Ulrich Tausend
Beiträge in merz
Ulrich Tausend: Computerspiele kommentieren und reflektieren
Let’s Plays, Videos, in denen Jugendliche den Bildschirm beim Spielen von Computerspielen filmen und das eigene Spiel kommentieren, sind in den letzten Jahren immer bekannter geworden. Neben dem Spaßfaktor, den der Umgang mit Let’s Plays birgt, können diese auch einen Beitrag in der medienpädagogischen Arbeit leisten. Anhand der Beschreibung eines Workshops wird aufgezeigt, wie die pädagogische Beschäftigung mit Let’s Plays aussehen kann und welchen Mehrwert diese für die Arbeit mit Jugendlichen haben können.
Links und Material
Artikel über Let’s Plays sowie einen Workshop während der play12 in Potsdam auf spielbar.de
Let’s Play-Report mit vielen Hintergrundinformationen auf gamestar.de
Let’s Play-Tutorials mit vielen einsteigerfreundlichen Tipps zu Stimme, Moderation und Technik auf gronkh.de
Lets Play-Tipps von Honeyball: Tipps zu Moderation, Ton und Bildqualität sowie Umgang mit ‚Hatern'Anlaufpunkt der Let’s Play-Community mit umfangreicher Tutorial Sektion ist das letsplayforum.de
Für viele Jugendliche ein Thema: Hintergründe zum Thema Geld verdienen mit Let’s Plays gibt es auf der Seite ulrichtausend.com
Ulrich Tausend: Radical Atoms – Ars Electronica 2016
Das Ars Electronica-Festival findet jährlich in Linz statt und bringt Digitales, Kunst und Wissenschaft zusammen, um ein Schaufenster in die Zukunft der Gesellschaft zu bieten. Das Jahresthema 2016 ‚Radical Atoms‘ stellte die Frage, wie man das Digitale wieder in die physische Welt bekommt. Lange Zeit waren Monitore mit grafischen Benutzeroberflächen unser Zugang zum Digitalen. Das bei der Ars Electronica Gezeigte geht dabei weit über das aktuell viel diskutierte Augmented Realityhinaus. In einer Art digitalen Kernschmelze können sich Information und Materie verbinden. Die Information wird dabei von den Beschränkungen des Pixeluniversums befreit, die Atome aus ihrer Starre heraus und in Bewegung gebracht. Das Ergebnis sind smarte Materien, die sich immer wieder neu modellieren lassen. Geformt von den Alchemistinnen und Alchemisten unserer Zeit, wie dem MIT Media Lab, von dem faszinierende Beispiele präsentiert wurden.
Eine Besonderheit der Ars Electronica ist, dass man den Künstlerinnen und Künstlern sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in offenen Labs über die Schulter schauen und sie kennenlernen kann. Das inspiriert nicht nur alt sondern auch jung. Insbesondere im großen U19 – Create your own World-Bereich. Hier konnte man beispielsweise mit selbst gezüchtetem phosphorisierendem Plankton Leuchtbilder malen, beim Game Jam Spiele entwickeln oder programmieren lernen. Im Drone Lab konnte man die Möglichkeiten der kleinen Flugmaschinen ausprobieren. Im Begleitprogramm konnte man High Speed-Dronen- Rennen bewundern und den Auftakt zur Klangwolke bildeten hundert Dronen, die zu klassischer Musik ‚tanzten‘. Die Ars Electronica 2016 waren fünf inspirierende Tage, dicht gesteckt mit Wissenschaft, Kunst, Performances, Musik und Symposien. Und das eingebettet in eine Stadt, die sich während des Festivals bei blendendem Wetter mit von ihrer besten Seite gezeigt hat.
www.aec.at
Ulrich Tausend: re:publica 2015 – Erfahrungsbericht eines Medienpädagogen
Was das Internet mit der Gesellschaft macht und was die Gesellschaft mit dem Internet anstellen kann – um diese Fragen zu diskutieren, treffen sich jedes Jahr Tausende zur Konferenz re:publica in Berlin. Im Mai 2015 waren es 7.000 Gäste (44 % davon weiblich) aus 60 Ländern, die in drei Tagen auf 17 Bühnen 850 Speakerinnen und Speakern gelauscht haben. Allerdings habe ich von dem zentralen Thema Finding-Europeleider nicht viel mitbekommen. Das lag zum einen am re:learn-Track, in welchem Kinder selbst erklärten, wie man mit der Suchmaschine fragFINN sucht. Daneben habe ich Visionen über ein total überwachtes Bildungssystem gehört und Diskussionen über netzpolitische Bildung mit YouTube gelauscht. Zum anderen lag es daran, dass ich selbst an zwei Vorträgen, an sogenannten Sessions, beteiligt war und deren Vor- und Nachbereitung einiges an Aufmerksamkeit gekostet hat. Für die re:publica lässt man sich schließlich besser etwas Außergewöhnliches einfallen. So fand unsere Präsentation zum Thema Stadtplanungs-Beteiligungsprojekte mit dem Spiel Minecraft direkt im Spiel statt und es entstand während der Konferenz ein ‚Konferenzzentrum der Zukunft‘.
