Berlin Gropiusstadt ist ein Stadtteil der gemeinhin als Problemviertel bezeichnet wird. Hier aufzuwachsen ist eine Herausforderung. Wer hier lebt, ist Gangster oder Opfer. Lukas, Gino und Julius, alle gerade mal 15 Jahre alt, sind eher letzteres. Stress zu Hause, kein Geld fürs Schwimmbad und die erste Liebe lässt noch lange auf sich warten. Als sie dann noch im Park Gras kaufen wollen und zwischen rivalisierende Dealer geraten, ist das Schlamassel vollständig. Lukas wird verprügelt und soll schließlich noch 500 Euro Schutzgeld auftreiben. Das ist alles ein bisschen viel und macht das Aufwachsen in diesem Problemviertel nicht einfacher. Da hilft nur noch ein Ausweg. In der Schule wurden gerade neue Computer angeschafft, damit die Kids den Anschluss an die Zukunft nicht verlieren, wie es der Direktor der Schule lautstark verkündet. Doch was nützen schon Computer, wenn die unmittelbare Zukunft erst einmal geregelt werden muss. Deshalb hat der neue Klassenkamerad Sanchez eine Idee: einfach in die Schule einbrechen, die Dinger klauen und dann verkaufen. Als Lukas daraufhin bei einer Auseinandersetzung mit dem vollständig überforderten Lehrer dessen Schlüssel entwenden kann, steht der Aktion nichts mehr im Weg. Dass das nicht gut gehen kann, muss hier nicht gesagt werden.
Sonne und Beton ist die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Felix Lobrecht. David Wnendt (Kriegerin, Er ist wieder da) führte Regie und schrieb gemeinsam mit Felix Lobrecht das Drehbuch. Für die jugendlichen Hauptrollen wurde bundesweit gecastet. 5000 Jugendliche bewarben sich, die zum Großteil aus dem unmittelbaren Umfeld der Gropiusstadt stammen. Ergänzt werden sie von Jörg Hartmann (Tatort), Franziska Wulf und zahlreichen Musiker*innen der deutschen HipHop- und Rapszene (Luvre47, Lucio 101, Olexesh, NNOC u. v. m.), die auch zum lautstarken und gelungenen Soundtrack des Films beitragen.
Der Film schildert sehr eindringlich die Alltagsnöte von Jungs im Alter zwischen 14 und 16 Jahren an der Schwelle zum Erwachsenwerden in einem Stadtteil, der als Brennpunkt gilt. Die Schule ist längst schon abgeschrieben, eine Perspektive ist nicht in Sicht und Gewalt prägt die Alltagserfahrungen. Sicher wird im Film vieles verdichtet und zum Teil überzeichnet, aber in der Tendenz wird gezeigt, wie schwierig es für diese Jugendlichen und hier vor allem für Jungs ist, die Zukunft zu meistern. Lukas, der vom Lehrer immer wieder gelobt wird, dass er eigentlich auf das Gymnasium gehört, findet hier ebenso wenig raus, wie alle seine Mitschüler*innen, die mit ihrem migrantischen Hintergrund keine Perspektive außerhalb ihres Kiez haben. Mädchen spielen in diesem Kosmos nur ferne Sehnsuchtsobjekte, begehrt und zugleich unerreichbar. Felix Lobrecht hat seinen Roman und das Drehbuch auf der Grundlage eigener Erfahrungen geschrieben. Dies macht den Film auch so authentisch. Auch wenn er im Jahr 2003, also vor 20 Jahren spielt, ist er aktuell wie nie. Die Gropiusstadt, einst geschaffen vom genialen Architekten und Visionär Walter Gropius, ist und bleibt ein städtebauliches und soziales Desaster, das es nicht nur in Berlin, sondern in vielen europäischen Metropolen gibt. Es wäre an der Zeit, solche Brennpunkte gar nicht erst entstehen zu lassen und in Zukunft anders zu planen. Der Film kann nur allen ans Herz gelegt werden, die sich dieser Thematik stellen.
Günther Anfang
Header- und Teaserbild: © Seven Elephants, Constantin Film (bearbeitet mit Canva)