Prof. Dr. Anja Hartung-Griemberg
- Beirat
Aktivitäten
Seit 01/2016: Professorin für Kultur- und Medienbildung an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg und Abteilungsleiterin.
Schwerpunkte
- Sozialisation und Bildung unter den Bedingungen mediatisierter Lebenswelten
- Ästhetische und kulturelle Bildung
- Medien und höheres Erwachsenenalter
Beiträge in merz
Niels Brüggen / Anja Hartung: Grenzgänge zur Ästhetik
Das Projekt „MixTOUR“ steht Modell für die aktuelle Auseinandersetzung mit medienkünstlerischen und kunstpädagogischen Sichtweisen.
Auf dem Forum für Kommunikationskultur 2003 zum Thema „Media Art meets Media Education – Künstlerische Impulse für die Medienpädagogik“ allerdings wurde im Hinblick auf diese Öffnung von kunstpädagogischer Seite aus nachgefragt: „Ist denn alles ästhetisch? Reicht irgendwie und sowieso?“
Anhand von Materialien der Evaluation des Projektes wird nach Impulsen und Grenzen künstlerisch-kreativer Medienarbeit gefragt.
(merz 2004-5, S. 54-59)
Anja Hartung und Niels Brüggen: Experimentierräume in der kreativen Medienarbeit
Der Selbstausdruck mit Medien ist heute eine selbstverständliche Praxis jugendlichen Medienhandelns. Mit der Entwicklung der digitalen Medien verbunden ist die Entstehung vielfältiger Gestaltungsmöglichkeiten, die neue Formen des Selbstausdrucks ermöglichen und zugleich das Experimentieren provozieren. Wie Experimentierräume pädagogisch ausgestaltet werden können, um ästhetische Bildungsprozesse anzuregen, wird im Folgenden anhand der Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung des Modellprojekts MIXTOUR – Das Medienmobil nachgezeichnet.
Literatur
Baacke, Dieter (1997). Medienpädagogik. Tübingen: Niemeyer
Friedrich, Helmut F./Mandl, Heinz (1997). Analyse und Förderung selbstgesteuerten Lernens. In: Weinert, Franz E./Mandl, Heinz (Hg.), Psychologie der Erwachsenenbildung. Enzyklopädie der Psychologie. Göttingen: Hogrefe. S. 237-293
Peez, Georg. (2002). Praxisforschung in der Kunstpädagogik. www.georgpeez.de/texte/praxisfor.htm, [Zugriff: 07.01.2005]
Niesyto, Horst (2000). Medienpädagogik und soziokulturelle Unterschiede. Eine Studie zur Förderung der aktiven Medienarbeit mit Kindern und Jugendlichen aus bildungsmäßig und sozial benachteiligten Verhältnissen. Medienpädagogischer Forschungsverbund.
Schorb, Bernd (1995). Medienalltag und Handeln. Medienpädagogik im Spiegel von Geschichte, Forschung und Praxis. Opladen: Leske und Budrich
(merz 2008-05, S. 19-26)
Anja Hartung und Wolfgang Reißmann: Emotionales Erleben von Musik im Jugendalter
Musik hat im Leben vieler Jugendlicher eine besondere emotionale Bedeutung und auch Jugenderinnerungen Erwachsener sind häufig an bestimmte Musiktitel, Bands oder Musikstile geknüpft. Der Beitrag versucht, die Vielfalt des emotionalen Erlebens von Musik im Jugendalter zu bündeln und zeigt auf diese Weise, dass das Zusammenspiel von Musik und Gefühl weit über die Regulierung situativer Befindlichkeiten hinaus geht.(merz 2007-4, S. 23-30)
Anja Hartung-Griemberg: Medienpädagogik und Altersforschung
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Interdisziplinärer Diskurs
Medien vor 60 Jahren – Medien heute. Da ist vieles gleich geblieben und doch irgendwie alles ganz anders. Wir sind vernetzt, online und mobil, Medien sind immer und überall – und aus keinem Lebensbereich und keiner (humanwissenschaftlichen) Disziplin wegzudenken. merz, seit 60 Jahren Forum der Medienpädagogik, nimmt ihren Geburtstag zum Anlass, um dies im interdisziplinären Horizont zu erörtern. Wir fragten Kolleginnen und Kollegen verschiedenster Disziplinen: Was macht den Mehrwert medienpädagogischer Forschung und Praxis in der zunehmend mediatisierten Gesellschaft aus?
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Im Selbstideal der wachstumsorientierten Gegenwartsgesellschaft ist die Idee einer potenten Mediengesellschaft fest verankert. Medien, insbesondere Informations- und Kommunikationstechnologien haben einen großen Anteil an Wertschöpfung, Wirtschaftswachstum und internationaler Wettbewerbsfähigkeit und versinnbildlichen damit zugleich das Ideal des Fortschritts durch permanente Innovation. Anschaulich wird dies an den umfangreichen Bestrebungen, die Bevölkerung an die jeweils neuen medialen Entwicklungen anzupassen. Das Alter wird dabei überwiegend als besorgniserregender Zustand zum Thema, der geprägt ist von einem Verlust an Medienkompetenz. Ausgehend von der Behauptung eines kohortenspezifischen Nutzungsdefizits werden Produkte und Dienstleistungen offeriert, die Ältere im Umgang mit Computer und Internet qualifizieren sollen. Getragen wird diese Sicht häufig von einem normativen Anspruch, ohne dass dieser in seiner Bedeutung reflektiert in Bezug zur Lebenswelt und den höchst unterschiedlichen Bedürfnislagen Älterer gesetzt wird. Im Vordergrund steht die Frage: Was leistet das Alter für eine Gesellschaft, die eine hochdynamische Mediengesellschaft ist. Selten wird danach gefragt, was Medien für das Alter(n) und das Alter für eine humane Entwicklung unserer Medienkultur bedeuten können. In der medienpädagogischen Forschung und Praxis wurde der Konnex ‚Medien und Alter(n)’ bislang noch ausgesprochen temporär, disparat und undifferenziert in den Blick genommen. Während sich im Umfeld der Kinder- und Jugendmedienforschung eine vielschichtige Forschungslandschaft entwickeln konnte, die eine elaborierte Grundlagen- und Spezialliteratur hervorgebracht hat, findet sich kaum Vergleichbares für das höhere Lebensalter.
Eine solche pädagogisch grundierte Forschung aber ist nicht zuletzt deshalb notwendig, weil unsere mediatisierte Lebenswirklichkeit nicht nur als Problem für das Alter zu denken ist, sondern diese gleichsam Potenziale für neue Lebensformen, neue (medienvermittelte) Partizipationsformen, aber auch für Lern- und Bildungsprozesse birgt. Wenn wir davon ausgehen, dass Alter(n)swirklichkeiten von Medien beeinflusst und durch Altersbilder konstituiert sind, so ist es von großer Bedeutung, inwieweit ältere Menschen von ihrem Standpunkt aus medial präsent sind und damit ein medienvermitteltes Gespräch und ein Verständnis ihrer Situation in öffentlicher Auseinandersetzung um Alter(n) ermöglicht werden. In der Medienpädagogik hat dieser Gedanke im Ansatz der ‚aktiven Medienarbeit‘ eine lange Tradition. Medienpraxisprojekte können Möglichkeitsräume für die Auseinandersetzung mit dem Alter, mit antizipierten gesellschaftlichen Erwartungen, aber auch mit altersbezogenen Ängsten und Herausforderungen eröffnen. Das ist vor allem deshalb relevant, weil das Alter zunehmend auch eine Lebensphase der Erkundung neuer Möglichkeiten und Lebensweisen als auch der Entstehung von Alter(n)ssubkulturen darstellt. Dazu bedarf es aber einer Forschung und Praxis, die nicht auf Anschluss defizitärer Medienakteurinnen und -akteure fokussiert, sondern Ältere als erfahrene und wertvolle Subjekte ernst nimmt und deren kritisches Bewusstsein hinsichtlich verschiedener Medien in Projekten konstruktiv aufgegriffen werden kann. Beides vermag medienpädagogisches Handeln zu leisten.
Prof. Dr. Anja Hartung-Griemberg leitet die Abteilung Kultur-und Medienbildung der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg sowie das Institut für Medien und gesellschaftlicher Wandel Leipzig. Ihre Schwerpunkte sind Medienhandeln älterer Menschen und mediatisierte Rahmenbedingungen des Alter(n)s in zeitgenössischen Gesellschaften.
Anja Hartung: Vom Wert der Freundschaft
Ungeachtet des Wandels ihrer Ausprägungen und Praktiken haben Freundschaften im Jugendalter nicht an Bedeutung verloren. Im alltäglichen Ringen um Anerkennung eröffnen diese eine Sphäre sozialer Freiheit, in der die Integrität der sich entwickelnden Persönlichkeit und das Selbstwertgefühl gestärkt und gleichsam kritisch-reflexive Potenziale zur Entfaltung gebracht werden können.
Literatur:
Autenrieth, Ulla P./Banziger, Andreas/Rohde, Wiebke/Schmidt, Jan (2011). Gebrauch und Bedeutung von Social Network Sites im Alltag junger Menschen. In: Neumann-Braun, Klaus & Autenrieth, Ulla (Hrsg.), Freundschaft und Gemeinschaft im Social Web. Baden-Baden: Nomos, S. 31-54.
Friedmann, Marilyn (2008). Freundschaft und moralisches Wachstum. In: Honneth, Axel, Rössler, Beate (Hrsg.), Von Person zur Person. Zur Moralität persönlicher Beziehungen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 148-167.
Hahn, Alois (2012). Zur Soziologie der Freundschaft. In: Münchberg, Katharina/Reidenbach, Christian (Hrsg.), Freundschaft. Theorien und Poetiken. München: Wilhelm Fink.
Hobi, Nina/Kleinschnittiger, Vanessa (2011). Zuhause im Kosmos. Funktionen und Organisation von Gemeinschaft am Beispiel der Jugendwebsite jetzt.de. In: Neumann-Braun, Klaus/Autenrieth, Ulla (Hrsg.) (2013), Freundschaft und Gemeinschaft im Social Web. Baden-Baden: Nomos, S. 243-259.
Honneth, Axel (2008). Freundschaft. Einführung. In: Honneth, Axel /Rössler, Beate (Hrsg.), Von Person zu Person. Zur Moralität persönlicher Beziehungen, S. 143-147.
Honneth, Axel (2010). Das Ich im Wir. Studien zur Anerkennungstheorie. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Honneth, Axel (2013). Das Recht der Freiheit. Grundriss einer demokratischen Sittlichkeit. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Jörissen, Benjamin/Marotzki, Winfried (2009). Medienbildung – Eine Einführung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Joas, Hans (1999). Die Entstehung der Werte. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Neumann-Braun, Klaus (2010). Fremde Freunde im Netz? Selbstpräsentation und Beziehungswahl auf Social Network Sites – ein Vergleich von Facebook.com und Festzeit.ch. In: Hartmann, Maren/Hepp, Andreas (Hrsg.), Die Mediatisierung der Alltagswelt. Wiesbaden: VS Verlag, S. 163-182.
