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Begleiter in die Welt von Gender und Diversität

Rezension: Was ist eigentlich dieses LGBTIQ*?

 

Das Geschlechter-Klischee Rosa für Mädchen und Himmelblau für Jungen ist nicht schon immer verbreitet. Bis in die 1940er war es genau umgekehrt. „Denn Rot und Rosa galten als Zeichen der Männlichkeit und Stärke. Die Spieler des Fußballvereins Juventus Turin trugen früher alle rosa Trikots“, schreiben Linda Becker und Julian Wenzel in ihrem Buch ‚Was ist eigentlich dieses LGBTIQ*?‘.Darin erklären sie jungen Leser*innen ab 11 Jahren die Welt von Gender und Diversität.  Leicht verständlich und fundiert recherchiert vermitteln sie auf 100 Seiten alles Wissenswerte dazu. Gleichzeitig schaffen sie noch ein weiteres Klischee aus der Welt: Nicht schon immer schminken sich nur Mädchen und Frauen. Vor 300 Jahren war es ganz selbstverständlich, dass Männer Puder und Rouge benutzten. Daher betonen die beiden Autor*innen in ihrem Buch: „Kein Verhalten, kein Aussehen auch keine Eigenschaft ist weiblich oder männlich.“

Linda Becker und Julian Wenzel gelingt es, jungen Leser*innen auf Augenhöhe die verschiedenen geschlechtlichen und sexuellen Identitäten zu erklären. Die Journalist*innen, die für das Jugendprogramm des Bayerischen Rundfunks (kurz: BR) Puls arbeiten, möchten zeigen, wie vielfältig die Welt ist und wie verschieden jede*r leben kann. Julian Wenzel teilt seine eigenen Erfahrungen und Geschichten auch als Host des BR-LGBTIQ*-Podcasts ‚Willkommen im Club‘. „Wir sind Mitglied in dieser LGBTIQ*-Community ohne wirklich gefragt worden zu sein. Wenn ich schon irgendwo Mitglied bin, dann will ich auch wissen, worum es in diesem Club geht“, so Wenzel.Folge für Folge will er zusammen mit seiner Kollegin Kathi Roeb und den Zuhörer*innen die LGBTIQ*-Community besser kennenlernen. Inzwischen gibt es über vierzig Episoden zu drängenden Fragen, wie etwa Dating, HIV, Folgen von Queerfeindlichkeit oder Regenbogenfamilien.

So manches Thema des informativen sowie zugleich lockeren und unterhaltsamen Podcasts wird auch in den zehn Kapiteln des Buchs angesprochen, wie etwa inneres und äußeres Coming out. Interviewpartner*innen erzählen, wie es ist sich auf Instagram öffentlich zu outen, schwul, lesbisch oder bisexuell zu sein. Vor allem Teenager, die mitten in der Pubertät stecken, kann die Lektüre dabei unterstützen, ihre turbulente Gefühlswelt zu sortieren. In Challenges sollen sie sich mit sich selbst auseinandersetzen und verschiedenen Fragen nachgehen: Wer möchte ich sein? Gibt, es etwas, das ich mich nicht traue, weil es typisch ‚weiblich‘ oder typisch ‚männlich‘ ist?

Und auch auf die Frage, was ‚queer‘ eigentlich bedeutet, haben Linda Becker und Julian Wenzel eine verständliche Antwort parat: „Das Wort ‚queer‘ ist ein Sammelbegriff für alle, die sich anders fühlen als die meisten: zum Beispiel Jungs, die sich in andere Jungs verlieben, oder Mädchen, die sich zwar in Jungs, aber auch in Mädchen verlieben. Oder Leute, die sich nicht festlegen können oder wollen, ob sie ein ‚typischer‘ Junge oder ‚typisches‘ Mädchen sind.“ 

Für Familien und Pädagog*innen und Lehrer*innen liefert ‚Was ist eigentlich dieses LGBTIQ*?‘Anhaltspunkte wie sich Themen rund um LGBTIQ* altersgerecht aufgreifen lassen, zumal diese inzwischen in den (sozialen) Medien polarisiert und diskutiert werden. Mit Hilfe des Buchs lassen sich gerade in Schule und Unterricht Tabus brechen sowie Hemmschwellen und Vorurteile abbauen. So muss sich niemand mehr wegen der eigenen sexuellen und geschlechtlichen Identität rechtfertigen oder wird gar ausgegrenzt oder ausgelacht. Vielmehr geht es darum, Mitmenschen wertzuschätzen und mit Respekt zu begegnen. Nicht ohne Grund ist die Regenbogenfahne ein Zeichen für Offenheit, Mitmenschlichkeit und Toleranz.

Dass dies nicht immer selbstverständlich ist, zeigt das Beispiel Ungarn. Dort sind etwa Bücher, die Minderjährigen zugänglich sind, verboten, in denen Sexualität dargestellt wird, die von der heterosexuellen abweicht. Per Gesetz sollen so Homo- und Transsexualität aus der Öffentlichkeit verschwinden. Der Oetinger-Verlag, in dem das Buch erschienen ist, hat einige Kapitel ins Ungarische übersetzen lassen. ‚Mi is az LGBTIQ*?‘ist kostenlos als PDF auf der Verlagsseite verfügbar. „Die Diskriminierung von Minderheiten in einem europäischen Land kann uns nicht gleichgültig sein und wir wollen ein politisches Zeichen setzen“, erklärt Thilo Schmid, Geschäftsführer der Verlagsgruppe Oetinger. „Mit diesem Gesetz wird eine Grenze überschritten. Jetzt überschreiten wir mit digitalen Möglichkeiten und unseren Inhalten Staatsgrenzen und hoffentlich auch die Grenzen in den Köpfen.“

Der Band mit seinen bunten Illustrationen von Birgit Jansen hat sowohl auf deutsch wie auch auf ungarisch eine einfache Botschaft: Du bist okay, so wie du bist! Und du bist normal, egal, in wen du dich verliebst!

Heinrike Paulus

 

Becker, Linda/Wenzel, Julian/Jansen, Birgit (2021). Was ist eigentlich dies LGBTIQ*? Dein Begleiter für die Welt von Gender und Diversität. Hamburg: migo im Verlag Friedrich Oetinger. 128 S.,15,00 €.

 

Ungarische Übersetzung

Zum Podcast: „Willkommen im Club“


Heder-/Teaserbild: Coverbild migo im Verlag Friedrich Oetinger

 


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