlich abendlichen Werten lebte und konsumierte das Volk glücklich, zufrieden und cool.“ Gezeigt werden derweil eine fesche Blondine mit Einkaufstüten, die fleißig Selfies knipst, Oktoberfest-Riesenräder und Bierkrüge, der WM-Pokal, Gartenzwerge sowie – zu allem Überdruss – rollende Panzer im Hintergrund. Ein überspitzes, aber dennoch treffend-trauriges Bild der deutschen Nation. Doch wie geht es weiter im Schlaraffenland? ‚Fremdlinge‘ wollen in das gelobte Land, die ‚Gutmenschen‘ locken sie herein und bald darauf bricht das Chaos aus: Grasende Kühe verwandeln sich in Kamele, palastartige Moscheen werden hochgezogen, Kulturgüter zerstört und Schlagzeilen zum Diebstahl von Arbeitsplätzen und entführten Kindern – „um sie zu verspeisen“, natürlich – machen die Runde. Doch die ‚Schlaraffen‘ begehren auf: Sie rotten sich zu einer wütenden Meute zusammen und setzen die Moschee-Paläste in Brand. Riesige Grenzzäune entstehen vor der Schlaraffenpforte, bewacht von einer schwerbewaffneten Vertreterin bzw. einem Vertreter: Frauke Petry und Horst Seehofer. Doch die Apokalypse im Land ist nicht mehr aufzuhalten und die Schlaraffen verwandeln sich. Die Botschaft des Kurzfilms ist klar: „Und die Moral von der Geschicht', zum Affen werden sollst du nicht“. Eine filmische Mischung aus hyperbelhafter Gesellschaftskritik, gar nicht so weit hergeholter Nachskizzierung aktueller Ereignisse und einer deutlichen Warnung, das eigene Paradies nicht durch animalisches Verhalten zu zerstören.
In der Kurzdokumentation Eine etwas andere Kindheit erzählen zwei 13-jährige Jungen, Faramoz Nasimi und Sayed Musa Abasy, von ihrer Flucht aus Afghanistan. An das „gute mittelständische Leben“, das ihre Familien einst führten, reihen sich unsägliche Erzählungen über Entführungen durch die Taliban, Angriffe durch bewaffnete Diebesbanden auf der Flucht, geldgierige Schlepper oder die Zustände im bulgarischen Gefängnis. Die enormen organisatorischen Probleme, die die Jungen auf der Flucht bewältigen mussten, oder die gewaltigen Geldsummen, die ihre Eltern im Heimatland an immer wieder neue Schlepper bezahlen mussten – „Man wird von Hand zu Hand weiterverkauft“ –, wirken dagegen fast nichtig. Der Titel der Doku macht bereits klar: Gemessen an ihren Erfahrungen handelt es sich bei Faramoz und Sayed nicht mehr um Kinder bzw. Jugendliche. Deshalb mutet es fast seltsam an, wenn man die beiden auf einem Fußballplatz in Deutschland beim Kicken beobachtet. Der Kurzfilm ist sehr sachlich gehalten und verzichtet auf jegliche Art der Emotionalisierung. Es ist ein Gespräch mit zwei sehr sympathischen Jungen, die in einem Wohnzimmer sitzend von ihren Erfahrungen berichten. Dennoch überkommen die Zuschauenden rührende Gefühle, wenn die Jungen von ihrem ‚Happy End‘ in Deutschland berichten. Über die Diakonie Wülfrath, in der sie nun untergebracht sind, hält Sayed fest: „Man wünscht sich, dass ich glücklich bin. Ich merke, dass ich den Menschen wirklich was bedeute.“ Am Ende des Films wünscht man sich, dass die erlebten Gefühle der Empathie und des Stolzes auf die deutschen Helferinnen und Helfer auch auf andere Teile der Bevölkerung überschwappen würden.