Nötzoldt-Linden, Ursula (1994). Freundschaft: Zur Thematisierung einer vernachlässigten soziologischen Kategorie. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Reißmann, Wolfgang (2012). Authentizitätsvorstellungen im Wandel? Jugendliches Bildhandeln in Netzplattformen. Einreichung zum CfP „Echtheit, Wahrheit, Ehrlichkeit. Die ethische Frage nach Authentizität in computervermittelter Kommunikation“. www.netzwerk-medienethik.de/wp-content/uploads/2011/03/Abtrsacts_NME12.pdf [Zugriff: 28.04.2015].
Ricoeur, Paul (2006). Wege der Anerkennung. Erkennen, Wiedererkennen, Anerkennen. Aus dem Französischen von Ulrike Bokelmann und Barbara Heber-Schärer. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Schorb, Bernd/Jünger, Nadine/Rakebrand, Thomas (Hrsg.) (2013). Die Aneignung konvergenter Medienwelten durch Jugendliche. Das Medienkonvergenz Monitoring. Berlin: Vistas.
Schorb, Bernd/Kießeling, Matthias/Würfel, Maren/Keilhauer, Jan/Jünger, Nadine (2013). Soziale Online-Netzwerke als Lebensraum. In: Schorb, Bernd/Jünger, Nadine/Rakebrand, Thomas (Hrsg.) (2013), Die Aneignung konvergenter Medienwelten durch Jugendliche. Das Medienkonvergenz Monitoring. Berlin: Vistas, S. 105-160.
Trost, Kai Erik (2014). Soziale Online-Netzwerke und die Mediatisierung der Freundschaft. Eine qualitative Studie zur Bedeutung von Facebook für das Freundschaftskonzept Jugendlicher. Baden-Baden: Nomos.
Trost, Kai Erik (2014). Warum Soziale Online-Netzwerke (doch) nicht zu einer Entfremdung der Freundschaft unter Jugendlichen führen. Ein Beitrag aus der mediensoziologischen Perspektive. In: Junge, Thorsten (Hrsg.), Soziale Netzwerke im Diskurs. www.medien-im-diskurs.de [Zugriff: 30.04.2015].
Voigt, Martin (2015). Mädchenfreundschaften unter dem Einfluss von Social Media. Eine soziolinguistische Untersuchung. Frankfurt am Main: Peter Lang.
Wagner, Ulrike/Brüggen, Niels (Hrsg.) (2013). Teilen, vernetzen, liken. Jugend zwischen Eigensinn und Anpassung im Social Web. München: Nomos.
Waechter, Nathalia/Triebswetter, Katrin/Jäger, Bernhard (2011). Vernetzte Jugend Online: Social Network Sites und ihre Nutzung in Österreich. In: Neumann-Braun, Klaus/Autenrieth, Ulla (Hrsg.) (2013), Freundschaft und Gemeinschaft im Social Web. Baden-Baden: Nomos, S. 55-77.
Voigt, Martin (2015). "ich und meine abf" – Zur psychosozialen Konstitution der 00er-Generation am Beispiel online inszenierter Mädchenfreundschaften." In: Dittler, Ullrich/Hoyer, Michael (Hrsg), Social Network – Die Revolution der Kommunikation. München: kopaed, S. 155-184.
Wolfgang Reißmann und Anja Hartung: Jugend und Radio.
Welche Bedeutung hat das Radio in immer differenzierteren Medienrepertoires junger Menschen? Was vermag Radioarbeit als eine Besonderung aktiver Medienarbeit auch heute zu leisten? Die Klammer bildet eine Studie, in der das Musikmedienensemble von jungen Menschen untersucht wurde und dabei unter anderem die Radioarbeit als ein Untersuchungsinstrument eingesetzt wurde.
Literatur
Bloech, Michael; Fiedler, Fabian; Lutz, Klaus (Hrsg.) (2005): Junges Radio. Kinder und Jugendliche machen Radio. München: kopaed.
Hartung, Anja (2008): Humor im Hörfunk und seine Aneignung durch Kinder und Jugendliche. Eine qualitative Untersuchung. München: kopaed.
Hartung, Anja; Reißmann, Wolfgang; Schorb, Bernd (2009): Musik und Gefühl. Eine Untersuchung zur gefühlsbezogenen Aneignung von Musik im Kindes- und Jugendalter unter besonderer Berücksichtigung des Hörfunks. SLM-Schriftenreihe, Bd. 17. Berlin: Vistas
Hasebrink, Uwe; Domeyer, Hanna (2010): Zum Wandel von Informationsrepertoires in konvergierenden Medienumgebungen. In: M. Hartmann, A. Hepp (Hrsg.), Die Mediatisierung der Alltagswelt. Wiesbaden, S. 49-64.
Palme, Hans-Jörg; Schell, Fred (Hrsg.) (1998): Voll auf die Ohren 2. Kinder und Jugendliche machen Radio. Beispiele, Anregungen, Ideen. München: Kopäd.
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.) (2009): JIM 2009. Jugend, Information, (Multi-)Media. Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland. Stuttgart.
Schell, Fred (2005): Grundlagen aktiver Medienarbeit mit Audio. In: Bloech, Michael; Fiedler, Fabian; Lutz, Klaus (Hrsg.): Junges Radio. Kinder und Jugendliche machen Radio. München: kopaed, S. 9-19.
Schorb, Bernd; Hartung, Anja (2003): Gewalt im Radio: Eine Untersuchung zur Wahrnehmung, Bewertung und Verarbeitung von Unterhaltung im Hörfunk durch 9- bis 16-Jährige. AML-Schriftenreihe, Bd. 2. Berlin: Vistas.
Wagner, Ulrike; Theunert, Helga (Hrsg.) (2006): Neue Wege durch die konvergente Medienwelt. BLM-Schriftenreihe, Bd. 85. München: Fischer.
Die Autor/innen Dr. Anja Hartung, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Medienpädagogik und Weiterbildung der Universität Leipzig.Wolfgang Reißmann, M.A., ist Stipendiat im Promotionskolleg „Communication and Digital Media“ der Universität Erfurt.
Anja Hartung: Musikhören als Konstitution geteilter Bezugnahmen auf Selbst und Welt
Das gemeinsame Musikhören in Familien vermag ebenso Momente sozialer Nähe und Bindung zu konstituieren wie das Schaffen von Situationen intersubjektiver Verständigung und das Entstehen von Gemeinsamkeit. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist jenen allzu vereinfachenden Etikettierungen von Jugendzeit als Zeit der Absetzbewegung und Ablösung vom Elternhaus zu widersprechen, die noch allzu oft die mystifizierte Liaison ‚Musik und Jugend’ beschreiben.
Literatur
Bergson, Henri (1896). Denken und Schöpferisches Werden (L‘Èvolution créatrice). Jena: Europäische Verlagsanstalt.
Böhme, Gernot (1998). Anmutungen: Über das Atmosphärische. Ostfildern: edition tertium.
Bohnsack, Ralf/Schäffer, Burkhard (2002). Generation als konjunktiver Erfahrungsraum. Eine empirische Analyse generationenspezifischer Medienpraxiskulturen. In: Burkart, Günter/Wolf, Jürgen (Hrsg.), Lebenszeiten. Erkundungen zur Soziologie der Generationen. Opladen: Leske + Budrich, S. 249-273.
Hartung, Anja/Reißmann, Wolfgang/Schorb, Bernd (Hrsg.) (2009). Musik und Gefühl. Berlin: Vistas.
Mannheim, Karl (1964). Das Problem der Generationen. In: Ders., Wissenssoziologie. Soziologische Texte 28. Berlin/Neuwied: Klostermann, S. 509-565. Ursprünglich in: Kölner Vierteljahreshefte für Soziologie, 6. Jg., H. 2, 1928, S. 157-184.
Matussek, Peter (2002). Déjà entendu. Zur historischen Anthropologie des erinnernden Hörens. In: Oesterle, Günter/Schneider, Lothar (Hrsg.), Déjà Vu. München : o. V. S. 289-309. www.peter-matussek.de/Pub/A_47.pdf [Zugriff: 3.12.2009].
Mayerfeld-Bell, Michael (1997). The Ghosts of Place. In: Theory and Society. Nr. 26, S. 813-836.Ricoeur, Paul (2004). Gedächtnis, Geschichte, Vergessen (La Mémoire, l`Histoire, l`obubli). München: Fink
Schäffer, Burkhard (2003). Generationen – Medien – Bildung. Medienpraxiskulturen im Generationenvergleich. Opladen: Leske + Budrich.
Vollbrecht, Ralf (2003). Aufwachsen in Medienwelten. In: Fritz, Karsten/Sting, Stephan/Vollbrecht, Ralf (Hrsg.), Mediensozialisation. Pädagogische Perspektiven des Aufwachsens in Medienwelten. Opladen: Leske + Budrich, S. 13-24.
Daniela Küllertz/Anja Hartung: Parodien als kritisch-reflexives Medienhandeln
Welchen Stellenwert haben aus der Perspektive einer medienpädagogisch interessierten Medienbildungsforschung medienkonvergente Parodien für Verständigung, Partizipation und Selbstbestimmung? Bezugnehmend auf medientechnische Kommunikationsbedingungen werden anhand ausgewählter Beispiele Parodien als kritisch-reflexives Medienhandeln und als Verständigung über relevante Lebensfragen wie der Legitimität politischer Sinnbezüge oder ökonomischer Weltordnungen veranschaulicht.The paper focuses the value of media-convergent parodies for understanding, participation and self-determination. In reference to technical media-conditions parodies are illustrated as critical and reflexive actions and as a part of a new participating culture around relevant questions of life like the legitimacy of symbolic, political or economic orders.
Literatur
Baacke, Dieter/Kluth, Theda (Hrsg.) (1980). Praxisfeld Medienarbeit. Beispiele und Informationen. München: Juventa.
Böhme, Gernot (2008). Zur Kritik der ästhetischen Ökonomie. In: Maase, Kaspar (Hrsg.), Die Schönheiten des Populären: Ästhetische Erfahrung der Gegenwart. Frankfurt/ Main: Campus.
Bollnow, Otto Friedrich (1966). Sprache und Erziehung. 2. Auflage. Stuttgart: Kohlhammer.
