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GMK Forum 2021: Lasst uns spielen!

Über das Verhältnis von Medienpädagogik und Spielekulturen

„Etwas Gescheiteres kann einer doch nicht treiben in dieser schönen Welt, als zu spielen.“ 

Auch wenn es beim ersten Lesen dieses Zitats leicht fällt, dieser Aussage des norwegischen Dramatikers und Lyrikers Henrik Ibsen zuzustimmen, so ist der Wert des Spiels in der Gesellschaft nicht eindeutig geklärt. Nicht selten werden Spiele in diesem Rahmen als überflüssiger oder gar nutzloser Zeitvertreib dargestellt. Diese Auffassungen stehen der historischen Herausarbeitung der Bedeutung des kindlichen Spiels für emotionale, soziale und kognitive Entwicklung entgegen. So zeigen bereits die Anfänge moderner Kindheitspädagogik, dass Spiele ein wichtiger Bestandteil von Kindheit sind und demnach in ihrem pädagogischen Stellenwert anerkannt werden müssen. Aber auch der vielfältige Einsatz von Spielen in der Erziehungswissenschaft, der kulturellen und politischen Bildung, der Sozialpädagogik und selbstverständlich Medien- und Spielpädagogik widersprechen den bestehenden Vorurteilen gegenüber allen möglichen Formen des Spiels. 

Mittlerweile erscheint eine Trennung von digitalem und analogem Spielen nicht mehr sinnvoll. Die feste Verankerung beider Spielformen in den Lebenswelten aller möglichen Altersgruppen beweist, dass beide Formen relevant sind und die individuelle Mediensozialisation wesentlich mitbestimmen. 

Das 38. Forum Kommunikationskultur der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK), welches vom 18. bis 21. November 2021 als hybrides Event stattfand, knüpfte genau an dieser Stelle an und beleuchtete das pädagogische Potenzial von analogen und digitalen Spielvarianten und dementsprechend die sozialen, kulturellen, ethischen und politischen Aspekte des Spielens. Dies spiegelte sich auch im vielfältigen Tagungsprogramm wider. So startete die in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) organisierte Veranstaltung mit spannenden Workshops, welche die Teilnehmenden zum Mitwirken und Mitgestalten aufforderten und Möglichkeiten zum Austausch über Fragen, Entwicklungen und Trends von Spielekulturen eröffneten.  

Am zweiten Tag des Forums fand außerdem die Preisverleihung des ‚Dieter Baacke Preises‘ vor Ort in Erfurt statt. Interessierte hatten die Wahl, entweder vor Ort dem Event beizuwohnen oder online per Livestream teilzunehmen. Seit 2011 wird diese Auszeichnung gemeinsam von der GMK und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vergeben. Der mit 12.000€ dotierte Preis würdigt herausragende medienpädagogische Arbeit. Besondere Berücksichtigung finden dabei Projekte und Methoden, die Kinder und Jugendliche und ihre Familien an einen kreativen, kritischen Umgang mit Medien heranführen und ihre Medienkompetenz fördern. Weiterführende Informationen sowie eine Vorstellung der diesjährigen Siegerprojekte in den sechs Preiskategorien können auf der Website des ‚Dieter Baacke Preises‘ eingesehen werden. 

Schließlich ging es am dritten Tag einem abwechslungsreichen Vortragsprogramm, dem die Teilnehmenden ebenfalls sowohl vor Ort in Erfurt als auch per Livestream lauschen konnten.  Die Moderation haben dabei zwei Expert*innen aus der Medienpädagogik übernommen: Anja Pielsticker und Heiko Wolf (alias ‚Medienwolf‘). Sie führten die Teilnehmenden durch die unterschiedlichen Impulse hochrangiger Referent*innen, die dem Publikum unterschiedliche Perspektiven auf das Verhältnis von Spiel- und Medienpädagogik eröffneten. 

Zu Beginn beleuchtete Prof. Dr. Ulrich Heimlich (LMU München) in seinem Vortrag das inklusive Potenzial von Spielen. Er zeigte eindrücklich auf, dass Spiele aufgrund ihres freiheitlichen und demokratischen Charakters eine zentrale Bedeutung für Teilhabe und Selbstbestimmung zukommt und ihnen deshalb eine inklusive Qualität zugeschrieben werden kann. Anhand einer kurzen Reise in die historische Vergangenheit der Spielpädagogik skizzierte Heimlich den bildenden Charakter des Spiels und zeigte eindrücklich auf, dass Spiele Zugänge für Kinder mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Fähigkeiten ermöglichen können und somit eine wichtige Grundlage für gemeinsames Lernen darstellen. 

