Heidi Seyfferth
Beiträge in merz
Heidi Seyfferth: Ich packe meine Kita-Tasche und nehme mit: Apfel, Puppe, Nintendo DS
„… und in meiner Schultüte wünsch‘ ich mir ein neues Nintendo DS-Spiel!“ Die Zeiten, in denen Spielekonsolen Kindern und Jugendlichen vorbehalten waren, die zumindest schon selbst die Anleitung lesen konnten, sind endgültig vorbei. Die Anbieter entdecken die jüngeren Zielgruppen und umgekehrt. Von Wickie über Prinzessin Lillifee bis Fritzi Fisch – für die jüngsten Spielerinnen und Spieler gibt es mittlerweile etwa für die Nintendo DS zahlreiche Angebote zum Lernen, Spielen, Zeit Vertreiben. merz hat zwei davon unter die Lupe genommen.
Kokosnüsse zählen und Proviant kaufen mit Capt’n Sharky
Sandstrand, Palmen, das weite Meer und ein großes Piratenschiff – darauf ist ein kleiner freundlicher Pirat unterwegs. Er heißt Capt’n Sharky und führt neben seiner Tätigkeit als Pirat kleine Vorschülerinnen und Vorschüler durch ein Lernprogramm unter der Sonne des Südstrandes. Lernerfolg Vorschule – Capt’n Sharky heißt das Nintendo DS-Spiel für Vorschulkinder. In kleinen Übungen soll auf die Zeit in der Grundschule eingestimmt werden, dazu wird der Umgang mit Buchstaben und Zahlen, das Gedächtnis, die Logik sowie das erste Englisch geschult. Capt’n Sharky holt die Spielerinnen und Spieler beim Einschalten des Spieles ab, zeigt ihnen seine Welt und erklärt, wie das Spiel funktioniert. 20 verschiedene Angebote können die Kinder durchspielen – auf der Piratenlandkarte sehen sie, wo sie gerade sind – und am Ende wartet natürlich der Schatz. Einige der Spiele fördern dabei die ersten englischen Worte, bei einigen gilt es, Mengen zu erkennen, andere bieten Gedächtnistraining. Außerdem üben die jungen Piratinnen und Piraten beim Proviantkaufen den Umgang mit Geld, beim Schiff-beladen das schnelle Zählen und Vergleichen von Mengen und beim Schippern durchs Labyrinth Konzentration und Überblick. Auf der Bildungsmesse didacta konnten Sharky und seine Crew schon den Deutschen Bildungsmedienpreis didacta 2010 abräumen. Zwar dreht sich immer wieder alles um Zahlen, Buchstaben, deutsche und englische Wörter, allerdings werden die in verschiedenen Umgebungen – im kleinen Laden am Strand, unter Deck oder an der Felsbrandung – und mit verschiedenen Spielkonzeptionen geübt. Und schließlich sind die Lerninhalte, mit denen man sich in der Vorschule beschäftigen kann, eben nicht endlos. Capt’n Sharky macht es den jungen Spielerinnen und Spielern außerdem einfach, indem sie die Spiele in ihrer eigenen Reihenfolge spielen können und er stets erklärend zur Seite steht, Tipps und Lob bereithält und auch einmal aufmuntert, wenn ein Spiel nicht so klappt.