Cherry, Scott (2008). Parody as a Performative Analytic: Beyond Performativity as Metadiscourse [50 paragraphs]. In: Forum Qualitative Sozialforschung 9 (2), Art. 25, nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0802258 [Zugriff: 01.07.2009]
Chomsky, Noam (2003). Media Control. Hamburg: Europa-Verlag.Düllo, Thomas/Liebl, Franz (2005). Cultural Hacking: Die Kunst des Strategischen Handelns. Wien: Springer.
Eco, Umberto (1987). Für eine semiologische Guerilla. In: Eco, Umberto, Über Gott und die Welt: Essays und Glossen. München: dtv, S. 146-156.
Flusser, Vilèm (2005). Medienkultur. 4. Auflage, Frankfurt/ Main: Fischer.
Flusser, Vilèm (2007). Kommunikologie. 4. Auflage. Frankfurt/ Main: Fischer.
Habermas, Jürgen (1985). Recht und Gewalt – ein deutsches Trauma. In: Habermas, Jürgen, Die neue Unübersichtlichkeit. Frankfurt/Main: Suhrkamp, S. 100-117.
Habermas, Jürgen (2006). Ein avantgardistischer Spürsinn für Relevanzen. Was den Intellektuellen auszeichnet. Dankesrede. Preisrede von Jürgen Habermas anlässlich der Verleihung des Bruno-Kreisky-Preises für das politische Buch 2005, Wien. www.renner-institut.at/download/texte/habermas2006-03-09.pdf [Zugriff: 01.03.2009]
Hartung, Anja (2009) (in Vorbereitung). Hörfunk. In: Schorb, Bernd/Demmler, Kathrin/Anfang, Günther (Hrsg.), Grundbegriffe Medienpädagogik – Medienpraxis. München: kopaed, S. 113-115.
Hartung, Anja/Brüggen, Niels (2007). Selbstinszenierung Jugendlicher in (virtuellen) Kontaktbörsen. In: Neuß, Norbert/ Große-Loheide, Mike (Hrsg.), Körper. Kult. Medien. Inszenierungen im Alltag und in der Medienbildung. Schriften zur Medienpädagogik 40. Bielefeld: Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur, S. 143-152.
Hartung, Anja/Reißmann, Wolfgang/Schorb, Bernd (2009). Musik und Gefühl. Eine Untersuchung zur gefühlsbezogenen Aneignung von Musik im Kindes- und Jugendalter unter besonderer Berücksichtigung des Hörfunks. Berlin: Vistas.
Heibach, Christiane (2001). Vom Nutzen und Nachteil der Medientheorien für die Erwachsenenbildung. Vortrag am Deutschen Institut für Erwachsenenbildung am 15.11.2000. www.die-frankfurt.de/esprid/dokumente/doc-2001/heibach01_01.htm [Zugriff: 06.03.2008].
Joas, Hans (2001). Wertevermittlung in einer fragmentierten Gesellschaft. Vortrag anlässlich des vierten Werkstattgespräches der Initiative ‚McKinsey bildet‘ im SchlossTegel, Berlin, am 03.12.2001. www.mckinsey-bildet.de/downloads/02_idee/w4_vortrag_joas.pdf [Zugriff: 07.04.2009]
Jörissen, Benjamin/Marotzki, Winfried (2009). Medienbildung– Eine Einführung. Theorie – Methoden – Analysen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Kreissl, Reinhard (2005). Die Fake-Guerilla im Cybermarxismus. Vorüberlegung zur Transformation sozialer Kontrolle und ihrer Kritik. In: Krol, Martin/Luks, Timo/Matzky-Eilers, Michael (Hrsg.), Macht – Herrschaft – Gewalt. Münster: LIT, S. 35-66.
Krotz, Friedrich (2007). Mediatisierung. Fallstudien zum Wandel von Kommunikation. Wiesbaden: VS Verlag.
Küllertz, Daniela (2007). Überlegungen zu einer bildungstheoretisch inspirierten Diskursanalyse multimedialer Artikulation. In: bildungsforschung, Jg. 4, (2). www.bildungsforschung.org/Archiv/2007-02/diskursanalyse [Zugriff: 07.06.2009]
Küllertz, Daniela (2009). Medienkunst als Medienbildungsraum an der Schnittstelle von Wissenschaft und Öffentlichkeit. In: Marotzki, Winfried/Schelhowe, Heidi/Grell, Petra (Hrsg.), Neue digitale Kultur- und Bildungsräume. Wiesbaden: VS Verlag.
Küllertz, Daniela/Hartung, Anja (2009). Wenn das ‚eigentliche‘ Leben beginnt – Zur Entstehung von Medienbildungsräumen durch die Digitalisierung und Vernetzung von Lebensräumen älterer Menschen. In: Schorb, Bernd/Hartung, Anja/Reißmann, Wolfgang (Hrsg.), Medien und höheres Lebensalter. Wiesbaden: VS Verlag, S. 187-210.
Lasn, Kalle (2005). Culture Jamming. Das Manifest der Anti-Werbung. Freiburg: Orange Press.
Manovich, Lev (2002). The Language of New Media. Cambridge: MIT Press. www.manovich.net/LNM/Manovich.pdf [Zugriff: 15.09.2008]
Marotzki, Winfried (1990). Entwurf einer strukturalen Bildungstheorie. Weinheim: Deutscher Studien-Verlag.
Marotzki, Winfried (2007). Die Macht der Erinnerung — Involvement und Reflexion. Aspekte einer strukturalen Medienbildung am Beispiel Film. In: Fromme, Johannes/Schäffer, Burkhard (Hrsg.), Medien – Macht – Gesellschaft. Wiesbaden: VS Verlag, S. 77-100.
Reichertz, Jo (2003). Die Abduktion in der qualitativen Sozialforschung. Opladen: Leske + Budrich.
Schell, Fred (1989). Aktive Medienarbeit mit Jugendlichen. Theorie und Praxis. Opladen: Leske + Budrich.
Schorb, Bernd (1995). Medienalltag und Handeln. Medienpädagogikin Geschichte, Forschung und Praxis. Opladen: Leske + Budrich.
Schorb, Bernd (2007). Medienaneignung und kontextuelles Verstehen. Welche Implikate ergeben sich aus dem Konstrukt der Medienaneignung für die Medienforschung? In: Wirth, Werner/Stiehler, Hans-Jörg/Wünsch, Carsten (Hrsg.), Dynamisch-transaktional denken. Theorie und Empirie der Kommunikationswissenschaft. Köln: von Halem, S. 253-261.
Schorb, Bernd/Keilhauer, Jan/Würfel, Maren/Kießling, Matthias (2008). Medienkonvergenz Monitoring Report. Jugendliche in konvergierenden Medienwelten. www.uni-leipzig.de/~mepaed/sites/default/files/MeMo08.pdf [Zugriff: 02.03.2008]
Schorb, Bernd/Theunert, Helga (2000). Kontextuelles Verstehen der Medienaneignung. In: Paus-Haase, Ingrid/Schorb, Bernd (Hrsg.), Qualitative Kinder- und Jugendmedienforschung. München: kopaed, S. 33-57.
Taylor, Charles (1996). Quellen des Selbst. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Touraine, Alain (2007). A New Paradigm for Understanding Today’s World. Cambridge: Polity Press.Vogel, Matthias (2001). Medien der Vernunft. Eine Theorie des Geistes und der Rationalität auf Grundlage einer Theorie der Medien. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Wagner, Ulrike/Theunert, Helga (Hrsg.) (2006). Neue Wege durch die konvergente Medienwelt. BLM Schriftenreihe, Band 85. München: Reinhard Fischer.
Wagner, Ulrike/Theunert, Helga (2007). Konvergenzbezogene Medienaneignung in Kindheit und Jugend. In: Medienpädagogik, Themenheft Nr. 14: Qualitative Forschung in der Medienpädagogik. www.medienpaed.com/zs/content/view/134/55/ [Zugriff: 15.10.2009]
Wirth, Uwe (1999). Diskursive Dummheit. Abduktion und Komik als Grenzphänomene des Verstehens. Heidelberg: Winter.
Anja Hartung: Medienkulturen des Miteinanders
Die Rede vom Generationendialog hat Hochkonjunktur. Das Postulat eines tiefgreifenden Wandels im Verhältnis der Generationen hat nicht allein dazu geführt, dass die Generationenthematik (wieder) Einzug in die erziehungswissenschaftlichen Diskursarenen gefunden hat, sondern zugleich umfangreiche Bemühungen zur Folge, in der sozial- wie medienpädagogischen Praxis den Generationendialog zu stärken. Im Beitrag werden Perspektiven und Handlungspotenziale eines solchen Unterfangens am Beispiel eines Modellprojektes ausgelotet und diskutiert.
Literatur
Hartung, Anja/Reißmann, Wolfgang/Schorb, Bernd (2008). Perspektiven für die medienpädagogische Praxis. In: Hartung, Anja/Reißmann, Wolfgang/Schorb, Bernd (2008), Musik und Gefühl. Eine Untersuchung zur gefühlsbezogenen Aneignung von Musik im Kindes- und Jugendalter unter besonderer Berücksichtigung des Hörfunks. Berlin: Vistas, S. 227-237.
Hartung, Anja/Schorb, Bernd/Küllertz, Daniela/Reißmann, Wolfgang (Hrsg.) (2009). Alter(n) und Medien. Theoretische und empirische Annäherungen an ein Forschungs- und Praxisfeld. Berlin: Vistas.
Hartung, Anja/Reißmann, Wolfgang/Schorb, Bernd (2008). Perspektiven für eine Medienkompetenzförderung im höheren Lebensalter. SPIEL: Siegener Periodicum zur Internationalen Empirischen Literaturwissenschaft. 24 (2005), Heft 1, S. 119-135.
Jörissen, Benjamin/Marotzki, Winfried (2009). Medienbildung – Eine Einführung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt/ UTB.
Kade, Sylvia (1994): Altersbildung, Lebenssituationen und Lernbedarf. Frankfurt am Main: DIE.
Klercq, Jumbo (1993). The Rolling Stones are coming, In: Lebensweisen im Wechsel-blick. Verband der Volkshochschulen in Niedersachsen.
Küllertz, Daniela/Hartung, Anja (2009). „Wenn das eigentliche Leben beginnt“ – Zur Entstehung von Medienbildungsräumen durch die Digitalisierung und Vernetzung von Lebensräumen älterer Menschen. In: Schorb, Bernd/Hartung, Anja/Reißmann, Wolf-gang (Hrsg.), Medien und höheres Lebensalter. Wiesbaden: VS Verlag, S.187-210.
Mader, Wilhelm (1990): Generationenbeziehungen. Reihe Berichte Materialien Planungshilfen. Bonn: DIE.
Marotzki, Winfried (2001). Jugendliche Kompetenz und erwachsene Inkompetenz? Verkehrt sich das Wissensgefälle zwischen Jugendlichen und Erwachsenen? In: Kramer, Rolf-Torsten/Helsper, Werner/Busse, Susann (Hrsg.), Pädagogische Generationenbeziehungen. Opladen: Leske + Budrich, S. 293-304.
