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Zum Umgang mit digitalen (Lern-)Umgebungen: Zwei Publikationen

Für Lehrende und Lernende hielt das Jahr 2020 einige Herausforderungen bereit: Virtueller Distanzunterricht sorgte für Lehrkräfte nicht nur in Sachen Ausstattung und Zuverlässigkeit der technischen Hilfsmitteln oftmals für Unbehagen. Vor allem die Unterrichtsvorbereitung und -durchführung im ungewohnten virtuellen Raum, ohne altbewährte Methoden, bereitete vielen Lehrkräften Sorgen. Für viele Lernende an Schulen und Hochschulen hingegen bedeutete die Umstellung, dass ein größerer Fokus auf selbstständigem Lernen und ein höherer Grad an Selbstmanagement notwendig wurden. Diesen neuen Herausforderungen Rechnung tragend, erschienen noch im selben Jahr zwei gemeinschaftliche Arbeiten der Autoren Thomas Hanstein und Andreas Ken Lanig. Das Buch ‚Digital lehren – Das Homeschooling-Methodenbuch' richtet sich an Lehrende und Didaktiker*innen und stellt zahlreiche digitale Methoden vor. ‚Spirituelle Kompetenz in digitalen Lern- und Arbeitswelten’ hingegen beschäftigt sich als praktischer Ratgeber für Studierende und Arbeitnehmer mit ‚Spirituellem Selbstmanagement 4.0’.

Hanstein, Thomas/Lanig, Andreas (2020). Digital lehren. Das Homeschooling-Methodenbuch. Baden-Baden: Tectum-Verlag. 384 S., 28,00 €.

Wie können Lernende im Homeschooling zusammenarbeiten? Wodurch kann in Videokonferenzen eine angenehme Lernatmosphäre geschaffen werden und wie lässt sich auch im virtuellen Raum Unterricht gewinnbringend gestalten? Diesen und weiteren Fragen widmen sich Hanstein und Lanig ausgehend von ihren Vorerfahrungen in diesem Bereich sowie auf der Basis von Expert*innengesprächen und Umfragen unter Lehrenden und Lernenden. Noch während des ersten Lockdowns befragten sie rund 500 Schüler*innen und Lehrer*innen an beruflichen Schulen zu ihren Erlebnissen im Fernunterricht. Es folgte eine weitere Befragung von Lehrkräften mit langjähriger Erfahrung in der virtuellen Lehre, die einen Überblick über analoge Methoden bot, die auch im Homeschooling genutzt werden können. Eine Auswertung dieser Daten bildet die Basis der umfangreichen Methodensammlung.

Im vorweggehenden Theorieteil widmen sich die Autoren ganz allgemein der Frage nach gutem Unterricht. Einleitend wird dabei auf den Umgang mit neuen Lehr- und Lernformen, wie dem virtuellen Lernen eingegangen, um anschließend auf Merkmale guten Unterrichts zu sprechen zu kommen. Im ersten Kapitel werden zunächst die grundlegenden Begriffe Methodik und Didaktik voneinander abgegrenzt und versucht, das unübersichtliche Feld der Begrifflichkeiten zu klären. Anschließend setzen sich Hanstein und Lanig mit der Unterrichtsplanung auseinander, bei der sie insbesondere auf die Handlungsorientierung verweisen, bevor sie auf die Beziehungsdidaktik eingehen, die zentral für die virtuelle Lehre sei. Ein Exkurs thematisiert die Kompetenzentwicklung vor allem in Bezug auf die personale Entwicklung und wendet sie auf den virtuellen Fernunterricht an. Dessen Besonderheiten stehen im vierten Kapitel im Zentrum, das sich mit der Gruppendynamik auseinandersetzt. Der Theorieteil ist zwar knapp gehalten, deckt aber eine große Bandbreite an Themen ab und ist dementsprechend dennoch eher komplex.

Mit dem fünften Kapitel beginnt der praktische Teil des Buches, der anhand einer Befragung aufzeigt, an welchen Stellen Lernende und Lehrende an Berufsschulen während des Distanzunterrichts Herausforderungen und Verbesserungsbedarf sahen. Während sich Lehrende demnach mehr Unterstützung bei der Aktivierung, Methodenkompetenz und Technik wünschten, war für Lernende unter anderem der Wunsch nach mehr Miteinander und Unterrichtsvielfalt überwiegend. Diesen Wünschen kommen die Autoren mit ihrer umfangreichen Methodensammlung nach.