In Zukunft soll übrigens auch die re:publica selbst weiterentwickelt werden, es soll eine Art Ableger für die Jugend entstehen: TINCON; auch dort wird Minecraft mit vertreten sein. Spontan ergab sich für mich schließlich auch noch die Möglichkeit, meine Idee eines Lightpainting- Weltrekordes während der ‚Closing Session‘ zu realisieren. So konnte ich die Konferenz mit Blick auf 2.500 Lichter beschließen. Aber selbst damit ist die inhaltliche Beschäftigung mit der Konferenz für mich jetzt nicht vorbei.
Denn einige Sessions wurden gefilmt und können auf www.re-publica.de abgerufen werden.
Ulrich Tausend: Die re:publica – am digitalen Puls?
Was macht das Internet mit der Gesellschaft? Was kann die Gesellschaft mit dem Internet anstellen? Um diese Fragen zu diskutieren, treffen sich jährlich Tausende Akteure aus der Netzgemeinde, Wissenschaft, Politik und Kultur zur re:publica- Konferenz in Berlin. Vor 12 Jahren als Blogger- Konferenz, von den Betreibern von Spreeblick und netzpolitik.org gestartet, hat sie sich zu einer international beachteten Veranstaltung mit einem vielfältigen Themenspektrum rund um Digitales und Gesellschaft entwickelt. Teil dieses digitalen Zeitgeschens wollte in diesem Jahr auch die Bundeswehr sein, was gleich zur ersten Kontroverse unter den Teilnehmenden der Konferenz führte. Drei Soldaten in Flecktarn standen zum Start der Tagung vor dem Veranstaltungsgelände, sprachen die Wartenden an und verteilten Flyer, um für die Zulassung mit einem eigenen Stand zu werben. Begleitet wurde der Auftritt von einer re:publica-kritischen Social Media-Kampagne. Ich persönlich kenne keine Veranstaltung bei der Twitter so stark genutzt wird wie auf der re:publica. Hier wird der Puls der Konferenz spürbar, und man bekommt einen kleinen Ausschnitt in das, was auf den 19 Bühnen gerade passiert. Vieles davon hatte mit dem diesjährigen Thema der Konferenz POP zu tun, das in verschiedenen Spielarten interpretiert wurde. Es sollten beispielsweise Filterblasen zum Platzen gebracht werden. Zudem wurden drängende Fragen nach den aktuellen Entwicklungen in der Medienlandschaft gestellt: Welchen Einfluss haben (Scripted) Reality Shows, Insta-Stars und Influencer auf die Gesellschaft? Was macht alternative Fakten so ‚sexy‘ für besorgte Bürgerinnen und Bürger? Sascha Lobo stellte hingegen die Frage nach dem Pop und Antipop(ulismus). Häufigstes Deutungsschema war aber "Power Of People", also wo die Macht der Masse liegt. Unverkennbar: Es wurde die politischste re:publica bisher. Der Stargast der diesjährigen Konferenz war die Whistleblowerin Chelsea Manning. Im Jahr 2010 hat sie, noch als Nachrichtenanalytikerin des US-Militärs unter dem Namen Bradley Manning, Hunderttausende Dokumente an Wikileaks weitergegeben.