Schäffer, Burkhard (2003). Generationen – Medien – Bildung. Medienpraxiskulturen im Generationenvergleich. Opladen: Leske + Budrich. Schorb, Bernd/Theunert, Helga (2000). Kontextuelles Verstehen der Medienaneignung. In: Paus-Haase, Ingrid/Schorb, Bernd (Hrsg.), Qualitative Kinder- und Jugendmedienforschung. München: kopaed, S. 33-57.
#Schorb, Bernd (2005). Medienkompetenz. In: Schorb, Bernd/Hüther, Jürgen (Hrsg.), Grundbegriffe Medienpädagogik. München: kopaed, S. 257-262.
Schorb, B. (1995): Medienalltag und Handeln. Opladen.
Anja Hartung: Was ist Humor?
Ausgehend von einer etymologischen und kulturhistorischen Betrachtung bietet der vorliegende Beitrag eine kursorische Skizze über wichtige Ansätze, Theorien und empirische Untersuchungen und fasst dabei wichtige Erkenntnisse zu Humorverständnis und -entwicklung von Kindern und Jugendlichen zusammen.
(merz 2005-04, S. 9-15)
Anja Hartung: Radio ist Musik
Mit der Entwicklung musikalischer Präferenzen erfährt das Radio bei Kindern und Jugendlichen einen erheblichen Funktions- und Bedeu-tungswandel.
Während das Medium für jüngere Mädchen und Jungen noch eine wichtige Orientierungsfunktion in der Rezeption und Bewer-tung von Musik innehat, distanzieren sich Jugendliche mit zunehmen-dem Alter von dem ihnen als einseitig erscheinenden Musikangebot im Radio und wenden sich verstärkt anderen Hörmedien zu.
Damit spiegeln sich die jeweiligen Musikvorlieben der Heranwachsenden in der Radio-nutzung wieder.
(merz 2004-02, S.24-31)
Anja Hartung-Griemberg/Bernd Schorb: Digitale Bildung oder von der ewigen Wiederkunft der Unvernunft
Was wäre Hiphop ohne Loops? Keine Frage: Er wäre langweilig oder gar überfordernd. Die Redundanz der Tonsequenzen macht das Besondere aus. Musik lebt von der Wiederholung und Wiederholung macht Musik. In der Lerntheorie wird Wiederholung (auch Repetition oder Rekapitulieren) als Voraussetzung dafür verstanden, das Gelernte manifestieren zu können: Repetitio est mater studiorum („Wiederholung ist die Mutter des Studierens“)! Mit der Bildung verhält es sich bekanntermaßen anders. Sie ist das, was übrig bleibt, wenn man das Gelernte vergessen hat. Sie entfaltet sich dann, wenn wir an Grenzen geraten, weil alte Muster sich angesichts neuer Herausforderungen als inadäquat erweisen. Vergegenwärtigen wir uns den Stand der Diskussion um die Konsequenzen der Digitalisierung, hat die Zeitgeschichte offenkundig weder Lernerfolge gezeitigt noch Bildungskräfte entfaltet. Hier wiederholt sich ein überzogener bildungstechnologischer Optimismus, der bereits mehrfach – zuletzt unter dem Label des E-Learning – gescheitert ist. Und abermals wird das Etikett gewechselt. Bildung lautet heute das viel beschworene Schlüsselwort. Auf eine nähere Bestimmung desselben wird in der Regel verzichtet. Rhetorisch gesehen dreht sich das Karussell in Sachen Digitalisierung in Hochgeschwindigkeit. Im Hype um das neue Wirtschaftssystem herrscht Goldgräberstimmung. Und es scheint ebenso ausgemacht, dass die Digitalisierung das gesamte Bildungssystem revolutioniert. Und alte Verheißungen tauchen wieder auf: Anschaulichkeit, individualisiertes, selbstständiges, kollaboratives, fächerübergreifendes, projekt- und handlungsorientiertes Lernen ... Zweifelsohne bergen die mit der Digitalisierung verbundenen Optionen erweiterte Lernmöglichkeiten und gewiss auch Bildungspotenziale. Worin aber besteht der Mehrwert eines neuerlichen Begriffswechsels? Was unterscheidet die digitale Bildung von Medienbildung, was digitale Kompetenz von Medienkompetenz und was schließlich den digital gebildeten Menschen vom allseitig gebildeten? Wo steht die Praxis selbst jenseits populärer Verlautbarungen und was sind konkrete Herausforderungen und Hürden aber auch Möglichkeiten, die mit der Digitalisierung verbunden sind? In der aktuellen merz-Ausgabe beziehen Expertinnen und Experten Stellung. In Abgrenzung zu verbreiteten Engführungen tragen sie dabei einerseits der historisch-gesellschaftlichen Verfasstheit des Bildungsbegriffs Rechnung und sie hinterfragen andererseits seine aktuelle Verwendung und vor allem seine praktische Umsetzung im politischökonomischen Betriebssystem der Gesellschaft.
Eröffnet wird die Auseinandersetzung mit einem Beitrag von Manuel Rühle. Seine historische Rekonstruktion der ideen- als auch sozialgeschichtlichen Aspekte des Bildungsbegriffs bietet eine Hintergrundfolie dafür, die aktuellen Debatten einordnen und in ihrer Relevanz reflektieren zu können. Diesen Versuch unternehmen die nachfolgenden zwei Beiträge. Hans-Dieter Kübler hinterfragt den substanziellen Ertrag euphorischer Debatten um die Bildungszukunft der Gesellschaft. Der Autor erinnert an vergleichbare Diskurse, markiert sinnentleerte Redundanzen und legt dabei den Finger in die Wunden unbedachter Wiederholung. Denn unter der Oberfläche der gegenwärtigen Diskussion um die Chancen der Digitalisierung harren noch viele andere Probleme im Bildungssystem der Bearbeitung. Auch Ralf Vollbrecht setzt sich kritisch mit dem Konstrukt der digitalen Bildung auseinander. In seinem Beitrag beleuchtet er einschlägige Argumentationsführungen der Digitalisierungsstrategie und plädiert angesichts einer fehlendenden Klarheit der Zielsetzung für eine Unterscheidung der Beobachterperspektiven. Denn nur, wenn die Perspektiven von Bildungspolitik, Organisationen, Profession und Lernenden hinreichend differenziert würden, sei es möglich, Interessen- und Zielkonflikte deutlicher herauszuarbeiten.
Die sich anschließenden Beiträge reflektieren das Verhältnis von Soll und Haben aus internationaler Perspektive. In sieben Kurzdarstellungen werfen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland (Sven Kommer und Christian Spannagel), Österreich (Christine Trültzsch-Wijnen), Tschechien (Zdeněk Sloboda), Schweden (Michael Forsman und Anne Kaun), Südkorea (Jinsuk Kang und Merita Ignatius), Japan (Daniel Diegmann) und den USA (Jennifer Kreß) einen kritischen Blick auf den je spezifischen Status quo. Und es wird deutlich: Bei all den nicht von der Hand zu weisenden länderspezifischen und kulturellen Unterschieden zeigen sich vielerlei Gemeinsamkeiten – übereilte Investitionen, fehlende didaktische Konzepte und konzeptionelle Verkürzungen, Ausstattungs- und Wartungsprobleme, die Ignoranz vieler anderer substanzieller Baustellen im Bildungsbetrieb und nicht zuletzt die unzureichende Berücksichtigung all jener Akteurinnen und Akteure, die nur im Verbund zum Gelingen dessen beitragen können, was unhinterfragt bereits vorausgesetzt wird.
Anja Hartung-Griemberg/Bernd Schorb: Flipped Classroom als Ansatz für die pädagogische Praxis
Im Zuge der Digitalisierung finden ständig neue elektronische Medien Einzug in die Klassenräume. Christian Spannagel von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg erklärt im Interview mit Bernd Schorb, emeritierter Professor für Medienpädagogik an der Universität Leipzig, und Anja Hartung-Griemberg, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, das Konzept des Flipped Classrooms und dessen Potenziale in verschiedenen Bildungsbereichen.
Reuter, Oliver/Hartung-Griemberg, Anja/Neumann, Wolfgang: Editorial: Vom Wert der Kreativität. Neue Perspektiven auf eine alte Leitkategorie der Medienpädagogik
Von einem Wiesel wird gesagt, es könne aus einem Ei den gesamten Inhalt heraussaugen, ohne dass dies der leeren Schale anzusehen sei. Diese Eigenheit tangiert ein Phänomen, das auch in mancherlei menschlichem Tun zu finden ist. Wiesel-Wörter (engl. Weasel-words) bezeichnen Termini, die mehr Fragen stellen, als sie Antworten geben. Kreativität ist ein Wieselwort. Man bedient sich des Ausdrucks allerorten ebenso beiläufig wie programmatisch. Ein Grund dafür ist gewiss seine positive Anmutung. Wer kreativ ist, vermag etwas Gutes zu leisten, wer Kreativität fördert, engagiert sich für eine gute Sache. Kreativitätstechniken erweitern den Möglichkeitssinn und die gedanklichen Spielräume. Kreative Ansätze helfen Probleme zu lösen, Ideen zu generieren und Visionen zu entwickeln. Free Creativity ist die „treibende Kraft in der Krise“ (Muntschick 2020). Fragen wir aber, was denn nun konkret unter dem Begriff Kreativität zu verstehen sei, zeigt sich Verwirrung. Eine Vielzahl von Definitionen bestimmt das heterogene Gesamtbild des Begriffs. Das Erbe von Theorien, etwa von Graham Wallas (The Art of Thought 1926) bleibt den Grundnuancen vieler Kreativitätsmodelle zwar inhärent (z. B. die Aufgliederung in Schaffensphasen), doch erwächst aus einer Vielfalt an Disziplinen, die in der Kreativität auch in ihrem jeweiligen Fach einen lohnenden Inhalt sehen, ein undurchdringbares Geäst. Verstärkt wird die Gemengelage durch eine populärwissenschaftliche Verwendung, die sich den Glanz des Begriffes zu eigen macht, freilich ohne ihn adäquat zu unterfüttern.
So überrascht es nicht, dass in der Wissenschaft auch Positionen vertreten werden, die sich ostentativ vom Kreativitätsbegriff distanzieren und diesen gar als verbraucht oder ungeeignet erklären. Verstärkt wird ein solcher Widerwille gewiss angesichts der neoliberalen Instrumentalisierung und Engführung des Begriffes. Der Soziologe Andreas Reckwitz (2019) hat dies in Anlehnung an Michel Foucault bekanntermaßen mit dem Begriff des Kreativitätspositivs gefasst. Was ehedem als Domäne subkultureller Zirkel galt, sei heute nicht nur zu einem universalen Modell geraten. In seiner kritischen Analyse seiner Ideengeschichte zeigt er anschaulich, wie sich der umstrittene Terminus ausgehend von der Kunst der Avantgarde und Postmoderne bis hin zu den Creative Industries und der Innovationsökonomie der neoliberalen Leistungsgesellschaft zu einem tief- und umgreifenden Imperativ entwickelt hat.
