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Virtuelles Oktoberfest: Wie kann eine VR-Brille zur Inklusion beitragen?

Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei welcher der Beitrag jeder einzelnen Person gefragt ist. Zur Unterstützung können Medien herangezogen werden, wobei die VR-Technologie eine vielversprechende Möglichkeit sein kann. Christoph Ostler findet: „VR kann etwas, was noch kein anderes Medium kann: Teilhabe schaffen!“.

Christoph Ostler ist CEO und Gründer von Connected Reality, Initiator von vr4kids und Vorstand bei XRB. Im Juni 2024 veröffentlichte er das VR-Projekt vr4kids in München. Dieses wurde 2024 mit dem Innovationsaward des German Mittelstand ausgezeichnet. Die Zielgruppe sind Unternehmen und soziale Einrichtungen, eine VR-Brille kostet aktuell 560€. Das Ziel des Projekts ist es, Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen und sozial benachteiligten Heranwachsenden Erlebnisse zu ermöglichen, zu denen sie sonst keinen Zugang hätten. Zum Beispiel gibt es die Möglichkeit, in der VR-Umgebung an einem Basketballspiel mit anderen Kindern teilzunehmen. Aber auch ältere Menschen erfahren durch die VR-Brillen Teilhabe, laut Ostler war die älteste Nutzerin bisher 96 Jahre alt. Die VR-Brillen seien zwar aus dem Inklusionsgedanken heraus entstanden, aber grundsätzlich könnten sie alle Menschen nutzen. Ostler betont, wie wichtig es ihm ist etwas Innovatives zu erschaffen, was Spaß macht und damit seinen Beitrag zur Inklusion zu leisten. Allerdings weist er auch darauf hin, dass Inklusion sehr individuell und vr4kids nicht perfekt sei. Außerdem sei vr4kids eine Hülle, die anpassbar ist an die Bedürfnisse der Auftraggebenden – Teilhabe beginnt also auch schon bei der gemeinsamen Ideenfindung und Umsetzung. Bisher hatten über 10.000 Personen (unter ihnen auch Menschen mit Behinderungen) auf dem Kopf und das Feedback falle sehr positiv aus, so Ostler.

Ein einzigartiges Projekt von Christoph Ostler ist das Oktoberfest in virtueller Umgebung. Vom Gruseln in der Geisterbahn über die Aussicht vom Riesenrad bis hin zum Lernen von Begriffen in Gebärdensprache erleben Nutzende diverse Erfahrungen. Dabei wird man von den Kindern Felix und Leah begleitet, wobei Leah in Gebärden übersetzt. Über die Gebärdensprache hinaus wird durch vielfältige Wege angestrebt, Teilhabe zu ermöglichen. Zum Beispiel gibt es das Projekt bereits in Englisch und Deutsch. Die soziale Teilhabe wird durch die Begleitung mit den beiden Kindern gestärkt, man fühlt sich willkommen und erfährt positive Rückmeldungen. Außerdem findet die Steuerung in der virtuellen Umgebung durch die Augen statt, wodurch keine Bewegungen der Hände benötigt werden. Demnach ist das Projekt besonders für Kinder und Jugendliche mit körperlichen Behinderungen geeignet.

Die virtuelle Umgebung setzt sich aus 360-Grad-Videos zusammen, die aus sogenanntem Echtcontent bestehen. Dies stellte laut Ostler bei der Realisierung des Oktoberfest-Projekts auch die größte Herausforderung dar, denn es war sehr aufwändig die Szenen an einem belebten Tag des Oktoberfests aufzunehmen, insbesondere da jede Szene mit nur einem Take aufgenommen wurde.

Das Projekt vr4kids steckt noch in den Kinderschuhen, Ideen für zukünftige Weiterentwicklungen gibt es bereits viele. Zum Beispiel wäre es denkbar eine Version in leichter Sprache und weiteren Fremdsprachen zu produzieren. Außerdem würde es sich beim Oktoberfest auch anbieten, den Geruchssinn zu involvieren. Über das Schaffen von Erlebnissen hinaus soll die vr4kids Plattform zukünftig durch sogenannte ,Trainings’ bzw. ,Sicherheitsschulungen’ bereichert werden, zum Beispiel mit Fokus auf die Sicherheit von Kindern im Straßenverkehr. Das geschieht durch Perspektivenwechsel und das Schärfen der Sinne mithilfe der VR-Technologie.

Durch das Testen der Brille konnte innerhalb der merz Redaktion ein umfangreicher Eindruck gewonnen werden. Die neueste Technologie im Sinne der Inklusion zu nutzen ist eine vielsprechende Chance. Unzugängliche Perspektiven einzunehmen kann für Menschen mit Behinderungen sehr bereichernd sein: denn die Fahrt auf der Rutsche oder im Autoscooter fühlt sich tatsächlich täuschend echt an. Hervorzuheben ist auch, dass sowohl die Konzepte mit Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen besprochen wurden, als auch, dass die Experiences von ihnen getestet wurden, um ein möglichst inklusives Ergebnis zu erzielen. Unter anderem wurde dabei mit dem Netzwerk Inklusion Deutschland und dem Gehörlosenverband zusammengearbeitet. Trotzdem muss beachtet werden, dass manche Menschen mit Schwindel oder Übelkeit auf die virtuelle Umgebung reagieren. Daher können nicht alle von dem Angebot profitieren. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Heranwachsende bei ihrem virtuellen Erlebnis begleitet werden. Eine Idee wäre, die Brille im Rahmen eines Thementags an Schulen oder Einrichtungen einzusetzen, wo auch für kulinarische Verpflegung gesorgt wird, denn zum Beispiel gebrannte Mandeln sind für eine authentische Volksfesterfahrung für viele essenziell.

Auffällig ist außerdem, dass man sich häufig in der beobachtenden Rolle befindet. Daher wäre es wünschenswert, dass es mehr Möglichkeiten gäbe selbst aktiv zu werden. Ausbaufähig ist auch die visuelle Qualität der 360-Grad-Aufnahmen, da die Bilder teilweise unscharf sind, wodurch das Gefühl der Immersion beeinträchtigt wird. Bisher mangelt es außerdem noch an Zugang zu den Brillen. Dies ist jedoch noch ein wichtiger Schritt, damit das Produkt besonders bei Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen Anklang findet. Dabei ist auch die Entwicklung von Finanzierungsmöglichkeiten für soziale Einrichtungen unverzichtbar. Positiv zu bewerten ist, dass die VR-Umgebung auf die Bedürfnisse der Nutzenden zugeschnitten werden kann. Ein weiteres Potential von VR ist, dass sich Spielende auf interaktive und spielerische Weise neues Wissen aneignen können. Dennoch sollten auch die Schwachpunkte der Technologie berücksichtigt und weiterentwickelt werden, die VR-Brillen sind noch ausbaufähig. Unter anderem eine Version in leichter Sprache wäre wünschenswert.

Natürlich können die VR-Brillen nicht die Bedürfnisse aller Menschen mit Behinderungen abdecken, zum Beispiel können Menschen mit Sehbehinderungen die VR-Umgebung kaum steuern. Aber besonders bei der räumlichen Inklusion spielt VR eine bedeutende Rolle. Die Technologie ist ein guter Anfang und kann auf dem Weg zu einer inklusiveren Gesellschaft hilfreich sein.

 

Veronika Wagner

https://www.vr4kids.de/

 


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