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Problematische Mediennutzung bei Heranwachsenden Post-Corona

In welchem Zusammenhang stehen psychische Gesundheit und die problematische Nutzung digitaler Medien bei Kindern und Jugendlichen? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich die gemeinsame Längsschnittuntersuchung der Krankenkasse DAK-Gesundheit und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Abgefragt wurde dabei die digitale Mediennutzung von Kindern, Jugendlichen und deren Eltern von bundesweit über 1.200 Familien in sechs Befragungswellen. Im Rahmen der letzten Erhebungswelle (September 2023) wurde nun untersucht, wie sich Nutzungsmuster und -zeiten für digitale Spiele (Gaming), Soziale Medien und Streaming unter Kindern und Jugendlichen in Deutschland in der post-pandemischen Phase entwickelt haben. Ein Schwerpunkt der aktuellen Erhebung lag dabei auf der Untersuchung individueller und familiärer Einflussfaktoren, die mit einer problematischen Mediennutzung in Zusammenhang stehen können.

Mit Blick auf die aktuellen Ergebnisse zeigen sich rückläufige Nutzungszeiten sowie ein sinkendes pathologisches Nutzungsverhalten im Hinblick auf digitale Spiele und (Video-)Streaming-Dienste unter Heranwachsenden in Deutschland, die auf eine gewisse Normalisierung der Mediennutzung nach dem intensiven Online-Verhalten während der Pandemie schließen lassen. Dies gilt jedoch nicht für die Nutzung Sozialer Medien, die in der post-pandemischen Phase insgesamt mehr als 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland betrifft. Eine Nutzung mit Suchtkriterien haben aktuell hochgerechnet 360.000 Kinder und Jugendliche, wie aus den Daten der Studie hervorgeht. Zusätzlich zeigt fast ein Viertel der Kinder und Jugendlichen in Deutschland (24, 5 %) bereits riskante Nutzungsmuster, was einer Verdreifachung der Betroffenenzahl seit 2019 (8,2 %) entspricht. Vertiefte Analysen zur Charakterisierung der problematischen Nutzer*innen Sozialer Medien machen deutlich, dass betroffene Kinder und Jugendliche psychisch stärker belastet sind: Sie berichteten deutlich häufiger von depressiven Symptomen, Angstsymptomen und einem höheren Stresslevel als unauffällige Nutzer*innen.

Anders als bei der Social-Media-Nutzung zeigen sich beim Gaming und Streaming rückläufige Trends hinsichtlich pathologischer Mediennutzungsmuster unter Kindern und Jugendlichen. So sind beim Gaming die Nutzungszeiten an Werktagen auf durchschnittlich 98 Minuten gesunken und liegen damit fast wieder auf dem Niveau von vor der Pandemie. Auch beim Streaming gehen die Werte nach einem starken Ausschlag zur Pandemie-Hochphase wieder nach unten: Die durchschnittliche Streaming-Dauer sank im September 2023 auf 98 Minuten pro Werktag – im Mai 2021 waren es 170 Minuten gewesen.  Der Anteil pathologischer Nutzer*innen beim Streaming halbierte sich im Vergleich zum Vorjahr auf 1,2 Prozent.

Auch die zentrale Bedeutung familiärer Einflüsse auf das Mediennutzungsverhalten von Heranwachsenden wird mit Blick auf die Studienergebnisse deutlich. So weisen die Antworten der Befragten der sechsten Erhebungswelle darauf hin, dass elterliche Unsicherheiten im Medienerziehungsverhalten gegenüber 2019 insgesamt zugenommen haben. So berichtete fast jeder vierte Elternteil, sich in Bezug auf die Online-Aktivitäten des Kindes nicht gut informiert zu fühlen, 2023: 24 %; 2019: 21 %), in großer Sorge über dessen Mediennutzung zu sein (2023: 23 %; 2019: 15 %) und/oder sich Anleitung oder Unterstützung bei der Medienerziehung zu wünschen (2023: 23 %; 2019: 20 %). Des Weiteren wurde deutlich, dass sich Eltern von Kindern mit unauffälligen Nutzungsmustern in ihrer Medienerziehung signifikant selbstwirksamer fühlen als Eltern von Kindern mit problematischen Nutzungsmustern. Neben einer höheren Reglementierung der Mediennutzung allgemein spiegelt sich die empfundene digitale Selbstwirksamkeit der Eltern vor allem in der Umsetzung aufgestellter Medienregeln wider: Mit 89 Prozent gab die Mehrheit der Eltern, die sich als digital selbstwirksam empfinden, an, aufgestellte Regeln konsequent umzusetzen, während es unter den unsicheren Elternteilen nur 61 Prozent waren.