Auch in der Medienpädagogik ist das Kreative allgegenwärtig. Als pädagogische Leitkategorie ist das Gestaltende, Schöpferische und mithin Widerständige unlösbar in die Ideengeschichte der Disziplin verstrickt. Freilich, die Anrufung an das kreative Subjekt hat eine emanzipatorische Komponente. In kreativen Akten vermag es das Subjekt, sich von gesellschaftlichen Leitbildern zu distanzieren und sich mit authentischen Ansprüchen in Aushandlungsprozesse einzubringen. Der Stellenwert von Originalität ist dazu geeignet, gestaltendem Wirken eine über die persönliche Sinnstiftung und das Kompensatorische hinausgehende Relevanz zu verleihen, die Prozesse ästhetischer Bildung politisch und strukturell sinnhaft macht. Authentische Erfahrung als „autonome Aneignung von Realität und die selbstbestimmte aktive Einwirkung auf diese“ (Schell 2003, S. 59) stehen im Mittelpunkt einer Position der Medienpädagogik, die seit ihren Anfängen durch den gestaltenden Umgang mit Medien Subjekte dazu befähigen will, in gesellschaftliches Handeln einzugreifen (vgl. Schorb 1995, S. 185). Neue Fahrt aufgenommen hat die Diskussion um die schöpferische Dimension des Medienhandelns mit der Verbreitung digitaler Technologien. Unter dem Motto „Do It Yourself“ (DIY) treffen sich Akteur*innen der Maker-Bewegung in offenen Makerspaces, FabLabs oder Hackerspaces, um gemeinsam an der Gestaltung von digitalen Geräten, Technologien und Produktionsweisen zu wirken. Lasercutter und 3D-Drucker inspirieren neue Formen der kreativen Auseinandersetzung und medialästhetischen Konfiguration. Auch in den Kontexten der Kinder-und Jugendarbeit ebenso wie in Schulen und Hochschulen wird zunehmend gedruckt, gelasert, programmiert und gelötet. Veni creator spiritus! In theoretisch-konzeptionellen ebenso wie in bildungspolitisch-pragmatischen Überlegungen werden die Entwicklungsvollzüge der Gegenwart vor allem in Hinblick auf die Notwendigkeit des ‚Informatischen Denken‘ diskutiert. Schließlich ist es für ein eigen- und mitverantwortliches Denken und Handeln unabdingbar geworden, die Strukturen, Funktionsweisen und Auswirkungen informatischer Systeme zu verstehen und in konkreten Handlungsvollzügen eben auch auf eine kreativ-gestaltende Weise begreifbar zu machen.
Näher besehen provoziert der Kreativitäts-Hymnus eine Vielzahl von Fragen, die noch der Auseinandersetzung harren. Welche Voraussetzungen schaffen Medien für kreatives Handeln; inwieweit beschränken sie dieses aber auch? Welchen Stellenwert haben digitale Medien, die Gestaltungsoptionen vorwegnehmen oder (wie in Computerspielen) adaptiv auf das Handeln der Nutzenden reagieren? Was ist der Wert des Kreativen, da dieses kapitalistischen Zwängen unterliegt? Was bedeutet Kreativität im Lichte medienpädagogischer Werte und welche Erkenntnisinteressen, Fragen und Zugänge firmieren und positionieren sich? Im vorliegenden Themenheft der merzWissenschaft möchten wir den Gegenstandsbereich der Kreativität einerseits in Hinblick auf seine unterschiedlichen theoretischen Bezugslinienund Reflexionsperspektiven diskutieren und andererseits Impulse für die wissenschaftliche und praktische pädagogische Arbeit setzen.
ZU DEN EINZELNEN BEITRÄGEN
Eröffnet wird die Auseinandersetzung mit einem Beitrag von Thomas Schmalfeld und Björn Maurer. Sie fragen nach den konzeptionellen Grundlagen, welche eine kreativitätsorientierte Verknüpfung von Informatik und Medienbildung plausibel machen. Der bildungspraktische Horizont ihrer Auseinandersetzung ist die Einführung des Faches Medien und Informatik in der Schweiz. Könnte Kreativität die neue Liaison beflügeln? Auf der Grundlage einer umfassenden Analyse einschlägiger Referenzliteratur der Informatik im deutschsprachigen Raum arbeiten sie heraus, inwiefern die von Rhodes (1961) modellierten Grundbausteine der Kreativität (Person, Prozess, Produkt, Umwelt) als Perspektiven des Informatikunterrichts in die didaktische Konzeption des Informatikunterrichts integriert werden können.
Unabhängig von der je in Anschlag gebrachten Kreativitätskonzeption, stimmen gängige Operationalisierungen darin überein, dass das Lösen von Problemen eine entscheidende Konstituente kreativer Handlungen ist. Anhand des Computational Thinking zeigen Raphael Fehrmann und Horst Zeinz, dass informatisches Denken und kreatives Problemlösen die Entwicklung allgemeiner Problemlösekompetenz durch algorithmisch-schematisches Handeln begünstigen kann. Am Beispiel des Lernroboters Ozobot analysieren sie über alle Unterrichtsfächer, Jahrgangsstufen und Schulformen hinweg, wie im Unterricht Einblicke in Tätigkeiten des Coding gegeben und Anlässe für Problemlösen und kreatives Denken initiiert werden können. Stefka Weber geht der Frage nach, auf welche Weise bereits in der Entwicklung medialer Produkte mit Programmierwerkzeugen kreative Herangehensweisen sichtbar werden können. Grundlage ihrer Ausführungen sind Erkenntnisse, die einerseits auf einer Reflexion des gegenwärtigen Forschungsstandes basieren und andererseits aus qualitativen Interviews hervorgehen, die von der Autorin mit Jugendlichen geführt wurden. In ihrer Potenzialexploration konzentriert sie sich exemplarisch auf die Programmierumgebung Scratch, die einen besonders niedrigschwelligen Umgang für kreatives Handeln verspricht.
Erklärvideos auf YouTube erfreuen sich bekanntermaßen auch in Lern-und Vermittlungskontexten großer Beliebtheit. Andrea Cwielong, Deborah Hennig, Tim Bodendorf und Jana Metz richten das Augenmerk indes weniger auf die Rezeption der populären Lernplattform. Im Mittelpunkt ihrer Auseinandersetzung stehen jene konstituierenden Prozesse, welche die Verfügbarkeit, Präsenz und Anerkennung der Beiträge moderieren. In welchem Verhältnis stehen Abhängigkeit und Wechselseitigkeit von Kreativität und Anerkennung unter algorithmengesteuerten Bedingungen? Tritt der Mensch in den Wettkampf mit einem Artefakt (Algorithmen) seiner eigenen Kreativität? Am Beispiel schulbezogener Erklärvideos erörtern die Autor*innen, wie die Wechselwirkung zwischen dem Schaffen von Content und äußerer Bewertung kreative Entwicklungen begünstigt und Problemlösungs- und Innovationsprozesse anregen kann.
Auf das spezifische pädagogische Handlungsfeld der kreativen Professionalisierungspraxis verweist der Beitrag von Oliver Ruf und Andreas Sieß. Wie können Student*innen in der aktiven Gestaltung von Mensch-Maschine-Schnittstellen hochschuldidaktisch ausgebildet werden? Der Beitrag greift sowohl methodologisch als auch epistemologisch auf zwei bereits etablierte Ansätze innerhalb der Gestaltungs- und Medienpraxis zurück, die erstmalig entsprechend transformiert und komplettiert werden sollen: einerseits die Methode des Design Thinking, das innerhalb industriell notwendiger Kreativitätsförderung, Entwurfsfindung und Ideenentwicklung Einsatz findet, sowie andererseits die Erkenntnis- und Kompetenzgewinnung mittels spielerischer Umsetzungen (Serious Play). Das Anliegen der Autoren ist es, spielerische Produkt-Logiken, wie jene Spielzeugmarke LEGO, zur Vermittlung medial-gestalterischer Kreativitätspraktiken neu zu etablieren und virtuell neu nutzbar zu machen. Betrachtet man Kreativität als ein Arrangement, das von gegenläufigen Ideen und sich ergänzenden Einfällen profitiert, wird deutlich, dass kreative Prozesse von der Kooperation mehrerer Beteiligter profitieren. Im gestaltenden Miteinander verschieben sich Handlungsoptionen und Deutungsvarianten. Kooperative Ansätze profitieren davon, verschiedene Perspektiven in Überlegungen und Entwicklungen einzubeziehen. Kreativität bedarf also nicht unbedingt nur des genialen Einzelgängers, sondern vor allem auch dessen Einbindung in ein gelingendes soziales Miteinander. Ursula Hauck-Thum und Jana Heinz fokussieren den besonderen Stellenwert kokreativer Bildungsprozesse am Beispiel der Auseinandersetzung mit Büchern und multimodalen Texten am Tablet im Lese- und Literaturunterricht der Grundschule. Empirische Grundlage ihrer Antworten ist eine Studie, in der die Interaktionen von Grundschüler*innen aus analogen und digitalen Gruppen videografiert und auf der Basis einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet wurden. In ihren Ergebnissen zeitigen sich deutliche Unterschiede in Abhängigkeit vom verwendeten Medium. Der Stellenwert kooperativer Gestaltungsprozesse wird auch von Iwan Pasuchin betont. In einer umfassenden empirischen Studie hat sich der Autor mit der Frage beschäftigt, wie Motivation und Engagement zur künstlerischen Medienbildung mit bildungsbenachteiligten Jugendlichen gefördert werden können. Das kooperative Moment betraf hier insbesondere auch die Einbindung von Medienkünstler*innen, die in verschiedenen Teilprojekten des schulischen Wahlpflichtfachs Kreative Mediengestaltung neue Ansätze erprobten. In seinem Beitrag skizziert der Autor nicht allein Erkenntnisinteresse und -gewinn der Studie. Vielmehr geht es ihm darum, in Anlehnung an die Tradition der Design-Based Research Möglichkeiten einer kreativen empirischen Erforschung auszuloten.
