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SWIPE DES MONATS: Plätzchen aus dem Internet

Obwohl mir das Geburtsdatum auf meinem Ausweis etwas anderes signalisiert, zähle ich mich zu der Generation, die keine Gebrauchsanweisungen mehr liest. Was sich nicht von selbst erschließt oder beim Durchklicken eines YouTube-Videos seine Geheimnisse freigibt, wird von mir einfach nicht in Gebrauch genommen. Fertig. Auch wenn dieses Verhalten Menschen mit großer Affinität zum gedruckten Wort kalte Schauer des Entsetzens über den Rücken laufen lässt, ist die Lesefaulheit doch bei vielen Leuten Realität geworden. Dieses Phänomen haben sich die Betreiber*innen von Webseiten und Internetdiensten zunutze gemacht. „Willst du auf unserer Webseite surfen – dann nimm‘ das! (20 Seiten eng bedruckte Ausführungen zum Datenschutz) „oder drücke einfach den großen Button mit ‚ich akzeptiere‘“. Ich muss zugeben, dass sich in solchen Situationen mein grundsätzlicher Widerspruchsgeist kurzfristig im Clinch mit meiner Lesefaulheit befindet, in der Regel mit eindeutigem Ergebnis: Nein, ich akzeptiere nicht! Nein, ich akzeptiere nicht, dass mein seit Jahren angestammter Stellplatz im Fahrradkeller immer wieder besetzt ist. Nein, ich finde es nicht in Ordnung, dass unsere Nachbar*innen nicht in der Lage sind, ihren Karton zu zerlegen, bevor sie ihn in die Altpapiertonne werfen. Und NEIN, ich möchte eben nicht immer alles akzeptieren müssen, bevor ich zu den eigentlichen Inhalten einer Webseite vordringen kann – ich weiß doch gar nicht, was ich dort vorfinden werde.  

Erschwerend kommt hinzu, dass ich meist gar nicht verstehe, was ich da lese und welche Auswirkungen es für mich hat, wenn ich alles akzeptiere. Weil aber nun mal für mich ein Leben ohne Internet nicht nur nicht möglich, sondern auch sinnlos ist, bin ich dazu übergegangen, fleißig den Alles-akzeptieren-Button zu drücken. Und da ich grundsätzlich an sportlichen Herausforderungen interessiert bin, habe ich mit mir selbst einen Wettbewerb laufen, wie schnell ich den Button finde und drücke. Manchmal erinnere ich mich dabei an das Computerspiel Moorhuhn, das einzige bei Medienpädagog*innen unumstrittene Ego-Shooter-Spiel: Dabei gilt es, möglichst schnell mit der Maus ein Moorhuhn abzuschießen – und darin war ich immer ziemlich gut.  

Ab und zu siegt aber meine Renitenz und ich drücke auf ‚nicht akzeptieren‘. Wie in einem Science-Fiction-Film bleibt mir dann entweder der Weg durch das Tor in eine andere Welt verschlossen; oder ich werde wieder mit unendlichen Ausführungen zu Grundsätzlichem, Analyse und Marketing behelligt. Also: durchschnaufen, akzeptieren und weiter geht’s. Es hilft ja nix.  

Was ich mich aber schon die ganze Zeit frage: Wer hortet eigentlich all diese Cookies, die ich freudig akzeptiert habe? Jetzt vor Weihnachten könnte ich einige davon gut gebrauchen.  

 

Klaus Lutz

 


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