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Dieter-Baacke-Preisträger 2019

Wie fühlt sich das eigentlich an, selbst als Influencerin oder Influencer aktiv zu sein? Welche Kompetenzen gehören dazu? Oder was passiert, wenn die Schule für alle Schülerinnen und Schüler verpflichtend eine Smartwatch einführt? Wenn also Kommunikation und Kontrolle, Scoring und Ranking unumgänglich zum Schulalltag gehören? Herausragende Medienprojekte beziehen Kinder und Jugendliche aktiv ein, um nicht nur technische digitale Kenntnisse zu erweitern, sondern sich auch kreativ und kritisch mit den Wirkungen und Auswirkungen der medialen Möglichkeiten auseinanderzusetzen. Dieses trifft ganz besonders auf die Preisträgerprojekte How2Influence und Future Influencer – Die smarte Schule zu.

Die junge Umweltredaktion des Medienprojekts Wuppertal greift in ironisierendem Stil Social Media-Formate auf, um sich – neben klassischen Reportagen – für Klima- und Umweltschutz zu engagieren. Das Projekt Haste Töne aus Hamburg gibt Kindern im Grundschulalter in einem großen stadtweiten Netzwerk Gelegenheit, selbstentwickelte Geschichten zu erzählen und Themen, die sie beschäftigen, als Videos oder Audio-Podcasts umzusetzen. Als besonders gelungenes medienpädagogisches Netzwerk wird der Video-Wettbewerb Klappe gegen Rassismus! aus Mecklenburg-Vorpommern ausgezeichnet.

Weitere Formate sprechen besondere Gruppen an: So lädt das Projekt Yalla – Rein in die Stadt! neu Zugewanderte dazu ein, die neue Lebenswelt zu erkunden und ihre Empfehlungen für Freizeit und auch für Alltagsgestaltung als Videopodcast weiterzugeben. Ich kann in meiner Kunst verschwinden regt die jungen Besucherinnen eines internationalen Mädchenzentrums dazu an, sich über herkömmliche Selfie-Ästhetik hinaus fotografisch selbst zu inszenieren.

Gigantisch und originell ist Adamstown – der Film. In dem medienpädagogischen Großprojekt in ländlicher Region wirken Menschen jeden Alters und vielfältiger Voraussetzungen aktiv und kreativ vor- und hinter der Kamera mit. Filmstudierende aus Ruanda sorgen zudem als Expertinnen und Experten für einen besonders gelungenen Look des Films, der sich inhaltlich auch dem Thema Diskriminierung widmet.

Die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend verleihen seit 2001 gemeinsam die bundesweite Auszeichnung für herausragende medienpädagogische Arbeit.

Der Dieter Baacke Preis zeigt Beispiele und Methoden, wie aktuell, vielseitig, visionär oder auch gut vernetzt Medienbildung heute sein kann. Und wie Medienpädagogik bald überall aussehen sollte. Herausragende Medienprojekte mit Kindern und Jugendlichen stehen im Mittelpunkt des mit 12.000 € ausgezeichneten Preises.

„Jenseits von Dystopie und Utopie agieren Medienpädagoginnen bzw. -pädagogen und entwickeln brillante Projekte“, so GMK-Vorsitzende Sabine Eder in ihrem Grußwort. „Sie regen Kinder und Jugendliche und auch Erwachsene zur kreativen Teilhabe an der digital geprägten Lebenswelt an.“ Dr. Marion Brüggemann, ebenfalls GMK-Vorsitzende ergänzt: „Die Medienprojekte leisten so auch einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Demokratie. Sie zeigen auf vorzügliche Weise, dass kritisches und engagiertes Denken und Handeln in unserer mediatisierten Welt möglich und gewünscht ist. Kinder und Jugendliche werden in ihrem Gestaltungswillen erst genommen.“ Der Dieter Baacke Preis liefere dazu eine Fülle an Inspirationen und zeige, wie Medienpädagogik praktisch umsetzbar ist. „Warum gibt es ähnliche Projekte immer noch nicht an jeder Schule, in jedem Jugendzentrum?“ Hierfür werde sich die GMK auch weiterhin mit Verve einsetzen, dabei sei besonders die Politik gefragt. Auch das neu ergänzte Medienpädagogische Manifest liefere hierfür eine Basis. In ihrem Grußwort hoben die beiden GMK-Vorsitzenden die Anregungen des Namensgebers Dieter Baacke (1934-1999) hervor, die weiterhin intensiv wirkten.

Der Dieter Baacke Preis wird in sechs verschiedenen Kategorien verliehen. Acht Projekte wurden in diesem Jahr ausgezeichnet.