Eine etwas andere emotionale Wertigkeit trägt der Kurzfilm Eine Familie, in dem der 17-jährige Syrer Hussam, der nun seit mehreren Monaten in einer Wuppertaler Wohngruppe für Jugendliche lebt, von seiner beschwerlichen Flucht erzählt und davon, was es bedeutet, als ‚Flüchtling‘ erkannt und abgestempelt zu werden. Er berichtet von Abzocke und Ausbeutung sowie von Gefahren, die ihn wegen seines ungewollten Status zu Teil wurden (und werden). Auch er gehörte zu den ‚Glücklichen‘, die noch vergleichsweise problemlos in Deutschland einreisen durften, hier willkommen geheißen und aufgenommen wurden. Er hat in den anderen Jugendlichen der Wohngruppe eine Familie gefunden, dennoch erzählt er, dass es darüber hinaus schwer ist, Freundschaften zu schließen. Außerdem hat er im Gegensatz zu seinem Leben in Syrien – in dem er immer viel unterwegs war – in Deutschland nichts zu tun. Er kam, um zu studieren, langweilt sich stattdessen nun und verbringt gezwungenermaßen viel Zeit in seinem Zimmer und im Internet. Der Kurzfilm gibt keine Wertung vor. Wie viele andere Beiträge des Filmprojekts portraitiert er lediglich. Doch man bekommt das eindringliche Gefühl: Hussam wartet darauf, integriert zu werden.
Auch die anderen Kurzfilme der achtteiligen Reihe HIN und WEG 1 lassen Flüchtlinge zu Wort kommen und beleuchten verschiedene Aspekte ihres (Leidens-)Weges – so zum Beispiel in Abd Al & Malaz, Der einzige Weg oder Tomaten im Regen. In Füreinander da sein geht es ferner um ein selbstorganisiertes, beidseitig gewinnbringendes Familienpaten-Projekt, während Im Dschungel der Flüchtlinge von illegalen Flüchtlingscamps handelt.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Filmreihe der Komplexität des Themas ‚Flucht‘ gerecht wird und die derzeitigen gesellschaftlichen Entwicklungen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet – sei es die überspitze und fast schmerzhafte Selbstkritik in Vom Untergang des Schlaraffenlandes, das Empathie-auslösende Gespräch in Eine etwas andere Kindheit oder die problemzentrierte Darstellung in Eine Familie. Es bleibt zu hoffen, dass durch die diversen Blickwinkel und Positionen noch so manch meinungsverhärtete Filterblasen zum Platzen gebracht werden können. Die Filmreihe richtet sich an alle, die einen tiefen Einblick in die Themenlage erhalten und zur Reflexion angeregt werden wollen. Vor allem aber ist sie zur Vorführung geeignet, gerade auch in Schulklassen. Auf dem YouTube-Kanal des Medienprojekt Wuppertal sind alle Filme abrufbar, bald sind sie auch als DVD erhältlich.
Jana Schröpfer: SINUS-Jugendstudie
Die Jugend gibt es nicht: Deutsche Jugendliche leben in unterschiedlichen Lebenswelten, dennoch rücken sie vermehrt zusammen. Gezielte Abgrenzungen zur vorhergehenden Generation verlieren an Bedeutung und 'Mainstream' bekommt eine positive Bedeutung: Jugendliche möchten dazugehören, so sein 'wie alle', und folgen daher mehrheitlich einem Wertekanon, der den Wunsch nach Halt und Orientierung ausdrückt und beispielsweise Gemeinschaft, Familie und Sicherheit in den Vordergrund stellt. Zu diesen Ergebnissen kommt die Jugendstudie der SINUS Markt- und Sozialforschung GmbH, die im Auftrag der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz, Bund der Deutschen Katholischen Jugend, Bundeszentrale für politische Bildung, Deutsche Kinder- und Jugendstiftung und VDV-Akademie Themen wie Digitale Medien, Mobilität, Umweltschutz, Liebe und Partnerschaft, Glaube und Religion, Geschichtsbilder, Nationalität sowie Flucht und Asyl untersucht hat.
