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Bedrängende Liebesbriefe vom Lehrer

Das Hörspiel-Feature ‚Der rosa Elefant im Klassenraum‘ deckt Machtmissbrauch und Grenzüberschreitungen durch Lehrer*innen auf.

Was bisweilen gerne tabuisiert wird, davon erzählt die Journalistin Britta Rotsch. In einem über 50-minütigen Hörspiel-Feature des Deutschlandfunks verarbeitet sie ihre eigenen Erfahrungen mit psychischer Gewalt und emotionalem Machtmissbrauch in der Schule. Als sie selbst in der 12. Klasse war, bekam sie von ihrem damaligen Deutschlehrer „komische E-Mails“. Er offenbarte ihr darin sogar, dass er sich in sie verliebt habe: „Du bist nicht komisch, du bist anders. Du bist schwierig und das ist es, warum ich mich so angezogen fühle. Warum ich mich in dich verliebt habe.“ Zu Weihnachten und an Geburtstagen schickte er ihr sogar Geschenke. Auch außerhalb der Schule suchte er den Kontakt mit seiner Schülerin. In über 100 E-Mails, SMS und Anrufen kontaktierte er die junge Frau, selbst als diese schon studierte. Über zehn Jahre bedrängte er sie seelisch: „Ob ich da etwas falsch verstanden habe? Das interessiert mich nicht. Da gibt es etwas, einiges an dir was, das mich affiziert, reizt wäre der falsche Ausdruck. Anzieht ja. […].“ Das Pikante an der Situation: Der End-Fünfziger war nicht nur ihr Lehrer, sondern hatte eine Frau und Kinder. Die damals 18-jährige Schülerin findet seine Avancen einerseits abstoßend, anderseits bittet sie ihn nicht damit aufzuhören. Seine Bestätigung sei Balsam für ihre Seele gewesen und doch ist die junge Frau einer zwiespältigen Situation ausgesetzt: Von dem Verhalten ihres Lehrers ist sie gleichzeitig angewidert und fühlt sich doch wahrgenommen. Sie ist überfordert und gerät immer mehr in den Strudel emotionaler Abhängigkeit: Was passiert, wenn sie ihn zurückweisen würde? Wie würde sich das dann auf ihre Noten auswirken? Zu einer körperlichen Annäherung zwischen den beiden ist es nie gekommen. Heute fragt sie sich, wie missbräuchlich dennoch diese Beziehung war und wie groß ihre eigene Verantwortung daran ist. In ihrem Feature lässt Rotsch, unter anderem Namen und anonymisiert, zwei Schulfreundinnen und eine frühere Lehrerin zu Wort kommen. Letztere erzählt, sie habe durchaus etwas mitbekommen, jedoch nichts unternommen.  

Für ihr Hörspiel-Feature ‚Der rosa Elefant im Klassenraum‘ erhält Britta Rotsch am 3. November 2022 im Rahmen des Katholischen Medienkongresses im LVR-Landesmuseum Bonn  den diesjährigen Katholischen Medienpreis. Verliehen wir dieser von der Deutschen Bischofskonferenz zusammen mit der Gesellschaft Katholischer Publizisten e. V. (GKP) und dem Katholischen Medienverband e. V. (KM.). Preiswürdig sei das Feature der Jury zufolge, weil es „Grundstrukturen des Autoritäts- und Machtmissbrauchs offenlegt, den Blick weitet und zeigt, wie die gesamte Gesellschaft von dieser Problematik betroffen ist.“ Emotionaler Missbrauch und psychische Gewalt dürfen nicht weiter tabuisiert und unter den Teppich gekehrt werden. Es bedarf einer Vielfalt an Angeboten zur Aufarbeitung, Aufklärung und Prävention. Ihren Hörer*innen gibt die Journalistin, die Absolventin der Reportageschule Reutlingen ist, eine zentrale Botschaft mit auf den Weg: „Rede mit jemanden und wenn du zweifelst, sag’: Nein!“ Rotsch gewährt sehr persönliche Einblicke und verdeutlicht gleichzeitig: Es gibt kaum zuverlässige Zahlen, kaum Studien zu diesem Thema. Selbst wenn die Fälle statistisch nicht erhoben werden, Einzelfälle sind es bei Weitem keine. Und so konstatiert Rotsch: „Dass Lehrer Fehler machen und Grenzen überschreiten, scheint weit häufiger der Fall zu sein, als manche sich zu glauben trauen.“ 

 

Rotsch, Britta (2022): Der rosa Elefant im Klassenraum. Machtmissbrauch in der Schule.  

Hörspiel-Feature, kostenlos, https://www.hoerspielundfeature.de/feature-der-rosa-elefant-im-klassenraum-100.html 

Heinrike Paulus  


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