Dr. Wolfgang Reißmann
- Redaktion
Vita
Ich bin Redakteur bei merz seit 2020.
Aktivitäten
Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Arbeitsstelle Journalistik des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Freien Universität Berlin
Schwerpunkte
- Mediatisierung und Medienpraktiken
- Digitale Öffentlichkeiten
- Visuelle Kommunikation und Bildpraxis
- Mediensozialisation
- Medienbildung
Beiträge in merz
Anja Hartung und Wolfgang Reißmann: Emotionales Erleben von Musik im Jugendalter
Musik hat im Leben vieler Jugendlicher eine besondere emotionale Bedeutung und auch Jugenderinnerungen Erwachsener sind häufig an bestimmte Musiktitel, Bands oder Musikstile geknüpft. Der Beitrag versucht, die Vielfalt des emotionalen Erlebens von Musik im Jugendalter zu bündeln und zeigt auf diese Weise, dass das Zusammenspiel von Musik und Gefühl weit über die Regulierung situativer Befindlichkeiten hinaus geht.(merz 2007-4, S. 23-30)
Wolfgang Reißmann: Mediatisierung – Kommerzialisierung – Ökonomisierung: Sind aktuelle Medienumgebungen Katalysatoren instrumentellen Handelns und Denkens?
Die Verquickung von Mediatisierungs- und Kommerzialisierungsprozessen ist aktuell in zumindest drei Bereichen zu beobachten. Erstens interessieren Individuen gestern wie heute als potenzielle Konsumenten. Zweitens ist die Lebensführung in kommerzialisierten Medienumgebungen zunehmend selbst zu einem wirtschaftlichen Rohstoff und einer Ware geworden. Drittens legen aktuelle Medienumgebungen ökonomisierte Handlungs- und Denkmuster nahe, das heißt, sie beeinflussen Selbst und Sozialbeziehungen. Vor diesem Hintergrund wird für mehr Kritische Kommunikationswissenschaft plädiert und Medienpädagogik innerhalb eines solchen Unterfangens als wichtige Instanz verortet.
Literatur:
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Habermas, Jürgen (1981/1987). Theorie des kommunikativen Handelns. Band 2. Zur Kritik der funktionalistischen Vernunft. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
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Winter, Rainer (2007). Kritische Theorie jenseits der Frankfurter Schule? Zur aktuellen Diskussion und Bedeutung einer einflussreichen Denktradition. In: Winter, Rainer/Zima, Peter V. (Hrsg.), Kritische Theorie heute. Bielefeld: transcript, S. 23-46.
Wolfgang Reißmann: Transparente Sichtbarkeitsfigurationen als Bedingung gegenwärtiger Mediensozialisation
In historischer Perspektive wird die sukzessive Umkehrung bzw. Ausdifferenzierung medial konstituierter Sichtbarkeitsfigurationen skizziert. Der Weg führt von einem medial ermöglichten Sehen in die Welt bei eigener Unsichtbarkeit (Massenmedien), über opake Sichtbarkeitsrelationen (Frühphase der kollektiven Internetaneignung) zu zunehmend transparenten Sichtbarkeitsfigurationen (Gegenwart des ‚Social Web‘/‚Web 2.0‘). Darauf aufbauend wird nach möglichen Konsequenzen der veränderten Sozialisationsbedingungen gefragt. Es werden drei thematische Zusammenhänge präsentiert, die als Impulse für die weitere Forschung fungieren sollen. Ziel ist, auf diese Weise zur Selbstverständigung und zur Sensibilisierung für aktuelle Herausforderungen der Mediensozialisationsforschung beizutragen.
The paper outlines from a historical point of view how media-based figurations of visibility changed. It starts from the media enabled ‘looking at the world while remaining invisible’ (era of mass media), passes opaque figurations of visibility (early days of collective internet appropriation) and finally comes to present figurations of transparency (in the days of ‘Social Web‘/‘Web 2.0‘). Against this background the paper considers potential consequences for processes of socialization and focuses on three main connections. Its aim is to raise awareness for current challenges in media socialization research.
Literatur:
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Sutter, Tilmann (2009). Interaktionistischer Konstruktivismus. Zur Systemtheorie der Sozialisation. Wiesbaden: VS Verlag.
Thiedeke, Udo (2005). Programmiere Dich selbst! Die Form der Persona als Vergesellschaftung im Cyberspace. In: Jäckel, Michael/Mai, Manfred (Hrsg.), Online Vergesellschaftung. Mediensoziologische Perspektiven auf neue Kommunikationstechnologien. Wiesbaden: VS Verlag, S. 73-90.
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Treibel, Annette (2008). Die Soziologie von Norbert Elias. Eine Einführung in ihre Geschichte, Systematik und Perspektiven. Wiesbaden: VS Verlag.
Turkle, Sherry (2011). Alone Together: Why We Expect More from Technology and Less from Each Other. New York: Basic Books.
Turkle, Sherry (1998). Leben im Netz. Identität in Zeiten des Internet. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.
Turner, Graeme (2006). The mass production of celebrity: ‘Celetoids’, reality TV and the ‘demotic tun‘. In: International Journal of Cultural Studies, 9 (2), pp. 153-165.
Wehner, Josef (1997). Medien als Kommunikationspartner. Zur Entstehung elektronischer Schriftlichkeit im Internet. In: Gräf, Lorenz/Krajewski, Markus (Hrsg.), Soziologie des Internet. New York, Frankfurt: Campus, S. 125-149.
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Wolfgang Reißmann und Anja Hartung: Jugend und Radio.
Welche Bedeutung hat das Radio in immer differenzierteren Medienrepertoires junger Menschen? Was vermag Radioarbeit als eine Besonderung aktiver Medienarbeit auch heute zu leisten? Die Klammer bildet eine Studie, in der das Musikmedienensemble von jungen Menschen untersucht wurde und dabei unter anderem die Radioarbeit als ein Untersuchungsinstrument eingesetzt wurde.
Literatur
Bloech, Michael; Fiedler, Fabian; Lutz, Klaus (Hrsg.) (2005): Junges Radio. Kinder und Jugendliche machen Radio. München: kopaed.
Hartung, Anja (2008): Humor im Hörfunk und seine Aneignung durch Kinder und Jugendliche. Eine qualitative Untersuchung. München: kopaed.
Hartung, Anja; Reißmann, Wolfgang; Schorb, Bernd (2009): Musik und Gefühl. Eine Untersuchung zur gefühlsbezogenen Aneignung von Musik im Kindes- und Jugendalter unter besonderer Berücksichtigung des Hörfunks. SLM-Schriftenreihe, Bd. 17. Berlin: Vistas
Hasebrink, Uwe; Domeyer, Hanna (2010): Zum Wandel von Informationsrepertoires in konvergierenden Medienumgebungen. In: M. Hartmann, A. Hepp (Hrsg.), Die Mediatisierung der Alltagswelt. Wiesbaden, S. 49-64.
Palme, Hans-Jörg; Schell, Fred (Hrsg.) (1998): Voll auf die Ohren 2. Kinder und Jugendliche machen Radio. Beispiele, Anregungen, Ideen. München: Kopäd.
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.) (2009): JIM 2009. Jugend, Information, (Multi-)Media. Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland. Stuttgart.
Schell, Fred (2005): Grundlagen aktiver Medienarbeit mit Audio. In: Bloech, Michael; Fiedler, Fabian; Lutz, Klaus (Hrsg.): Junges Radio. Kinder und Jugendliche machen Radio. München: kopaed, S. 9-19.
Schorb, Bernd; Hartung, Anja (2003): Gewalt im Radio: Eine Untersuchung zur Wahrnehmung, Bewertung und Verarbeitung von Unterhaltung im Hörfunk durch 9- bis 16-Jährige. AML-Schriftenreihe, Bd. 2. Berlin: Vistas.
Wagner, Ulrike; Theunert, Helga (Hrsg.) (2006): Neue Wege durch die konvergente Medienwelt. BLM-Schriftenreihe, Bd. 85. München: Fischer.
Die Autor/innen Dr. Anja Hartung, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Medienpädagogik und Weiterbildung der Universität Leipzig.Wolfgang Reißmann, M.A., ist Stipendiat im Promotionskolleg „Communication and Digital Media“ der Universität Erfurt.
Wolfgang Reißmann: Zweideutige Bilder
Groß ist die Sorge um Jugendliche, die sich in Internetnetzwerken freizügig präsentieren. Nacktheitsskandale markieren aber nur das Ende der Fahnenstange. Sexualisierung wird von kulturellen Praxen getragen, an deren Bestehen auch diejenigen Teil haben, die sie beklagen. Denn visuelle Selbstpräsentation ist eng verbunden mit Schönheitsidealen, Attraktivitätsnormen und Beziehungsvorstellungen.
Literatur
APA – American Psychological Association, Task Force on the Sexualization of Girls (2007). Report of the APA Task Force on the Sexualization of Girls. Washington, DC: APA. www.apa.org/pi/wpo/sexualization.html [Zugriff: 15.03.2010]
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Humberg, Anja (2006). Posen, die es in sich haben. Unnatürlich geschlechtsbetonte Körperhaltung nach § 4 Abs.1 Nr. 9 JMStV. In: tv diskurs, 1, S. 80-81.
