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Tagung zum Thema ‚Daten schützen – Kinder schützen. Datenschutz und Überwachung in Familie und Alltag‘

Aktuelle Datenschutzbestimmungen berücksichtigen die besondere Situation von Kindern und Jugendlichen im Umgang mit digitalen Medien nur begrenzt. So gibt es zwar schon gute Ansätze in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), aber dennoch herrscht ein nicht zu übersehendes Schutzdefizit. Diese Tatsache griff die Tagung ‚Daten schützen – Kinder schützen. Datenschutz und Überwachung in Familie und Alltag‘ der Hochschule der Medien (HdM) und des Instituts für Digitale Ethik (IDE) in Stuttgart am zweiten Dezember unter ganz verschiedenen Gesichtspunkten auf.

Mit einer kurzen Sequenz sich überlagernder Bilder und Videos von Kindern in Sozialen Netzwerken und Schlagzeilen zu Datenmissbrauch eröffnete Prof. Dr. Alexander W. Roos, Rektor der Hochschule der Medien Stuttgart (HdM), die Tagung. „Wir haben es gerade eindringlich gesehen, welche Risiken und Möglichkeiten das Thema IT bietet“ – damit leitete er die Fragestellung der Tagung IDEepolis 2020 ein: Wie kann der spezielle Schutz, den Kinder im von Daten geprägten Alltag benötigen, gewährleistet werden? Welche Gefahren stecken hinter ständiger Überwachung? Wie sind Teddybären mit eingebautem GPS-Sender zu bewerten, die Eltern einsetzen, um ihre Kinder (vermeintlich) zu schützen? Wie kann der Übergang zu einer altersgerechten Selbstständigkeit in der digitalen Welt gestaltet werden? Wie können Kinder geschützt werden, deren Eltern gedankenlos jeden ihrer Schritte online überwachen und sogar veröffentlichen? Nach der Begrüßung durch den Rektor der HdM sowie Prof. Dr. Petra Grimm vom IDE und Dr. Stefan Brink, Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg (LfDI) wurde diese Fragestellung an Referent*innen aus den Bereichen Politik, Wissenschaft und Recht weitergegeben. Für die Teilnehmer*innen der digitalen Tagung gab es nach jedem Vortrag die Möglichkeit, sich mit Fragen in die Diskussion einzubringen.

Als erste Keynote-Sprecherin kam Prof. Dr. Sonia Livingstone vom Department of Media and Communications an der London School of Economics and Political Science London zu Wort. Ihr Fokus lag auf der Privatsphäre von Kindern im Internet. Aus der Perspektive der medienpädagogischen Praxis mit Kindern und Jugendlichen beschrieb sie, dass Kinder in Projekten zunächst sehr offen private Informationen preisgäben, jedoch ein großes Interesse und Bewusstsein entwickelten, wenn sie erfuhren, was mit ihren Daten geschehen kann – dort müsse der Kindermedienschutz einsetzen. Sie stellte die in England im September eingeführten ‚children’s codes‘ vor, ein Programm zum Schutz der Privatsphäre von Kindern. Dabei lobte sie den Stand des Datenschutzes in Deutschland, betonte jedoch, dass in Europa noch deutlich strengere Regelungen nötig wären. ‚Privacy should be tought in school from day one and has to be responsibility of the state,‘ so Livingstones Antwort auf die Frage eine*r Teilnehmer*in, was getan werden müsse.

Max Schrems, Jurist, Autor und Datenschutzaktivist aus Wien, betrachtete als zweiter Keynote-Sprecher das Thema in seinem Vortrag ‚Datenschutz im geopolitischen Spiel – eine Einschätzung‘ aus der juristischen Perspektive. Als erster Europäer hatte er Klage gegen Facebook eingereicht und erklärte anschaulich am Beispiel von Facebook die Wege der Daten von europäischen Facebook-Nutzer*innen an die Server in den USA und die hier ansetzenden Probleme: es gibt keine einheitlichen Datenschutzrechte.