In 87 Tiefeninterviews mit 14- bis 17-Jährigen geht es um die Exploration der vielfältigen Lebenswelten deutscher Jugendlicher, um ihre Grundwerte und um ihre Einstellungen. Es zeigt sich, dass neben teilweise bestehenden Vorbehalten ein Großteil der Jugendlichen Vielfalt in der Gesellschaft akzeptiert und vor dem Hintergrund von Flucht und Asyl eine Willkommenskultur unterstützt. Viele Jugendliche, ganz gleich ob Deutsche oder Befragte mit Migrationshintergrund, sind sich einig, dass soziale Werte wie Freiheit, Aufklärung und Toleranz geschätzt werden müssen, weil sie die Grundlage für ein 'gutes' Leben darstellen – neben materiellen Werten wie Status und Besitz sowie der eigenen Selbstverwirklichung. Im Schwerpunktthema der Digitalen Medien zeigt sich bei den Befragten eine 'Digitale Sättigung'.
Die Durchdringung des jugendlichen Alltags mit digitalen Medien hat einen Höhepunkt erreicht, die bedingungslose Faszination schwindet und erste Wünsche nach Entschleunigung werden geäußert. Die 14- bis 17-Jährigen wissen um die Risiken ihrer Internetnutzung und wünschen sich Hilfestellungen von Schule und Staat, vor allem in Bezug auf Datenschutz: Sie wollen sich sicher, aber dennoch frei im Internet bewegen. In den jugendlichen Lebenswelten sind digitale Kompetenzen unterschiedlich ausgeprägt, gerade in bildungsnahen Gruppen wird kompetenter Medienumgang als wichtige Aufgabe angesehen, um die soziale und berufliche Zukunft zu meistern.
Jana Schröpfer: Social Media-Apps. Snapchat vor Facebook
Die App-Nutzung deutscher Jugendlicher steigt und dreht sich vor allem um Social Media-Apps und bildhafte Inhalte – das zeigt eine Umfrage der Jugendmarke BRAVO, die von der Bauer Media Group durchgeführt wurde und sich aus dem Youth Insight Panel, dem umfassenden Marktforschungstool von BRAVO, speist. Für die Erhebung 'YouTube- sowie App-Nutzung' wurden 727 Jugendliche im Alter von zehn bis 19 Jahren befragt. Vier Fünftel von ihnen haben bis zu 20 Apps auf ihr Smartphone geladen und interessieren sich besonders für Social Media-Plattformen. Der Messenger-Dienst WhatsApp gehört für 91 Prozent der Befragten zu den drei meistgenutzten Social Media-Apps und bleibt damit unangefochtener Spitzenreiter. Danach folgen YouTube (56 %) und Instagram (52 %). YouTube sichert sich dabei auch den ersten Platz der meistgenutzten Videoplattformen. Neun von zehn Jugendlichen nutzen YouTube mindestens einmal pro Woche bis täglich und auch Nutzungsintensität sowie -dauer sind im Vergleich zu den Vorjahren angestiegen.
Eine besondere Dynamik zeigt sich auf den Folgeplätzen der beliebtesten Social Media-Apps: Der Foto- Messenger Snapchat (35 %) überholt das soziale Netzwerk Facebook (32 %), das zum wiederholten Male auf die hinteren Rangplätze verwiesen wird. Snapchat gewinnt bei deutschen Jugendlichen deutlich an Popularität; zählte es 2015 bei nur 17 Prozent der Befragten zu den beliebtesten Social Media-Apps. Weitere Studienergebnisse zeigen, dass bildlastige Apps wie Instagram oder Snapchat besonders bei Mädchen beliebt sind und viele Jugendliche Social Media-Apps nutzen, um sich über ihre Stars zu informieren. Sei es durch Abonnements bei YouTube oder durch das Folgen auf den benannten Bilddiensten. Facebook hat bei dieser, für Jugendliche relevanten Nutzungsfunktion an Bedeutung verloren.