Kaufmann, Jean-Claude (1996). Frauenkörper, Männerblicke. Konstanz: UVK. Kleinspehn, Thomas (1989). Der flüchtige Blick. Sehen und Identität in der Kultur der Neuzeit. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.
Richard, Birgit/Grünwald, Jan/Ruhl, Alexander (2008). Me, Myself, I: Schönheit der Gewöhnlichen. Eine Studie zu denfluiden ikonischen Kommunikationswelten bei flickr.com. In: Maase, Kaspar (Hrsg.). Die Schönheiten des Populären. Zur Ästhetik der Massenkünste. Frankfurt/M.: Campus, S. 114-132.
Williams, Linda (1997). Pornografische Bilder und die „körperliche Dichte des Sehens“. In: Kravagna, Christian (Hrsg.), Privileg Blick. Kritik der visuellen Kultur. Berlin: Edition ID, S. 65-97.
Wolfgang Reißmann: Mehr als Musik
Onlineplattformen wie YouTube und MySpace erweitern die Möglichkeiten Jugendlicher, sich als Musikerin und Musiker bzw. mit und über Musik zu präsentieren. Es werden wichtige Handlungsoptionen vorgestellt und auf Anschlüsse an ‚ältere‘ soziale Praxen hingewiesen. Zudem stelle ich mir die Frage, inwiefern Onlineplattformen Spielregeln nahe legen, die Einfluss auf die Gestaltung musikmedialer Selbstpräsentation nehmen können.
Literatur
Boyd, Danah M. (2008). Taken Out of Context. American Teen Sociality in Networked Publics. Berkeley. www.danah.org/papers/TakenOutOfContext.pdf [Zugriff: 07.12.09]
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Wolfgang Reißmann: Brockhaus multimedial 2006 premium
Der Brockhaus multimedial 2006 premium. DVD-ROM, Win 98/ME/NT/2000/XP, Mac OS/X und Linux, Mannheim: Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus, 2006, 99,95 €
Den „Brockhaus multimedial 2006 premium“ (im Weiteren: Bmp 2006) begleitet das Image eines ‚Wissens-Allrounders’ für die ganze Familie. Im vergangenen Jahr erhielt er zum wiederholten Mal den begehrten Softwarepreis „Gigamaus“. Geadelt wurde das Produkt als Gesamtsieger in der Kategorie „Familie – Nachschlagen“. Nachfolgend soll die Software in ihren zentralen Bestandteilen vorgestellt werden. Dabei wird Wert darauf gelegt, Potenziale und Grenzen des Programms als ‚Familien-Wissens-Allrounder’ abzustecken. Zunächst einige allgemeine Bemerkungen zur Software.
Positiv hervorzuheben ist ihr Umfang, der tatsächlich für alle Familienmitglieder ab dem späten Kindesalter/frühen Jugendalter (schätzungsweise ab etwa elf/zwölf Jahre) entsprechende Angebote bietet. Im Mittelpunkt steht selbstverständlich das Nachschlagen. Insgesamt kann mit dem Bmp 2006 auf etwa 255.000 Artikel und 330.000 Stichwörter zugegriffen werden, wobei die 120.000 Wörter-bucheinträge des integrierten „Duden-Oxford“ bereits eingerechnet sind.
Zum Vergleich: Eine 15-bändige Druckausgabe des Brockhaus’ kommt auf ungefähr 140.000 Stichwörter. Den jüngeren Anwendern steht ein Kinder- und Jugendlexikon zur Verfügung. Ein genereller Vorteil gegenüber den Druckausgaben besteht in der komfortablen Verlinkung der Artikel und den zahlreichen Schnittstellen zum Internet, etwa in Form von weiterführenden Web-Links. Die Suchfunktionen und -optionen sind ausgereift und führen schnell zum Rechercheerfolg. Besonders die so genannten „Wissensnetze“ (computergenerierte Kontexte) sind hilfreiche Gefährten, die zum Weiterschauen und Weiterdenken animieren. Vorgegebene Themensammlungen im Kinder- und Jugendlexikon wie auch im ‚Erwachsenenlexikon’ laden ebenfalls zum Lesen und Anschauen ein.
Multimedialität erreicht das Produkt zudem über seine circa 20.000 Fotos und Illustrationen, einen zusätzlichen Online-Zugang zu zwei Millionen Bilder der dpa sowie zwanzig Stunden Tonmaterial. In Relation dazu und verglichen mit der Masse an Stichworten erscheinen die 330 enthaltenen Videos und Animationen sowie die 73 interaktiven Anwendungen etwas wenig (wohlgemerkt in der Premiumversion). Neben dieser ‚lexikalischen Grundversorgung’ bietet der Bmp 2006 eine Reihe interessanter Features, die wohl für alle Familienmitglieder gleichermaßen Spannendes bergen. So zum Beispiel die „Zeitleiste“, die in beide Lexika integriert ist und von der Altsteinzeit bis zur Bundespräsidentenwahl in Österreich im Jahr 2010 (!) einen Überblick zur Geschichte sowie den Errungenschaften in Kunst, Gesellschaft, Politik, Technik/Naturwissenschaft etc. gibt.
Alle Einträge führen als Links zu den entsprechenden Einträgen im Lexikon. Ebenso anschaulich und leicht handhabbar ist der Atlas mit etwa zwei Millionen geografischen Einträgen. Informativ und spannend ist es nicht nur für jüngere Nutzerinnen und Nutzer, im „Höhenlabor“ den Meeresspiegel zu heben und zu sehen, wie sich die Welt und unser Lebensraum damit verändert. Darüber hinaus kann man auch Mond und Mars einen Besuch abstatten und diese detailliert betrachten.
Ein weiteres Highlight ist „Anima: der gläserne Mensch“. In einer 3D-Animation des menschlichen Körpers kann die Lage sämtlicher Venen, Organe, Knochen etc. angezeigt werden. Im Bereich „Lernen“ stehen speziell den Heranwachsenden verschiedene Angebote zur Verfügung. Zentral ist die Rubrik „Schule und Lernen“, die den Kindern und Jugendlichen in insgesamt zehn Fächern die Möglichkeit gibt, ihr Wissen auszubauen. Die Artikel sind verständlich geschrieben und durch viele Illustrationen veranschaulicht. Begrüßenswert ist die Tatsache, dass dieses Angebot im Internet unter www.schuelerlexikon.de auch kostenlos zu erreichen ist. Im Lernbereich finden sich zudem Hinweise zur Gestaltung von schriftlichen Arbeiten und Referaten sowie ein Wissensquiz. Generell können mit der Software auch eigene Artikel verfasst und Mappen als Materialsammlungen angelegt werden. Diese Möglichkeiten sind für die Bearbeitung der Hausaufgaben, bei der Vorbereitung von Referaten und beim Verfassen von Texten sicherlich hilfreich.
In der Stärke des Bmp 2006 liegt zugleich eine Schwäche begründet. Es wurde ein Paket ge-schnürt, das Jung und Alt gleichermaßen ansprechen soll. Die Erfahrung lehrt, dass diese Rechnung meist nicht aufgeht und die einzelnen Zielgruppen nicht adäquat angesprochen werden. Dieses mediendidaktische Problem zeigt sich auch bei dieser Software. Zwar ist in den teilweise nach Alter differenzierenden Angeboten das Bemühen zu erkennen, eine jeweils adäquate Ansprache und Gestaltung zu finden, dennoch stellt der Bmp 2006 eine Plattform dar, die in den Grundzügen ihres Layouts – sicherlich erwünscht – einem einheitlichen Erscheinungsbild verpflichtet ist. So wechseln zwar Hintergrund, Schriftzug und Farbgebung im Kinder- und Jugendlexikon, dennoch bleibt in der oberen Toolleiste und den links befindlichen Such- und Medienfenstern der nüchterne, bisweilen technisch anmutende Eindruck aus dem ‚Erwachsenenlexikon’ erhalten. Es ist fraglich, ob sich die jüngeren Anwender hier wieder finden. Darüber hinaus sollten sich Eltern genau überlegen, mit welchen Erwartungen sie den Bmp 2006 als ‚Familiensoftware’ anschaffen würden.
Wenn damit der Wunsch verbunden ist, einen Mehrwert für die Bildung der Kinder zu erzielen, sollte prinzipiell abgewogen werden, inwieweit ein multimediales Lexikon der geeignete Weg für das jeweilige Kind ist. Sicherlich bietet gerade der Bmp 2006 viele interessante und animierende Features, dennoch steht der Natur des Produktes nach die Darstellung von Wissen im Vordergrund. Im Vergleich zu anderer Lernsoftware arbeiten multimediale Lexika nicht oder nur in geringem Maße mit Spiel, Kontrolle, Feedback und Belohnung. Sie erfordern viel Eigeninitiative und bereits vorhandenes Interesse. Wenn das besteht, werden Kinder wie Eltern Spaß am multimedialen Recherchieren und Informieren haben. Kritikwürdig ist der hohe Preis der Software, zumal, wenn der Reiz des multimedialen Lexikons auch darin liegen soll, mit Updates im Besitz der jeweils aktuellsten Artikel zu sein. Diese monatlich angebotenen Updates gibt es für jede Version immer nur für das laufende Jahr, das heißt für den Bmp 2006 noch bis zum 31. Dezember.
