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TINCON-Themenwoche ‚Let’s talk – MENTAL HEALTH & SOCIAL MEDIA‘ – Ein Rückblick - Teil 4

Männlichkeit & mentale Gesundheit & Wie ist es, als Musiker dauerhaft medienpräsent zu sein?

 

Die nachfolgenden Berichte sind Zusammenfassungen von Beiträgen der TINCON-Themenwoche ‚Let’s talk – MENTAL HEALTH & SOCIAL MEDIA‘. Die TINCON ist die Konferenz für digitale Jugendkultur für junge Leute von 13 bis 25 Jahren. Vom 9. bis 13. August wurde eine Woche lang auf verschiedenen online-Plattformen in verschiedenen Videoformaten über mentale Gesundheit gesprochen. Die Zusammenfassungen für die Beiträge zum Thema ,Therapie- und Therapieplatzsuche‘ befinden sich hier. Der Beitrag mit Psychologe Hannes-Vincent Krause zum Thema ,Social Media und mental health‘ befindet sich hier. Die Zusammenfassung zum ,Flokati Beach‘-Talk mit der Gen Z ist hier nachzulesen.

 

Männlichkeit & mentale Gesundheit: Interview mit Autor Fikri Anıl Altıntaş (Freitag, 13. August)

Dass das Thema mentale Gesundheit nicht nur zwischen den Generationen unterschiedlich behandelt wird, sondern auch zwischen den Geschlechtern, wurde bereits im ,Flokati Beach‘-Talk angerissen. Der Interviewgast Robin berichtet da, dass er eher mit weiblichen Freundinnen über seine Probleme redet als mit männlichen.

Im sechsten Video der TINCON-Themenwoche geht es unter anderem um genau dieses Phänomen. Fikri Anıl Altıntaş ist im Interview zu Gast, um über das Thema Männlichkeit und mentale Gesundheit zu sprechen. Er ist freier Autor aus Berlin und schreibt derzeit an seinem literarischen Debüt. In diversen deutschen Medien hat Altıntaş vor allem Beiträge zu Männlichkeit und Orientalismus veröffentlicht. Hier war er zu Gast im ZEIT-Podcast ,Ist das normal?'.

Vorstellen tut er sich selbst im Interview mit den Begriffen ,cis-hetero, muslimisch, türkisch‘ und macht damit klar, aus welcher Perspektive er auf das Thema schaut. Viele seiner Artikel entstehen aus (auto-)biografischer Arbeit und beleuchten migrantisierte Männlichkeit. Männlichkeit ist für ihn ein theoretischer Begriff, also etwas Performatives, welches immer neu gedacht wird. Die eine Männlichkeit gibt es für ihn nicht. Er benutzt das Wort bewusst politisch und beschreibt mit ihm eine Positionierung innerhalb der Machtverhältnisse in der Gesellschaft.

In Deutschland dominiert derzeit das Bild des weißen, dominanten cis-hetero Mannes, der keine Schwäche zeigt. Vermittelt wird dieses Bild laut Altıntaş zum Beispiel durch Werbung oder auch Soziale Medien. Gefährlich ist dieses Männlichkeitsbild, wenn männlich gelesene Personen dadurch einer Erwartungshaltung gegenüberstehen, die zwangsläufig nicht erfüllt werden kann und sollte. So beschreibt er von sich selbst, dass in der Jugend nicht er seine Arzttermine ausgemacht hat, sondern seine Mutter. Er hatte als Mann das Gefühl so sozialisiert worden zu sein, dass er keine Schwäche, bzw. Krankheit zeigen dürfe. Diese Einstellung führt zwangsläufig dazu, dass Probleme mit sich selbst ausgemacht werden müssen und sich keine Hilfe geholt wird.

Genau wie für Robin waren für Altıntaş männliche Freundschaften bisher eher instrumental, während er die emotionale Themen mit weiblich gelesenen Personen besprechen konnte. Sprüche wie ,Steh drüber‘ und ,Heul nicht‘ kennt er aus männlichen Freundesgruppen. Zwar sind diese Sätze von den Personen meist nicht negativ gemeint, unterstützen jedoch in der Masse ein gefährliches Bild von Männlichkeit. Der Autor betont, dass das einmalige ,in-sich-reinfressen‘ von Problemen nicht schlimm ist, sondern die Entstehung eines Systems, in dem Männer nicht lernen sich um ihre mentale Gesundheit zu kümmern. Altıntaş nennt einige Statistiken, die belegen, dass Männer eine deutlich höhere Suizidrate haben und häufiger als Frauen alkoholabhängig werden.

Es ist, mit Blick auf die mentale Gesundheit von Männern, laut Altıntaş essentiell wichtig, von diesem vorherrschenden Männlichkeitsbild abzuweichen, das Thema Therapie zu entstigmatisieren und Männer zu ermutigen sich verletzlich zu zeigen und sich bei Problemen Hilfe zu suchen. Besonders für den Umgang mit Social Media ist es wichtig, diese Rollenmuster zu erkennen, denn laut Altıntaş werden Rollenklischees durch bestimmte Algorithmen umso mehr verkörpert, je länger Soziale Medien genutzt werden.

