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Schöne neue Welt – Welt der Schönen!?

Buchrezension: Riot, don’t diet! Aufstand der widerspenstigen Körper

 

„Schönheit ist eine Geschwindigkeit des Blicks“, lautet ein Zitat. Doch was ist eigentlich schön? Wer definiert das? Wie prägen Schönheit und Schönheitsideale die Strukturen unserer Gesellschaft?

Die promovierte Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Lechner hat mit Riot, don’t diet zu diesem Thema ein lesenswertes und zugleich emphatisches Buch vorgelegt. Im Fokus stehen dabei unter anderem dicke, haarige, queere, alternde Körper, People of Colour sowie Menschen mit Behinderung.

In unserer gegenwärtigen Leistungsgesellschaft ist Fitness das neue Credo.

Schließlich wollen viele mit einem jungen, weißen, fitten Körper, einem flachen Bauch und schlankem Gesicht gängigen Schönheitsnormen entsprechen. Der Druck schön sein zu müssen, gilt für nahezu sämtliche Regionen des Körpers in allen Phasen des Lebens. Und was ist mit all jenen, auf die das nicht zutrifft? „Wer in unserer Gesellschaft nicht der Norm entspricht, wer sich und seinen Körper nicht dem kommerzialisierten Zwang zur Selbstoptimierung unterwirft, wird marginalisiert, gemobbt und ausgegrenzt“, ist dem Klappentext zu entnehmen.

Konkret heißt das, dass zum Beispiel Frauen inzwischen etwa Morddrohungen erhalten, wenn sie sich in Sozialen Netzwerken mit unrasierten Beinen zeigen.

Gewidmet hat Lechner deshalb ihr interdisziplinär-wissenschaftliches Buch allen, „die schon einmal aufgrund ihres Aussehens beschämt, herabgesetzt, beleidigt, diskriminiert und verletzt wurden, deren Körper sie zu Zielscheiben für Spott und Häme machen. An euch ist nichts falsch! An den Machtstrukturen, die unsere Gesellschaft ausmachen, aber einiges.“

In zehn fundiert recherchierten Kapiteln erläutert die Autorin diese Machtstrukturen und dass das Geschäft mit der Schönheit zutiefst politisch ist. Sie zeigt zudem auf, dass Medien einen nicht unerheblichen Einfluss und Anteil am Entstehen von Schönheitsidealen haben. Zugleich ermutigt sie die Leser*innen, sich online wie offline gegen Schönheitswahn, Oberflächlichkeit und Fremdbestimmtheit aufzulehnen. Wer bisher glaubte, Schönheit sei vermeintlich ein Thema, das lediglich Freuen betreffe, den überzeugt die Autorin eindringlich vom Gegenteil. Dabei konstatiert sie, „dass wir in einer zutiefst lookistischen Gesellschaft leben, in der Menschen aufgrund ihres Aussehens bewertet, stereotypisiert und oft auch diskriminiert werden.“ Der Begriff Lookismus wurde erstmals Ende der 1970er in der Washington Post erwähnt. Er ist der rote Faden in Lechners Plädoyer auf die „widerspenstigen Körper“. Deshalb lässt sie neben Expert*innen auch Aktivist*innen und ihre verschiedensten Erfahrungen mit Sexismus, Rassismus oder Diskriminierung aufgrund ihrer Behinderung, ihres Körpergewichts, Alters, Geschlechts oder ihrer Sexualität zu Wort kommen.

Lechner hat an der Universität Wien promoviert und forscht an der Schnittstelle von Popkultur-Studien, feministischer Medienwissenschaft, Affect & Body Studies.

Deshalb diskutiert sie auch, inwieweit Medienkompetenz ein entscheidender Faktor sein kann, dem Schönheitsdruck, der sich besonders stark in den Sozialen Medien manifestiert, zu entrinnen  ganz nach dem Motto: „Body Shaming raus! Empowerment und Widerstand rein!“

Nicht zuletzt deshalb sollten die von Elisabeth Lechner diskutierten Aspekte zeitnah in der Medienwissenschaft sowie ihren angrenzenden Disziplinen und vor allem in der Medienpädagogik auf theoretischer und praktischer Ebene wahrgenommen und dementsprechend als Handlungsauftrag verstanden werden.

Die kämpferische Devise des Buchtitels Riot, don’t diet, der in glänzenden, neonpinken Großbuchstaben das Cover ziert,wird auch dann deutlich, wenn Lechner auf Basis der Forschungsergebnisse ihrer Dissertation, die die Grundlage für die vorliegende Publikation ist, nicht nur allein für einen „inklusiven Schönheitsbegriff“ plädiert. Vielmehr möchte sie eine „Schönheitsrevolution“ anzetteln. Als Kick-off hierzu gibt sie den Leser*innen einen „5-Punkte-Plan“ an die Hand. Deutlich wird dabei, das jeder auf dem Weg zu einer inklusiveren und mitmenschlichen Gesellschaft gefragt ist, vor allem wenn die Autorin schreibt: Es ist höchste Zeit, dass wir die Fehler nicht mehr bei uns suchen und uns in individualisierter Selbstscham und endlosen Optimierungsversuchen verlieren.“

 

Elisabeth Lechner (2021): Riot, don’t diet! Aufstand der widerspenstigen Körper. Wien: Kremayr & Scheriau. 230 S., 22,00 €.

Heinrike Paulus

Hör-Tipps

Am Ende ihres Buches fordert Elisabeth Lechner ihre Leser*innen auf: „Weiter: lesen, denken, machen“ und empfiehlt dafür neben weiterführender Literatur auch Podcasts.

In zwei von ihnen hat unsere Autorin hineingehört:

 

In ihrem Podcast „Frauenfragen“ spricht die österreichische Journalistin und Moderatorin Mari Lang seit November 2020 regelmäßig mit bekannten Männern wie dem früheren österreichischen Bundeskanzler Christian Kern, Schauspieler und Musiker Manuel Rubey oder Kabarettist und Autor Dirk Stermann über Themen, die für gewöhnlich nur mit oder unter Frauen erörtert werden: Mode und Körperpflege, Problemzonen am Körper, Feminismus, Frauenquote in Unternehmen oder Vereinbarkeit von Familie und Karriere. „Weil es Zeit wird die Realitäten umzukehren und zu zeigen, wie absurd manche Frauenfragen sind“, ist dabei ihre Devise. Zugleich möchte sie aufzeigen, dass die eine oder andere Frage auch für Männer bedeutend ist. „Nur wurden sie bisher nie gestellt.“

https://www.marilang.at/category/podcast/

 

„Feuer und Brot.“ ist ein Podcast der freien Journalistin Alice und Sprecherin Maxi. In ihrem „monatlichen Freundinnengespräch zwischen Politik & Popkultur“ sprechen die beiden über gesellschaftlich relevante, popkulturelle und persönliche Themen. In lockerer Atmosphäre befassen sie sich zum Beispiel mit Sexismus im Feminismus, Männlichkeit, Narzissmus oder Tabuthemen wie der Menstruation.

https://feuerundbrot.de


Header-/Teaserbild: Coverart Kremayr & Scheriau Verlag


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