Insgesamt zeigt sich mit Blick auf diese Ergebnisse ein wechselseitiger Zusammenhang zwischen psychischen Belastungen und problematischem Nutzungsverhalten bei Heranwachsenden. So konnte die Studie herausarbeiten, dass insbesondere das unzureichende oder fehlende Vorhandensein von adaptiven Regulierungsstrategien dazu beiträgt, dass vermehrt auf dysfunktionale Bewältigungsmechanismen wie eine exzessive Mediennutzung zurückgegriffen wird. Vor allem die zentrale Bedeutung familiärer Einflüsse im Hinblick auf eine problematische Mediennutzung von Heranwachsenden, insbesondere die Familienkommunikation- und -funktionalität, konnte herausgestellt werden. Es zeigt sich, dass elterliche Unsicherheiten im Umgang mit der Mediennutzung insgesamt zugenommen haben und demnach in vielen Familien ein großer Bedarf an Anleitung und Unterstützung bei der Medienerziehung besteht.

Alles in allem unterstreichen diese Ergebnisse die Notwendigkeit und Dringlichkeit, geeignete (medienpädagogische) Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken. Dafür scheint es zunächst entscheidend, innerhalb von Familien Ansatzmöglichkeiten zu schaffen, um den Austausch zwischen Eltern und Kindern zu fördern und Aktivitäten zu etablieren, welche sowohl die Familienkommunikation als auch das Wohlbefinden und die Selbstwirksamkeit der Heranwachsenden stärken. Innerhalb der Familie kann auch die Aufstellung verbindlicher Medienregeln für alle Beteiligten ein möglicher Ansatz sein, um einen gesünderen Umgang mit digitalen Medien zu entwickeln und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Online- und Offline-Aktivitäten zu fördern. Darüber hinaus bleiben sowohl der Ausbau und die Verbreitung professioneller Hilfsangebote als auch die Erarbeitung und Weiterentwicklung von Maßnahmen des Kinder- und Jugendmedienschutzes zum Vorgehen gegen Risiken und Gefährdungsfaktoren problematischen bzw. exzessiven Nutzungsverhaltens wichtige Zukunftsaufgaben, die es zukünftig im Blick zu behalten und zu verfolgen gilt.

Zur weiterführenden Auseinandersetzung mit der Thematik ist an dieser Stelle auf die merz-Ausgabe ,Medien. Mediensucht. Mediensuchtprävention’ (2022/04) zu verweisen, welchewertvolle Anregungen für eine differenzierte Betrachtung des Zusammenspiels von Medien, Mediensucht und Mediensuchtprävention zusammengetragen hat. Mehr Einblicke sind hier zu finden, das gesamte Heft kann auf der kopaed-Website eingesehen und bestellt werden.

 


Online-Anlaufstelle Mediensucht: Um Betroffene und Angehörige zu unterstützen, bietet die DAK-Gesundheit gemeinsam mit der Mediensuchthilfe Hamburg eine Online-Anlaufstelle Mediensucht an. Dort erhalten Betroffene und deren Angehörige wissenschaftlich fundierte Informationen zum problematischen Mediengebrauch im Kindes- und Jugendalter sowie Hilfestellungen und Impulse zur Medienerziehung: www.mediensuchthilfe.info.

 

Weiterführende Informationen zu den Studienergebnissen:

https://www.dak.de/dak/bundesthemen/onlinesucht-studie-2106298.html#/

https://www.dak.de/dak/unternehmen/reporte-forschung/dak-studie-mediensucht-2023-24_56536

 

Lisa Melzer

 


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