 

Die Dieter-Baacke-Preisträger 2019:

 

Kategorie A „Projekte von und mit Kindern“ (2000 €)

 

Haste Töne: Kindermedien aus Hamburg

(Rudolf-Ballin-Stiftung e.V., Hamburg)

Bss bss – wie leben eigentlich Hummeln? Und was könnte sich am Hafen alles so über oder unter Wasser Phantastisches tun? Haste Töne gibt Kindern im Grundschulalter spürbar auf deren Augen- und Ohrenhöhe Gelegenheit, eigene Podcasts, Hörspiele, Comics und Trickfilme zu produzieren. Dabei können die Kinder auch neue Orte und Menschen kennenlernen. Sie führen Interviews, erfragen und erfahren etwas zu Themen ihrer Lebenswelt. Sie entwickeln Geschichten für Hörspiele, schreiben Texte und sprechen die Rollen ein. In den audio-visuellen Projekten lernen die Kinder, wie sie Trickfilme oder Comics analog und mithilfe von Tablets und Apps herstellen können. Selbstwirksamkeit, Medienkompetenz und kreative Aneignung von Welt, ein herausragendes Modell für alle Grundschulen bundesweit.

 

Kategorie B „Projekte von und mit Jugendlichen“ (geteilt, je 1000 €)

 

Future Influencer – Die smarte Schule

(Medienzirkus e.V., Leipzig)

Dystopische nahe Zukunft oder bald schon Realität? Future Influencer schickt Schülerinnen und Schüler in ein Planspiel-Szenario: Ein digitales Trackingarmband soll an der Schule eingeführt werden. Damit lassen sich Informationen speichern (wie Noten und Fehltage) und Zugriffe von Lehrpersonen, Eltern und Mitschülerinnen und Mitschüler bestimmen. Die Schülerinnen und Schüler nehmen verschiedene Rollen ein, als „Firma“ des Armbands, als Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte, als Befürworter- oder der Kritiker oder als berichtende Presse. Die Gruppen treten in Konkurrenz oder Komplizenschaft zueinander und versuchen, die klasseninterne Öffentlichkeit mit ihren Botschaften zu überzeugen. Dabei nutzen sie multimediale Mittel, die im Stil von Akteurinnen und Akteuren aus der Influencer-Szene umgesetzt werden. Welchen Wert hat Privatheit, Freiheit, Sicherheit? Dies sind einige der Themen der abschließenden Diskussion. Das Projekt verbindet Spiel, Reflexion und kreative Medienarbeit herausragend in einem gut übertragbaren Modell.

 

How2Influence

(medialepfade.org – Verein für Medienbildung e.V., Berlin)

Wie fühlt sich das an, Influencerin bzw. Influencer zu sein und wie geht das eigentlich? Bei How2Influence entwickeln Schülerinnen und Schüler unter Anleitung von Medienpädagoginnen und -pädagogen Social-Media-Konzepte und Inhalte für eigene Instagram- und YouTube-Kanäle. Dabei setzen sich die Teilnehmenden zugleich mit Themen wie Wertefragen, Vorbildfunktion und Manipulation durch Influencerinnen und Influencer auseinander. Eine Fachjury würdigt und prämiert in einem abschließenden Wettbewerb die Beiträge der Jugendlichen. Ein besonderes, kreatives und kritikförderndes Projekt rund um Social Media.

 

Kategorie C „Interkulturelle und internationale Projekte“ (2000 €)

 

Yalla – Rein in die Stadt!

(GWA St. Pauli e.V., Hamburg)

Durch Blankenese radeln, Kulturcafés und Parks entdecken, Fitness draußen oder ein Besuch im Rathaus: Neu Zugewanderte erstellen kurze informative Videoclips über Angebote und Orte in Hamburg, die das Ankommen in der Stadt erleichtern sollen. Sie verstehen sich als mobile Reporter, die ihre Videos auf der Webseite veröffentlichen und über Social Media verbreiten. Das Projekt bietet dazu fein abgestimmte Workshops für ganz unterschiedliche Zielgruppen. Die Teilnehmenden erhalten Gelegenheit, sich via Medienarbeit die Stadt anzueignen und dabei aktiv mit anderen in Kontakt zu treten. Ein niederschwelliges Modell, das zeigt, wie sich Integration und Medienarbeit im Lokalraum Stadt verbinden lassen.

