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SINUS-Jugendstudie 2020

Wie ticken Jugendliche? 

Sowohl in der Corona- als auch in der Klimakrise wünschen sich Jugendliche mehr Partizipationsmöglichkeiten, während Fun und Action für sie an Bedeutung verlieren 

Die SINUS-Jugendstudie erscheint alle vier Jahre und untersucht die Lebenswelten 14-bis 17-jähriger Teenager in Deutschland. Auftraggeber sind unter anderen die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), die Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz (afj), der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) sowie die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung. Zentrale Fragen der Studie sind: Welche Themen sind der Jugendgeneration wichtig? Wie blicken die jungen Menschen in die Zukunft? Und nicht zuletzt: Wie kommen die Jugendlichen in der Ausnahmesituation der Corona-Krise zurecht? Die Ergebnisse wurden am 23. Juli auf einer Online Pressekonferenz vorgestellt.  

Die Studie ist eine qualitativ-empirische Bestandsaufnahme der soziokulturellen Verfassung der jungen Generation. Unterschiedlichste Aspekte der jugendlichen Alltags- und Lebenswirklichkeit (Schule, Berufswahl, Gesundheit, Sport, Politik etc.) werden in der Publikation nicht nur beschrieben, sondern mittels einer Vielzahl persönlicher Zeugnisse der Jugendlichen illustriert. Wie in den Vorgängerstudien greift das SINUS-Institut hierbei auf ein breites methodisches Spektrum zurück: Neben Auswertung und Interpretation der explorativen Interviews sind im Forschungsbericht zahlreiche Bilddokumente wie Skizzen, Fotos und Collagen und ebenfalls eine Vielzahl von O-Tönen der befragten Jugendlichen zu finden. 

Zu wenig politische Repräsentation 

Viele Teenager fühlen sich von der Politik weder gehört noch ernst genommen. Sie beklagen die fehlende Teilhabe der jungen Generation an politischen Entscheidungsprozessen und die mangelnde Repräsentation im politischen Raum. Aus Jugendsicht wird Politik in erster Linie von „alten weißen Männern“ dominiert und geprägt. Pauschales Politiker*innenbashing ist dennoch selten. Politische Akteur*innen und Institutionen werden differenziert beurteilt. Viele Jugendliche zeigen Verständnis und Empathie für Politiker*innen, die einen „harten, stressigen Job“ machen. 

Die Lösung der Klimakrise als zentrale Frage der Generationengerechtigkeit 

Ein Gefühl von Machtlosigkeit und  fehlenden Partizipationsmöglichkeiten, zu wenig Wissen und geringe Zeitbudgets sind Barrieren für globales Engagement Jugendlicher. Die große Beteiligung der Teenager an den Fridays-for-Future-Demonstrationen macht jedoch Hoffnung, dass junge Menschen sich stärker für globales Engagement öffnen. Längst haben Jugendliche die Lösung der Klimakrise als zentrale Frage der Generationengerechtigkeit für sich identifiziert und bringen in den Demonstrationen ihre Ohnmacht und Empörung („Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“) zum Ausdruck. Der jugendliche Zeitgeist ist grün und bewahrend (das heißt konservativ im ursprünglichen Sinne). Die Klimakrise wird aus jugendlicher Perspektive von den Verantwortlichen (Politik, Wirtschaft, ältere Generationen) nicht ernst genommen; mögliche Problemlösungen werden verschleppt oder sogar hintertrieben. 

Jugend in der Corona-Krise: genervt von den Einschränkungen, aber mitfühlend und verantwortungsbewusst 

Solidarität mit anderen spielt auch in der Corona-Krise eine zentrale Rolle. Denn die befragten Jugendlichen haben zwar wenig Angst davor, sich selbst mit dem Virus zu infizieren, befürchten aber, andere Menschen anzustecken (Ältere, Großeltern etc.). Die meisten sehen es als ihre soziale und gesundheitliche Verantwortung, die Krise ernst zu nehmen und sich um ihre Mitmenschen zu sorgen. Die Einschränkungen der persönlichen Freiheit und das reduzierte Freizeitangebot nerven zwar viele Jugendliche, sie erkennen jedoch die Notwendigkeit, sich damit zu arrangieren. Die subjektive Betroffenheit der Jugendlichen von der Corona- Krise hält sich in Grenzen. Die meisten schätzen die Auswirkungen der Pandemie auf ihr persönliches Leben bisher als nicht sonderlich schwerwiegend ein. Dies gilt insbesondere für Jugendliche aus sozial benachteiligten Lebenswelten. Der Politik stellen die Jugendlichen in der Krise ein gutes Zeugnis aus. Sie vertrauen den Akteur*innen und sehen die veranlassten Maßnahmen als nachvollziehbar und verhältnismäßig an. Kritisiert wird allerdings die nach Meinung der Jugendlichen verfrühte Wiedereröffnung der Schulen und dass die Chance verpasst wurde, in dieser Debatte das Vertrauen der Jugend zu gewinnen, in dem man sie auch hätte zu Wort kommen lassen. 

Jugendliche finden die Schule „ganz okay“, sehen aber kaum Chancen zur Mitgestaltung 

Die Schule ist für die Befragten kein Ort, den sie am liebsten meiden möchten; ein Wohlfühlort ist die Schule aber auch nicht. Im Allgemeinen wird deutlich, dass sich Jugendliche in der Schule vor allem dann wohlfühlen, wenn sie sozial gut eingebunden sind, gute Beziehungen zu den Lehrkräften haben und sich am Unterricht aktiv beteiligen können. Unwohl fühlen sich Schüler*innen in erster Linie dann, wenn sie Fehler machen oder der Leistungsdruck steigt. In Sachen Mitbestimmung stellen die Jugendlichen ihren Schulen ein schlechtes Zeugnis aus. Möglichkeiten für Mitbestimmung in der Schule werden kaum gesehen. Schule wird als statisches und kaum gestaltbares System erlebt. 

Die hedonistische Mentalität ist auf dem Rückzug 

Die ehemals so jugendtypische hedonistische Mentalität nimmt weiter ab: Feiern gehen, Fun und Action verlieren an Bedeutung. Die Ära generationsprägender Jugend(sub)kulturen scheint endgültig vorbei – wenngleich es immer noch Nischenszenen gibt. Die Werte Leistung und Selbstverantwortung stehen bei den Jugendlichen hoch im Kurs, auch wenn gleichzeitig die Skepsis gegenüber dem neoliberalen Wettbewerbsparadigma zugenommen hat. Die Folge dieser Skepsis ist, dass „Zeit für sich selbst haben“ oder „chillen“ immer wichtiger werden.

 

Hier können Sie die über 600 Seiten lange Studie bei der Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb) bestellen oder als pdf ansehen. 


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