Die Premium-Version kostet 99,95 Euro. Die Standardversion gibt es zwar für 49,95 Euro, allerdings auch mit spürbaren Einschnitten: kürzere Artikel; weniger Fotos/Aktivfotos, Tonmaterial, Videos/Animationen; ohne „Anima“; kaum interaktive Anwendungen. Wer nicht auf das Geld achten muss und es sich leisten kann, mit einer solchen Software die ‚innerfamiliäre Bildung’ zu flankieren, ist mit dem Bmp 2006 sicherlich gut beraten. Alle anderen sollten bei Kaufwunsch zumindest die in Kürze zu erwartende nächste ‚Ausbaustufe’ für das Jahr 2007 abwarten.
Wolfgang Reißmann: Die Rennaissance des Piratenfilms
Der exzentrische und sympathisch-konfuse Pirat Jack Sparrow (Johnny Depp) ist zurück und legt auch im zweiten Teil von „Fluch der Karibik“ („Pirates of the Caribbean“) Wert auf den Titel „Captain“.
Mit der Fortsetzung entführt er die Zuschauer abermals in die Südsee, die Mythenwelt der Piraten und natürlich in actionreiche Abenteuer. Um an sein geliebtes Schiff, die „Black Pearl“, zu gelangen, hat er sich auf einen faustischen Deal eingelassen. Er muss sich nun aus der Blutschuld des Urvaters aller Piraten, Davy Jones (Bill Nighy), befreien. Als Herrscher der Tiefe des Meeres und Kapitän des legendären „Flying Dutchman“ steht dieser dem Teufel in Sachen Bösartigkeit in nichts nach. Jacks Ausweg hat, der Untertitel deutet es an, zu tun mit der „Truhe des Todes“ („Dead Man’s Chest“), besser: mit ihrem lebenden Inhalt. Allerdings ist Jack nicht alleine hinter der Truhe und ihrem Geheimnis her. Die Gouverneurstochter Elizabeth Swann (Keira Knightley) und Will Turner (Orlando Bloom) stehen zu Beginn des Films kurz vor ihrer Hochzeit, als sie unter einem Vorwand verhaftet werden und in den Sog der Geschichte geraten. Damit bleibt den Fans das Dreigestirn der HauptdarstellerInnen aus dem ersten Teil erhalten.
Im Frühsommer 2007 wird bereits der dritte Teil von „Fluch der Karibik“ auf den Leinwänden zu sehen sein. Der Cliffhanger am Ende und ein altbekanntes Gesicht machen es möglich. Mit dieser Trilogie erlebt das fast vergessen geglaubte Genre der Piratenfilme eine bis dato äußerst erfolgreiche Renaissance. Der am 27. Juli in den deutschen Kinos angelaufene zweite Teil konnte zumindest die amerikanischen KinogängerInnen bereits überzeugen. Sie rannten den Kinos am ersten Wochenende sprichwörtlich die Türen ein. Zumindest Erfolgsproduzent Jerry Bruckheimer kann sich also zurücklehnen: Der Film spielte an den ersten drei Tagen in den USA circa 132 Millionen Dollar ein und führt diese Bestenliste nunmehr an. Auch in Europa und Deutschland ist zu erwarten, dass „Fluch der Karibik 2“ einer der Kino-Sommerhits wird. Und in der Tat ist es den Filmemachenden um Regisseur Gore Verbinski („Ring“) gelungen, unterhaltsames und zumeist kurzweiliges Popcorn-Kino auf Celluloid zu bannen, wobei die Geschichte auch in weniger als zweieinhalb Stunden Spielzeit hätte erzählt werden können. Insgesamt gehört der Film aber zu den anspruchsvolleren Hollywood-Produktionen, kann also auch für diejenigen etwas sein, die mit „Blockbuster“-Kino sonst wenig anfangen können.
Dazu trägt neben dem Genuss der atemberaubend schönen Schauplätze wie schon im Original vor allem die ausgefeilte Charakterfigur des Jack Sparrow bei, der seinen Humor, Sprachwitz und rumbenebelten Gang auch in der Fortsetzung nicht verloren hat. Wer allerdings „Fluch der Karibik“ in seinem Filmgedächtnis als Komödie gespeichert hat, sollte sich darauf gefasst machen, dass der zweite Teil streckenweise deutlich düsterer und gruseliger daher kommt als das Original.
Die Einstufung der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) ist mit dem Prädikat „ab zwölf Jahre“ nicht zu hoch gewählt. Die ausgeprägte Actionorientierung beinhaltet auch eine Menge Gewaltszenen und spannungsgeladenene Momente, die nicht zuletzt durch die intensive musikalische und akustische Untermalung wirken. Wer partout keine Fortsetzungen mag, ‚weil sie immer schlechter sind als der erste Teil’, wird auch in diesem ‚Teil II’ seine Überzeugungen bestätigen können. Vieles ist bekannt, vieles wiederholt sich. Die eingefleischten Fans werden hingegen ihren Spaß gerade daran haben, bekannte Gesichter in komischen Situationen wieder zu sehen. Wolfgang Reißmann
Fluch der Karibik 2 – Die Truhe des Todes
USA 2006, 150 Minuten
Regie: Gore Verbinski
Darsteller: Orlando Bloom, Johnny Depp, Keira Knightley
Verleih: Buena Vista International
Wolfgang Reißmann/Moe Kinoshita/Miriam Siemon: Frust, Solidarität und Aktivismus. Das Krisenhashtag #CoronaEltern
#CoronaEltern ist ein deutschsprachiges Hashtag, das sich im April 2020 auf Twitter (und anderen Sozialen Medien) etablierte und vor allem während des Frühjahrs und des Sommers rege genutzt wurde. In diesem Kurzbeitrag stellen wir auf Basis von Twitter-Daten vor, wie #CoronaEltern begann und welche Themen die Diskussionen bestimmen. Im Mittelpunkt steht die Frage, welche Perspektiven und Probleme sichtbar werden und welche Akteur*innen prägend sind.
Literatur
Hans Böckler Stiftung (2021). Arbeitszeit. Frauen in der Coronakrise stärker belastet. Böckler Impuls, 01/2021. www.boeckler.de/data/Impuls_2021_01_S1-2.pdf [Zugriff: 17.02.2021]
Knauf, Helen (2020). Corona – Familien am Limit. Berlin. www.kas.de/documents/252038/7995358/Corona+%E2%80%93+Familien+am+Limit.pdf/a31e9a94-9f27-e738-89cd-ac00b4d270b4?t=1588687485712 [Zugriff: 17.02.2021]
Lünenborg, Margreth/Raetzsch, Christoph/Reißmann, Wolfgang/Siemon, Miriam (2020). Media Practice in performativen Öffentlichkeiten. Für eine praxistheoretische Positionierung der Journalismusforschung. In: Schützeneder, Jonas/Meier, Klaus/Springer, Nina (Hrsg.), Neujustierung der Journalistik/Journalismusforschung in der digitalen Gesellschaft: Proceedings zur Jahrestagung der Fachgruppe Journalistik/Journalismusforschung der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft 2019. Eichstätt: Deutsche Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft e.V., S. 34–51. DOI: 10.21241/ssoar.70817.
online-exklusiv: Charlotte Horsch/Reißmann Wolfgang: Katja Krasavice als aktuelles Beispiel für Selbstsexualisierung. Drei Methodenvorschläge für die medienpädagogische Arbeit
Katja Krasavice polarisiert. Für die einen steht sie für Selbstsexualisierung und sexualisierte Selbstvermarktung. Für die anderen ist sie eine ernstzunehmende Größe im deutschen HipHop. Zumindest für einen Teil Jugendlicher und junger Menschen scheint sie ein Idol zu sein, das – dem selbsterzeugten Image folgend – gegen Widerstände Erfolg hatte. Auch in der außerschulischen medienpädagogischen Praxis wird Krasavice von Jugendlichen zum Thema gemacht. Im vorliegenden Aufsatz wird die Performance der Künstlerin als mustergültiges Beispiel für einen Typus social-media-getriebener Karrieren gedeutet, in denen (weibliche) Selbstsexualisierung und Plattformlogik ineinandergreifen. Im merz-Themenheft ‚Sexualität und Medien‘ (merz 3-21) wurde Katja Krasavice als aktuelles Popphänomen analytisch eingeordnet (vgl. Reißmann/Horsch 2021). In diesem Onlineartikel werden drei Methodenvorschläge gemacht, wie zu dieser Medienfigur mit Jugendlichen medienpädagogisch gearbeitet werden kann.
Wolfgang Reißmann/Charlotte Horsch: Katja Krasavice als aktuelles Beispiel für Selbstsexualisierung. Eine analytische Einordnung
Katja Krasavice polarisiert. Für die einen steht sie für Selbstsexualisierung und sexualisierte Selbstvermarktung. Für die anderen ist sie eine ernstzunehmende Größe im deutschen HipHop. Zumindest für einen Teil Jugendlicher und junger Menschen scheint sie ein Idol zu sein, das – dem selbsterzeugten Image folgend – gegen Widerstände Erfolg hatte. Auch in der außerschulischen medienpädagogischen Praxis wird Krasavice von Jugendlichen zum Thema gemacht. Im vorliegenden Aufsatz wird die Performance der Künstlerin als mustergültiges Beispiel für einen Typus social-media-getriebener Karrieren gedeutet, in denen (weibliche) Selbstsexualisierung und Plattformlogik ineinandergreifen.
