Zum Hauptinhalt springen

Fake News, Framing, Fact-Checking: Nachrichten im digitalen Zeitalter - Buchrezension

Im digitalen Zeitalter sieht sich der Nachrichtenjournalismus vielen Herausforderungen gegenüber. Etwa der verstärkten Verbreitung von Desinformationen und Verschwörungserzählungen oder der Möglichkeit für unterschiedlichste Personen, durch Social Media Plattformen selbst Informationen und Nachrichten zu verbreiten. Diesem Thema widmet sich das Handbuch ‚Fake News, Framing, Fact-Checking: Nachrichten im digitalen Zeitalter’, das 2020 beim transcript Verlag erschien. Das Handbuch setzt sich neben einer Einführung der Herausgeberin Tanja Köhler aus sieben weiteren Kapiteln zusammen. Dabei werden in der Einführung und im ersten Kapitel die Herausforderungen für den Nachrichtenjournalismus beschrieben und in den weiteren Kapiteln näher ausgeführt.  

Welche Aufgaben und Herausforderungen dem Nachrichtenjournalismus in der digitalen Zeit begegnen und welche Lösungsansätze gefunden werden müssen, wird im ersten Kapitel thematisiert. Zu den Herausforderungen gehören die zunehmenden Ausspielwege für Nachrichten wie Plattformen oder Soziale Netzwerke. Dadurch verändert sich auch das Nutzungsverhalten der Rezipient*innen, denn besonders die jüngere Generation sucht Informationen in den Sozialen Medien. Neben der Veränderung der Verbreitungswege kann nun mehr oder weniger ‚jede*r’ Nachrichten in den Umlauf bringen, wodurch die Verbreitung von Verschwörungserzählungen und Desinformationen vereinfacht wird. Damit werden die Glaubwürdigkeit und Qualität einzelner Quellen immer wieder in Frage gestellt. Außerdem ist der Wettbewerbsdruck gestiegen. Da kaum noch Abonnements abgeschlossen werden, fehlt es an Erlösquellen. Insgesamt findet also eine Veränderung des Nachrichtenjournalismus auf „Organisations-, struktureller, kultureller, inhaltlicher und individueller Ebene” (S. 61) statt.

Vertieft wird dieses Kapitel von Marcus Bornheim (Erster Chefredakteur von ARD-aktuell und der ARD-Gemeinschaftsredaktion), der die Relevanz der Tagesschau darin sieht, sich der aktuellen Lage anzupassen. Hierzu muss sie unter anderem ihr Merkmal für Glaubwürdigkeit und Qualität beibehalten und damit ihre Marke stärken. Dabei ist es aber auch wichtig, auf möglichst vielen Plattformen präsent zu sein und sich an den Wünschen und dem Nutzungsverhalten der User*innen zu orientieren. Daneben beschreibt auch Katrin Gottschalk (stellvertretende Chefredakteurin der taz), dass den privaten Dienstleistern ein Entwicklungsdrang entgegenkäme. So müssten auch sie ihr Konzept verändern und für die Zukunft umplanen. „Was uns in der taz antreibt, von der Redaktion bis zum Verlag, ist immer der Wunsch, unseren Journalismus weiterhin zu ermöglichen“, erklärte Gottschalk (S. 95).

Eine Herausforderung des Nachrichtenjournalismus ist die Auseinandersetzung mit der Verbreitung von Fake News. Da dieser Begriff als schwammig angesehen wird, wurde eine Abgrenzung im zweiten Kapitel des Handbuchs vorgenommen. Ein wichtiges Abgrenzungsmerkmal des Begriffs ist die Intention der Verbreitung.  Statt ‚Fake News’ wird der Begriff ‚Desinformationen’ empfohlen, da sich ersterer zu einem politischen Kampfbegriff entwickelt hat. Desinformationen werden zur gezielten Verbreitung von falschen Informationen eingesetzt, um jemandem damit zu schaden.  