Tortenwerfen und Motorradfahren im Crazy Circus
Nicht ganz so abenteuerlich, aber trotzdem spannend ist Crazy Circus, ein anderes Vorschul-DS-Spiel. Die Story beginnt mit einem ergreifenden Ende und einem schwungvollen Anfang – der alte Direktor des Crazy Circus dankt ab und übergibt seinem Sohn das Zepter der Manege. Nun kann man in die Rolle des jungen Direktors schlüpfen und dem Zirkus zu neuem Ruhm verhelfen. Dazu gilt es natürlich, die verbliebenen Artistinnen und Artisten zu Höchstleistungen anzuspornen und immer wieder möglichst gute Darbietungen zu veranstalten, um Fans, Geld und neue Artistinnen und Artisten zu gewinnen – was der fiese Gegenspieler Leslie von Rambotton stets zu verhindern sucht. Insgesamt sind 14 Spiele geboten, in denen man dem Publikum zeigen kann, dass man zur Weltspitze gehört. Eine turbulente Tortenschlacht mit den Clowns des Zirkus‘, waghalsiges Turnen des Papageis in schwindelerregender Höhe auf einem Trapez oder die pure Geschwindigkeit auf dem Motorrad mit dem Bären Oleg warten unter anderem auf die Spielerinnen und Spieler. Die Aufgaben können allein oder zu mehreren erledigt werden, jedes geschaffte Spiel schaltet ein weiteres frei, so dass es wirklich notwendig ist, alle Aufgaben nacheinander zu bestehen, um den Zirkus zu retten. Crazy Circus punktet durch eine gut animierte 2D-Graf ik, eine 14-teilige Spielreihe, drei Spielmodi (Story, Arcade, Mehrspieler) und eine kreative Nutzung des Touchscreens. Die Spielerinnen und Spieler werden gleich beim Start abgeholt und mit bewegten Bildern und Dialogen in das Geschehen integriert. Die Spiele werden kurz und eindeutig erklärt. Im Gegensatz zu den Piratenabenteuern steht hier der Spaßfaktor im Zentrum – es gibt nichts zu lernen, außer vielleicht Geduld. Als Freizeitbeschäftigung ist es für Vorschülerinnen und Vorschüler zwar nett, da es liebevoll gestaltet und kurzweilig umgesetzt ist, den Lern-Mehrwert sollte man aber lieber gar nicht erst suchen.
Heidi Seyfferth und Laura Handlos: In die Seele gebrannt
„Der Mensch ist aus Stahl, der Panzer nur aus Eisen“ steht an der Innenwand des Panzers geschrieben, in dem die vier jungen Soldaten Yigal, Shmulik, Hertzel und Assi in ihren ersten Kampfeinsatz ziehen. Im Juni 1982, in den ersten Libanon-Krieg. Laut ihrem Kommandanten handelt es sich bei diesem ersten Einsatz um ein „Kinderspiel“, schließlich gilt es lediglich, eine Stadt nach dem Kahlschlag durch die Luftwaffe endgültig zu ‚reinigen’. Erst ab dem Hotel St. Tropez wird aus dem Einsatz ein echter Krieg, so der Kommandant. Und der muss es ja wissen, denken sich die unerfahrenen Soldaten, die in ihrer Militärausbildung bisher nur auf Fässer geschossen haben. Doch auf einmal haben diese ‚Fässer’ Gesichter, Gefühle, Erinnerungen, kurz: ein Leben. Ein Leben opfern, um selbst am Leben zu bleiben – aus dem ‚Kinderspiel’ wird innerhalb von Sekunden bitterer Ernst.
Der israelische Regisseur Samuel Moaz thematisiert seine persönlichen Erfahrungen im ersten Libanon-Krieg, den er mit Anfang 20 als Richtschütze der Panzerbesatzung miterlebt hat. Erst 2007 sah sich der Regisseur in der Lage, diese Erlebnisse in einem Drehbuch zu verarbeiten – Lebanon, der Mitte Juli 2010 in die deutschen Kinos kommt, ist das Ergebnis. Maoz nimmt in diesem Film die Zuschauerinnen und Zuschauer mit in das Innere eines Panzers. Sie sitzen hier auf engstem Raum zusammen mit den vier jungen Soldaten, zwischen leeren 7Up-Dosen, Zigarettenkippen und Phosphorgranaten, deren Einsatz durch geltendes Kriegsrecht verboten ist – weswegen sie als „flammender Rauch“ bezeichnet werden, was einen Einsatz freilich rechtfertigt. Es ist heiß, der Boden ist mit Wasser bedeckt, vermengt mit Urin. Der Panzer setzt sich in Bewegung, die Kamera vibriert im Takt mit dem Dröhnen des Motors, es ist laut. Unerträglich laut. Durch diese ungewöhnliche und einzigartige Perspektive erlebt das Publikum diesen Krieg hautnah. Lediglich durch denSucher des Zielfernrohrs wird die Umgebung wahrgenommen, teils bei Tageslicht, teils auch durch das Nachtsichtgerät in grünlicher Färbung. Das durch die sehr subjektive Perspektive ohnehin sehr intensive Erleben der Handlung wird durch die Kameraführung und die langen Einstellungen noch verstärkt. Im Gegensatz zu der Dramatik des Kriegsgeschehens ist die Kameraführung des Films äußerst ruhig und langsam. Dadurch werden die emotionalen Bildsequenzen nahezu unerträglich lang betont – ein leidendes Tier mit offenem Bauch und beinahe sichtbaren Tränen in den Augen, ein Junge, der gerade seine Familie und die restlichen Dorfbewohnerinnen und -bewohner verlorenhat und eine vollkommen verstörte Frau, deren Mann und die fünfjährige Tochter gerade vor ihren Augen erschossen wurden.
Lebanon ist ein verstörender Film. Wie kaum ein Kriegsdrama schafft er es, den Zuseherinnen und Zusehern die ganze Tragweite eines Krieges nahe zu bringen, ohne politisch Stellung zu beziehen oder sich auf die eine oder andere Seite zu schlagen. Im Mittelpunkt stehen die vier Soldaten, deren Leid das Publikum nahezu selbst erlebt – mit jedem Zittern der Hand Shmuliks, der den Abzug drücken muss, mit jedem Blinzeln der Augen, mit dem die Tränen und der Schweiß am Weiterlaufen gehindert werden sollen, zum Teil vergeblich. Damit ist der Film nicht das, was man guten Gewissens als Unterhaltung bezeichnen kann, nichts, das Erholung nach einem harten Arbeitstag verspricht. Man wird das Kino wohl nicht entspannt, sondern aufgewühlt, bewegt und nachdenklich verlassen. Durch die Stärke der Bilder, die nahezu unerträglich langen Einstellungen und den Lärm der Einschläge ist Lebanon für zarte Seelen eine Herausforderung. Allerdings eine, der sich zu stellen lohnt – denn der Film ist damit auch ein Plädoyer gegen den Krieg, egal ob im Libanon, im Irak oder in Afghanistan. Gerade vor dem Hintergrund der nach wie vor nicht beruhigten Situation im Nahen Osten eignet sich Lebanon sicherlich auch für den Einsatz in der Schule, angesichts der Brutalität zwar erst in den älteren Jahrgangsstufen, doch dort dürfte eine Thematisierung im Geschichtsunterricht sowohl für Lehrkräfte als auch für Schülerinnen und Schüler ein Gewinn sein. Denn auch wenn Geschichtsbücher den Kriegsverlauf darlegen mögen, das Gefühl, im Inneren des Panzers unter Beschuss zu stehen, können sie nicht vermitteln. Den Film, der unter anderem mit einem Goldenen Löwen bei den es vergönnt ist, gesund und sicher aus einem Kriegseinsatz heimzukehren“. Denn Kriegserlebnisse, so Maoz, sind ein Leben lang in die Seele eingebrannt. Mit diesem Film sind sie es auch ein wenig in die des Publikums.
Lebanon
Israel 2009Kinostart: 15.07.2010
Regie: Samuel Maoz
Darsteller: Yoav Donat, Italy Tiran, Oshri Cohen, Michael Moshonov, Zohar Strauss, Dudu Tassa, Ashraf Barhom, Reymonde Amsellem
Musik: Nicolas Becker
Laufzeit: 93 min
Freigegeben ab 12 Jahren
Verleih: Senator Film Verleih
Heidi Seyfferth: Was würdest du tun?
Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes. (2010)
Weggeschaut ist mitgemacht.
DVD. Stuttgart.„Es passiert täglich, überall und am hellerlichten Tag: Ein Mensch wird belästigt, bedroht oder tätlich angegriffen – in der Straßenbahn, in der Fußgängerzone oder beim Einkaufen, es werden Parkbänke oder Spielplätze beschädigt, Gebäude und Verkehrsmittel besprüht und demoliert oder Friedhöfe geschändet. (...) Nur wenn Polizei und Bevölkerung an einem Strang ziehen, gelingt es, die Sicherheit auf öffentlichen Straßen und Plätzen zu verbessern.“ (S. 1 Filmbegleitheft) Die polizeiliche Kriminalprävention hat primär die Aufgabe, die Bürger über Möglichkeiten des Selbstschutzes aufzuklären. Mit der aktion-tu-was gibt die Polizei praktische Tipps an die Hand, wie man anderen Opfern helfen und sich selbst schützen kann. Eingebunden in diese Aktion ist das Medienpaket Weggeschaut ist mitgemacht. Dieses Angebot richtet sich an pädagogische Lehrkräfte für den Einsatz in Schulen und der Jugendarbeit. Ziel des Medienangebots, bestehend aus vier Filmsequenzen und einem Filmbegleitheft, ist es, mehr Bürgerengagement und Zivilcourage im öffentlichen Raum zu schaffen.
