Zu lange auf Instagram, zu viel Zeit an der Spielkonsole, Binge Watching. Wenn der Internetgebrauch exzessiv wird, fällt häufig das Wort ‚Sucht‘. Dazu forscht Prof. Dr. Matthias Brand von der Universität Duisburg-Essen (UDE) seit Jahren und betrachtet dabei, was in den Köpfen Süchtiger vor sich geht und wie sich ihr Verhalten ändern lässt. In einer aktuellen Studie analysiert der Psychologieprofessor nun die Ähnlichkeit zwischen problematischem Internetgebrauch und anderen Süchten.
Eine Parallele sieht Prof. Dr. Brand dabei im Kontrollverlust der Internetnutzer*innen, wenn diese sich teilweise über Tage nicht von Games oder Serien lösen können und das Verhalten dabei beispielsweise schon ihr Essverhalten oder ihren Schlaf beeinträchtigt. Auch der (kurzfristig) positive Effekt bei der Nutzung auf die Psyche ist vergleichbar mit anderen Süchten. Spaß beim Serie-Schauen, Instagram-Scrollen oder Zocken bringt Befriedigung und kann schlechte Laune reduzieren. Das Belohnungssystem im Gehirn reagiert hier ähnlich wie beim Drogenkonsum. In seinem Artikel zeigt Brand anhand einer Darstellung vom Gehirn, in welchen Bereichen sowohl die Internetnutzung als auch andere Süchte wirken.
Aufgrund der Parallelen zu Suchtverhalten wurden Anfang des Jahres zwei Formen exzessiver Internetnutzung in die International Classification of Diseases (ICD-11) der WHO aufgenommen: Glückspiel und Spielsucht (gambling and gaming disorder). Prof. Dr. Brand beschreibt die generell zunehmende Internetnutzung als logische Ursache, dass auch Fehl- beziehungsweise Suchtverhalten zugenommen haben. Er sieht den Bedarf nach standardisierten Diagnoseverfahren. Es müsse zwischen tatsächlich problematischen und lediglich kurzzeitig exzessiven Internetnutzungsverhalten unterschieden werden.
In seinem Artikel betont der Psychologieprofessor, dass pathologisch konsumierte Angebote im Internet auch meistens mit anderen Suchtverhalten zusammenspielen. So kann etwa eine Porno-Sucht als Form einer sexuellen Verhaltensstörung angesehen werden und exzessives Online-Shopping oder Spielsucht katalysieren sich auch nur zusätzlich durch die Möglichkeiten im Internet. Einige Apps und Programme bergen demnach für manche Nutzer*innen mit Anfälligkeiten ein gewisses Sucht-Potenzial, sind jedoch im Allgemeinen unproblematisch. Der Artikel hebt die individuelle psychische Komponente der Nutzer*innen hervor und verteufelt damit nicht das Internet und verschiedene Anwendungen an sich.
Anna-Clara Pentz
Brand, Matthias (2022). Can internet use become addictive? Problematic internet use parallels drug addiction, but the mechanisms are not yet clear. In: Science, 376 (6595), S. 798-799.