Neben dieser sozialen Komponente wurde in einem zweiten Vortrag von Prof. Dr. Judith Ackermann (FH Potsdam) ein Blick auf die kulturelle Bedeutung von Spielen geworfen. Die Anerkennung von Spielen als Kulturgut, so Ackermann, lenke die Betrachtung weg von einseitig geführten Debatten über Risiken und Gefahren von digitalen Spielen und ermögliche es, ihre ästhetischen Besonderheiten und Praktiken stärker in den Fokus zu rücken. Mit einer solchen Perspektive lassen sich Chancen und Potenziale von Games für die kulturelle Bildung aufzeigen. So können digitale Spielwelten neue Zugänge zu Kunst- und Kulturinhalten ermöglichen und für die Aneignung kultureller Orte und Artefakte genutzt werden. Kulturelle Bildung im Kontext digitaler Spiele schaffe somit neue Möglichkeitsräume des Denkens, Handelns, Reflektierens, Phantasierens und Gestaltens. 

Dass digitale Spiele eine Vielzahl von Möglichkeiten für einen spielerischen Zugang zu kulturellen Inhalten und die Teilhabe an Lernprozessen eröffnen, wurde auch im dritten Impuls von Prof. Dr. Franz Josef Röll (Hochschule Darmstadt) deutlich. Nicht nur Kultureinrichtungen, sondern auch Bildungseinrichtungen sehen sich nach Röll zunehmend mit der Herausforderung konfrontiert, Lernprozesse an sich wandelnde Lernbedürfnisse anzupassen. Eine mögliche Strategie, die hier Abhilfe verschaffen kann, ist Gamification. So kann die Verwendung von Spielelementen in spielfremden Kontexten, beispielsweise im Unterricht, nicht nur die Motivation der Lernenden verbessern, sondern auch den Lernprozess als solchen intensiver erlebbar machen. Für den Einsatz in der Schule ergeben sich aber noch weitere Vorteile. Spiele knüpfen direkt an die Lebenswelt von Heranwachsenden an und schaffen einen geschützten Rahmen, in dem Heranwachsende sich ausprobieren können, ohne Angst vor dem Scheitern haben zu müssen.  Aber auch Unternehmen und Betriebe können nach Röll Gamification als Methode einsetzen, um das Engagement des Personals zu steigern, indem Arbeitsabläufe oder Fort- und Weiterbildungen mit spielerischen Elementen angereichert werden.  

Abschließend warfen Dirk Poerschke (LVR-Zentrum für Medien und Bildung in Düsseldorf) und Dr. Martin Geisler (Ernst-Abbe-Hochschule Jena) im Rahmen einer kammerspielähnlichen Inszenierung Fragen danach auf, wie der Einsatz von Spiel in Bildungskontexten gelingen kann.  Mit einem ironisch-kritischen Unterton wurde dabei versucht, ein Verständnis für die Wesensstruktur von Spielen zu schaffen und in diesem Kontext auf die Notwendigkeit einer (medienpädagogischen) Auseinandersetzung mit der sich abzeichnende Gefahr einer Instrumentalisierung dieses Mediums aufmerksam zu machen.  

Daran anknüpfend eröffneten Poerschke und Geisler die abschließende Gesprächsrunde, in der gemeinsam mit Expert*innen über die Zusammenführung von Spiel- und Medienpädagogik und damit einhergehende Chancen und Herausforderungen diskutiert wurde. Das Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Perspektiven bildete dabei einen gelungenen Abschluss der Vortragsreihe, die wertvolle Impulse und Anregungen für zukünftige (medien-)pädagogische Auseinandersetzungen mit Spielekulturen setzen konnte. 

 

Um das Wesen von Spielen erfassen zu können, braucht es jedoch nicht nur eine inhaltliche Auseinandersetzung, sondern auch eigene Spielerfahrungen. Aus diesem Grund wurden am  letzten Tagungstag alle Beteiligten zum gemeinsamen Spielen eingeladen. Teilnehmende konnten so nicht nur neue Games kennenlernen, sondern sich auch mit anderen Spieler*innen über diese austauschen und neue Kontakte knüpfen.  

 

Weiterführende Informationen 

Lisa Melzer


Header- und Teaserbild: © GMK (bearbeitet mit Canva)


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