Ein Thema hierbei ist das Fact-Checking. Dabei werden bereits verbreitete Aussagen inhaltlich kritisch betrachtet. Meistens werden dazu die ursprünglichen Zusammenhänge gesucht. Den Journalist*innen stehen verschiedene ‚Faktenchecker’ zur Verfügung, beispielsweise der Faktenfuchs vom BR24 oder der ARD-faktenfinder der Tagesschau.

Im nächsten Kapitel wird die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) im Journalismus vertieft. So können KI und Automatisierungsprozesse Journalist*innen in ihrer Arbeit unterstützen, indem Daten generiert und ausgewertet werden. Dies wird im Beitrag anhand des Entstehungsprozesses von Nachrichten verdeutlicht. Insgesamt ist es wichtig, das Zusammenspiel von Technologien und Journalismus zu betrachten.

In einem weiteren Beitrag wird auf die Veränderungen der Beziehung zwischen Journalismus und Publikum durch Technologien wie ‚Editorial Analytics‘ eingegangen. Damit ist die Nutzungsdatenanalyse gemeint, welche Nutzer*innendaten quantitativ und systematisch auswertet.

Weiterhin werden in zwei Beiträgen zum einen der Datenjournalismus, also inwiefern das Programmieren im Journalismus eine Rolle spielen sollte, und zum anderen die Suchmaschinenoptimierung (SEO), bei welcher das Such- und Konsumverhalten beeinflusst wird, thematisiert. 

Welche Rolle die Sprache im Nachrichtenjournalismus spielt, wird im nächsten Kapitel näher beleuchtet. So müssen sich Journalist*innen zum einen bewusst machen, dass eine objektive Berichterstattung selten möglich ist. Denn durch Frames werden bestimmte Informationen und Themen herausgegriffen, um den Rezipient*innen Orientierung zu bieten. Dadurch kommt es zu eingeschränkten und pointierten Sichtweisen zu einem Thema. Zum anderen wird im nächsten Beitrag herausgearbeitet, dass eine gendersensible Sprache im Journalismus notwendig ist. Am Beispiel von ze.tt, einem Magazin der ZEIT Verlagsgruppe, wird verdeutlicht, dass Magazine mit gendersensibler Sprache nicht an Rezipient*innen einbüßen, sondern sich mehr Leute angesprochen fühlen und die Nachrichten verfolgen. Ein weiterer Schritt, um mehr Personen zu erreichen, erfolgt durch den Einsatz von ‚Leichter und Einfacher Sprache‘. Sie soll eine sprachliche Barrierefreiheit ermöglichen, denn jeder Mensch hat ein Bedürfnis nach Information.

Für einen praktischen Einblick in digitale Formate und Projekte werden im fünften Kapitel einige davon vorgestellt. Zu einem dieser Formate gehört die News-WG, welche versucht Nachrichten so zu erklären, dass sie jede*r versteht. Dies erfolgt über die Plattform Instagram, um die Zielgruppe der 19- bis 29-Jährigen in den Blick zu nehmen. 

Inwiefern die Beziehung zum Publikum noch einmal überdacht werden sollte, wird im sechsten Kapitel angesprochen. Denn die Distanz zwischen Journalist*innen und Konsument*innen wird immer geringer. Über die digitalen Plattformen können die Macher*innen direkt erreicht, befragt und kritisiert werden. Inhaltlich geht es allerdings in eine andere Richtung, denn das Vertrauen in die Medien schrumpft. Als Ansatzpunkt wird dazu angeführt, sich als Journalist*innen die Frage zu stellen, was die Rezipient*innen brauchen und diese Bedürfnisse zu erfüllen. In diesem Zusammenhang wird unter anderem die ‚User-First‘-Methode diskutiert, bei welcher Computerprogramme redaktionelle Beiträge nach persönlichen Präferenzen ausspielen oder danach, welche Inhalte mehr digitale Abonnements verkaufen.