Die Methoden für digitales Lehren betreffen die zehn Bereiche (1) Unterrichtsklima, Aktivierung und Wechsel, (2) Führung und Zeitstruktur, (3) Lernstrukturierung, (4) Gesprächsformate, (5) Kompetenzorientierung, (6) Individualisierung, (7) Selbstorganisation, (8) Übungsmethoden, (9) Gruppenformate und (10) Feedbackmethoden. Da es dabei zu Überschneidungen kommt, sind die Methoden im Werk allerdings nicht nach Bereichen, sondern alphabetisch angeordnet, wodurch der Praxisteil an Übersichtlichkeit einbüßt. Vor der Beschreibung jeder Methode erfolgt eine Einordnung auf sechs Skalen, wie etwa ‚Ergebnisorientiert‘ bis ‚Entwicklungsorientiert‘ und schafft so auf den ersten Blick eine grobe Einschätzung des Tools. Hilfreich sind auch die Überblicksinfos, unter welchen Umständen die Methode sinnvoll eingesetzt werden kann sowie die Umsetzungstipps.

Die Methoden selbst reichen von Assoziationsverfahren, wie der ‚ABC-Analyse‘, über Feedbackverfahren via Dropbox oder mit der ‚Fünf-Finger‘-Methode bis hin zu Entspannungsübungen wie der ‚Körperreise‘. Damit ist eine große Bandbreite an Methoden geboten, die sich an allen Schulen und in allen Fächern umsetzen lassen und sicherlich viel Anregung bieten. Die Systematik der Methoden könnte für die Leser*innen allerdings erleichtert werden, etwa wenn die Bereiche aus der Gliederung wieder aufgegriffen würden.

Hanstein, Thomas/Lanig, Andreas (2020). Spirituelle Kompetenz in digitalen Lern- und Arbeitswelten. Erfolgreich studieren und arbeiten mit Spirituellem Selbstmanagement 4.0. Baden-Baden: Tectum-Verlag. 228 S., 26,00 €.

Als in der Corona-Pandemie sämtliche Schulen und Hochschulen auf virtuellen Distanzunterricht umsteigen mussten und Arbeitnehmende aus dem Home Office arbeiteten, wurde deutlich, dass sich Digitalisierung nicht auf technische Aspekte reduzieren lässt. Virtuelle Lern- und Arbeitswelten bringen andere Anforderungen mit sich als sie aus der analogen Lebenswelt bekannt sind und müssen somit erlernt werden. Hanstein und Lanig widmen sich den philosophischen Fragen, die dadurch aufgeworfen werden und bereiten den Weg zu innerer Stabilität und spiritueller Kompetenz unter den Herausforderungen digitaler Räume. Dabei ist ‚Spiritualität‘ als neutraler, religions- und konfessionsübergreifender Ansatz zu verstehen.

Der Aufbau des Werks ist an der Metapher eines Baumes orientiert, dessen Wurzeln die konkrete Lebenswelt einer virtuellen Lernumgebung beziehungsweise Hochschule darstellen. Mit theoretischen Bezügen aus verschiedenen Disziplinen wächst daraus als Baumkrone die Kernfrage der Spiritualität, an der als Früchte und Blüten elf meditative Angebote ‚wachsen‘.

Die vielen verschiedenen Aspekte, wie etwa die Rolle des Unbewussten, virtuelle Selbstsorge oder Dankbarkeit und Gelassenheit sind durch Bezüge zu Kulturtheorie, Sozialwissenschaft und Kunstpädagogik zwar eher komplex gestaltet, werden aber durch viele Beispiele und zusammenfassende Thesen verdeutlicht. Zwischendurch sind zudem zahlreiche Übungen eingebaut, in denen oft bewusstes Atmen und Wahrnehmen mit gezielten Fragen und Anregungen verbunden werden. Es sind aber auch Übungen zur Selbstreflexion und praktisch angelegte Aufgaben enthalten, wie zum Beispiel das virtuelle Fasten, bei dem für einen bestimmten Zeitraum keine Neuigkeiten erhalten und klar kontrolliert werden soll, wann man erreichbar ist und potenziell arbeiten könnte.

Während diese Publikation einer breiten Zielgruppe Denkanstöße und bereichernde Übungen für den Alltag bereitstellt, richtet sich die obige vor allem an Lehrende und Lehramtsstudierende, die offen für neue Ideen und Methoden für den Onlineunterricht sind.


Teaser-/Headerbild: Cover-Abbildungen Tectum-Verlag


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