Krystian Woznicki
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Krystian Woznicki: Der Patriot als Markenkonsument
"There is nothing wrong with getting somebody who knows how to sell something. We are selling a product. The product we are selling is democracy. We need someone who can rebrand American foreign policy, rebrand diplomacy. She got me to buy Uncle Ben's rice." – Colin Powell legitimierte mit diesen Worten die Anstellung der Marketingspezialistin Charlotte Beers als Under Secretary of State for Public Diplomacy„Beers believes that our country must show that the tragedy of September 11 was an attack on the world, not just America. One tangible way she has done this was to update the US government website with a map showing the more than 80 countries affected by the tragedy.“ – Melissa Overby
Der US-Nachrichtensender CNN betreibt eine Website: www.cnn.com
Dort sind täglich, manchmal sogar auch stündlich neuste Nachrichten zu lesen. Top-Meldungen werden meistens mit einem Bild hervorgehoben, das ungefähr Kreditkarten-gross ist. Auf diesem engen Raum bündeln die CNN-Redakteure visuelle Daten, die so prägnant, aussagekräftig und aufsehenerregend sein müssen, dass sie es schaffen das Auge des Internet-Flaneurs in ihren Bann zu ziehen. Meistens gelingt das mit Bildern des Nachrichtendienstes Associated Press oder Reuters. Besonders wirksam sind jedoch die Eigenkreationen des Hauses CNN: Grafiken und Computer-Collagen mit karthographischen Elementen, eingeblendeten Talking-Heads und symbolischen Elementen. Als ein Leitmotiv kann die US-Amerikanische Flagge ausgemacht werden, dass Sinnbild des Patriotismus. Es gibt ganz klassische Konstellationen. Auf „Iraq Ustates“ ist zum Beispiel ein karthographischer Ausschnitt des nahen Ostens zu sehen, auf dem der Irak farblich hervorgehoben ist. Darüber schweben die irakische und amerikanische Fahne, vis a vis, als würden sich zwei Boxer gegenüber stehen. Zwei souveräne Gebilde (Staaten), die kurz davor stehen miteinander in den Krieg zu treten.
Es gibt jedoch auch Kompositionen, die alles andere als klassisch sind, die uns eigentlich wundern müssten, denn in ihnen erfährt das Symbol des Patriotismus eine Zersetzung. Die Fahne zerfällt in individuelle Elemente. Sie ist in Ausschnitten zu sehen, als semi-transparenter Hintergrund, als abstrahierte Quecksilbermasse. Sie ist flüssig geworden, formbar, rekonfigurierbar. Um ein paar Beispiele zu geben: „Bush Briefing“ heisst ein Bild, auf dem der US-Amerikanische Präsident mit erhobener Stimme dem Betrachter direkt in die Augen schaut. Im Sturzflug-Modus fliegt rechts neben ihm eine Passagiermaschine in den gräulich-porösen Hintergrund, während über seiner linken Schulter zwei kräftige rote Streifen auf weissem Hintergrund so geneigt sind, dass sie eine Aufwärtsbewegung gen Himmel beschreiben. „Padilla Radiation 2“ heisst ein anderes Bild, auf dem ein Schwarz-Weiss-Bild eines mutmasslichen Terroristen in der linken Bildhälfte untergebracht ist. Die andere Hälfte ist vielschichtig belegt: Ein feinmaschiges, mit Computer-Präzision gestanztes Noppen-Raster; eine imaginäre Landschaft von heller werdenden Erhebungen und von Graustufen bis ins Schwarz vordringenden Untiefen; das Symbol für Radioaktivität in dreifacher Ausführung nebeneinander angeordnet, wie die drei Teilansichten des Erdballs und zwischen all diesen Ebenen die rot-weissen Streifen und die blaue Fläche mit weissen Flecken drauf: geisterhaft-verschwommen, konturenlos und blass. Am erstaunlichsten ist allerdings ein Bild, das einfach nur „War On Terror“ heisst. Es besteht aus drei Ebenen und ebenso vielen Elementen: Ein schwarzes Fadenkreuz befindet sich im Vordergrund und überlagert einen blau schimmernden, transparent-gläsernen Globus an der Stelle, wo sich die USA befindet. Der blaue Globus geht fliessend über in das Blau im Hintergrund, das sich neben den roten und weissen Farbtupfern zur Fahne zusammensetzt.
Diese ist flatternd in Bewegung begriffen und scheint – als wäre sie aus noch nicht getrockneten Wasserfarben gemacht – zu zerfliessen. Solche Auflösungserscheinungen zapfen die Angsthormone des Betrachters an; sie schüren Paranoia, schliesslich ist als im Zerfall begriffen dargestellt, was das geliebte Vaterland repräsentiert. Gleichzeitig artikuliert diese visuelle Strategie eine expansive Grossmachtpolitik mit den Mitteln des ästhetischen Cross-Marketings. Das Symbol der „Brand USA“ (Charlotte Beers) wird als wiedererkennbares Logo in die unterschiedlichsten semiotischen Zusammenhänge übersetzt, wobei der Wiedererkennungswert zu steigen scheint, je stärker die Flagge verfremdet wird. Ein solches Branding schult den Patrioten in zeitgenössischer Geopolitik: Das Vaterland ist nicht mehr das, was es mal war. Die Grenzen sind nicht mehr klar umrissen; das heimische Territorium ist eine flexible Größe geworden. Der in Verruf geratene Wahlspruch „Recht oder Unrecht - es ist mein Vaterland!“ wird damit nicht nur wieder aktuell, er erfährt auch eine gänzlich neue Wendung. Im Zweifelsfall dient nicht nur der Erdball als patriotische Projektionsfläche, sondern - CNNs „War On Terror“-Bild legt dies nahe - auch das gesamte Universum.