Im zugehörigen Artikel werden drei Methodenvorschläge aufbereitet, wie ansetzend an Katja Krasavice mit Jugendlichen medienpädagogisch gearbeitet werden kann.
Literatur:
Balzer, Jens (2020). Dominante Position. Um den Song „WAP“ der Rapperinnen Cardi B und Megan Thee Stallion ist in den USA eine wilde Diskussion entbrannt. www.zeit.de/2020/36/rapsong-wap-cardi-b-megan-thee-stallionusa-video [Zugriff: 29.03.2021]
Döring, Nicola (2017). Online-Sexualaufklärung auf YouTube: Bestandsaufnahme und Handlungsempfehlungen für die Sexualpädagogik. In: Zeitschrift für Sexualforschung, 30 (4), S. 349–367.
Hunter, Margaret/Cuenca, Alhelí (2017). Nicki Minaj and the Changing Politics of Hip-Hop: Real Blackness, Real Bodies, Real Feminism? In: Feminist Formations, 29 (2), S. 26–46.
Jünger, Nadine (2011). „Also ich gucke da nichts ab“. Die Bedeutung des Porno-Rap für die sexuelle Sozialisation Heranwachsender. In: merz | medien + erziehung, 55 (4), S. 53–57.
McRobbie, Angela (2010). Top Girls. Feminismus und der Aufstieg des neoliberalen Geschlechterregimes. Wiesbaden: Springer VS.
Méritt, Laura (2012). PorYes! Feministische Pornos und die sex-positive Bewegung. In: Martina Schuegraf/Angela Tillmann (Hrsg.), Pornografisierung von Gesellschaft. Perspektiven aus Theorie, Empirie und Praxis. Konstanz: UVK, S. 371–380.
Prommer, Elizabeth/Wegener, Claudia/Linke, Christine (2019). Selbstermächtigung oder Normierung? Weibliche Selbstinszenierung auf YouTube. In: Televizion, 32 (1), S. 11–15.
Seeliger, Martin/Dietrich, Marc (Hrsg.) (2020). Deutscher Gangsta-Rap II. Popkultur als Kampf um Anerkennung und Integration. Bielefeld: transcript.
Steffes-lay, Friedrich (2021). Zwischen Sexklischee und Emanzipation: Katja Krasavice, die Boss Bitch aus dem Netz. Musikexpress. www.musikexpress.de/katja-krasavice-die-boss-bitch-aus-dem-netz-interview-1823971 [Zugriff: 13.02.2021]
Walulis (2017). Nackt auf YouTube – Das Prinzip Krasavice. www.funk.net/channel/walulis-1031/nackt-auf-youtube-das-prinzip-krasavice-walulis-492046 [Zugriff:
13.02.2021]Wolfgang Reißmann/Dagmar Hoffmann/Angelika Beranek: Editorial: Sexualität und Medien
Spätestens seit den 1980er Jahren haben sich Medienpädagog*innen mit sexualbezogenen Vorbildern und Orientierungen auseinandergesetzt, die von Filmen, Serien, Musikvideoclips oder Werbung ausgehen. Auch damals standen schon Aneignungs- und Wirkungsfragen im Mittelpunkt. Später wurden dann die neuen Möglichkeiten des Internets, Sexualität auszuleben und auszuprobieren und damit einhergehend erste Ansätze der Internetpornografie diskutiert.
Seit Mitte des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts sind Datingplattformen, Castingshows oder Porno Rap bewegende Themen. Hinzu kommen Debatten über Sexting und sexualisierte (Self) Celebrification in Plattformen. Deutlich gestiegen ist zudem die Aufmerksamkeit für Menschen mit sexuellen Identitäten, die über die binäre und heteronormative Geschlechtermatrix hinausgehen.
All diese Themen haben auch im Jahr 2021 ihre Aktualität nicht verloren. Gemeinsam mit weiteren Entwicklungen wie der 2017 entstandenen #MeToo-Bewegung und der intensivierten Mediendiskurse über sexualisierte Gewalt (unter anderem in Medienbranche und Kirche) formen sie das weite Themenspektrum, in dem das Thema ‚Sexualität und Medien‘ heute zu behandeln ist.
Jugendliche eignen sich die medialen Bilder und Diskurse über Sexualität ihrer Zeit – das ist die Konstante – aktiv an und entnehmen ihnen Anregungen und Orientierungen für die Bewältigung ihrer Entwicklungsaufgaben. Sie identifizieren sich, sie grenzen sich ab, sie entwickeln Haltungen. Die sie umgebende Medienökologie und deren Struktur prägen sie. Mit ihrer eigenen Kommunikation und Selbstpräsentation gestalten sie diese Umgebung aber auch mit. Wer in welchem Alter mit welchen Inhalten und Ästhetiken in Berührung kommt und diese wie verarbeitet oder selbst produziert, lässt sich immer weniger auf einen Nenner bringen. Nutzungsmuster sind divers und es kann nicht von ‚der Jugend‘ oder ‚den Erwachsenen‘ gesprochen werden.
Die öffentlichen Debatten um das Verhältnis von Sexualität und Medien – auch das eine Konstante – werden hingegen zumeist von ihrem negativen Ende aus geführt. Früher wie heute stehen die vermeintlichen oder tatsächlichen Entwicklungsbeeinträchtigungen im Mittelpunkt, die von den digitalen Medienangeboten wie aktuell etwa Onlyfans oder Fernsehformaten wie ‚Naked Attraction‘ (RTL2) ausgehen (können).
Bei der Ausarbeitung des vorliegenden Schwerpunkts leiteten uns zwei Grundsätze:
Zum einen wollten wir ganz bewusst kein Pornografieheft gestalten. Zu oft wird das Thema ‚Sexualität und Medien‘ auf dieses Phänomen reduziert. Das Gleiche gilt für die einseitige Betonung von Risiken. Wohl aber interessierten uns die Grenzbereiche. Sexting etwa beschäftigt Medienpädagogik sowie Jugend- und Sozialarbeit weiterhin, es gehört in dieses Heft. Zudem ist sexualisierte und mithin pornografienahe Ästhetik Teil medialer Alltagskultur. Musikstars und Celebrities wie Katja Krasavice haben damit großen Erfolg. Diese Bezüge sollten aus verschiedenen disziplinären Perspektiven beleuchtet und kritisch reflektiert werden.
Zum anderen standen wir vor der Herausforderung, der Vielfalt des Themas gerecht zu werden. Die Themenliste oben zeigt an, was alles in dieser merz hätte ‚drin‘ sein können. Die hier versammelten Artikel stehen in einem doppelten Sinn stellvertretend für diese Vielfalt. Einerseits verweisen sie auf die mediale Vielfalt: von technisch-medialem Sexspielzeug, über Serienformate, bis hin zu Plattformen wie Instagram und YouTube sowie medialem Storytelling. Andererseits stehen die Artikel für thematische Schwerpunktsetzungen. Sie bearbeiten ganz konkrete Gegenstände, die jedoch allesamt für größere Felder und Fragen stehen, die hier nur angedeutet werden können. Im Laufe der Erarbeitung des Heftes ergab sich ein nicht intendierter Fokus auf die Zielgruppe der Jugendlichen, der in den meisten Beiträgen zu finden ist. Natürlich ist das Themenfeld eigentlich weiter zu sehen, da Sexualität kein exklusives Jugendthema ist.
Nadine Beck beschäftigt sich als Kulturwissenschaftlerin und -historikerin mit der Geschichte des Vibrators. Ihr Artikel steht stellvertretend sowohl für das Feld der Autoerotik als auch den Zusammenhang von Technik/‚Werkzeugen‘, Intimität und Medien, die unter digitalen Bedingungen weiter zusammenwachsen. Beleuchtet werden verschiedene Verwendungszwecke der Vibratoren in ihrer Frühzeit, ihre Tabuisierung und Etablierung durch Ratgeberliteratur, Sexspielzeugversandshops und auch das zunehmende Verlangen nach sexueller Selbstbestimmung. Die Autorin beschäftigt sich mit der Werbung und gesellschaftlichen Akzeptanz von Vibratoren sowie dem Design und der Technik, welche sich in den letzten Jahrzehnten verändert haben. Wenngleich Beck historisch arbeitet, ist das bearbeitete Sujet ein Zukunftsthema. Heute ist nicht abzuschätzen, inwiefern VR-Brillen, Sensortechnik und taktile Technologien die Auto-, Paar- oder auch Gruppensexualität verändern und wie weit sie gegebenenfalls unter jungen Erwachsenen verbreitet sein werden.