Nicht zuletzt die Beiträge dieses Heftes zeigen: Kreativität wird (auch) in Bildungskontexten zuvorderst mit Blick auf junge Menschen diskutiert. Denk- und handlungsleitend sind Fragen danach, wie sich Lernprozesse in Schule und Ausbildung über kreative Zugänge motivieren und protegieren lassen und welche besonderen Potenziale Medien, Medienumgebungen und Medientechnologien dabei haben (können). Welchen Beitrag aber kann schöpferisches Medienhandeln für ein selbst- und mitbestimmendes Leben im höheren Lebensalter leisten? Die Ausführungen von Anja Hartung-Griemberg skizzieren Überlegungen in Hinblick auf ein Verständnis von Kreativität, das neben dem gestaltenden Hervorbringen von Neuem auch das schöpferisch-bildende Moment im Umgang mit den existenziell-biografischen Umbrüchen und Wandlungen der späten Lebenszeit akzentuiert. Noch ein Stück weiter in die Zukunft blicken die letzten beiden Beiträge des Heftes. Welche Zukunft deutet sich in der Gegenwart an?, fragt Robert Hausmann. Denn unser Jetzt-und-Hier-Sein würde bereits maßgeblich vom Zukünftigen, vom Spekulativen und permanent vorläufigen postdigitalen Bedingungen bestimmt. Anders als viele Gesellschaftsprognosen, die den Zukunftshorizont pausenlos verengen würden, eröffneten sich in gegenwärtigen Hybridisierungen der Künste neue Modi künftigen Seins. Anhand des Projekts 2038. The New Serenity analysiert der Autor diese spekulativen Taktiken des Explorierens von Zukünften und hinterfragt sie in Hinblick darauf, welche Impulse sie aktuell für kunstpädagogische Prozesse bieten. Anregende Impulse für Gegenwart und Zukunft medienpädagogischer Theorie und Praxis setzen schließlich auch die Reflexionen von Anke Redecker. Wie können wir der Catch-all-Formel Kreativität in einem bildungstheoretischen Sinnen begegnen? Wie können die Möglichkeiten des Bildungssubjektes angesichts vereinnahmender Kreativitätszumutungen emanzipatorisch gewendet und Räume für kreativ-kritische Bezugsnahmen entfaltet werden? Wie kann das Wiesel also weiterlernen? Ihre Ausführungen knüpfen an die Ausgangsüberlegen des Heftes an und werfen wichtige Fragen auf, die weiterhin und weiterführend zu stellen sind.
Die an dieser Stelle versammelten Beiträge werfen Schlaglichter aus unterschiedlichen Fachdisziplinen und vielgestaltigen Erfahrungs- und Forschungszusammenhängen auf den komplexen Gegenstandsbereich der Kreativität. Unisono zeigen sie, dass Kreativität weder ein simples Hilfs- oder gar Heilmittel noch ein schneller Selbstläufer ist. Es bedarf spezifischer Rahmenbedingungen, die das Erkennen von Problemen fördern, das flexible Denken unterstützen und letztlich eine schöpferische Auseinandersetzung inspirieren und zu einem widerständigen Umgang mit Gewohntem, Vertrautem und Tradiertem ermuntern. Wie wichtig Letzteres sein kann, zeigen die Schwierigkeiten, die Student*innen im Fachbereich Informatik haben, bewährte Lösungswege zu verlassen (Carell/Schaller 2010). Der Vorzug sicherer Wege ist freilich auch in vergangenen Lern- und bewährten Lernstrategien begründet. Ermöglichungsbedingungen für kreative Bildungsprozesse beinhalten die Gewissheit, dass Unsicherheiten, die für dynamische und ergebnisoffene Handlungsfolgen geradezu charakteristisch sind, über die pädagogische Begleitung aufgefangen werden.
Zugleich gilt es bei allen kreativitätsfördernden Potenzialen digitaler Medien deren Wert und Sinnhaftigkeit mit Blick auf (medien-) pädagogische Zielperspektiven zu hinterfragen. Eine Gesellschaft, deren Mitglieder auf Grund der Geschwindigkeit digitaler Entwicklungen Gefahr laufen, von disruptiven Veränderungen bedroht und entmündigt zu werden, ist gefordert, bereits in ihren Bildungsinstitutionen mitverantwortlich-handelnd einzugreifen. Zu viele Prozesse können wir inzwischen unhinterfragt den in allen Programmen entscheidenden Algorithmen überlassen. Apps und Programme treffen Entscheidungen, die bislang dem Eigensinn des menschlichen Individuums vorbehalten waren. Letzteres genießt die Bequemlichkeit und folgt den vorgegebenen Wegen, die es einst selbst suchen und beschreiten musste, im Falle von Navigationsgeräten und -apps sogar im wahrsten Sinne des Wortes. In der Konsequenz bedeutet dies auch, die Systeme über ein aktives Handeln daraufhin zu hinterfragen, ob und inwiefern dem Digitalen durch den undurchschaubaren algorithmischen Aufbau tatsächlich eine unterstellte unbestechliche Geradlinigkeit der Entscheidungsprozesse hinterlegt ist (Allert/Richter 2017). Es gilt immer zu reflektieren, wo Kreativität durch das Digitale gewinnt und wo eine erhöhte Aufmerksamkeit gefordert ist. Eine wichtige Aufgabe in Zeiten, in denen der Begriff der Digitalisierung aus kaum einem Lebensbereich wegzudenken ist, besteht darin, zu begreifen, dass wir uns derzeit in einer Brückensituation befinden. Beim Scannen von Büchern, beim Übertrag von Akten in digitale Speichermedien, beim Überführen von Verwaltungsvorgängen in webfähige Prozesse (und Oberflächen) ist der Ausgangspunkt des Digitalen immer noch das Analoge. Der Nutzungsmodus, die Gestaltung der Oberfläche bis hin zu den verwendeten Icons basieren auf bewährten und den meisten User*innen noch bekannten Abläufen und Erscheinungsformen, die ihren Ursprung größtenteils in Zeiten vor der Entwicklung des Digitalen haben. Perspektivisch kann davon ausgegangen werden, dass untereinander kommunizierende Tools entwickelt werden, die das kooperative Arbeiten unterstützen und sich deutlich von den derzeitigen Möglichkeiten der gemeinsamen Arbeit auf Plattformen und dem Austausch von Dateien absetzen. Interessant sind zukünftige sich selbst weiterentwickelnde Programme, die auch über kreative Prozesse und Ergebnisse die System-User*innen-Beziehung auf eine neue Ebene führen (vgl. Carell/Schaller 2010). Algorithmen können in der Lage sein, separiert existierende digitale Daten zu verbinden, um bislang unbekannte Muster, Parallelen oder Analogien zu entdecken. Sie erfüllen somit eine zentrale Bedingung kreativer Prozesse, wonach sie Neues kreieren, das zudem in Anwendungen einsetzbar ist. Es bleibt jedoch immer die Frage, welche Rolle der aus seinen Erfahrungen und Werten ebenso wie aus seinen Möglichkeiten und Begrenzungen schöpfende Mensch dabei noch spielt und welche schöpferischen Verhältniskonstellationen überhaupt akzeptierbar und wünschenswert sind.
Anmerkung der merzWissenschaft-Redaktion: Die Autor*innen, die dem vor einem knappen Jahr veröffentichten Call for Papers folgten, beschäftigen sich in ihren Beiträgen insbesondere mit der Bedeutung von Kreativität in Verbindung mit digitalen Medien in der (schulischen) Bildung Heranwachsender. Unabhängig vom Peer-Review-Verfahren erweitern die Texte von Anja Hartung und Robert Hausmann dieses Spektrum, indem sie eine andere Altersgruppe in den Blick nehmen, bzw. die Perspektive weg vom Subjekt auf eine mögliche Zukunft richten. Wir wünschen den Leser*innen des Heftes eine anregende Lektüre.
Literatur
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Carell, Angela/Schaller, Isabel (2010). Kreativitätsförderung mit Neuen Medien in der universitären Lehre im Fach Informatik. In: Meißner, Klaus/ Engelien, Martin (Hrsg.), Geneme ´10 Gemeinschaft in neuen Medien. Dresden 2010, S. 305–316.
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Hartung-Griemberg, Anja: Schöpferisches Medienhandeln und (inter)subjektive Sinnbildung im höheren Lebensalter.
Die Frage, wie Ältere an digitale Medien herangeführt und Medienkompetenzen im Alter gefördert werden können, ist gegenwärtig häufig zu vernehmen. Beantwortet wird diese überwiegend im Verweis auf die funktional-instrumentellen Fertigkeiten, die in einer digitalisierten Gesellschaft notwendig geworden sind. Welchen Beitrag aber kann schöpferisches Medienhandeln für ein selbst- und mitbestimmendes Leben im Alter leisten? Die nachfolgenden Ausführungen skizzieren Überlegungen in Hinblick auf ein Verständnis von Kreativität, das neben dem gestaltenden Hervorbringen von Neuem auch das schöpferisch-bildende Moment im Umgang mit den existenziell-biografischen Umbrüchen und Wandlungen der späten Lebenszeit akzentuiert.
The question of how older people can be introduced to digital media and how media skills can be promoted in old age is frequently asked at present. This question is answered mainly by referring to the functional-instrumental skills that have become necessary in a digitized society. But what contribution can creative media activity make to a self-determining and co-determining life in old age? The following remarks outline considerations with regard to an understanding of creativity that, in addition to the creative production of something new, also accentuates the creative-formative moment in dealing with the existential-biographical upheavals and changes of late life.
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www.kulturrat.de/wp-content/uploads/2018/08/ Dossier_Aelterwerden.pdf [Zugriff: 23.10.2021]Anja Hartung-Griemberg/Burkhard Schäffer/Bernd Schorb: Editorial: Generation. Perspektiven in Medienforschung und -Pädagogik
Wenn in gegenwärtigen Debatten von Digitalisierung und gesellschaftlichem Wandel die Rede ist, dann ist auch der Generationenbegriff nicht weit. Er ordnet und sortiert, er interpretiert und erklärt. So überrascht es nicht, dass er sich hier und da großer Beliebtheit erfreut. Das mag einerseits an seiner großen Ladungsdichte liegen. Offen und unbefangen fügt er sich bejahend (Generationensolidarität) oder ablehnend (Generationenkonflikt) reibungslos in mannigfaltige Erzählungen, ohne auf Verwendungsformalität und Kriterien wissenschaftlicher Methodik angewiesen zu sein. Andererseits kommen ihm gewisse administrative Qualitäten darin zugute, eine vermeintliche Ordnung zu schaffen, wo keine ist. Neben derart kursierenden populären Verwendungsweisen des Generationenbegriffs treten inkommensurable wissenschaftliche Zugriffe, die jeweils unterschiedlichen Forschungsparadigmen folgend auf differenten Ordnungslogiken und Analysekategorien basieren. Die bezeichnete Gemengelage spiegelt sich auch im inhaltlichen Spektrum des vorliegenden Heftes wider. Grob umrissen lassen sich zwei Perspektiven konturieren, die im Spannungsfeld von erziehungstheoretisch-anthropologischen und sozialethischen Diskursen angesiedelt sind. In einem ersten mikrosoziologischen Zuschnitt geht es um die Frage pädagogischer Beziehungen unter den Bedingungen unterschiedlicher Medienerfahrungen und -praxen. Die Gedankengänge fußen hier unter anderem auf der Prämisse, dass durch die Erfahrungsdifferenzen der Vertreter*innen unterschiedlicher Alterskohorten tradierte LehrLern-Konstellationen brüchig werden und mithin neue Formen der pädagogischen Reziprozität erfordern. In einem zweiten Zuschnitt finden sich Beiträge, die ihren Blick auf ethische Fragen der Verantwortung und Gerechtigkeit der Generationen richten. Gefragt wird hier beispielsweise, welchen Stellenwert digitale Medienpraktiken für die kommunikative Selbstverständigung und Identitätsausformung sozialer Protestgemeinschaften im Kontext aktueller Klimadebatten haben und wie Fragen der Verantwortung und Gerechtigkeit über mediale Praktiken intergenerationell verhandelt werden.
