SWIPE DES MONATS: Ein ganz normaler Abend
Der Sommer ist vorbei und das Jahr neigt sich langsam dem Ende zu. Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen, was aus den Vorsätzen geworden ist, die ich mir für dieses Jahr vorgenommen habe: Mehr Bewegung - habe mir extra einen Hometrainer angeschafft, der allerdings nach einer Probefahrt bis jetzt nur seinen Dienst als Wäscheständer geleistet hat. Gesündere Ernährung, verbunden mit einem Gewichtsabbau, Reduzierung von Arbeitszeit - und abends mal wieder ein gutes Buch, statt Shorts auf YouTube zu konsumieren.
Meist sieht der Abend aber wie folgt aus: In den Sessel fallen lassen, erst einmal die Nachrichtenkanäle checken, denn es könnte die letzten 15 Minuten ja etwas Wichtiges reingekommen sein und dann das Tablet aufklappen, die Kopfhörer einstöpseln und los surfen. Als ich die Kopfhörer vom Bücherstapel nehme, bemerke ich die dicke Staubschicht auf den Büchern und bekomme ein schlechtes Gewissen. Die neue merz liegt auch dabei. Da lege ich die Kopfhörer noch einmal weg und schlage die letzte Seite auf. Merzleser*innen wissen, was da zu finden ist: Die Kolumne. Mal sehen, was die Konkurrenz so macht.
Im Augenwinkel sehe ich, dass auf dem Tablet viele Videos über Pferde aufgelaufen sind. Meiner Leidenschaft für Pferde hilflos ausgeliefert, kann ich nicht widerstehen und wende mich wieder dem Internet zu. Da gibt es zunächst eine traurige Nachricht zu verarbeiten: Pippi, das Pferd eines Influencers, ist leider bei einer OP verstorben. Dafür hat der Umzug eines anderen Influencers mit seinem Pferd Jasper in einen anderen Stall gut geklappt; und ein Ehepaar versucht tapfer, die Alpen mit Pferden zu überqueren.
Ein Video weckt aber meine besondere Neugierde: Hobby-Horsing, das Glück der Erde, Steckenpferde (siehe: Hobby Horsing: Das Glück der Erde, Steckenpferde (youtube.com).
Hobby Horsing – auch Steckenpferd-Reiten genannt – kommt aus Finnland und erfreut sich auch in Deutschland immer größerer Beliebtheit. Beim Hobby Horsing werden gemeinsam mit einem Steckenpferd Elemente aus dem Pferdesport, zum Beispiel Dressur- oder Springreiten, nachgeahmt. Die Steckenpferde werden von den Besitzer*innen genauso liebevoll behandelt, wie lebendige Pferde: Es werden Zöpfe in die Mähnen geflochten, kunstvoll verzierte Trensen angelegt und das Fell (geht schnell, ist ja nur ein Kopf) hingebungsvoll gestriegelt, bevor sich die Reiter*innen in das Dressurviereck begeben oder über Hürden springen. In den Ferien werden auch Trainingslager angeboten, in denen man seine Dressur- und Springfähigkeiten verbessern kann. Und woher weiß ich das? Natürlich durch zahlreiche Berichte auf Instagram oder Tiktok von begeisterten Hobby Horsing-Sportler*innen. Habe ich den Sport anfänglich noch belächelt, so bin ich mittlerweile zu einem Fan geworden. Die Ernsthaftigkeit, mit der vor allem junge Mädchen diesen Sport betreiben, nötigt mir Respekt ab, ebenso wie die erbrachten sportlichen Leistungen. Wer das nicht glaubt, sollte selbst einmal versuchen, mit einem Steckenpferd zwischen den Beinen über ein Hindernis von 1,40 m Höhe zu springen, ohne dass eine Stange fällt. Außerdem ist das endliche eine Variante des Pferdesports, in der dem Ehrgeiz der Sportler*innen nicht das Tierwohl geopfert wird.
Ich hätte da auch noch eine Idee: Vielleicht sollte man Hobby-Horsing um die Disziplin des Kutschenfahrens erweitern. Als neue Zielgruppe habe ich da die Senior*innen im Blick. Als Kutschen könnten die vielfach schon vorhandenen Rollatoren dienen, vor die dann einfach ein Steckenpferd gespannt wird. Anspruchsvolle Parcours könnten beispielsweise im Speisesaal eines Seniorenheims aufgebaut werden und die Medien-AG 70 Plus könnten das Ganze unter Anleitung einer/eines Medienpädagog*in mit dem Handy filmen und ins Netz stellen. Ich denke, damit fange ich gleich mal bei uns in Fürth an und gründe die weltweit allererste Kutschen-Hobby-Horsing-Gruppe. Und vielleicht schaffe ich es mit dieser Idee endlich, zu einem berühmten Influencer zu werden.
Klaus Lutz
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