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SWIPE DES MONATS: Alles digital

Regelmäßige Zeitungslektüre bildet – sagen zumindest alle, die es wissen müssen: Lehrer*innen, Politiker*innen und natürlich Zeitungsverleger*innen. Und so hält sich die Tageszeitung schon seit dem Jahr 1650 in Deutschland, unterliegt aber in ihrer Erscheinungsform auch einem gewissen Wandel:

So gab es früher bis zu vier Ausgaben am Tag – schließlich passierte zu allen Tageszeiten etwas, was man unters interessierte Volk bringen wollte. Und vor rund 100 Jahren hätte uns an jeder Straßenecke in der Innenstadt ein jugendlicher Zeitungsverkäufer entgegengebrüllt Extrablatt – Extrablatt – Die Queen ist tot! Lang lebe König Charles!

Abonnements waren zu dieser Zeit eher selten und kamen erst später auf. Sie waren dann meist prägend für eine Familie: Gab es dort schon seit gefühlten Ewigkeiten die SZ, dann war das auch die Zeitung, die die Kinder beim Selbständigwerden mit in ihr eigenes, erwachsenes Leben nahmen und deshalb zum ersten Weihnachtsfest nach dem Auszug das SZ-Abo geschenkt bekamen. Die Zeitung war außerdem politisches Statement und Signal: Sag mir, welche Zeitung du liest und ich sage dir, wie du (gesellschafts)politisch tickst und wen du wählst.

Im Bermudadreieck von Kostendruck – Nachhaltigkeit – weltweiter Verfügbarkeit findet nun der Wandel zum E-Paper statt. Geködert durch tolle Umstiegsangebote wie Bonuszahlungen, einem Tablet als Prämie und modernem Ablasshandel („du willst doch auch mitmachen beim Ressourcensparen und ein sehr guter Mensch sein“) steigen die Leser*innen um aufs E-Paper und schlüpfen hinter die Bezahlschranke.

Manche stellt das allerdings vor Probleme, denn: wie macht man jetzt seine grundsätzliche Haltung klar, wenn TAZ oder FAZ nicht mehr sichtbar mitgeführt werden können?

Mir bereit das zum Glück keine Schwierigkeiten. Meine Haltung wird ohnehin allen schnell klar, wenn sie mir länger als 2 Minuten zugehört haben. Meine Probleme sind praktischerer Natur. Beispiel gefällig? Nun, da ruft die Gattin „kannst du schon mal Kartoffeln fürs Gratin schälen?“. Klar, gerne. Kartoffeln raus, Schäler raus, Zeitung raus, los geht’s. Nur lässt sich das Tablet dann nach getaner Arbeit so schlecht um die Kartoffelschalen wickeln und im Biomüll versenken. Der (also der Biomüll) braucht bei uns traditionell unter der Papiertüte ein Stück Zeitung, damit es nicht so „durchsuppt“. Das geht mit dem Tablet auch, allerdings nicht so oft. Und da dämmerte mir plötzlich, dass ich mein Papier-Abo offenbar etwas voreilig gekündigt hatte, denn: Was kommt jetzt unten in den Vogelkäfig? Womit stopfe ich nasse Wanderschuhe aus? Und wie wickle ich den Weihnachtsschmuck zum Verpacken ein?

Fragen über Fragen. Lösungsansätze habe ich noch nicht sehr viele. Derzeit spiele ich mit dem mir leicht bizarr erscheinenden Gedanken, zum Zwecke der Papiervorratshaltung ein Wochenend-Abo abzuschließen. Und ich frage mich, ob die Verkaufszahlen renommierter deutscher Wochenzeitungen möglicherweise ganz andere Ursachen haben als Gewohnheit, echtes Informationsbedürfnis oder intellektuelle Protzerei. Vielleicht gehen die alle einfach bei jedem Wetter joggen oder haben einen Wellensittich.

 

Klaus Lutz


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