Ganz nah an der medialen Gegenwart ist Moritz Stocks Analyse der viel besprochenen, äußerst erfolgreichen Netflix-Serie ‚Sex Education‘. Der Soziologe legt dar, wie die Serie vielfältige Erscheinungsformen jugendlicher Sexualität und zugehörige Probleme sichtbar macht. Es gelingt ihr auf humorvolle Weise Möglichkeiten zeitgemäßer Sexualaufklärung zu reflektieren, aber dennoch stets die Belange junger Menschen ernst zu nehmen. Gewissermaßen agiert sie insofern selbst als sexualpädagogische Akteurin und kann Jugendlichen eine Hilfe sein bei der Bearbeitung eigener sexual- und geschlechtsbezogener Entwicklungsthemen und vor allem bei der Konstruktion einer sexuellen Identität. Auch Stocks Beitrag verstehen wir als exemplarische Analyse. Sie steht für die Vielfalt an medialen Formen und Formaten, über die Jugendlichen sexuelle Bildung heute vermittelt wird.
Um sexuelle Bildung geht es auch im Beitrag von Lee Jansen. Ausgangspunkt ist die Diagnose, dass die schulische Sexualbildung die Lebenslagen und Fragen queerer Jugendlicher bislang nur unzureichend berücksichtigt. Peer-to-peer-Projekte suchen diese Schwäche des Bildungssystems auszugleichen. Sie fungieren als Anlaufstellen und Beratungsinstanzen für queere Jugendliche ebenso wie für Menschen, die sich über queere Sexualität und Identitäten informieren möchten. Jansen entfaltet ein Verständnis, wie queere Sexualaufklärung aussehen sollte und bespricht exemplarisch Instagram-Accounts verschiedener Projekte. Ein Zwiespalt der hier geleisteten Medienarbeit besteht in den Potenzialen der semi-öffentlichen Accounts, niederschwellig queere Jugendliche anzusprechen, und zugleich Zielscheibe für queerphobe Angriffe zu sein. Was für sexuelle Bildung immer gilt, gilt hier insbesondere: es braucht ‚safe spaces‘, in denen sich die Jugendlichen sicher fühlen.
Der Beitrag von Christina Witz widmet sich dem Phänomen Sexting. Nach den aufgeregten Debatten der letzten Jahre, wird Sexting nun wesentlich differenzierter gesehen. Hierbei stehen zwei Kernbotschaften im Mittelpunkt, die für Präventions- und Interventionsangebote zentral sind: Weg von der Opfer- zur Täteradressierung und eine Betrachtung der Rolle der Genderstereotype. Anhand des Beitrags können Pädagog*innen und Eltern gut nachvollziehen, wann Sexting unbedenklich ist, und wo und wann Missbrauch ins Spiel kommt. Auch dieser Beitrag steht stellvertretend für ein größeres Feld, in diesem Fall die mediatisierte Beziehungs- und Intimkommunikation. Anstatt Sexting vorschnell als unbedachtes und bloß riskantes Verhalten zu brandmarken, wird es hier – ohne Folgeprobleme auszublenden – akzeptierend als Teil medialen Alltagshandelns gefasst.
Nicola Döring behandelt in ihrem Beitrag die aktuelle Debatte über die Pille in Sozialen Medien. Mit Hashtags wie #pille oder #hormonfrei findet bei Instagram, TikTok und Co. eine Debatte unter jungen Menschen statt, in der das Absetzen der Pille als Befreiung zelebriert wird. Döring geht diesem Trend nach und ordnet ihn in den Stand der medizinischen Forschung zur Pille ein. Insgesamt verweist der Beitrag auf die große Rolle von Sozialen Medien als Diskursplattformen, in denen heterogene Ansichten und Erfahrungen artikuliert und verhandelt werden und von verschiedenster Seite Ratschläge und Tipps gegeben werden. Es ist davon auszugehen, dass für Jugendliche YouTube heute eine zentrale Informationsquelle ist, nicht nur zur Pille, sondern ebenso zu Fragen bezüglich Annäherung und Flirtverhalten, Liebeskummer, Menstruationsbeschwerden, Erektionsstörung und vielem anderen mehr. Medienpädagogik ist hier gefragt, um Jugendlichen zu helfen, die verschiedenen Quellen, Wahrheitsgehalte und Agenden der Akteur*innen differenzieren zu können.
Wolfgang Reißmann und Charlotte Horsch wenden sich im letzten Beitrag des Thementeils der Erotik-YouTuberin und Musikerin Katja Krasavice zu. Sie deuten Krasavice als Beispiel für einen Typus social-media-getriebener Karrieren, in denen (weibliche) Selbstsexualisierung und Plattformlogik ineinandergreifen. Hierbei verzahnen sich geschicktes mediales Marketing, das Spielen mit bzw. die Inszenierung von Tabubruch, und eine sexualisierte Selbstpräsentation, die dem kulturellen Muster der ‚phallischen Frau‘ folgt – hypersexuell und ultrasouverän zugleich. Interessant an Krasavice als exemplarischem Fall ist zudem die Vertiefung, die sie über biografische Berichte aus der Familiengeschichte in der öffentlichen Wahrnehmung momentan erfährt. Über diesen Einzelfall hinaus steht der Beitrag für eine Reihe an jungen, weiblichen Social Media Celebrities, die über den Weg der Selbstsexualisierung Anerkennung und Erfolg erfahren. Dazu zählen Akteur*innen wie Shirin David und Loredana, die als Vorbilder insbesondere für jüngere weibliche Jugendliche fungieren.
In der Summe lassen die verschiedenen Beiträge die Vielschichtigkeit des Themas erahnen. Das gilt letztlich ebenso für die Interpretationsperspektiven der Autor*innen, die teils anwaltschaftlich und im positiven Sinn parteiisch auftreten, teils kritisch argumentieren, teils die emanzipativen Potenziale betonen. Auch damit spiegelt das Heft die (traditionell) heterogenen Sichtweisen, mit denen auf den Zusammenhang von Medien und Sexualität geblickt wird. Mehr denn je gilt es wohl angesichts der Vielfalt sowohl des Sexuellen als auch des Medialen, die Adressat*innen medienpädagogischer Arbeit dort abzuholen, wo sie stehen. Wir hoffen, mit dieser merz für die medienpädagogische Praxis hilfreiche Impulse aus der Wissenschaft und selektiv Orientierungswissen bereitstellen zu können.
Auch diese merz wird von Expert*inneninterviews in unserem Podcast ‚mehr merz‘ erweitert. Neben dem Fachredakteur*innen-Talk wird es zwei begleitende Podcast-Folgen geben. Elke Prochazka ist Initiatorin des Projekts SexTalks; einem Projekt, das Jugendlichen und auch Multiplikator*innen zeigt, wie das Internet als wichtige Informationsquelle zum Thema Sexualität richtig genutzt werden kann. Mit den negativen Aspekten von Sexualität und Internet hat Miriam Zwicknagel von AMYNA e.V., einem Verein zur Abschaffung von sexuellem Missbrauch und sexueller Gewalt, zu tun. Mit Präventionsprojekten schult AMYNA etwa Fachkräfte im Umgang mit sexuellem Missbrauch in digitalen Medien. Prof. Dr. Heinz-Jürgen Voß lehrt an der Hochschule Merseburg im Studiengang Sexualwissenschaft und Sexuelle Bildung und spricht im Interview über die Rolle der Medien in der Entwicklung von Geschlechtertheorien und Geschlechterkonstruktionen sowie die Möglichkeiten, die Jugendlichen in Bezug auf ihre sexuelle Bildung und Entwicklung in den Medien bzw. mit Medien heute geboten werden. Schließlich stellt Annika Spahn von queerlexikon.net ihr Projekt vor, das eine Online- Anlaufstelle für lesbische, schwule, bi+sexuelle, a_sexuelle, a_romantische, trans, nicht-binäre, inter*, polyamouröse und queere Jugendliche und Kinder aus Regenbogenfamilien darstellt.
Wolfgang Reißmann/Patrick Bettinger: Editorial: Digitale Souveränität und relationale Subjektivität
Medienpädagogische Zielsetzungen und Menschenbilder sind stets Konjunkturen unterworfen und haben sich im Laufe der Zeit immer wieder gewandelt. Im Call for Papers für dieses Themenheft haben wir gefragt, ob wir heute wiederum an einem solchen Punkt stehen, und es angesichts von Datafizierung, algorithmischer Kultur und Künstlicher Intelligenz neuer, veränderter medienpädagogischer Leitbilder bedarf. Leitbilder können im klassischen Verständnis begriffen werden „als normierende Vorgriffe zur Steuerung der individuellen Lebensführung wie auch sozialer Prozesse” (Pongratz 2010 [1995], S. 165). Sie dienen im pädagogischen Kontext als gesellschaftlich legitimierte Blaupause zur „Verbesserung des Lebens“ (ebd.), beanspruchen insofern normative Gültigkeit und dienen als Bezugspunkt theoretischer und praktischer Debatten. Angesichts der Omnipräsenz digital-medialer Veränderungsprozesse scheint es angebracht, die vorherrschenden Setzungen kritisch zu beleuchten und auf ihre Aktualität zu prüfen.