Jana Schröpfer: Studie zu AGB und Datenschutz
Deutsche Internetnutzende verhalten sich widersprüchlich beim Zustimmen zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Kommunikationsdienstleistern. Das zeigt eine repräsentative Onlinebefragung des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI). Über 1.000 Internetnutzende ab 14 Jahren wurden zu AGB, ihrem Umgang mit Datenschutzbestimmungen sowie ihren Einstellungen und Vorbehalten befragt. Die Ergebnisse zeigen: E-Mail-Dienste werden beinahe von allen verwendet (98 %), drei Viertel der Befragten nutzen zudem Messenger-Anwendungen, allen voran WhatsApp. Die widersprüchlichen Verhaltensweisen zeigen sich darin, dass zwar 86 Prozent der Nutzenden eine Kenntnis der AGB für wichtig halten, aber 60 Prozent diese entweder gar nicht lesen oder nur grob überfliegen; nur 20 Prozent schauen sich einzelne Punkte genauer an. Zur großen Gruppe der Nicht- bzw. Kaum-Leserinnen und -Leser zählen junge Nutzende sowie Befragte mit hohem Bildungsniveau. Das Zustimmen zu den AGB wird von diesen häufig als lästig empfunden.
Dennoch legen die Befragten Wert auf den Schutz ihrer Daten. Kontakte, Passwörter, aber auch Text- und Sprachnachrichten sowie Videos und Bilder gelten als höchst schützenswert und rangie¬ren vor anderen, weniger sensiblen personenbezogenen Daten. Warum Internetnutzende AGB und Datenschutzbestimmungen dennoch häufig ungeprüft zustimmen, wird unter anderem mit ‚Resignation‘ erklärt. So geben 37,5 Prozent der Befragten an, keine Alternative zu sehen und 22 Prozent akzeptieren die AGB mit einem unguten Gefühl. ‚Vertrauen‘ stellt ein weiteres Motiv dar, das Kleingedruckte zu vernachlässigen: 33 Prozent vertrauen den meisten Anbietern, 21 Prozent gehen davon aus, dass alles richtig bzw. rechtmäßig ist (Mehrfachnennungen möglich). Gegen das genaue Lesen und Prüfen der AGB spricht zudem ein erheblicher Aufwand. Die Nutzenden bemängeln zudem, dass es nicht möglich sei, AGB vollständig zu lesen und zu verstehen. 93 Prozent wünschen sich daher eine Optimierung der AGB und Datenschutzbestimmungen, vor allem kürzere Texte, verständlichere Sprache und übersichtlichere Layouts.
Jana Schröpfer: Nutzung digitaler Medien – ein Grundbedürfnis für jugendliche Flüchtlinge
Digitale Medien(-dienste) sind für die soziale und bildungsbezogene Teilhabe junger Flüchtlinge hochrelevant, jedoch sind sie in deutschen Versorgungeinrichtungen nur erschwert und oftmals ohne Aufklärung oder Anleitung zugänglich. Das zeigt die empirische Studie Internet ist gleich mit Essen der Universität Vechta und des Deutschen Kinderhilfswerks, die die Nutzung digitaler Medien durch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge vor, während und nach der Flucht untersucht hat. Die im Studientitel zitierte Aussage eines Interviewten – „Internet ist gleich mit Essen“ – zeigt bereits, dass vor allem die Internetnutzung bei der Bewältigung fluchtspezifischer Herausforderungen von großer Bedeutung ist. So nutzen die unbegleiteten Jugendlichen digitale Medien, um nach Fluchtetappen Kontakt mit ihren Familien aufzunehmen, Notrufe abzugeben, Kontakt mit Schleuserinnen und Schleusern herzustellen oder um Informationen über Fluchtwege zu erhalten. Nach ihrer Ankunft in Deutschland spielt die Kommunikation mit der Familie und den Peers weiterhin eine wichtige Rolle, digitale Medien werden aber auch zur Orientierung und zur Nachrichtensuche genutzt oder gar zum Erlernen der deutschen Sprache.
Die Mediennutzung hat demnach nicht nur verbindende Funktionen, sondern auch eine Brückenfunktion, da sich die Jugendlichen in der Aufnahmekultur orientieren und mit neuen Peers sowie Fachkräften verbinden können. Allerdings berichten die jungen Flüchtlinge über einen erschwerten Zugang zu digitalen Medien in ihren Einrichtungen oder über restriktive Regeln bezüglich des Internetzugangs. Oftmals gäbe es nicht einmal ausreichend Computer für das Erledigen von Schulaufgaben. Ein anderes Problem zeigt sich darin, dass die Jugendlichen nur mangelhaft über Datenschutzmaßnahmen informiert und ihnen eigens für sie konzipierte Dienste unbekannt sind. Hier kristallisieren sich folglich erste Indikatoren für einen Handlungsbedarf heraus. Die explorative Studie basiert auf 17 Einzelinterviews und einer Gruppendiskussion mit Flüchtlingen im Alter von 15 bis 19 Jahren. Die Ergebnisse sind online kostenfrei abrufbar.
Jana Schröpfer: wb-web. Portal für Lehrkräfte der Weiterbildung
Für Lehrkräfte der Erwachsenen- und Weiterbildung gibt es eine neue, digitale Anlaufstelle: das Internetportal wb-web. Das von der Bertelsmann Stiftung und dem Deutschen Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz Zentrum für Lebenslanges Lernen e. V. entwickelte Portal bietet Lehrenden der Erwachsenen- und Weiterbildung Informations- und Vernetzungsmöglichkeiten. Frei zugänglich erhalten sie erwachsenenpädagogisches Wissen und Praxishilfen zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Veranstaltungen. wb-web bedient mit seinem Angebot vor allem die Bedarfe frei- und nebenberuflicher Erwachsenen- wie auch Weiterbildnerinnen und -bildner, um die Professionalität der Lehrenden in der Weiterbildung zu stärken.
Auf wb-web sind verschiedene bedienungsfreundliche Rubriken mit Neuigkeiten oder wissenschaftlichen Befunden aus der Weiterbildungslandschaft zu finden, außerdem Dossiers zu lehrrelevanten Themen und Entwicklungen wie der Digitalisierung sowie Materialien zur Unterrichtsbewältigung. Ergänzend bietet das Portal Tools wie fundierte Wissensbausteine, weitere Praxishilfen, ein Forum zum Austausch unter den Lehrenden und ein Online-Fall-Laboratorium mit realen Videofällen aus der Praxis. Die Inhalte fußen auf Ergebnissen einer repräsentativen Bedarfsstudie und Online-Umfragen.
Jana Schröpfer: DJI-Studie: Elternsicht auf Medienerziehung
Beinahe alle deutschen Mütter und Väter fordern verschärfte Maßnahmen des Kinder- und Jugendmedienschutzes, während gut die Hälfte sehr restriktive Medienerziehungsmaßnahmen wie technische Filter ablehnt. Diese und weitere Ergebnisse hat das Deutsche Jugendinstitut (DJI) in einem Studien-Abschlussbericht zusammengetragen.
Medienerfahrungen und -bildungsprozesse werden zuallererst im Kreise der Familie gesammelt. Die elterliche Medienerziehung hat damit eine herausragende Bedeutung. Das DJI interessierte sich deshalb in der Studie Digitale Medien: Beratungs-, Handlungs-, und Regulierungsbedarf aus Elternperspektive für die medienerzieherischen Sichtweisen deutscher Eltern. Dazu wurden seit 2013 im Rahmen eines Zusatzmoduls im quantitativen DJI-Survey Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten (AID:A II) 4.690 Mütter und 3.089 Väter von ein- bis 15-jährigen Kindern in insgesamt 4.800 Haushalten zu ihren Ansichten befragt. Fast 90 Prozent der befragten Mütter und rund 80 Prozent der Väter fordern eine verschärfte Durchsetzung des Kinder- und Jugendmedienschutzes. Sie sorgen sich vor allem um Internetgefahren, die von Werbung ausgehen (21 %), um verstörende und beängstigende Inhalte, versteckte Kosten und Betrug sowie beleidigende bzw. verletzende Aussagen gegenüber ihren Kindern (zu jeweils etwa 10 %). Dennoch verhalten sich viele Eltern hinsichtlich technischer Schutzmaßnahmen zögerlich: Nur 54 Prozent verwenden Programme oder Geräteeinstellungen, um ihre Kinder vor Internetgefahren zu schützen. Dabei werden Schutzvorkehrungen mit zunehmendem Alter der Kinder häufiger ergriffen, während Akademiker-Haushalte signifikant seltener solche Einstellungen verwenden. Während schulische Medienerziehung weitgehend begrüßt wird, herrschen unter den Eltern große Zurückhaltung und reichlich Bedenken über Medienerziehung in Kindertageseinrichtungen oder in der Tagespflege. Vor allem das Erlernen des Internetumgangs und das Kennenlernen neuer Medien werden in diesen Kontexten kritisch beäugt. Die DJIStudie ermöglicht daher auch Implikationen für politische Entscheidungen im Rahmen einer Digitalisierung von Kindergärten und Kitas.
Jana Schröpfer: Historische Filmclips online neu zum Leben erwecken
Vistarena GmbH (Hrsg.) (2015). historixx: Filmgeschichte zum Selbermachen. Bildungsportal. www.historixx.de, kostenfrei oder kostenpflichtiges Premiumabonnement.
Moderner Medienumgang und deutsche Zeitgeschichte schließen sich aus? Spannende Filmclips drehen und nebenbei für Geschichte pauken ist nicht möglich? Falsch gedacht! Die virtuelle Filmwerkstatt historixx bringt diese scheinbar unvereinbaren Gegensätze zusammen: Auf einer Bildungsplattform, die von Schülerinnen und Schülern, pädagogischen Fachkräften oder Geschichtsinteressierten gleichsam genutzt werden kann; sei es, um geschichtliche Themenbereiche in Eigeninitiative aufzubereiten, das Geschichtswissen der Schützlinge interaktiv zu vertiefen, kultur- und medienpädagogische Projekte anzustoßen oder sich kreativ auszuleben. Das Online-Angebot der Vistarena GmbH wird unter anderem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstützt und ist Teil der Förderinitiative Ein Netz für Kinder der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. Ziel der Initiative ist es, mehr kindgerechte und qualitativ hochwertige Internetangebote zu schaffen und deren Auffindbarkeit im Netz zu erhöhen. Die Inhalte der Homepage richten sich an eine breite Altersklasse von technikaffinen Kindern und interessierten Jugendlichen über Studierende bis hin zu Erwachsenen – am ehesten eignen sie sich jedoch für Schülerinnen und Schüler ab der Sekundarstufe I.
Die Kernidee von historixx besteht darin, dass die Nutzenden auf ein reich bestücktes Archiv historischer Filmclips zugreifen und diese in einem Online-Schnitttool individuell bearbeiten können. Dadurch entstehen sowohl lehrreiche als auch kreative Geschichtsvideos. Um dieses Konzept herum bietet historixx noch zahlreiche Zusatzfunktionen. Neben historisch bedeutsamen Filmsequenzen sind auch thematisch sortierte Bilder, Originaltöne und Audioaufnahmen vorhanden. Die Themenbereiche setzen sich aus geschichtlichen Epochen – wie ‚Erster Weltkrieg‘ oder ‚Zwei Deutsche Staaten‘ –, wichtigen Ereignissen oder allgemeineren Kategorien – wie ‚Kindheit und Familie‘ oder ‚Rund um die Welt‘ – zusammen. Einige Bereiche werden durch ‚Lehrmaterialien‘ ergänzt: Erklärungstexte zu den Geschichtsthemen, inspirierende Vorlagentexte oder sogar ganze Storyboards. Diese sollen dabei helfen, Ideen für den eigenen Filmclip zu entwickeln. Das Archiv lädt daher nicht nur zum Browsen und Schmökern ein, sondern nimmt eine der größten Sorgen potenzieller Clip-Produzierender gleich vorweg – nämlich: Was mache ich, wenn ich keine Idee habe? Weiter geht es mit der Speicherung von geeignetem Material, das nach einer kostenlosen Registrierung in der eigenen Projekt-Mediathek abgelegt werden kann. In diese lassen sich ferner private Audio-, Musik-, Film- und Bildaufnahmen hochladen, was eine perfekte Individualisierung des späteren Clips ermöglicht. Im Schnitttool kann das eigene Projekt nach Herzenslust zusammengefügt werden. Die Schnittbühne bietet hierfür einiges: schneiden, trimmen, beschleunigen und allerlei Effekte. Ob die Filmemachenden nun einen Kommentar zu einer Stummfilmsequenz einsprechen, eine historische Rede mit eigenen Gedanken untertiteln oder aber einen ‚Iris-Übergang‘ zwischen zwei Filmclips einblenden möchten – nahezu alles ist möglich. Was die Werkstatt- Nutzenden hinterher mit ihren kreierten Kurzfilmen anfangen, bleibt ihnen selbst überlassen: Die Endprodukte können offline gespeichert, in sozialen Netzwerken geteilt oder aber im homepageeigenen ‚Schaufenster‘ zugänglich gemacht merz medienreport werden, um anderen historixx-Mitgliedern bei der Ideenfindung zu helfen. Wer mal eine Pause vom ‚Cutten‘ braucht oder sein neugewonnenes Geschichtswissen überprüfen möchte, kann eines der vielen kniffligen historixx-Rätsel lösen. Unter ‚Quiz‘ lassen sich zum Beispiel Filmclips in die richtige Reihenfolge ‚puzzeln‘, um den Verlauf von geschichtlichen Ereignissen nachzustellen. Oder die Geschichtsbegeisterten werden aufgefordert, sich nach der Sichtung verschiedener Clips zu entscheiden, welcher wohl die richtige Antwort zu der Frage „Wer waren die Suffragetten und was haben sie gemacht?“ bereithält. Die genannten Portalfunktionen gehören zur frei zugänglichen Basisversion – zum Erstellen eines eigenen Videos bedarf es jedoch einer kostenlosen Registrierung. Mit der zahlungspflichtigen Premiumvariante von historixx ist hingegen noch viel mehr möglich. Das Archivmaterial erweitert sich immens, neue Themenbereiche kommen hinzu und Lehrkräfte können Lehrfilme sowie didaktische Unterrichtsmaterialien herunterladen oder sogar Klassenprojekte samt Hausaufgaben und Bewertungsmechanismen anlegen. Das virtuelle Geschichtsportal bietet dadurch auch interessante Lehrpakete für Schulen und sogar Universitäten an.
Alles in allem ist historixx ein vielseitiges und bereicherndes Bildungsangebot. Auch wenn die Startseite zunächst etwas ‚erschlagend‘ wirkt und es einige Zeit benötigt, sich über die vielen verschiedenen Funktionen zu informieren, lohnt es sich, das Anwendungspotenzial von historixx auszuschöpfen. Pädagogischen Fachkräften erleichtert das Portal die Unterrichtsvorbereitung, die -durchführung kann attraktiver gestaltet oder spannende Medienprojekte angestoßen werden. Zweifelsfrei erfüllt historixx seinen Zweck und ermöglicht jungen Menschen, sich auf spannende Art und Weise mit deutscher Zeitgeschichte auseinanderzusetzen. Durch die erlebte Interaktivität und die Verwendung von Bewegtbildern wird spielerisches Lernen samt einhergehender Medienkompetenzförderung ermöglicht. Die (Schnitt-)Funktionen der Plattform sind für ‚Medienungeübte‘ zwar nicht unbedingt geeignet, Nutzende werden aber mit übersichtlichen Leitfäden oder Erklär-Videos versorgt. Vor allem die Quiz-Sammlung bereichert nicht nur Jugendliche, sondern bietet eine Beschäftigung für die ganze Familie. Bei all dem Spaß wird aber auch auf rechtliche Richtlinien geachtet und beispielsweise genau über das Urheberrecht informiert. Bevor ein Video einem größeren Publikum zugänglich gemacht werden kann, wird es ferner vom historixx-Team geprüft, um möglichen Geschichtsverfälschungen vorzubeugen. Langfristig und optimal ist die Bildungsplattform wohl am ehesten über den kostenpflichtigen Premiumzugang nutzbar. Wünschenswert wäre, dass historixx noch partizipativer und die ‚Schaufenster‘-Funktion von mehr Clip-Produzierenden genutzt wird, um einen Austausch unter den jungen (und auch älteren) Geschichte-Begeisterten herzustellen. Abschließend bleibt zu sagen: Film ab und Geschichte lebendig werden lassen!
Jana Schröpfer ist studentische Hilfskraft am JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis und bei merz | medien + erziehung. Derzeit studiert sie den Masterstudiengang Internationale Public Relations an der Ludwig-Maximilians- Universität München.