Auf der anderen Seite sind Soziale Medien auch ein mächtiges Instrument, um diesem Männlichkeitsbild entgegenzusteuern. Altıntaş beschreibt zum Beispiel die Offenbarung des Rappers Haftbefehl, eine Depression zu haben, als einen kleinen Dominostein, der das Thema enttabuisiert. Ebenso empfiehlt der Autor mehr Workshops in Schulen zum Thema und lobt den Boys-Day, bei dem Schüler in weiblich dominierte Berufe schnuppern können.

Denn auch die niedrige Quote von Frauen in MINT-Berufen oder Männern in CARE-Berufen ist für Altıntaş ein Resultat von Rollenklischees. Funktionalität und Pragmatismus gelten als männliche Eigenschaften, Frauen wird die Emotionalität beigebracht. Meist geschieht das gar nicht bewusst, daher ist es umso wichtiger mit kleinen Schritten die Gewohnheiten zu verändern.  

 

Wie ist es, als Musiker dauerhaft medienpräsent zu sein? Beitrag von Alexandra Gulzarova, Rike Wagner, Lilly Timme und Franka Hennes (Freitag, 13. August)

Im letzten Beitrag der TINCON -Themenwoche zum Thema mentale Gesundheit und Social Media beleuchtet Moderatorin Alexandra Gulzarova zusammen mit einigen Interviewpartner*innen, wie wichtig solche Netzwerke für Musiker*innen geworden sind. Sie befragte dazu die Musiker*innen Maryam.fyi, Drangsal und Goldy.mp3 zu ihren Erfahrungen und holte sich Meinungen von Psychotherapeut Michael Wecker vom Verband Mental Health Music, Artist Managerin von Bam Bam Music Illy Korda und Product Manager Marian Sittart von Embassady of Music. Bisher beschäftigten sich die Beiträge der Themenwoche größtenteils mit der privaten, freiwilligen Nutzung von Social Media, doch in bestimmten Berufsgruppen ist es mittlerweile essentiell geworden, auf Sozialen Plattformen vertreten zu sein. Warum ist das so?

Ein Bedürfnis seinen Idolen nah zu sein und sie auch außerhalb ihres Berufes ,ganz privat‘ besser kennenzulernen gibt es schon lange. Neu sind die Sozialen Medien. Auf denen können die Künstler*innen nun selbst entscheiden, was und wie viel sie von sich preisgeben. Die Hauptsache ist ein Anschein von Authentizität.

Psychotherapeut Michael Wecker spricht von einer Erwartung der Social-Media-Nutzer*innen auf solchen Plattformen, die ,echte‘ Person hinter der Kunstfigur zu sehen. So beschreibt auch die Artist Managerin Illy Korda, dass, wenn sie Song gut findet, sie gerne die Person dahinter kennenlernt – und zwar auf Social Media. Was hat die Person für Hobbys? Wie ernährt sie sich? Wie viel Sport macht sie? Wie wohnt sie? Musikerin Maryam.fyi bemerkt durch eigene Erfahrungen, dass es bei den Zuschauer*innen gut ankommt sich privat zu zeigen, aber auch, dass es notwendig ist, um sichtbar zu bleiben.

Diese Erwartungshaltung kann jedoch bei den Künstler*innen zu einer zusätzlichen Belastung führen. So spricht der Musiker Drangsal darüber, wie er früher sehr private Dinge auf Social Media geteilt hat und ihn das immer mehr unter Druck gesetzt hat. Er beschreibt, dass der Dopaminfeedbackloop, den man durch die Aufmerksamkeit erhält, für ihn auf Dauer ungesund ist und entschied sich dazu, sich aus der Öffentlichkeit mehr zurückzuziehen und keine privaten Themen mehr auf Instagram und Co. anzusprechen. Auch Maryam.fyi kennt es, wenn ihre Gedanken permanent darum kreisen, was man veröffentlichen soll. Sie beschreibt im Interview eine Szene, in der sie eigentlich keine Lust hatte etwas zu posten, sich aber unter Druck gesetzt gefühlt hat, es doch tun zu müssen.

Umso wichtiger ist es für die Musiker*innen auf ihre eigene Belastungsgrenze zu hören. Product Manager Marian Sittart versucht mit den Künstler*innen individuell zu erarbeiten, wie ihre persönliche Nutzung von Social Media aussehen könnte. Ganz wegzudenken sind die Plattformen jedoch nicht mehr, daher weist auch Illy Korda auf die Wichtigkeit hin, den Umgang mit Social Media früh zu lernen, zum Beispiel in der Schule. Sie würde sich außerdem einen individualisierten ,Mental-health‘-Filter von den Plattformen selbst wünschen, der ähnlich funktioniert wie der bereits existierende Filter, der vor sensiblen Inhalten warnt.

 

Die meisten Videos der TINCON-Themenwoche sind auf Instagram oder YouTube nachzuschauen.

Interview mit Fikri Anıl Altıntaş

Video zum Thema Musiker*innen auf Social Media

Hier geht's zur Übersicht

 

Luisa Baier


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