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Mit Kindern über Rassismus sprechen

Buchrezension: Gib mir mal die Hautfarbe 

 

Olaolu Fajembola (Kulturwissenschaftlerin) und Tebogo Nimindé-Dundadengar (Psychologin) sind die Gründerinnen von Tebalou, Deutschlands größter und erfolgreichster Online-Plattform für vielfältige Kinder- und Jugendbuchliteratur sowie ebensolches Spielzeug. Am 18. August erscheint ihr erstes gemeinsames Buch ‚Gib mir mal die Hautfarbe – mit Kindern über Rassismus sprechen‘. Wir haben das Buch in der Redaktion bereits vorher lesen dürfen und ein Interview mit Olaolu Fajembola darüber sowie über Tebalou und das Thema Medien und Rassismus geführt. 

„Kein Kind wird als Rassist*in geboren“ steht auf der Rückseite des Buches ‚Gib mir mal die Hautfarbe‘. Die meisten Familien wollen Rassismus auch keinen Platz in ihrer Familie geben – und doch fällt es vielen schwer, Vorurteile in der Erziehung aktiv anzugehen. Eine sehr gut zu lesende, verständliche und an vielen Stellen Augen öffnende ‚Anleitung‘ dazu geben Fajembola und Nimindé-Dundadengar in ihrem Buch. Im gleichen Maße, wie Eltern weißer Kinder für Diskriminierung und Alltagsrassismus sensibilisiert werden, stärken die Autorinnen Eltern von Kindern of Color, die unter Diskriminierung leiden.  Bei ersteren geht es nicht nur darum, Kinder nicht-rassistisch, sondern anti-rassistisch zu erziehen, das heißt sie zu sensibilisieren und zu empowern, Rassismus auch aktiv zu bekämpfen.  

Das Buch beginnt mit einem antirassistischen ABC, das klar und deutlich aufführt, welche Begriffe für wen noch verwendet werden sollten oder auch nicht. Die historischen Hintergründe, dass zum Beispiel viele Bezeichnungen für People of Color Fremdzuschreibungen sind, die noch aus der Kolonialzeit stammen, werden ebenfalls erläutert. Dann wird ein Blick darauf geworfen, wie Kinder Rassismus ‚erlernen‘ und was dem entgegengesetzt werden sollte. „Es geht […] darum, ihnen von Anfang an ein Bewusstsein dafür zu vermitteln, dass Menschen unterschiedlich sind und einige genau darum ungerecht behandelt werden.“ (S. 50) Ein praktischer Teil mit Übungen, mit Hilfe derer weiße Menschen und People of Color ihren eigenen Rassismus bzw. eigene Rassismus Erfahrungen reflektieren können, ergänzt diesen Teil. Im anschließenden Kapitel gibt es einen schnellen, aber intensiven historischen Abriss von Rassismus, Imperialismus und Kolonialismus bis hin zu einer neuen, selbstbewussten und empowernden afrodeutschen Erzählung, die in den 80er Jahren begann. Weiter geht es mit einem „Blick in den Spiegel“ (S. 85): Dabei geht es vor allem um die Trennung zwischen Fremdzuschreibungen und dem eigenen Ich: „ Die Fähigkeit, zwischen Fremdzuschreibung und dem eigenen Ich unterscheiden zu können, ist wichtig, um rassistische Zuschreibungen, die Schwarze Kinder und Kinder of Color erfahren, erkennen zu können.“ (S. 96) Dazu gehört auch ein „Privilegien-Check“ (S. 100), der zur Selbstreflexion anregt und je nach Leser*in zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen kommen wird. Fragen, zu deren Reflektion dieser Teil des Buches anregen will, sollen zum Beispiel sein: „Wer bin ich in dieser Gesellschaft, auf dieser Welt? Was hat das mit Privilegien zu tun, und welche Verantwortung übernehme ich? Auf diese Weise können wir unseren Blick für die Positionen anderer Menschen schulen. Gleichzeitig wird auch sichtbar, wie intersektional viele Erfahrungen und Positionen miteinander verstrickt sind.“ (S. 106) 

Im nächsten Teil des Buches geht es ganz konkret um die Frage, wie man mit Kindern ein Gespräch über Rassismus beginnt. Dazu gibt es eine ‚Anleitung‘ in sieben Schritten. Grundlage ist es, Rassismus immer als solchen konkret zu benennen. Das gilt sowohl für Kinder, die selbst Rassismus Erfahrungen machen, als auch für Kinder, die Vorurteile haben (was nicht gleichbedeutend damit ist, dass sie rassistisch sind). Wichtig ist dabei vor allem eine grundlegende Ehrlichkeit von Seiten der Eltern, die an den ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, den bereits junge Kinder haben, appellieren sollten. Weiterhin ist es wichtig, auf Diversität, am besten im eigenen sozialen Umfeld, aber auch in Medien, Spielzeugen usw. zu achten. Darum geht es auch in dem Kapitel ‚Ausflug ins Spielzimmer: Kinderbücher, Spielzeug und Co‘. Anhand von Studien zeigen die Autorinnen auf, dass Schwarze Kinder und Kinder of Color immer noch sehr unterrepräsentiert in Kinderbüchern sind, und wenn, dann meist in Verbindung mit Themen wie Rassismus, Bürgerrechten, Migration etc. statt Humor, Abenteuer oder einfach Alltagserlebnissen. Somit werden sie auf Leid und Kampf reduziert, was eine Konstruktion dieser Kinder als fremd und ernst nach sich zieht. Weiße Kinder wiederum erhalten eine große Palette an Identifikationsmöglichkeiten, was bei Schwarzen Kindern wiederum oft das Gefühl der Unsichtbarkeit, das mit Minderwertigkeitskomplexen und Selbstablehnung einhergeht, evoziert. Die Autorinnen geben zahlreiche Tipps, woran man diversitätssensible Kinderbücher bzw. Rollen in medialen Darstellungen erkennt und nach welchen Kriterien man sie auswählen sollte. „Auch für Kinder ist es wichtig, die gesellschaftliche Diversität, also die heterogene Wirklichkeit, in den unterschiedlichen Bereichen der Medien zu sehen.“ (S. 207) Konkrete Tipps zu Büchern, Fernsehangeboten und Streaming Diensten bis hin zu Profilen in Sozialen Medien runden dieses Kapitel ab.  

‚Gib mir mal die Hautfarbe‘ eignet sich für alle, die sich mit dem Thema Rassismus auseinandersetzen wollen – angefangen bei sich selbst, als Eltern oder als Betroffene. Auch für die medienpädagogische Arbeit gibt das Buch viele Anreize, um gemeinsam mit Heranwachsenden Rassismus in den Medien bzw. die Darstellung von weißen Menschen und People of Color in medialen Settings zu diskutieren und zu reflektieren. 

Hier geht es zum Interview mit Olaolu Fajembola, das gleichzeitig der Opener für unsere Podcast Reihe zu ‚Medien und Rassismus‘ ist. Auch, wenn die merz zu diesem Thema erst im nächsten Jahr erscheint, haben wir uns in drei Folgen diesem wichtigen und komplexen Thema gewidmet.  

Kati Struckmeyer 

 

 

Fajembola, Olaolu/ Nimindé-Dundadengar, Tebogo (2021). ‚Gib mir mal die Hautfarbe‘: Mit Kindern über Rassismus sprechen. Weinheim: Beltz. 247 S., 17,00 €.


Header-/Teaserbild: Coverabbildung Beltz Verlag

 


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