Generationen und Medienpraxiskulturen in pädagogischen Beziehungen
Die Denkfigur, neue mediale und digital-mediale Entwicklungen an die Entstehung neuer Generationengestalten zu koppeln, hat sich nicht nur in populärwissenschaftlichen Diskursen hartnäckig etabliert. Generation@, Windows Generation, Generation SMS, Generation WEB 2.0, Generation Twitter... fortlaufend wächst die Innovationskette um ein neues Generationenglied. Solche Periodisierungen dienen gern als Modell, die Auswirkungen gesellschaftlicher Transformationsprozesse zu erklären, indem gleichartige Wirkungen unterstellt und als kollektive Erfahrungen gedeutet werden; sie konstruieren aber auch Identitäts-und Verhältnismuster, die auf einen sehr willkürlich definierten Ursprung verweisen. Ein aktuelles Beispiel: Die sogenannte Generation Z der Geburtenjahrgänge zwischen 1995 und 2010, also die heute Zwölf- bis 29-Jährigen, weisen im Vergleich aller Kohorten die höchste Brutto-Nutzungsdauer für Video, Audio, Text und Internet auf. Bei der Geburtsdekade 2000 bis 2009 steigt die Videonutzung noch einmal an. Dieser interessante Kohorteneffekt wird von den Forscher*innen der ARD/ZDF-Massenkommunikation mit dem Schlagwort „Generation Video“ belegt (Egger et al., 2021, S. 290). Solche und ähnliche Begriffsstrategien sind typisch für „essayistische Generationenkonzepte“ (Schäffer, 2003). Dass der Generationenbegriff als analytische Kategorie im Rahmen dieser, auf sogenannten APCModellen (age period cohort) basierenden, quantitativen Mediennutzungsforschungsansätzen bewusst (und dort mit plausiblen Gründen) keine Verwendung findet, wird ausgeblendet. Eine solche essayistische Verwendungsweise des Generationenbegriffs begegnet aufmerksamen Beobachter*innen im Kontext der Mediennutzung allenthalben. Aus aktuellen Daten zu Nutzungsgewohnheiten und -präferenzen unterschiedlicher Alterskohorten werden nicht nur Generationenzugehörigkeiten und -ausgrenzungen definiert, sondern auch Medienkompetenzen und -inkompetenzen antizipiert und problematisiert. Unter den Vorzeichen des beschleunigten medialen Wandels erfahren Medienerfahrungen und ihre vermeintlich generationsspezifische Prägung seit den 1990er-Jahren eine zunehmende Problematisierung im Hinblick auf pädagogische Beziehungsverhältnisse. Angesichts der sich abzeichnenden Differenzen im Medienhandeln wird dabei hinterfragt, inwiefern Erziehungsverantwortliche den Herausforderungen der familialen Medienerziehung oder der Ausgestaltung des schulischen Lernalltags gewachsen sind. Eine empirisch fundierte Differenzierung der in diesem Zusammenhang oft holzschnittartig zugewiesenen Generationenprägungen bieten die Beiträge von Dertinger und Lieder. Zentral ist dabei einerseits der Rekurs auf den inzwischen als kanonisch geltenden Beitrag Karl Mannheims zum „Problem der Generationen“ (1928) und dessen (posthum veröffentlichte) kultursoziologischen Abhandlungen zu konjunktiven Erfahrungsräumen und andererseits die Weiterentwicklung dieser Überlegungen zum Konzept der generationsspezifischen Medienpraxiskulturen von Burkhard Schäffer (2003).
Anhand narrativ ausgerichteter, leitfadengestützter Interviews an bayerischen Sekundarstufen untersucht Andreas Dertinger, wie Lehrpersonen verschiedener Alterskohorten den digitalen Wandel erleben und welche Orientierungen damit im Kontext des eigenen professionellen Handelns verbunden sind. Seine Ergebnisse belegen zwar die Relevanz konjunktiver Erfahrungen; sie machen aber auch deutlich, dass diese nicht im Sinne einer damit einhergehenden einheitlichen pädagogischen Grundhaltung zu interpretieren sind. Vielmehr ist von einer fortwährenden Entwicklung pädagogischer Wertevorstellungen und Einstellungen über die pädagogische Laufbahn hinweg auszugehen, die nicht homogen verläuft, sondern biografisch variiert. Auch legen die Ergebnisse der explorativen Studie nahe, dass neben der Dimension Generation künftig auch weitere Differenzierungsdimensionen, beispielsweise kulturelle oder geschlechtsspezifische Aspekte konjunktiver Erfahrungen stärker forschungspraktisch zu berücksichtigen sind. Dass sich unterschiedliche Erfahrungen im Umgang mit (digitalen) Medien auch in den professionsbezogenen Einstellungen von Sozialwissenschaftler*innen niederschlagen, zeigt der gleichsam empirisch fundierte Beitrag von Fabio Lieder. Ausgehend von aktuellen methodischen und forschungsethischen Debatten in den Sozialwissenschaften geht er der Frage nach, wie ältere und jüngere Sozialwissenschaftler*innen den Einsatz von KI-basierten Sprachmodellen in der qualitativen Forschung wahrnehmen. Die dokumentarische Auswertung von Gruppendiskussionen mit Vertreter*innen unterschiedlicher Alterskohorten zeigt, dass jüngere, mit KI-gesteuerten Technologien eher vertraute Forscher*innen, eine größere Offenheit zeigen, die Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI neu zu definieren und der KI Handlungsfähigkeit zuzugestehen. Im Gegensatz dazu betonen ältere Forscher*innen die Wahrung der menschlichen Autonomie und Expertise und nähern sich der Integration von KI nur vorsichtig an. Neben seinem erkenntnistheoretischen Ertrag offenbart der durch die Reflexion in der Gruppe inspirierte Austausch, wie wichtig der Dialog unterschiedlicher Perspektiven auch für die Weiterentwicklung sozialwissenschaftlicher Forschungsmethoden ist.
Damit wird der Blick auf solche medialen Lern- und Bildungsansätze der Vermittlung von Medienkompetenzen gelenkt, für die „der Bezug auf das Lebensalter bzw. die Generationenzugehörigkeit im Sinne von Altersdifferenz oder Altersgleichheit“ bedeutsam sind (Liegle & Lüscher, 2004, S. 38.). In der Erwachsenenbildung und mehr noch in der Alter(n)sbildung findet sich inzwischen eine Vielzahl von Projekten, die als „Generationenlernen“ (ebd.), als „intergenerative“ (z. B. Schmidt & Tippelt, 2009) oder „intergenerationelle“ (Franz, 2010) pädagogische Praxis das Lernen von-, mit- und übereinander in altersdifferenten Beteiligungskonstellationen anzuregen suchen. In diesen Zusammenhang sind auch die nachfolgenden Beiträge zu verorten.
Ausgehend von der Popularität, der sich Computerspiele heute in allen Altersgruppen erfreuen, beschäftigt sich Philip Dietrich in seinem Beitrag mit der Frage, inwiefern Videospiele Gelegenheiten des generationenübergreifenden moralischen Lernens bieten. Auf der Grundlage einer quantitativen Studie zu altersspezifischen Motiven des Spielens kommt er zu dem Ergebnis, dass sich die Vertreter*innen aller Alterskohorten für ihre Handlungen in Videospielen verantwortlich sehen, die jüngeren Befragten jedoch eher dazu neigen, moralische Dilemmata in virtuellen Handlungswelten in die Realität zu übertagen. In den je unterschiedlichen Perspektiven der Beteiligten sieht der Autor ein besonderes Potenzial für die pädagogische Förderung moralischer Handlungsfähigkeit (Moral Agency), insofern hierdurch ein lebensweltliches Erfahren andersartiger kultureller Strukturen der Weltwahrnehmung angeregt werden kann.
Dass der Austausch über differente mediale Erfahrungen zwar das Potenzial hat, Bildungsprozesse im Sinne eines Perspektiven- und Orientierungswechsels anzuregen, sich eine solche Dynamik aber nicht per se und selbstläufig vollzieht, zeigt der Beitrag von Friedrich Wolf, Miranda Leontowitsch und Natalie Merkel. Die Autor*innen referieren Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung eines intergenerationellen Praxisprojekts, in dem sich Jugendliche und ältere Menschen Wissen über Funktion und Einsatzmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz angeeignet haben. In der Reflexion ihrer, aus teilnehmenden Beobachtungen und Gruppendiskussionen gewonnenen, Befunde kommen die Autor*innen zum Schluss, dass das gemeinschaftliche Arbeiten sowohl Partnerschaftlichkeit als auch Alteritätserfahrungen nach sich zog. So wurde das Lebensalter von den Teilnehmer*innen in unterschiedlichen Kontexten immer wieder selbst als zentrale Differenzkategorie reproduziert. Gleichzeitig beschreiben die Autor*innen aber auch eine durch Differenzerfahrungen angeregte Relationierung und Perspektivierung von Altersbildern, die sie in Anlehnung an Franz (2010) als nicht intendiertes Übereinander-Lernen fassen.