 

Kategorie D „Intergenerative und integrative Projekte“ (2000 €)

 

Adamstown – inklusives Filmbildungsprojekt

(ABC Bildungs- und Tagungszentrum e.V., Drochtersen-Hüll)

Toleranz, Vielfalt und die Prärie in Norddeutschland: Alle mitnehmen in der Medienarbeit, wie das herausragend gehen kann, zeigt diese in jeder Hinsicht besondere und besonders gelungene Filmproduktion. Ausgangspunkt des äußerst originellen Films in Kinoqualität ist der Western-Comic „Adamstown“ von Verena Braun. Die Filmschaffenden sind Menschen mit und ohne Behinderung, mit und ohne Fluchtgeschichte, Kinder ab vier Jahre, Jugendliche, Erwachsene, Seniorinnen und Senioren, Menschen mit verschiedenen geschlechtlichen Identitäten, kulturellen oder religiösen Hintergründen und unterschiedlichen Begehren und Einstellungen. Das Projekt verbindet politische Medienbildungsarbeit für Toleranz und Vielfalt mit äußerst intensiver, in allen wichtigen Aufgaben auch mit Laien gestalteter Filmarbeit. Nicht nur integrativ ist dieses in der ländlichen Region verortete Projekt herausragend, es bezieht zudem in einem internationalen Austausch die Expertise des Kweto Filminstituts aus Ruanda ein.

 

Kategorie E „Projekte mit besonderem Netzwerkcharakter“ (2000 €)

 

Klappe gegen Rassismus

(RAA M-V e.V., Waren)

Klappe gegen Rassismus ermutigt als landesweites Netzwerkprojekt Jugendliche im Alter von zehn bis 20 Jahren, sich mit Kreativität für Vielfalt und Demokratie und gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit einzusetzen. Die Jugendlichen bewerben sich zunächst mit einer selbst entwickelten Filmidee zum Wettbewerbsthema. Gemeinsam mit Medienpädagoginnen und -pädagogen entwerfen sie Drehbücher und setzen diese filmisch um. Dazu arbeitet die RAA mit zwölf verschiedenen Medienwerkstätten und medienpädagogischen Freiberuflerinnen und Freiberuflern aus ganz Mecklenburg-Vorpommern zusammen und fördert zugleich den Austausch unter ihnen. Ein herausragendes Beispiel für ein Netzwerk, das die Förderung der Medienkompetenz mit starken Themen verbindet und auch Kindern und Jugendlichen in ländlichen Regionen aktive Medienarbeit ermöglicht.

 

Kategorie F | Sonderpreis „Sei frech und wild und wunderbar!“ (geteilt, je 1000 €)

 

Ich kann in meiner Kunst verschwinden

(LAG Kunst und Medien NRW e.V., Internationales Mädchenzentrum Gladbeck und die Selfiegrafen)

Mehr als Selfies: Inspiriert durch berühmte Foto-Künstlerinnen experimentieren Mädchen mit der eigenen fotografischen Umsetzung von Gefühlen und Aussagen. Zunächst geht’s ins Museum – dort begegnen sie Werken von Hannah Höch, Sibylle Bergemann und Cindy Sherman. Welche Gefühle lösen die Bilder aus, welche Stimmungen geben sie wieder, wie wurde das umgesetzt? Für einige Mädchen war es der erste Museumsbesuch überhaupt. Anschließend setzen sie – medienpädagogisch unterstützt – selbst fotografisch ihre eigenen Ideen um. Die Methode zeigt, wie eine kulturell orientierte Medienarbeit Kinder vielfältiger Voraussetzungen dazu anregt, ihr von klassischen Selfies geprägtes Spektrum der Inszenierung und des Selbstausdrucks zu erweitern. Die Fotos wurden als Fotoausstellung und als Buch der Öffentlichkeit präsentiert, wodurch die Mädchen zusätzlich Selbstwirksamkeit erfuhren.

 

Junge Umweltredaktion – Filmreihe über Umweltschutz und Nachhaltigkeit

(Medienprojekt Wuppertal)

Klima- und Umweltschutz sind große aktuelle Themen, nicht nur für Jugendliche, aber für diese besonders. Die Jugendredaktion hat sich zur Aufgabe gemacht, über Umweltschäden, Umweltaktivismus und klimagerechtes Verhalten zu berichten und Stellung zu beziehen. In Videoclips greifen sie auch aktuelle Social Media-Formate, ironisch auf, beispielsweise typische YouTube-Formate wie Challenges oder Hauls, und setzen dabei den Blick auf umweltpolitische Themen. Zu sehen sind auch engagierte Dokumentationen über Fridays for Future oder über Aktionen des zivilen Ungehorsams von Ende Gelände. Mediale Teilhabe, Selbstwirksamkeit und politisches Engagement gehen als gelungenes Modell Hand in Hand. Ermöglicht durch den seit vielen Jahrzehnten herausragenden medienpädagogischen Kontext des Medienprojekts Wuppertal.


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Kathrin Demmler | Prof. Dr. Bernd Schorb
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