Insbesondere haben wir im Rahmen des Calls dazu eingeladen, den Begriff der Souveränität (neu) auszubuchstabieren und zu hinterfragen, da sich entlang dieses Konzepts aktuell eine ebensolche medienpädagogische Leitbilddiskussion aufspannt. Dabei war unsere Intention eine doppelte: Einerseits wollten wir den aktuellen, maßgeblich ökonomisch und technologisch signierten Diskurs (z. B. bitkom 2019) um ‚Digitale Souveränität‘ medienpädagogisch betrachten und wenden. Andererseits wollten wir vor dem Hintergrund veränderter Mensch-Technik-Balancen mit dem Begriff der Souveränität verknüpfte Ideale wie Mündigkeit, Autonomie und Handlungsfreiheit befragen. Vereinfacht drückt sich in diesen Idealen die normativ erwünschte Fähigkeit sozialer Entitäten aus, durch Entscheidungen und Handlungen gestaltend Einfluss auf ihre Umwelten nehmen zu können, womit auch klassische pädagogische Ideale adressiert werden. Diese tradierte Souveränitätsfiktion, die demokratietheoretisch weiterhin der Idee von Bürgerschaft zugrunde liegt, wird sozialtheoretisch freilich seit langem als ‚naiv‘ angezweifelt: Von kritischer Theorie bis Poststrukturalismus wurde in unterschiedlicher Form dargelegt, inwiefern Handlungsfreiheit immer schon als bedingt und innerhalb von Machtgefügen betrachtet werden muss. Medienbezogen zeigt sich Souveränität heute zunehmend aber auch empirisch angezählt: angesichts der gewachsenen Konkurrenz technischer Systeme und Plattformen, die für uns entscheiden oder uns Empfehlungen geben, die qua strategischer Intransparenz Dystopien des Souveränitätsverlusts nähren; angesichts digitaler Medienökologien, die aktuelles Medienhandeln mit Mustern vergangenen Handelns in Verbindung setzen und denen Prognosen künftigen Handelns eingeschrieben sind; sowie durch mediale Komplexität, die verunsichert und einen Bedarf nach Kontingenzreduktion evoziert.
Wenngleich die Debatte um Zielrichtungen, Ideale und Menschenbilder nicht neu ist (siehe etwa merzWissenschaft 2017), so erscheint sie angesichts dieser Entwicklungen doch aktueller denn je. Sowohl im Hinblick auf die medienpädagogische Praxis als auch im Bereich der Forschung ergeben sich Herausforderungen, die eine (Neu-) Positionierung und ein Hinterfragen bestehender Prämissen erfordern. Insofern lässt sich diese Ausgabe der merzWissenschaft als Versuch verstehen, die laufenden Debatten aufzugreifen und fokussiert fortzuführen. Diese Einführung in das Themenheft ist insbesondere von einer Beobachtung geprägt, die wir aufgreifen und vertiefen möchten: In vielen der hier versammelten Beiträge spielen Semantiken des Relationalen eine Rolle, um die Herausforderungen gegenwärtiger Digitalmedien und Dateninfrastrukturen mit Blick auf Fragen der Souveränität adäquat zu beschreiben. Wie Neuberger in ihrem Beitrag treffend feststellt, berührt „der Diskurs um digitale Souveränität [...] auch die Frage nach dem Subjektbegriff in der Medienpädagogik, weil mit der Personzentrierung die Vorstellung mitgeführt wird, dass Subjekte Ursprung von Handlungen sind“. In dieser Einführung möchten wir nun skizzieren, welche Konzepte relationaler Subjektivität hierbei entworfen werden und inwiefern in den Beiträgen ein relational turn zur Geltung kommt, der seit einiger Zeit auch in anderen Disziplinen und Fachbereichen diskutiert wird1. Darüber hinaus wird es auch darum gehen, an welcher Stelle tradierte Subjektkonzepte zum Tragen kommen und in welcher Form auch hier die Frage nach relationalen Verhältnissen von zunehmender Bedeutung ist.
Vom schwachen zum starken zum relationalen Subjekt?
Als Disziplin, die sich mit Lern-, Bildungs-, Sozialisations- und Erziehungsprozessen befasst, kommt die Medienpädagogik nicht umhin, ihre ontologischen Vorannahmen ebenso wie ihre normativen Zielsetzungen zu reflektieren (Swertz et al. 2017; Trültzsch-Wijnen 2017). Seit den späten 1970er Jahren bildet die Vorstellung des „starken Subjekts“ (Taube et al. 2017; Wagner 2013) einen zentralen normativen Rahmen des medienpädagogischen Menschenbildes (Kammerl 2017). Das Doppeltheorem der kommunikativen Kompetenz (Baacke 1973) setzt eine empirische Souveränität der Subjekte voraus, verstanden als die ihnen gegebene Fähigkeit (medial) zu kommunizieren. Diese Fähigkeit wird mit dem normativen Erwartungshorizont verknüpft, die in ihren Grundlagen gegebene Kompetenz des Zeichengebrauchs im jeweils gegebenen kulturellen und gesellschaftlichen Kontext weiter auszubilden, entsprechend pädagogischer Zielsetzungen zu entfalten und zu fördern. Diese doppelte Klammer aus Befähigt-Sein und Befähigt-Werden ist zumindest für jenen Teil der Medienpädagogik, der sich als Handlungswissenschaft versteht, tief in das professionelle Selbstverständnis eingeschrieben (Schorb 2011).
Brüggen/Lauber/Schober erinnern in ihrem Artikel daran, dass diese Handlungsorientierung in den 1970er Jahren gegen den Mainstream der damaligen Bewahrpädagogik erkämpft wurde; nicht zuletzt in produktiver Wendung der bis dato dominanten, kulturpessimistischen Deutungen der Massenmedien als bloße Kulturindustrie und ohnmächtigen, schutzlosen Massenpublika. In den 1980er und 90er Jahren konnte sich die mit gewendetem Menschen- und Medienbild versehene handlungsorientierte Medienpädagogik zur sozialtheoretischen Avantgarde einer interaktionistischen Sozialisationsforschung zählen, die die ‚Agency‘ der Subjekte – nach Jahrzehnten strukturalistischer Dominanz – sichtbar machte. ‚Stark‘ waren diese Subjekte nicht, weil sie (mithilfe medienpädagogischer Intervention) alles konnten, wussten oder sich vollkommen frei von Handlungszwängen machen konnten, sondern weil ihnen theoretisch wie praktisch emanzipatorische Potenziale zugeschrieben wurden und weil der Glaube vorhanden war, durch individuelle wie kollektive Freisetzung von Gestaltungsmacht Veränderung zu bewirken, um zum Beispiel eine andere Öffentlichkeit herzustellen.
Das Ideal einer souveränen Lebensführung bedeutete demnach, auf Basis und in Anerkennung des Bestehenden, fähig zu sein, eigene Positionen zu entwickeln, sich mithilfe von Medien Gehör zu verschaffen, sich in Debatten einzuschalten, kulturell etablierte Formen der Mediennutzung und -aneignung in den eigenen Alltag zu integrieren, sie dabei ab-zuändern, kreativ umzuprägen. Deutlich wird jedoch, dass die Vorstellung vom starken Subjekt oft eine individualtheoretische Konnotation aufweist, die etwa in einer kantianischen Theorietradition steht und das Subjekt über die dualistische Abgrenzung gegenüber dem Objekt definiert (Künkler 2014). In der Tendenz wird das Subjekt dabei als „Individuen-Entität“ (Reckwitz 2012, S. 16) gefasst und gilt – je nach theoretischer Ausformung – beispielsweise aufgrund seiner Vernunftbegabung, seiner Körperlichkeit, seiner Reflexions- oder seiner Handlungsfähigkeit als generatives Zentrum von Sozialität.
Wenn vor diesem Hintergrund, im Sinne einer Neuorientierung des Leitbilds, nun Relationali-tät als Beschreibungskategorie betont wird, ist das begründungsbedürftig. Sowohl das ‚starke‘ als auch das ‚schwache Subjekt‘ sind nicht ohne das Beziehungsgeflecht zu denken, innerhalb dessen sie hervorgebracht werden. Aus unserer Sicht läuft daher die zu findende retrospektive Etikettierung tradierter medienpädagogischer Positionen als orientiert an rein monadisch-atomistischen Subjektverständnissen oder an Idealen vollständiger oder absoluter Souveränität fehl. Dennoch handelt es sich beim Plädoyer für einen stärkeren Relationalitätsbegriff um eine tatsächliche Verschiebung, um mehr als rhetorische Neuetikettierung. In der Kultur der Digitalität, so etwa Engel/ Mayweg/Carnap in ihrem Beitrag, sei Handlungsmächtigkeit „stets eine verteilte Mächtigkeit, sie findet als ‚Effekt‘ verschiedener Akteur*innen und Aktanten statt.“ Mit Leineweber/ Zulaica y Mugica gesprochen geht es um eine „nicht-naive Reaktualisierung des Begriffs der Souveränität”. Überblickend lässt sich ablesen, dass ein soziotechnisch informiertes Denken vielfach als besonders relevant erachtet wird. Eingearbeitet in das Subjektverständnis und die Vorstellung von Medienhandeln respektive Me-dienpraxis wird (metaphorisch und personifizierend gesprochen) die Figur eines Daten-Selbst, mit dem die Subjekte wissentlich oder unwissentlich beständig in Interaktion stehen (Schelhowe 2020; Cheney-Lippold 2019). Dieses Daten-Selbst präformiert und beeinflusst unsere Erfahrungsräume, unabhängig von den anderen sozialen und kulturellen Kontexten als Ebenen von Relationalität, die medienpädagogisch immer schon Beachtung fanden.