Essayistische Generationenkonzepte haben immer auch dort Konjunktur, wo sich gesellschaftliche Streitfragen an differenten Weltanschauungen, Gesellschaftsentwürfen und Lebensorientierungen entzünden. Besonders deutlich wird dies an den medialen Debatten um den globalen Klimawandel und den damit virulenten Fragen von Gerechtigkeit und Verantwortung. Bekanntermaßen sind diese Auseinandersetzungen auch durch kollektive Selbst- (Letzte Generation) und Fremdthematisierungsformeln (Generation Greta versus Baby-Boomer-Generation) geprägt, die vor allem in digitalen Räumen kursieren und hier verhandelt werden. Mirja Silkenbeumer, Julia Becher, Rhiannon Malter, Juliane Engel und Jakob Schreiber zeigen, dass Generationalität im Kontext des Klimaprotests eine doppelte Bedeutung innehat, einerseits als expliziter Aushandlungsgegenstand hinsichtlich einer kommunikativen Selbstverständigung und Identitätsausformung und anderseits hinsichtlich der Auseinandersetzung mit Fragen der Verantwortung und Gerechtigkeit im Verhältnis der Generationen. Unter Einbezug der Analysedimension Generationalität untersuchen die Autor*innen am Beispiel eines TikTok-Videos von Fridays for Future, wie strukturelle Generationserfahrungen und Aushandlungsprozesse von generationaler Verantwortung in jugendkulturellen Räumen verarbeitet, bearbeitet und gestaltet werden. Dabei wird einerseits das Verhältnis der eigenen Lebensperspektiven in Abgrenzung zu vorherigen Generationen bestimmt, andererseits eine antizipierende Bezugnahme auf nachfolgende Generationen hergestellt.
Das Bewusstsein für die eigene generative Verantwortung ist nicht nur, so zeigen die Ausführungen von Jane Lia Jürgen, für junge Menschen ein gewichtiger Beweggrund, sich aktiv in Klimadebatten einzubringen und in einen altersübergreifenden Austausch zu treten. Im Rahmen ihrer explorativen Studie geht die Autorin der Frage nach, welchen Stellenwert die intergenerationelle Weitergabe von Nachhaltigkeit in Familien der for-Futur-Bewegung hat und inwiefern diese durch und in Medien (mit-)bestimmt ist. Dabei zeigt sich, dass sich die gemeinsame Auseinandersetzung mit Zukunftsfragen immer auch im Modus eines biografischen Vergleichs als wichtiger Bezugshorizont der interaktiven Verständigung vollzieht. Familiale Medienpraktiken stehen auch im Zentrum der Ausführungen von Maja Michel. Die Autorin erörtert Fragen der Verantwortung in Auseinandersetzung mit einer Alltagspraxis, die in vielen Familien selbstverständlich ist – die bildmediale Dokumentation und Veröffentlichung familialer Alltagserfahrungen in Social-Media-Netzwerken (Sharenting). Inwiefern unterwandern digitale Praxen der fremdinitiierten Identitätsdarstellung das Recht des Kindes auf eine offene Zukunft? Inwieweit ist eine Mitbestimmung von Heranwachsenden an elterlichen Medienpraktiken notwendig und möglich? In ihrem Beitrag reflektiert die Autorin Facetten einer Ethik der Eltern-Kind-Beziehung im Spannungsfeld von kindlichem Schutz auf der einen und Autonomieermöglichung auf der anderen Seite.
Der Zusammenhang von Verantwortung, Missbrauch und Selbstbestimmung steht auch im Mittelpunkt der Ausführungen von Susanne Lang, Michelle Terschi und Nora Wunder. Erkenntnisleitend ist hier die Frage, welche Potenziale digitale Kommunikationsformen für die biografische Selbstreflexion und Selbstermächtigung von Betroffenen sexualisierter Gewalt haben (können) und wie diese über kollaborative Formen der verarbeitenden Auseinandersetzung vollzogen werden. Anders als in den häufig isolierten Settings der Traumaufarbeitung und -therapie ermöglichen Kommunikationsplattformen wie Foren und Blogs vielfältige und vielgestaltige Möglichkeiten der Artikulation und des Teilens erlittener Erfahrungen. Anhand exemplarischer Falldokumentationen ihrer Netzwerkanalyse zeigen die Autor*innen, dass sich Betroffene über den konjunktiven Erfahrungsraum digitaler Verständigungsformate nicht nur über ihre geteilten Erfahrungen austauschen; über neue bildsprachliche Codes der Artikulation vergewissern sie sich im Sinne eines „doing childhood“, „doing gender“ und „doing future“ ihrer Kindheitserfahrungen gleichsam neu.
Was bleibt?
Gibt es einen medienpädagogischen Generationenbegriff und wenn ja, wo ist dieser ideengeschichtlich und konzeptionell zu lokalisieren und wie ist es um seine theoretische Sinnhaftigkeit bestellt? Christian Swertz schlägt eine klare Antwort vor. In seinem Beitrag vertritt er die These, dass es keinen sinnvollen medienpädagogischen Generationenbegriff gibt und dass es auch nicht sinnvoll ist, einen medienpädagogischen Generationenbegriff zu bestimmen. Ob man so weit gehen will, seine Relevanz grundsätzlich in Frage zu stellen oder gar ad absurdum zu führen, sei dahingestellt. Nicht zu übersehen ist, dass es um seine theoretische Substanz ebenso wie seine methodologisch-methodische Operationalisierung nach wie vor eher schlecht bestellt ist. Die mangelnde theoretische Fundierung setzt sich nicht zuletzt in der (medien-)pädagogischen Praxis fort. Intergenerationelles Lernen folgt hier häufig einer sehr dichotomen Grundanlage: Schüler*innen erklären Senior*innen das Internet, Eltern spielen unter pädagogischer Anleitung ihrer Kinder Computerspiele, Senior*innen berichten in Filmprojekten über ihre Vergangenheit...
Zweifelsohne werfen die im Heft versammelten Beiträge grundlegende Fragen zur Debatte um den Generationenbegriff in Medienpädagogik und -forschung auf. Ob nebeneinander liegende Kohorten tatsächlich handlungsleitende kollektive Orientierungen hinsichtlich digitaler Medien und KI, das unterrichtliche Handeln mit Medien oder den Umgang mit gesellschaftspolitischen Fragen haben, wird sicher noch zu untersuchen sein. Immerhin vermögen es allenfalls Panelstudiendesigns mit hohen Laufzeiten (20 Jahre und mehr!), eine valide Auskunft über entsprechende generationale Orientierungen zu geben. Für Wissenschaftler*innen, die nicht in entsprechenden Panelprojekten arbeiten, stellt sich die Frage, inwiefern hier beispielsweise synchrone Querschnittsanalysen von Angehörigen unterschiedlicher Geburtsjahrgänge erfolgversprechend sind, die auf retrospektive, zum Beispiel medienbiografische Erzählungen rekurrieren. Oder wäre es erfolgversprechender, Gruppendiskussionen mit gemischten Altersgruppen zu realisieren, in denen etwaige generationale Differenzen im Diskursverlauf zur Sprache kommen? Dies sind nur zwei Beispiele für eine weiterführende Thematisierung methodisch-methodologischer Probleme. In der Mehrheit stimmen die Autor*innen dieses Heftes darin überein, dass die Generationendimension allein als hermeneutischer Schlüssel wenig geeignet ist, die sich stellenden Fragen unserer Zeit theoretisch und empirisch in den Griff zu bekommen. Nicht zuletzt besteht in einer vorschnellen Auslegung generationeller Zusammenhänge die Gefahr, die Vielschichtigkeit und Diversität soziokultureller Wirklichkeit und mithin die Interdependenz unterschiedlicher Analysekategorien zu nivellieren. In Mannheims Generationenmodell ist diese Interdependenz in der Differenzierung von Generationslagerungen, -einheiten und -zusammenhängen bereits angelegt: Zum Beispiel ist die eingangs genannte Generation Z in sich keineswegs homogen. Die Alterskohorten der 1995 bis 2010 Geborenen differieren etwa im Hinblick auf ethnische oder Geschlechterzugehörigkeiten oder hinsichtlich ihres Bildungs- und Herkunftsmilieus. So unterscheiden sich beispielsweise die generationalen Erfahrungen einer 25-jährigen Frau mit ‚Migrationsgeschichte‘, aufgewachsen in einem sogenannten sozialen Brennpunkt ohne Schulabschluss vermutlich maximal von jenen ihrer autochthonen Altersgenossin, die in einem bildungsbürgerlichen Milieu aufgewachsen ist und gerade ihren Masterabschluss absolviert. In Mannheims Modell generationaler Erfahrungssedimentation schlägt sich dies in verschiedenen Generationseinheiten nieder. Diese Einheiten können einen völlig konträren Blick auf Themen entwickeln, die in der Gesellschaft verhandelt werden. Aufeinander bezogen besteht die Möglichkeit, einen Generationszusammenhang auszubilden. Allerdings müssen diese Zusammenhänge freilich empirisch überprüft und dürfen nicht ex ante gesetzt werden. Welche Rolle hierbei differierende Medienpraxen und darauf fußende Erfahrungen innerhalb solchermaßen bestimmten Generationseinheiten spielen und wie mediale Repräsentationen zur Bildung von Generationen zusammenhängen beitragen können, steht unseres Erachtens noch aus. In dem vorliegenden Heft sind erste Analyseansätze zu erkennen. Vor diesem Hintergrund bleibt aus unserer Sicht jedoch die weitere grundlagen- und gegenstandstheoretische und vor allem empirisch fundierte (Neu-?) Vergewisserung des Generationenbegriffs weiterhin auf der Tagesordnung.
Literatur
Egger, A.; Gattringer, K. & Kupferschmitt, T. (2021). Generationenprofile der Mediennutzung im digitalen Umbruch. In Media Perspektiven 05/2021, S. 270–291.
Franz, J. (2010). Intergenerationelles Lernen ermöglichen: Orientierungen zum Lernen der Generationen in der Erwachsenenbildung. W. Bertelsmann.
Hurrelmann, K. & Albrecht, E. (2020). Generation Greta: Was sie denkt, wie sie fühlt und warum das Klima erst der Anfang ist. Beltz.
Mannheim, K. (1928). Das Problem der Generationen, in: Kölner Vierteljahrshefte für Soziologie 7, S. 157–185, 309–330.
Liegle, L. & Lüscher, K. (2004). Das Konzept des „Generationenlernens“ – In Zeitschrift für Pädagogik 50 (2004) 1, S. 38–55.
Schäffer, B. (2003). Generationen – Medien – Bildung. Medienpraxiskulturen im Generationenvergleich. Leske und Budrich.
Schäffer, B. (2009). Mediengenerationen, Medienkohorten und generationsspezifische Medienpraxiskulturen. Zum Generationenansatz in der Medienforschung. In B. Schorb, A. Hartung, W. Reißmann (Hrsg.), Medien und höheres Lebensalter. Theorie – Forschung – Praxis. VS-Verlag, S. 31–50.
Schmidt, B.; Tippelt, R. (2009). Bildung Älterer und intergeneratives Lernen. In: Zeitschrift für Pädagogik 1/55, S. 74–90.
Winkler, M. (1999). Erziehung und sozialer Wandel. Brennpunkte sozialpädagogischer Forschung, Theoriebildung und Praxis. Beltz 1999, S. 51–68