Diese enthüllten unter anderem, dass Merkels Handy durch die NSA abgehört wurde und enthielten brisante Informationen über unrechtmäßig Inhaftierte in Guantanamo. Bekannt wurde auch ein Video, in dem US-Soldaten aus einem Kampfhubschrauber mehr als ein Dutzend Zivilisten erschossen. Nach sieben Jahren Haft wurde sie in einer der letzten Amtshandlungen Barack Obamas begnadigt. Auf der re:publica wurde ihr ein sehr herzlicher Empfang bereitet. Die größte Bühne war überfüllt und es gab viel Applaus für ihre Äußerungen. Manning kritisierte, dass in den zurückliegenden Jahren das Sammeln von Daten durch Staaten und Unternehmen immer weiter zu¬genommen hätte. "Wir dürfen nicht darauf warten, dass Institutionen sich verändern. Wir müssen sie selbst verändern", so appellierte sie an Programmiererinnen und Programmierer. Sie wandte sich auch an die versammelten Medienvertreterinnen bzw. -vertreter: Meinungsfreiheit bedeute nicht, jedem ein Mikrophon in die Hand zu geben, der eine Meinung habe. Manning selbst will kein Vorbild sein. Für viele re:publica-Besucherinnen und Besucher ist sie aber genau das. Jemand, der nicht nur redet und die Hoffnung auf Veränderung in Tweets ausdrückt, sondern handelt und für Überzeugungen – auch im Gefängnis – einsteht. Chelsea Menning hinterließ den Eindruck, dass die Netzgemeinde Heldinnen und Helden sucht und braucht. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Euphorie, die viele noch mit dem Internet der Anfangsjahre verbinden, mehr und mehr verfliegt. Für Sascha Lobo war das Internet zwar schon auf der re:publica 2014 kaputt. Die Bedenken gegenüber neuen technischen Entwicklungen und deren Einfluss auf die Gesellschaft haben wohl aber erst jetzt die Mitwirkenden über die Jahre eingeholt. Besonders häufig problematisiert wurde dabei die Rolle von Algorithmen in Entscheidungsprozessen. So sah Harald Lesch einen Verlust der Erkenntnisbegründungen, die zu einem Ende der Aufklärung führen könne. Man würde die Kontrolle durch von Algorithmen gesteuerte Prozesse verlieren. Die aktuell am weitesten fortgeschrittene Entwicklung in diesem Bereich beschrieb Katika Künreich. Sie gab einen Einblick in Chinas Social Credit-Systeme, bei der Konzerne die gesammelten Daten zu Suchverhalten, Social Media oder Finanztransaktionen kombinieren – mit vollumfänglich ‚legitimierten‘ Zugriff eines auf "Harmonie" zielenden Staates. 2020 wird die Nutzung solcher Systeme für alle Chinesinnen und Chinesen obligatorisch sein. Der Vortrag zeigte, wie sich die Digitalisierung zu einer massiven Bedrohung kritischen und damit auch demokratischen Denkens entwickeln kann.
Dagegen positioniert sich die p≡p coop, ein Zusammenschluss von Internet-Aktivistinnen und Aktivisten (Autorinnen wie Sibylle Berg, Juli Zeh und der Autor Marc-Uwe Kling sind Gründungsmitglieder), die auf der re:publica ihre Idee präsentierten: "Es wird allerhöchste Zeit, uns Bürgerinnen und Bürgern wirksam vor den Folgen der Digitalisierung zu schützen. Weil die Politik nichts unternimmt, machen wir das jetzt eben selbst", erklärte Zeh. p≡p steht für "pretty easy privacy" und will uns ermöglichen, auf CryptoPartys endlich wirklich zu feiern, da deren Verschlüsselungstechnik keiner langen Erklärung bedarf. Die düstere Show ließ viele Zuschauenden lange zweifeln, ob es sich um eine ernsthafte Initiative oder um eine Kunstaktion handelt. Als ich mit zwei Medienpädagogen über die Aktion sprach, zeigte sich, wie stark sie polarisierte. Für den einen war es die inspirierendste Session. Beim zweiten fiel sie komplett durch. Der kontroverse Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, gerade auf einer nicht rein medienpädagogischen Veranstaltung stellt einen großen (Mehr-)Wert der re:publica dar. Auf der re:publica laufen einem ständig Medienpädagoginnen und -pädagogen über den Weg. Besonders viele sieht man natürlich bei den unter dem Begriff re:learn zusammengefassten Vorträgen. Dort wurde gefragt, wie die Digitalisierung der Bildung gelingen kann. Es wurde über Making und Open Source in Bildungskontexten debattiert und besprochen, was der DigitalPakt so (nicht) mit sich bringt. Aber bei der re:publica handelt es sich eben nicht um eine medienpädagogische Fachkonferenz. Viele Vorträge bleiben eher an der Oberfläche. Die Stärke der re:pulica ist ihre Vielschichtigkeit. So konnte man dieses Jahr in vielen von den 400 Vorträgen, welche größtenteils online verfügbar sind, auch in Themen wie Blockchain oder Smart City eintauchen. Dazu gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm, dessen kommerzieller Einfluss durch die hohe Präsenz von (Medien-)Unternehmen in Ausstellungsständen und Vorträgen spürbar ist. Insbesondere bei der angedockten Media Convention kann es passieren, dass eine Session weniger kritisch ausfällt und eher einer Werbeveranstaltung gleicht. Einige Besucherinnen und Besucher schwärmen in solchen Momenten vom weniger kommerziellen Chaos Computer Congress. Dennoch: Ein Besuch der re:publica gibt die Chance auf das Einverleiben des Hier und Jetzt – dem Spüren des digitalen Pulses.
