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Im Kampf gegen Stalking

Neue App zur Unterstützung von Betroffenen entwickelt

 

Noch einen Blick über die Schulter werfen. Menschenleere Straßen und Gassen meiden. Bei jedem Geräusch und jeder kleinen Bewegung aufhorchen. Das Gefühl, beobachtet zu werden, kennen vermutlich die meisten von uns. Spätestens, wenn wir spätabends den Heimweg antreten müssen und niemand sich bereit erklärt, uns zu begleiten. Während wir uns jedoch wieder sicher fühlen, wenn wir die Schwelle zu unserer Haustür betreten, finden Opfer von Stalking keine Zuflucht in den eigenen vier Wänden.  Was harmlos mit Anrufen, Textnachrichten, Briefen, vor der Tür abgelegte Botschaften oder unerwarteten Besuchen beginnt, kann sich schnell zu massivem Psychoterror entwickeln. Dank des Internet ist es heutzutage erschreckend einfach, Personen jederzeit und von überall auf der Welt aus zu verfolgen, zu belästigen oder gar zu bedrohen. Die hohe Anzahl an Betroffenen untermauert diese These: So meldete das Bundeskriminalamt laut Statista im Jahr 2020 fast 20.000 polizeilich erfasste Fälle von Stalking, die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen.   

Doch wie damit umgehen, wenn Unsicherheit, Verzweiflung und Gefühle des Ausgeliefert-Seins den Alltag beherrschen? Bisher gibt es nur wenige Hilfsangebote und/oder Anlaufstellen, an die sich Betroffene oder Angehörige von Stalking-Opfern wenden können. Eine Idee eines Polizeikommissars aus Berlin soll hier Abhilfe schaffen. Der 34-jährige Turgay Akkaya hat an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin studiert und im Rahmen seiner Bachelorarbeit eine Online-Checkliste erstellt, die von Betroffenen und Polizist*innen als präventives Mittel eingesetzt werden kann. 

„Das Thema beschäftigt mich schon lange, denn bei der Polizei habe ich es im Berufsalltag immer wieder zum Beispiel mit häuslicher Gewalt zu tun, die potenziell Merkmale von Stalking-Ansätzen aufweist“, so Akkaya. Für die Erarbeitung der speziellen Checkliste, aus der derzeit eine App entwickelt wird, stellte der Absolvent im Rahmen einer empirischen Projektstudie und unter Anleitung von Prof. Dr. Christian Matzdorf, Professor für Kriminalistik am Fachbereich ‚Polizei und Sicherheitsmanagement‘ der HWR Berlin, gemeinsam mit Mitarbeiter*innen von Fachdienststellen der Berliner Polizei eine Risikoanalyse auf. Aus den daraus gewonnen Erkenntnissen wurde schließlich eine quantitative Online-Umfrage entwickelt, mithilfe derer abgefragt werden konnte, ob und inwiefern die Checkliste erfolgreich in der polizeipraktischen Arbeit angewendet werden kann. 

Die sich noch in der Entwicklungsphase befindliche App soll dabei ähnlich wie das internetbasierte Frage-Antwort-Tool Wahl-O-Mat funktionieren. So werden den Nutzer*innen verschiedene Thesen vorgelegt, die mit Zustimmung oder Ablehnung beantwortet werden können. Die Antworten werden schließlich mit einem vorgefertigten Merkmalskatalog abgeglichen, sodass sich über den Grad der Übereinstimmung mit vordefinierten Kriterien bestimmen lässt, ob und in welchem Maße die wiederholte Kontaktaufnahme und Belästigung den strafrechtlichen Tatbestand des Stalkings erfüllt. Die Anwendung soll es Betroffenen erleichtern, Gefährdungen frühzeitig zu erkennen und ihnen ein Instrument an die Hand geben, um sich an Beratungs- und Unterstützungsorganisationen, Fachdienste oder Strafverfolgungsbehörden zu wenden. 

Die Eberhard-Fischer-Gesellschaft würdigte die App-Idee als wertvollen Beitrag zur Kriminalprävention und Opferschutz und verlieh Akkaya den mit 500 Euro dotierten ‚Eberhard-Fischer-Preis‘, mit dem jährlich herausragende wissenschaftliche, publizistische und kulturelle Leistungen von übergeordneter gesellschaftlicher Bedeutung geehrt werden. Im Rahmen der Preisübergabe hob Stefan Graf Finck von Finckenstein, welcher die Arbeit zusammen mit Matzdorf betreut hatte, den Aktualitätswert und die veränderten Rahmenbedingungen des Phänomens hervor: ‚Das in den letzten Jahren vermehrt in das öffentliche Blickfeld getretene Phänomen ‚Stalking‘, unter das auch ‚Cyberstalking‘ fällt, wird durch die Medienkonvergenz und stetige Entwicklung der Informationstechnologie verstärkt und kann speziell auch durch die Anonymität des Internets Täterinnen und Täter zu kriminellen Stalking-Taten ermuntern.“ 

Gerade weil die Grenzen zwischen ungewünschten Kontaktversuchen und tatsächlicher Verfolgung, Belästigung oder Bedrohung fließend sind, erweist sich die strafrechtliche Verfolgung von Stalking-Vorfällen als ein äußerst schwieriges Unterfangen. Aus diesem Grund braucht es tragfähige Hilfs- und Unterstützungsangebote, wie sie zuvor beschrieben wurden, um Betroffenen leicht zugängliche und vor allem verlässliche Instrumente an die Hand zu geben. Schlussendlich ist dafür jedoch auch ein stärkeres Engagement von Politik, Sicherheitsbehörden, Justiz aber auch Zivilgesellschaft notwendig, um sicherzustellen, dass diese Form der Gewalt nicht länger unsichtbar bleibt. Die vorgestellte App könnte an dieser Stelle ein Mittel zur Intensivierung von Prävention und zum Ausbau der Rahmenbedingungen für einen wirksamen Opferschutz sein. Wir sind gespannt auf die weitere Entwicklung und freuen uns darauf, euch die Anwendung bald näher vorstellen zu dürfen! 

Lisa Melzer

 

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