Ein besonderes Highlight des Vormittags war anschließend die Verleihung des 17. Medienethik-Awards (META). Der META zeichnet Qualitäts-Journalist*innen aus, wobei die Jury in diesem Jahr 705 Radiobeiträge und 22 Fernsehformate durchsucht und bewertet hat, die sich alle mit dem Thema ‚Datenschutz und Überwachung‘ beschäftigt hatten. Die Preise wurden durch Prof. Dr. Petra Grimm, Initiatorin des META, und die Laudator*innen und Jurymitglieder Philipp Antony (Kategorie Radio) und Johanna Kunde (Kategorie Fernsehen) vergeben. In der Kategorie Radio durfte sich Radio-Journalistin Juli Rutsch mit ihrem Beitrag in der Beitragsreihe hr-Info ‚Können Apps die Pandemie eindämmen?‘ vom 24. April 2020 über die Auszeichnung freuen. Gewürdigt wurde ihre ethische Auseinandersetzung mit dem Immunitätsbeitrag in der Corona-Krise. Gewinner der Kategorie TV sind Jochen Taßler und Niklas Schenk mit ihrem Beitrag ‚Überwachung per Gesichtserkennung: Ende der Privatsphäre?‘ in der Sendung MONITOR im Ersten Deutschen Fernsehen vom 30.01.2020. Der Beitrag gab den Zuschauenden die Möglichkeit, Chancen und Risiken der neuen Überwachungstechniken selbst zu reflektieren.  

Auf die Preisverleihung und die Keynote-Vorträge folgten am Nachmittag drei weitere spannende Vorträge, die das Thema ‚Kinder schützen. Daten schützen‘ aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachteten. Prof. Dr. Ricarda Moll, Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung Brühl, stellte die ethischen Dimensionen im Umgang mit vernetztem Spielzeug dar, wobei sie die Rolle der Eltern zum Schutz ihrer Kinder heraushob. Kinder seien gerade in Interaktion mit solchen vernetzten Spielzeugen nicht in der Lage, mögliche Risiken wahrzunehmen, vor allem, da solche Spielzeuge oft nicht als vernetzt erkannt würden und die Kinder eine (Para-)Soziale Beziehung zu diesen aufbauen könnten. ‚Wir sollten nicht wollen, dass ein Kind nur noch Beziehung zu einem technischen Gegenstand hat. Wir sollten uns aber bewusst sein, dass eine solche Beziehung möglich werden kann.‘ Bei der Entwicklung sozialer Roboter spielten also Datensicherheitsfragen eine besonders große Rolle. Die juristischen Aspekte des Datenschutzes beleuchtete im Anschluss der Vortrag ‚Datenschutz – kinderleicht?‘ von Dr. Stefan Brink, Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg. Er sprach die Problematik an, dass Kinder und Jugendliche ‚front-runner‘ in Sozialen Medien unterwegs seien, aber juristisch im Datenschutzgesetz nicht als Akteur*innen betrachtet würden. So gäbe es durch diverse Schlupflöcher, die sich die Anbieter mit ihren AGBs schaffen, kaum die Möglichkeit für Aufsichtsbehörden, Kinder und Jugendliche zu schützen. Diese gelten laut Gesetzestext als ‚besonders Schutzbedürftige‘. Viel Verantwortung läge somit wieder bei den Eltern. So sei es einerseits deren Aufgabe die Kinder als Akteur*innen mit Medien zu begleiten. Andererseits müssten auch sie sich der Risiken bewusst sein, derer sie ihre Kinder durch Überwachungs-Tools aussetzen. Solche Überwachungstools, wie etwa sogenannte ‚Schutzränzen‘, sollen eigentlich zum Schutz der Kinder dienen. Die Daten können aber auch schnell missbraucht werden. Bei der Entwicklung und Prüfung solcher Tools ist konkreterer rechtlicher Schutz dringend notwendig. Sowohl vernetztes Spielzeug als auch die Überwachung von Kindern reflektierte Dr. Nina Köberer, Referentin für Medienethik am Niedersächsischen Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung in Hildesheim, abschließend unter dem ethischen Aspekt. Privatheit und Datenschutze seien notwendig für eine gelingende Kindheitsentwicklung und somit für eine funktionierende Demokratie. In der abschließenden Diskussionsrunde, die durch Prof. Dr. Tobias Keber, Professor für Medienrecht und Medienpolitik an der HdM, moderiert wurde, wurden diese verschiedenen Aspekte nochmals durch die Redner*innen unter den verschiedenen Gesichtspunkten reflektiert, wobei sie auch auf Fragen und Einwürfe der Teilnehmer*innen eingingen.

Anna Pentz und Isabelle Schlecht

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Teaserbild: Institut für digitale Ethik (IDE)

Headerbild: qimono I pixabay 


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