Bevor wir verschiedene Argumentationslinien skizzieren, die verdeutlichen, wie Relationalität und Subjektivität als relevante Bezugskategorien für Fragen der (digitalen) Souveränität in den Beiträgen aufscheinen, möchten wir eine historische Entwicklung sichtbar machen, die aus unserer Sicht Anhaltspunkte bietet, warum Relationalität als konzeptuelle Perspektive gerade jetzt paradigmatisch zu werden scheint. Unsere These ist hierbei, dass die technisch-medialen Umwälzungen und kultur- und sozialwissenschaftliche Re-Orientierungen bzgl. Subjektwerdung und humaner Handlungsmacht in der Gegenwart konvergieren. Anhaltende sozialtheoretische (Subjekt-)Kritik und faktische Technologisierung entfalten ihre persuasive Kraft also zusammen (Abb. 1). Besonders seit dem Aufkommen datenintensiver digitaler Plattformen erscheint es – nicht zuletzt aufgrund der opaken Konstitutivität von Mensch-Algorithmen-Verkettungen, wie Ernst in seinem Beitrag deutlich macht – zunehmend schwierig, unmittelbare Anknüpfungspunkte für medienpädagogisches Handeln zu finden, welches dem Idealbild des souveränen Subjekts anhängt (Eder et al. 2017). Medientechnologische Innovationen und zugehörige Prozesse, etwa der Datafizierung, sind damit ein wesentlicher Bestandteil der Bestimmung von Möglichkeiten und Grenzen pädagogischen Handelns. Im Zuge dessen scheint eine Infragestellung bewährter Subjektvorstellungen angebracht, welche implizit und teils auch explizit medienpädagogischen Diskussionen zugrunde liegen.
Gerade in jüngeren Ansätzen relationaler Subjektivität kommt eine Wende dergestalt zum Ausdruck, dass den Relationen ontologischen Vorrang gegenüber den Relata eingeräumt wird (Künkler 2014, S. 27). Dieser Denkansatz – der unter anderem auf die Arbeiten des Soziologen Norbert Elias (1970) rekurriert, sich aber auch in jüngeren Debatten um posthumanistische Ansätze (Braidotti 2015) oder neomaterialistische Positionen (Hoppe/ Lemke 2021) findet – geht also nicht a priori von Entitäten aus, die in einer bestimmten Art und Weise zueinander in Beziehung stehen, sondern dreht dieses Verhältnis um und betrachtet zuallererst die „Beziehungsweisen und Bezogenheiten“ (Krautz 2017). Diesen wird generative Kraft zugeschrieben, erst durch die spezifische Ausprägung der relationalen Verhältnisse werden Manifestationen möglich. Ein so verstandenes ‚relationales Subjekt‘ darf nicht als substanzialistische Entität missverstanden werden, sondern lässt sich vielmehr als unabschließbarer Formierungsprozess heterogener Verwoben-heiten und unterschiedlicher Bindungsqualitäten mit der Fähigkeit zur temporären Stabilisierung durch Wiederholung begreifen (Seyfert 2019, S. 107 ff.). Die Beiträge in dieser Ausgabe weisen hier in unterschiedliche Richtungen: Einerseits wird Relationalität im Anschluss an klassische Subjektkonzepte als etwas beschrieben, innerhalb dessen Subjekte sich handelnd bewegen und entwerfen. Andererseits entwickeln manche Autor*innen Konzepte ‚relationaler Subjekte‘, die sich – durchaus als Fortführung poststrukturalistischer Denklinien – deutlicher von traditionellen Vorstellungen des Subjekts lösen, indem sie Relationalität primär im Sinne einer Prozessontologie verstehen, sich von dualistischen und individualtheoretischen Ansätzen abgrenzen und wesentlich offensiver die Bedeutung hybrider Subjektivierungsweisen in den Vordergrund rücken.
Subjektivität, Digitalität und Souveränität: Drei Argumentationslinien
Mit den vorangegangenen Ausführungen wurde deutlich, dass für deskriptiv-analytisch wie für normativ ausgerichtete Fragen nach Souveränität die jeweils zugrunde gelegten Subjektverständnisse maßgeblich sind. In den Beiträgen sehen wir drei größere Argumentationslinien, die gemünzt auf konkrete Gegenstände durchaus ineinandergreifen. Die ersten beiden Argumentationslinien knüpfen dabei vielfach an bestehende medienpädagogische Orientierungen an, reagieren jedoch mit einer Verstärkung relationaler Sichtweisen auf die Diagnosen veränderter medialer Umwelten. Die dritte Argumentationslinie, noch eher im Status von Theorieentwürfen durchgespielt, nutzt die Diagnosen hingegen, um das Subjektverständnis selbst nachhaltig zu refigurieren.
Mitgestalten, stören, spielen: Handeln in relationalen Verhältnissen als Quelle der Unruhe
In der ersten Argumentationslinie steht der Anspruch, auch unter veränderten Spielregeln den Raum für Reflexion und Mitgestaltung möglichst weit offen zu halten, im Mittelpunkt. Im Grunde handelt es sich um die Verlängerung des medienpädagogischen Credos, Emanzipation und Mitbestimmung zu ermöglichen, und wo möglich, systemische Prädispositionen kreativ zu stören bzw. umzuarbeiten. Sich seiner Schwäche und digitalen Vulnerabilität bewusst, erschöpft sich das in relationalen Verhältnissen handelnde Subjekt auch unter der Bedingung permanenter Datafizierung und durchökonomisierter Medienumgebungen nicht in der Rolle passiv-aktiver Funktionserfüllung. Hier schimmert die „Sozialfigur des Hackers“ (Funken 2010) durch, zu deren Souveränitätsfiktion gehört, innerhalb datenbasierter Umwelten humane Agency und Gestaltungskraft zu bewahren. In diese Argumentationslinie fallen zum einen Positionen, die die Gemachtheit technischer Systeme betonen, zuvorderst also: ihre Gestaltung durch Menschen, und entsprechend stark machen, dass diese Systeme potenziell anders beschaffen sein könnten und sollten. Anstatt also Ohnmacht zu akzeptieren, wird das humane Momentum und die individuelle und kollektive Verantwortung, für eine andere Medien- und Datenwelt einzutreten, scharf gestellt. Im vorliegenden Heft argumentieren beispielsweise Raffel, Allert und Richter in diese Richtung. In Relektüre von Ansätzen aus der informatorischen Bildung sowie von Critical Data Literacy leiten sie eine umfassende „Mitgestaltungskompetenz“ ab. Hierbei betonen sie unter anderem die Bedeutung von Folgenabschätzungen, die „nicht-intentionale Effekte“ sowie die „strukturelle Unbeherrschbarkeit von Software auch für jene, die sie produzieren“ mitdenken.
Darüber hinaus wird diese Konzeption der Einbindung des Subjekts in relationale Verhältnisse auch nicht-technisch als reflexive und mitunter widerspenstige, unberechenbare Instanz diskutiert (siehe dazu auch merzWissenschaft 2021). Um in dieser Weise wirksam zu werden, braucht es allerdings Methoden, um die für digitale Medien und Infrastrukturen charakteristische Intransparenz und Opazität in Manifestationen zu überführen, welche für die Subjekte greifbar sind. „Digital doubles”, so Herzig/Sarjevski/Hielscher in Rekurs auf Bode und Kristensens Studie zur Quantified Self-Bewegung, sind nicht nur Werkzeuge von Vermarktung und Überwachung, sondern auch potenzielles „Element der reflexiven Auseinandersetzung mit dem Selbst“, das einen „kontinuierlichen Dialog“ zwischen dem „Ich und dem anderen Ich“ (der selbstbezogenen Daten, erfahrbar z. B. durch Visualisierung) ermögliche. Einige Beiträge in diesem Themenheft nehmen hierbei Anleihen aus der Ästhetiktheorie: Leineweber/Zulaica y Mugica werben auf Basis eines ästhetisch orientierten Verständnisses von Souveränität für eine Medienpädagogik, die hilft zu erkennen, dass das sozialtechnologische Versprechen, „die Welt durch Daten beherrschbar zu machen“ nicht mehr ist als eine „ästhetische Choreografie des Souveränen durch digitale Berechnungen“, deren Kern im Grunde an-ästhetisch ist, weil sie Reflexion, Reibung, Ungewissheit, Aushandeln, das Ringen um Begründung zum Erliegen bringt. Wiedel/Dietrich/ Knieper wiederum beziehen sich auf den Governance-Ansatz, um eine Vorstellung von „strategischer Autonomie“ zu etablieren. Aufgabe der Medienpädagogik sei es, Subjekte zu befähigen, bestehende „Handlungskorridore situativ zu erkennen und darin selbstbestimmt sowie wertgebunden eigene Handlungsentscheidungen zu treffen.
