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SWIPE DES MONATS: „Konsequent muss man sein!“

Der Dauerkonflikt um die Mediennutzung

 

Menschen bei ihrer Mediennutzung im öffentlichen Raum zu beobachten, gehört zu einer meiner Leidenschaften. Meine Frau empfindet das als Berufskrankheit, meinem Sohn ist es nur peinlich. Deshalb versuche ich meinem Hobby möglichst unauffällig und unbegleitet von Familienangehörigen nachzugehen. Dank der flächendeckenden Verbreitung des Handys mangelt es an Gelegenheiten nicht. So erfreue ich mich immer wieder kindlich daran, wenn Mitmenschen während des Blicks auf ihr Handy gegen Hindernisse laufen oder Tourist*innen aus fernen Ländern das kunstvoll angerichtete Mittagsessen im angesagten Restaurant inbrünstig fotografieren und darüber das Essen glatt vergessen. Das absolute Highlight für mich sind aber die seltenen Gelegenheiten, wenn ich als Unbeteiligter einen Erziehungskonflikt von seiner Entstehung bis zum bitteren Ende beobachten kann.

 

Folgendes trug sich im Spätherbst im Stadtpark einer bayerischen Kleinstadt zu:

An einem der letzten schöne Tage versuchten viele Familien mit ihren Kindern noch einmal Sonnenenergie für den bevorstehenden Winter zu tanken. Sie pilgerten in Scharen in den nahegelegenen Stadtpark, ausgestattet mit Getränken, Snacks und diversen Spielgeräten für die Kinder. Nur ein ungefähr 8-jähriger Junge saß - von dem ganzen Treiben unbeeindruckt – auf einer Bank und spielte mit seinem Handy. Die Mutter, die für dieses Verhalten keinerlei Verständnis hatte, versuchte ihn mit freundlichen Worten zu überreden, das Handy doch zur Seite zu legen und mit den anderen Kindern auf der Wiese zu spielen. Doch der Junge ignorierte die Interventionen seiner Mutter beharrlich und ließ sich nicht von seinem Spiel ablenken. Auch als seine Mutter die nächste Eskalationsstufe zündete und ihm Handyverbot für die nächste Woche androhte, daddelte er gänzlich unbeeindruckt weiter. Die Mutter indes geriet immer mehr in Rage angesichts der von ihr offenbar als extrem provokant empfundenen Haltung, zog ihren Sohn hoch, schüttelte ihn und schrie „Steck endlich das verdammte Handy weg und geh mit den anderen spielen, sonst werfe ich das blöde Ding in den Fluss!“. Der Sohn zeigte sich von der Drohung gänzlich unbeeindruckt, setzte sich wieder und spielte weiter. Daraufhin nahm die Mutter das Handy und schleuderte es schwungvoll in den Fluss. Als sie bemerkte, dass ich die Szene interessiert beobachtet hatte, drehte sie sich zu mir um und meinte – in einer Mischung aus Erschrecken über ihre spontane Handlung und Rechtfertigung zugleich: „Man muss doch konsequent sein in der Erziehung – oder etwa nicht?“. Ich pflichtete ihr vorsichtshalber bei, um nicht ihren Zorn auf mich zu ziehen – schließlich hatte ich selbst auch gerade mein Handy benutzt. Insgeheim dachte ich allerdings, ob es in den vergangenen Jahren nicht Möglichkeiten gegeben hätte, durch erzieherische Maßnahmen diese Situation zu vermeiden. Oder sind wir Eltern und Medienpädagog*innen machtlos der Magie ausgeliefert, die die Medien auf Kinder ausüben?

 

Klaus Lutz


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