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Mobbing-Ermöglicher Medien? Buchrezension: Mobben stoppen!

Mobbing ein Einzelfall? Bei Weitem nicht! Laut der kürzlich erschienen Studie ‚Cyberlife III – Cybermobbing‘ des Bündnisses gegen Cybermobbing sind in Deutschland rund zwei Millionen Kinder und Jugendliche von Cybermobbing betroffen.

Die dadurch erlittenen seelischen Verletzungen sitzen häufig tief. Regelmäßige Ablehnung, Spott und Sticheleien können bei Jugendlichen schwere Ängste hervorrufen. In Extremfällen entwickeln sie sogar Suizidgedanken. Was können Schulen also tun, um Mobbing zu verhindern? Und was ist zu beachten, wenn es bereits zum Schulalltag gehört? Mobbing entsteht in der Klasse, passiert am Schulhof und geht nach Unterrichtsschluss in den Sozialen Medien weiter.

Marica Münchs Publikation Mobben stoppen!Mutig sein statt mitmachen! Ein Handbuch für die Praxis setzt hier an und verknüpft in fünf Kapiteln auf verständliche Weise Theorie und Praxis. Grundlage ist ein jahrzehntelanger Erfahrungsschatz, den die katholische Bildungseinrichtung Akademie Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg in vergangenen Jahren im Laufe ihrer pädagogischen Arbeit zur Mobbingintervention und -prävention in Seminaren und Workshops mit Schüler*innen gewonnen hat.

Im fundiert erläuterten Theorieteil werden Entstehungsgründe, Verlauf, Formen und Folgen des Gruppenphänomens Mobbing analysiert, das somit kein alleiniges Problem zwischen Opfer und Mobber*in ist. So sinke in Mobbingklassen laut Münch die schulische Leistung insgesamt und geltende Werte und Normen verschieben sich. Explizit wird auch auf Cybermobbing mittels Internet, Smartphones, Tablets, Sozialer Netzwerke oder Internetportale eingegangen. Deutlich wird dabei, dass das Netz ein Nährboden für Hass und Hetze sein kann. Negative Erfahrungen mit der dunklen Seite der Sozialen Medien gehören für viele Jugendliche heute zum Alltag. Allerdings ist dies – wie so manche Hänselei auf dem Pausenhof – nicht immer sofort erkennbar. Aus Scham schweigen die Opfer zumeist. „Es ist davon auszugehen, dass traditionelles Mobbing durch Cyber-Mobbing im Internet über soziale Netzwerke erweitert bzw. ergänzt wird“, schreibt Münch. Beeinflusst werde Mobbing vor allem durch Soziale Medien. „Soziale Medien sind aber nicht als Verursacher von Mobbing zu verstehen, sondern als Ermöglicher neuer Mobbingformen sowie der Ausweitung der Dimensionen im Mobbingverlauf.“

Gerade in der Schule können Betroffene ihren Peiniger*innen aufgrund der Schulpflicht nicht einfach ausweichen. Helfen beim Erkennen und im Umgang mit Mobbing kann daher das Projekt ‚Mobbing stoppen‘ unter der Devise ‚Mutig sein statt mitmachen!‘, um einen konstruktiven und respektvollen Umgang zu bewahren oder wieder zu erlangen.

Im Buch wird das hier zugrundlegende Konzept pädagogisch, methodisch sowie didaktisch erläutert. Es basiert auf den drei Säulen Aufklärung, Prävention (um Mobbing zu verhindern) sowie Intervention (wenn bereits Mobbingstrukturen in einer Klasse bestehen). Um Mobbing zunächst einmal wahrzunehmen, bedarf es eines feinen Gespürs, ebenso um diesem mit adäquaten Strategien begegnen zu können. So werden etwa Konzepte für verschiedene Workshop-Tage vorgestellt, in deren Rahmen Schüler*innen etwa das eigene Befinden in der Klasse reflektieren oder lernen, sich mit kontroversen Meinungsbildern zu befassen. Aufgezeigt werden außerdem juristische Aspekte von schulischem Mobbing. Damit daraus resultierende Straftatbestände wie Beleidigung, Verleumdung oder Stalking überhaupt zur Anzeige gebracht werden können, müssen Geschädigte Beweise der Straftat sichern, etwa durch Screenshots, Videos oder Sprachnachrichten.

Zwei Interviews bringen des Weiteren die Situation von Betroffenen auf einfühlsame Weise nahe. So spricht ein Mittelschüler über sein Engagement gegen Mobbing. Besonders schlimm sei für ihn, wenn Leute ausgegrenzt, beleidigt und schlimmstenfalls sogar geschlagen werden. „Und all das, nur weil jemand vielleicht etwas anders ist als die anderen.“ Die Sängerin Mine, die bürgerlich Jasmin Stocker heißt, wurde in ihrer Schulzeit selbst Opfer von Mobbing: „Wenn dich keiner mag, muss ja irgendwas an dir falsch sein.“ Die daraus resultierenden Selbstzweifel begleiten sie bis heute: „Ich habe manchmal immer noch das Gefühl, dass ich diejenige bin, die falsch sein muss. Natürlich macht diese Eigenschaft das Leben manchmal echt schwer.“

Adressat*innen dieser 152-seitigen kompakten Handreichung zur Anti-Mobbing-Arbeit sind Lehrkräfte, Sozialarbeiter*innen, Mulitplikator*innen im schulischen oder medienpädagogischen Kontext sowie Studierende und Eltern.

Heinrike Paulus

Münch, Marica (Hrsg.) (2020). Mobben stoppen! Mutig sein statt mitmachen! Ein Handbuch für die Praxis. Würzburg: echter. 152 S., 5 €.


Teaserbild: Hatice EROL | Pixabay

Headerbild: S. Hermann & F. Richter | Pixabay


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