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Rezension: ,Und jetzt du. Rassismuskritisch leben’ von Tupoka Ogette

UND JETZT DU. Rassismuskritisch leben

Ogette, Tupoka (2022). UND JETZT DU. Rassismuskritisch leben. München: Penguin Verlag. 329 S., 22,00 €.

 

Nach ihrem Bestseller von 2018 ‚exit RACISM: rassismuskritisch denken lernen‘ hat Autorin und Trainerin für Rassismuskritik Tupoka Ogette nun nachgelegt. Denn die logische Folge des rassismuskritischen Denkens ist es natürlich, die Sensibilität dafür und das Wissen darum auch im Leben und Handeln umzusetzen.

Das Buch ist in zwei Teile aufgeteilt. Nach einem persönlichen Vorwort geht es in den ersten beiden Kapiteln um die Grundlagen der Rassismuskritik – was ist überhaupt Rassismus, was sind Privilegien, was sind Mythen und wer oder was ist ein Ally. Darüber hinaus wird das Phänomen weißer Zerbrechlichkeit erklärt und dabei auch auf Intersektionalität eingegangen.

Im zweiten Teil wird es dann konkret. Wie lebt man privat bzw. im institutionellen Kontext rassismuskritisch – diese Frage zieht sich wie ein roter Faden durch das dritte und vierte Kapitel des Buches. Aus medienpädagogischer Perspektive besonders relevant sind verschiedene Unterkapitel von ‚Und jetzt konkret: Rassismuskritisch leben im institutionellen Kontext‘.  Im Kapitel ‚In der Werbung‘ zum Beispiel erklärt Ogette an Beispielen, wie Firmen „mit der Reproduktion von rassistischen Narrativen oder Bildern spielen oder rassistische Punchlines nutzen, um ihre Produkte zu bewerben.“ (S. 264) Das Problem dabei sei, so Ogette, die mit vielen dieser Firmen auch zusammenarbeitet, um künftig andere Ergebnisse zu erzielen, dass nicht Neonazis rassistische Werbung in Auftrag geben, sondern „ganz ‚normale‘ Menschen“ (S. 265), die den Rassismus darin oft schlicht nicht erkennen. Ogette empfiehlt hier, Teams von vornherein diverser zu gestalten, um verschiedene Perspektiven und Expertisen bei der Produktion von Filmen, Slogans etc. einzubeziehen. Im Kapitel ‚In Satire und Comedy‘ geht es um die Problematik, was Humor darf und wo die Grenzen liegen. Für Ogette ist klar: „Rassismus verpackt in Humor ist immer noch Rassismus. Und er ist immer noch verletzend, demütigend und entmenschlichend.“ (S. 207) Interessant sei bei Bühnenkonstellationen vor allem das Machtgefälle. Ogette erwähnt folgendes Gedankenexperiment: Wie würden sich Kabarettist*innen oder Comedians wie zum Beispiel Lisa Eckhart verhalten, wenn ihnen kurz vor der Show mitgeteilt würde, dass sie vor einem Schwarzen oder jüdischen Publikum spielen würden? Denkt man diesen Gedanken zu Ende, wird klar, dass die meisten Menschen auf der Bühne, die ihren Humor auf Kosten von Minderheiten oder marginalisierten Gruppen aufbauen, weiße Menschen in einem weißen Raum sind, so dass alle das gleiche (Macht-)Verhältnis zum Gesagten haben. Im Kapitel ‚In Film, Fernsehen und Literatur‘ weist Ogette darauf hin, dass rassismuskritisch denken und leben lernen auch bedeutet, „rassistische Narrative in Filmen zu verstehen und zu entlarven.“ (S. 281) Ogette berichtet von der Beratung großer Medienunternehmen und Filmproduktionsfirmen auf ihrem rassismuskritischen Weg. „Film hat Macht. Weil dies so ist, haben Individuen und Institutionen, die Filme erschaffen und produzieren, eine große Verantwortung. Welche Drehbücher sie schreiben, welche Bilder sie wählen und welche Besetzung, kreiert Wirklichkeit.“ (S. 283) Im Folgenden werden einige bekannte Filmtropen aufgeführt, die es zu erkennen und abzuschaffen gilt. So zum Beispiel die „Muster-Integration“ (S. 284 ff.), deren Quintessenz es ist, dass Schwarze Menschen deutlich mehr leisten müssen als alle anderen; in einer Welt, die ihnen permanent die Menschlichkeit abspricht. Der „Magical Negro“ (S. 288 ff.) beschreibt eine Schwarze Film- oder Serienfigur, die oft mittels spiritueller oder andere spezieller Fähigkeiten den weißen Protagonist*innen hilft, selbst aber keine Agenda, keine Vergangenheit und keine eigenen Ambitionen hat. Im Gegenzug dazu ist der „White Savior“ (S. 291 ff.) ein weißer Charakter, der das Problem einer schwarzen Person löst, sie aber nicht in die Lösung mit einbezieht. Diese Trope findet sich oft in Filmen, die Rassismus zwar thematisieren, dies aber aus dem alten kolonialen Narrativ heraus tun, dass weiße Menschen gebraucht werden, um die Welt zu retten, wodurch die weiße Perspektive auch wieder das Zentrum darstellt. Um die persönliche Filmanalyse der Lesenden in Hinblick auf Rassismus zu unterstützen, gibt es zum Ende des Kapitels einen Fragebogen. Dieser könnte auch sehr gut in medienpädagogische Projekte einbezogen werden oder zur Vorbereitung dienen, wenn es um Filmanalyse in Hinblick auf Rassismus geht.

Insgesamt ist Ogettes Werk für alle Menschen lesenswert, die um eine rassismuskritische Lebensweise – privat und institutionell – bemüht sind. Es ist sehr verständlich geschrieben, arbeitet mit vielen guten Beispielen und hat auch viele Tipps zur weiteren Recherche parat – sei es auf Instagram, in Podcasts oder auf YouTube.

 

Kati Struckmeyer


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