Vier Episoden können in dem Hauptmenü der DVD Weggeschaut ist mitgemacht angewählt werden. Die Themenfelder reichen von Alkohol und Gewalt, Drogendeal, Handyraub bis hin zum Ladendiebstahl. Beim Anwählen einer Szene werden realistische Darbietungen geboten. Jugendliche im Alter der Zielgruppe geraten in einen Konflikt. Eine Hauptakteurin oder ein Hauptakteur stehen jeweils im Mittelpunkt der Handlung. Anschließend stoppt die Filmszene. Die Jugendlichen haben dann die Option, in der Gruppe zu diskutieren oder alleine zu überlegen, welche Alternativen moralisch und vernünftig sind. Das Menü stellt drei Handlungsoptionen bereit. Alle drei können angewählt und diskutiert werden. Eine der vier Filmsequenzen zeigt Jugendliche auf einem Spielplatz. Es werden alkoholische Getränke konsumiert. Ein Jugendlicher hat bereits zuviel Alkohol getrunken, wird aus einem banalen Grund wütend und verlässt die Gruppe. An der nächsten Bushaltestelle randaliert er und ein älterer Mann spricht ihn darauf an. Der Jugendliche geht aggressiv auf den älteren Mann zu, einer seiner Freunde erscheint im Hintergrund. Dieser ist der handelnde Akteur. Die Filmsequenz stoppt. Nun werden die Zuschauerinnen und Zuschauer gefragt: „Was machst du?“ Anschließend werden die drei Handlungsoptionen geboten. Eine der drei Wahlmöglichkeiten ist: „Ich mach’ doch meinen Kumpel nicht an!“ Hier sieht man, wie der Hauptakteur nichts unternimmt und den Kumpel strafrechtliche Konsequenzen verfolgen. Die zweite Option ist: „Der hat sie doch nicht alle – den stopp ich!“ Der Hauptakteur wird in diesem Falle selber zum Opfer und wird von seinem Kumpel geschlagen.
Die dritte Variante stellt sich als die richtige Handlung heraus. Der Hauptakteur holt seine Freundinnen und Freunde zu Hilfe, gemeinsam stoppen sie ihren Kumpel, reden ihm gut zu und entschuldigen sich bei dem älteren Mann. Das Filmbegleitheft enthält Erläuterungen zum Film sowie didaktische Hinweise für Lehrkräfte und pädagogisches Fachpersonal, um das Medienangebot mit den Jugendlichen zu bearbeiten. Beispielsweise sollte als Lehrbeauftragte und Lehrbeauftragter darauf hingewiesen werden, dass es kein Rezept für eine Reaktion gibt. Der Einzelfall ist entscheidend. Daneben enthält das Heft Hinweise zur aktion-tu-was und damit ebenso praktische Handlungstipps zur Hilfe und zum Selbstschutz im Alltag. Das Medienangebot ist gut durchdacht. Neben dem Medienbezug, was für die Jugendlichen wie ein Eye-Catcher wirken müsste, wird die Zielgruppe auch direkt mit eigenen Gedanken und Diskussionsbeiträgen gefordert. Ebenso vorteilhaft ist, dass verschiedene Optionen in dem Medienbeitrag dargestellt werden, so dass alle Handlungsoptionen in ihren Folgen vorstellbar werden.
Das Medienangebot ist eingebundenin die Initiative aktion-tu-was und steht somit in einem größeren Zusammenhang. Neben dem Bewusstsein, was durch das Medienangebot Weggeschaut ist mitgemacht geschaffen werden kann, wäre es sinnvoll die Kinder und Jugendlichen in die übergeordnete aktion-tu-was einzubinden, so dass die moralisch einwandfreie Intention des umsichtigen Miteinanders über die Schwelle des Klassenzimmers hinausgehen kann. Beispielsweise könnten die Kinder und Jugendlichen, mit Unterstützung derPolizeilichen Kriminalprävention, selbst einen Film zum Thema drehen.