Ulrich Tausend, Anna Bauregger und Katrin Fleischmann: Out of the Box – Ars Electronica Festival
Seit 40 Jahren stellt das Ars Electronica Festival eine Schnittstelle von Kunst, Technologie und Gesellschaft dar – und nutzt die künstlerische Herangehensweise, um einen kritischen Blick auf die digitale Revolution zu werfen.
Ganz im Zeichen der Zeit lautete das Jubiläumsthema „Out of the Box oder die Midlife-Crisis der digitalen Revolution“, auch hier mit unterschiedlichen Perspektiven. Zugleich wird reflektiert, welchen Einfluss Firmen auf die digitale Handlungsfähigkeit nehmen, und dazu aufgefordert, neue Ideen fern von ausgetretenen Pfaden zu denken.
Das fünftägige Programm zeigte sich extrem vielfältig. Aus medienpädagogischer Sicht besonders interessant war der Bereich u19 create your world mit diversen Labs und Projekten für und von Jugendlichen. Hier bot das Festival in Linz auch den Aktivistinnen und Aktivisten der Fridays for Future Raum, welche von hier in einen Demonstrationszug durch die Stadt zogen. Vom zentralen Veranstaltungsort der PostCity aus wurden auch weitere Locations integriert. Erreichbar via Shuttle rundete somit unter anderem das AIxMusic Festival im Stift St. Florian das Angebotsspektrum mit Vorträgen, Workshops, Installationen und auch Konzerten ab, auf denen Musik mit Hilfe künstlicher Intelligenz erzeugt wurde. Auf experimentellen Musikveranstaltungen wie der Nightline trafen zudem unterschiedlichste Akteurinnen und Akteure, wie das Bruckner Orchester Linz, digitale Klangkünstlerinnen bzw. -künstler, Visual Artists und sogar Industrieroboter aufeinander.
Herausragende Beiträge für Computerkunst aus aller Welt wurden abschließend mit dem Prix Ars Electronica im OÖ Kulturquartier gewürdigt.
Das Ars Electronica Festival eröffnete einen zum Teil recht unverhüllten Blick in aktuelle Entwicklungen und Dialoge von Kunst, Technologie und Gesellschaft. Dabei präsentierte es sich kritisch, oft auch lösungsorientiert und inspirierte Besuchende, im wahrsten Sinne des Wortes, außerhalb ihrer Box zu denken.
Katrin Fleischmann und Ulrich Tausend: May you live in interesting times – 58. Biennale Venedig
Alle zwei Jahre findet in Venedig die Biennale statt – eine der ältesten und wichtigsten Ausstellungen der Gegenwartskunst. Ein halbes Jahr (noch bis zum 4. November) heißt es, gemäß des diesjährigen Kurators, Ralph Rugoff: „May you live in interesting times“. Das vermeintlich chinesische Sprichwort eines britischen Diplomaten bezog sich ursprünglich auf den aufkommenden Faschismus in Europa und
verweist auf zahlreiche Kunstwerke der Biennale zu den Themen Umwelt, Flucht, Rassismus und Populismus. In der Hauptausstellung präsentieren sich 79 Künstlerinnen und Künstler jeglicher Couleur. Als besonders umstritten gilt die Barca Nostra, ein 2015 vor Lampedusa gesunkenes Flüchtlingsschiff, das hunderte Menschen in den Tod riss. Die Frage, ob das Kunst sei oder sein darf oder es sich vielmehr um Voyorismus handele, wurde vor Ort und in den Medien kontrovers diskutiert.Neben der Ausstellung präsentieren sich Künstlerinnen und Künstler aus 90 Länder in eigenen Pavillions. Während einige im Guadini Park eingebettet sind, finden andere ihren Platz verteilt über die Stadt. So auch der herausragende litauische Pavillion. Prämiert mit dem Goldenen Löwen wurde die aufwändige Opern-Performance Sun & Sea (Marina), welche das Erdgeschoss eines alten Gebäudes in einen Strand verwandelt und singenden Besucherinnen und Besuchern Einblicke in ihre alltäglichen Gedanken und Ängste gibt.
Die Biennale bietet einen vielfältigen Einblick in die Gegenwartskunst eingebettet in das malerische Venedig. Besucherinnen und Besucher erwarten fertig ausgearbeitete Kunstwerke. Im Gegensatz dazu hat das Ars Electronica Festival mehr den Charakter eines Labors, bei dem man die Gelegenheit hat, Einblicke in aktuelle mediale und technischen Entwicklungen zu bekommen.