Im letzten Kapitel des Handbuchs wird noch die Rolle der Redaktion und des Managements in den Fokus gestellt. Denn besonders durch die Digitalisierung müssen Redaktionen gut geführt werden. Eine schnelle Reaktion auf Veränderungen und die Anpassung von Strukturen ist im digitalen Wandel unabdingbar. Dazu wird in weiteren Beiträgen angesprochen, dass sich die Redaktionen Gedanken über die Medienkonvergenz und einen gemeinsamen Newsroom machen müssen sowie über den Einsatz von Redaktionstechnolog*innen, so genannten ‚News Nerds’. Der letzte Beitrag richtet den Blick noch auf den Umgang von Redaktionen mit Hate Speech. Eine Studie zum Diskussionsverhalten der Nutzer*innen führender Nachrichtenanbieter im Netz und deren Moderationsstrategien wird dort vorgestellt.

Das Handbuch richtet sich vor allem an Medienschaffende, Journalist*innen sowie Medien- und Kommunikationswissenschaftler*innen. In einem umfassenden Maß werden die Herausforderungen des Nachrichtenjournalismus, welche sich aus dem digitalen Wandel ergeben, ausgeführt. Dabei überzeugen besonders die verschiedenen Perspektiven und praktischen Bezüge der einzelnen Kapitel und Beiträge. Personen, die sich für dieses Themengebiet interessieren, werden also durch dieses Handbuch tiefgehend informiert. Dabei ist das Buch sehr anschaulich und niedrigschwellig geschrieben. Menschen, die bisher wenig Bezug zu der Thematik hatten, werden gut und verständlich eingeführt. Auch für medienpädagogische Fachkräfte können einzelne Beiträge, wie die Abgrenzung von Desinformationen, hilfreich sein. Wenn Informationen zum Nachrichtenjournalismus im digitalen Zeitalter gesucht werden, wird man hier auf jeden Fall fündig!

 

Köhler, Tanja (Hrsg.) (2020). Fake News, Framing, Fact-Checking: Nachrichten im digitalen Zeitalter. Ein Handbuch. Bielefeld: transcript Verlag. 563 S., 39 €.

Joana Baumgarten


Teaserbild: stux, OpenClipart-Vecotrs, Mohamed Hassan I pixabay

Headerbild: Gerd Altmann, stux, OpenClipart-Vecotrs, Mohamed Hassan I pixabay    Cover I transcript Verlag

 

 


Zurück

Kontakt

merz | medien + erziehung ist die unabhängige medienpädagogische Fachzeitschrift in Deutschland, in der Themen der Medienpädagogik aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden. Beschäftigen auch Sie sich mit diesem Themenbereich und möchten gerne selbst in merz veröffentlichen? Wir freuen uns immer über Einsendungen über Projekte aus Forschung und Praxis, über Rezensionen, Veranstaltungshinweise und natürlich Anregungen. 

 

Redaktion

merz | medien + erziehung
Kati Struckmeyer und Swenja Wütscher
Arnulfstraße 205
80634 München

+49 89 689 89 120
+49 89 689 89 111
merz@jff.de

Verlag

kopaed verlagsgmbh
Arnulfstr. 205
D-80634 München

+49 89 688 900 98
+49  89 689 19 12
www.kopaed.de
info@kopaed.de

Herausgeber*in

Kathrin Demmler | Prof. Dr. Bernd Schorb
JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis

Rechtsträger

JFF – Jugend Film Fernsehen e. V.
Arnulfstraße 205
80634 München

+49 68 989 0
+49 68 989 111
www.jff.de
jff@jff.de

Kontaktformular

Kontaktformular


Anmeldung zum merz-Newsletter

Hier können Sie sich zum merz-Newsletter anmelden.  Datenschutzerklärung.

Ich willige in die Verarbeitung meiner Daten zum Newsletter-Versand ein und habe die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen.