Franz Szekeres
Beiträge in merz
Franz Szekeres: Der Filmklub mit dem magischen Namen – nur für Kinder
Man kann sich die Zauberlaterne, den Filmklub für Kinder im Alter von sechs bis zwölf fast überall vorstellen, im Multiplexkino mit 400 Plätzen oder im wieder belebten Landkino mit 60 Plätzen. Das Konzept ist skalierbar, aber ein richtiges Kino – ein Originalschauplatz gewissermaßen – muss es schon sein. Das hat seit 1992 für 68 Klubs in drei der vier Sprachregionen der Schweiz mit rund 25 000 Mitgliedern geführt. Und die Erfolgsgeschichte schreibt sich fort. Filmsprache ist schließlich Weltsprache und so sind nach und nach Klubs in Frankreich, Italien, Deutschland, Spanien, Rumänien, England, Marokko und dem Senegal entstanden. Dabei ist hier kein globalisierungsgeiler Großkonzern an der Arbeit sondern gerade mal zwei Handvoll Mitdenkerinnen und Mitdenker, die mit den Filmenthusiasten Francine Pickel und Vincent Adatte, die den Filmklub gegründet haben, im Büro des Dachvereins in Neuchâtel (Neuenburg) in der französischsprachigen Schweiz sitzen. Auch Frédéric Maire, seit kurzem Direktor des Filmfestivals Locarno, ist strategisch noch an Bord und der Zeichner Yves Nussbaum („Noyau“) sorgt für das unverkennbare Erscheinungsbild. Dieses drückt die Absicht der Zauberlaternen-Macherinnen und -macher aus, sich auch an anspruchsvolle Kost heranzuwagen und trotzdem durch Vielschichtigkeit und Lustbetontheit fast jeden zu erreichen.
Den Klubausweis für neun Vorstellungen einschließlich der zu jedem Film erscheinenden Klubzeitung gibt’s (in der Schweiz) für familienfreundliche 20 Euro. Natürlich bedeutet das für die veranstaltenden Klubs zuweilen eine Herausforderung bei der Mittelbeschaffung. Ohne Zuwendungen von Seiten der Kommunen und Kantone, Stiftungen und Sponsoren aus der Privatwirtschaft und ohne viel ehrenamtliches Engagement geht das nicht. Schließlich wird ja auch was geboten bei den Vorstellungen: Ein zweiköpfiges Moderatorengespann und ein Schauspieler gestalten die 20 Minuten vor dem Filmstart, verkürzen die Wartezeit und vermitteln den Klubmitgliedern spielerisch unaufdringlich aber nachhaltig das ABC des Films.
Trotz viel ehrenamtlicher Arbeit ist die Zauberlaterne ein leichtfüßiges, aber aufwändiges Konzept. Jeder Klub finanziert sich zwar weitgehend selbst, ist aber auch Mitglied der Association La Lanterne Magique, dem erwähnten Dachverein, der die Solidarität zwischen gut situierten und mausarmen Klubs gewährleistet. Der Dachverein sorgt auch dafür, dass die Klubs Inhalte von hoher Qualität bekommen. Das beginnt bei der Filmauswahl: Ein Kanon von gegen hundert Filmen wurde in den Jahren seit der Gründung der Association 1992 erarbeitet. Bevor ein Film ins Programm aufgenommen werden kann, müssen Filmrechte abgeklärt, muss die Verfügbarkeit spielbarer 35 mm-Kopien in der entsprechenden Sprachversion sichergestellt werden.
Bei der Auswahl wird neben der Altersgerechtheit darauf geachtet, dass sowohl die filmgeschichtlichen Epochen wie auch die verschiedenen Filmgenres und -techniken angemessen vertreten sind. Und natürlich dürfen und sollen die Filme aus den verschiedensten Ländern stammen. Konkret sieht das Programm einer Spielzeit drei mal drei Filme vor, die blockweise als Filme zum Lachen, zum Weinen, zum Träumen und (ein bisschen) auch zum Fürchten angekündigt werden und in chronologischer Reihenfolge gezeigt werden. Jeder Block beginnt daher in der Regel mit einem Stummfilm, der nach Bedarf von einem Pianisten live vertont und von einem Filmerzähler eingesprochen wird. Nachdem ein Film für gut befunden ist, geht’s an die Erarbeitung des pädagogischen Rahmenprogramms: Die achtseitige Klubzeitung wird mit großer Sorgfalt redigiert, in derzeit bis zu fünf Sprachen übersetzt und von Noyau illustriert. Ein Szenario für das kleine Theaterstückchen unmittelbar vor jedem Film muss so gestaltet sein, dass es sich problemlos in verschiedenen Kinos adaptieren lässt. Besondere Requisiten, aber auch Schauspieler-, Filmerzähler- und Musikeradressen hält der Dachverein ebenfalls für die Klubs bereit. Es wird nichts dem Zufall überlassen und dennoch lässt die Umsetzung und Ausgestaltung der pfannenfertigen Materialien den Teams vor Ort immer noch genug Raum für Spontaneität. Von den umfangreichen Anregungen für den Dialog mit den Kindern ganz zu Beginn einer jeden Vorstellung können selbst erfahrene Filmfreaks unter den Moderatorinnen und Moderatoren immer mal wieder selbst etwas lernen. Dabei will die Zauberlaterne trotz des hohen Anspruchs das Kinoerlebnis nicht „verschulen“. Der Filmklub mit dem magischen Namen ist eindeutig in der Freizeit angesiedelt, Erwachsene haben keinen Zutritt. Trotzdem ist in der Schweiz der Kontakt zu den Schulhäusern, zu Bildungsdepartementen und Elterninitiativen vorzüglich, die Zauberlaterne wird der Qualität der Inhalte und ihrer Vermittlung, aber auch der strikten Nichtkommerzialität wegen sehr geschätzt. Spezielle Schulvorstellungen und nicht zuletzt die regelmäßige Zusammenarbeit mit verschiedenen (nicht nur Film-)Festivals haben den Filmklub im kulturellen Angebot für Kinder gut verankert. Dabei legt man gerade auf den Kontakt zu anderen Kunstformen viel Wert. Das Unterhaltungsmedium Kino ist mit seinen großen und kleinen Gesamtkunstwerken zum Portal zur Multimediakultur ja prädestiniert. In den Statuten der Zauberlaterne ist der Zweck mit „Fördern der Freude an Film und Kino“ umschrieben. Der Zugang erfolgt kindgerecht und spielerisch über die Emotionen. Auf dem Weg zum mündigen Medienkonsumenten wird dabei schon früh auch der Blick hinter den schönen Schein gewagt und gezeigt, dass Bilder etwa auch lügen können. Die Kinder üben sich in aktiver, kritischer Rezeption, ohne den Spaß am Geschehen preiszugeben. In groß aufgezogenen Wettbewerben (Drehbuch, Kinoplakat, Trailer) werden sie eingeladen, sich produktiv zu beteiligen. Auch die kontinuierlich weiterentwickelte Website www.zauber-laterne.org bietet in einer animierten Enzyklopädie des Kinos Gelegenheit zur weiteren Vertiefung. Hier findet jedes Klubmitglied seinen Klub und seine Filme in seiner Sprache.
Dachverein Die Zauberlaterne
Association La lanterne magique
Rue des Terreaux 7 / Pf 16762001 Neuchâtel
Tel: 0041 32 723 77 00
Die Zauberlaterne in Deutschland
Seit 2003 lädt die Zauberlaterne Ludwigsburg ihre Mitglieder an neun Samstagen ins Kino Caligari ein.
Kontakt:
Die Zauberlaterne LudwigsburgMarkus Klarec/o Kinokult e.V.
Königsallee 43
71638 Ludwigsburg
Tel. 07141-905284
E-mail: zauberlaterne@kinokult.de