Regieren, verbünden, quervernetzen: Relationalität als politisches Konzept
In der zweiten Argumentationslinie steht Relationalität für ein Konzept politischen Handelns, wonach Souveränität nur (noch) im Zusammenspiel verschiedener Instanzen zu erreichen ist. Für die Medienpädagogik bedeutet das in erster Linie, neue Allianzen zu formen und bestehende zu intensivieren, wie das im Wechselspiel mit politischer Bildung, informatorischer Bildung sowie Medienrecht/-politik bereits getan wird. Auch hier geht es nicht zwingend darum, das Subjektverständnis der Medienpädagogik im Vergleich zu früheren Ansätzen gänzlich in Frage zu stellen. Vielmehr heben die Autor*innen hervor, dass traditionelle Vorstellungen von Medienkompetenz Gefahr laufen, das Individuum ebenso wie die Medienpädagogik mit Ansprüchen zu überfrachten, die beide nicht einlösen können; und umgekehrt Verantwortung, die bei anderen Instanzen liegt, an das Subjekt zu delegieren. In diesem, negativen Sinn beschreibt ‚di-gitale Souveränität‘ eine Subjektivierungsform, die im schlimmsten Fall vortäuscht, mit etwas Training und Qualifizierung wären die befürchteten Souveränitätsverluste schon irgendwie auszugleichen.
Dem wird ein (politisches) Verständnis von Relationalität gegenübergestellt, das verschiedene Ebenen durchkreuzt und mehrere Instanzen kombiniert. Herzig/Sarjevski/Hielscher etwa argumentieren, dass algorithmische Entscheidungssysteme Formen der Intransparenz beinhalten, die Subjekte mit noch so großer Anstrengung allein nicht überwinden können. Darauf aufbauend beschreiben sie ein relationales Instanzen-Gefüge mit drei Seiten, bestehend aus kompetenten Nutzer*innen (transparency by education), um Transparenz und Nachvollziehbarkeit bemühte Softwareunternehmen (transparency by design) sowie um politische und rechtliche Institutionen, die regulativ eingreifen (transparency by regulation). Diese Stoßrichtung relationaler Semantik schreibt hier im Grunde fort, was Medienpädagogik insbesondere im Bereich des Jugendmedienschutzes schon lange versucht: ein konzertiertes Zusammenspiel aus Kompetenz- und Bildungsarbeit auf individueller Ebene, Eigenverantwortung und Selbstorganisation auf Seiten der Medienanbieter*innen (FSK, FSF, USK usw.) sowie rechtliche Rahmen und Durchsetzungsorgane bei Verstößen. Waldecker wiederum hält in seinem Beitrag fest, dass es begriffliche Alternativen braucht, um die „Verstrickung in datenbezogene Ausbeutungsverhältnisse“ der Subjekte angemessen fassen zu können. In einer explorativen Studie zur Nutzung von Smart Speakern zeichnet sich in seinen Augen ab, dass das Konzept der Souverä-
nität an Grenzen stößt, um die multiplen Abhängigkeiten angemessen erfassen und pädagogisch thematisieren zu können. Notwendig erscheint in diesem Sinne – um mit Wendt zu sprechen – „die Eigenlogik digitaler Strukturbildung zu reflektieren“, um so Möglichkeiten zu finden, der Tendenz digitaler „Hyperindividualisierung“ etwas entgegenzusetzen.Subjektivieren, praxeologisieren, materialisieren: Relationale Subjektivität als sozialtheoretische Re-Orientierung
In der dritten Argumentationslinie steht die Figur des relationalen Subjekts für die Verschiebung sozialtheoretischer Prämissen. Hier mischt sich das lange Abarbeiten diverser kultur- und sozialwissenschaftlicher Strömungen am Erbe des idealistischen Subjekts der Aufklärungsphilosophie, mit den Zeitdiagnosen zu Digitalisierung, Technisierung und Mediatisierung. Für Riettiens etwa scheint es angesichts „einer postulierten Unhintergehbarkeit des Digitalen in der Gegenwart (...) geradezu produktiv, sich mit der Nicht-Souveränität auseinanderzusetzen, um die relationalen Bedingungen von subjektiver Handlungsfähigkeit in einer Kultur der Digitalität zu reflektieren.“ Engel/Mayweg/Carnap fragen nach angemessenen, postdigitalen Vorstellungen von Handlungsmächtigkeit „nach der Souveränität“. Hervorgehoben werden veränderte Mensch-Technik-Balancen, die die Frage nach Handlungsmacht (Agency) neu stellen. Digitale Medien treten hierbei nicht mehr bloß als Werkzeuge, Gebrauchsgegenstände oder Repräsentationen auf. Vielmehr sind sie als epistemische Akteure mitzudenken, die über eigene Modi, die Welt zu ‚erkennen‘, verfügen (Jörissen 2015). Korrespondierend dazu wird auf deutlich anders gelagerte Ansätze rekurriert, die – oft in Anlehnung an poststrukturalistische Positionen oder in jüngerer Zeit den material turn (Kalthoff et al. 2016) – von einer Dezentrierung des Subjekts ausgehen und eine relationale Position stark machen (z. B. Fenwick/Edwards 2010). Poststrukturalistisch inspirierte Ansätze, die Subjekte als Handlungsinstanz nicht voraussetzen, sondern das Gemachtwerden von Subjektivität in den Vordergrund rücken, werden als Ausgangspunkte gesehen, um adäquater mit der technologischen Komplexität umzugehen. Ausgehend vom Konzept der Subjektivation, lässt sich, so Schmidt/Böhmer, „eine unidirektionale Bildungsbewegung zur Steigerung der Mündigkeit (...) pädagogisch nicht mehr verfolgen“. Andere Beiträge wie der von Müller/Petschner/Tischer/Thumel mobilisieren praxeologisches Denken und schlagen eine Analyseheuristik vor, anhand derer digitale Souveränität als situierte Praxis in den Blick genommen werden kann. Neuberger wiederum schließt unter anderem an Butler sowie die praxistheoretische Position von Alkemeyer an und wirbt – ebenfalls mit Verweis auf die Notwendigkeit empirischer Forschung – dafür, Subjektivierungsprozesse in machttheoretischer Hinsicht zu erschließen, um auf dieser Basis Aussagen über Souveränität treffen zu können.
So verschieden die Regresse und Argumentationen im Einzelnen sind, eint sie der Anspruch, dualistische Gegenüberstellungen – hier das Subjekt, dort die Struktur oder Objektwelt (Gesellschaft, Kultur, Medien) – zu überwinden. Anthropomorphe Kategorien wie Souveränität, Selbstbestimmung oder Autonomie stoßen in diesen Ansätzen schnell an Grenzen, da Sozialität nicht mehr in erster Linie von dem Menschen her gedacht wird, sondern viel stärker die Bedingungsgefüge in den Mittelpunkt rücken, unter denen Subjektpositionen erzeugt werden und Agency als Zusammenwirken menschlicher und nichtmenschlicher Größen entstehen kann.
Vor lauter Komplexität: Anschlussfähigkeit wahren
So inspirierend die Überlegungen sein mögen, Subjektivität, Relationalität und Souveränität in ihrer wechselseitigen Ko-Konstitutivität zu betrachten, so lassen sich durchaus auch kritische Fragen formulieren. Eine relationale Wende impliziert eine normative Selbstbescheidung, die angesichts veränderter Medienökologien geboten ist und zugleich die Gefahr birgt, emanzipatorische Orientierungen der Medienpädagogik zu verwaschen. Die theoretische Komplexitätssteigerung des zu erfassenden Gegenstands mag zwar Erkenntnispotenziale bieten und den medienpädagogischen Wissenschaftsdiskurs interdisziplinär anschlussfähig halten. Souveränität wird dabei aber zunehmend als ‚moving target‘ konzipiert, das heißt, sie zeigt sich allenfalls situativ, in heterogenen Konstellationen als komplexe Assemblagen diverser miteinander interagierender Elemente, die gegebenenfalls in bestimmten Medienpraktiken verknüpft vorliegen. So nachvollziehbar und weiterführend die verschiedenen Argumentationsfiguren sind, so drohen die komplexe theoretische Modellierung und Möglichkeiten bzw. Anforderungen der medienpädagogi-schen Praxis und Forschung auseinanderzufallen. Wer über die (situierte) Agency von Algorithmen und technischer Materialität spricht, sollte im nächsten Schritt überzeugend aufweisen, wie diese (nicht zuletzt in ihrer Flüchtigkeit) zu beobachten sind. Wenn von komplexen Vorstellungen ineinandergreifender Handlungsmacht verschiedener Entitäten die Rede ist, sollte die Frage nach Konsequenzen für die unterschiedlichen medienpädagogischen Handlungsfelder nicht in Vergessenheit geraten.
Es bleibt zu klären, welche Möglichkeiten zur Etablierung alternativer Strategien und Praktiken sich anbieten, um entgegen hegemonialer Machtstrukturen individuelle wie kollektive Formen von Empowerment umzusetzen – ohne dabei in bewahrpädagogische Muster zurückzufallen, aber auch ohne sich überzogenen Freiheitsillusionen hinzugeben. Mit Pause gesprochen ließe sich beispielsweise fragen, wie die Medienpädagogik es schaffen kann, „einen Modus der Teilnahme zu etablieren, der aus etwas anderem resultiert als der Affordanzstruktur der Netzwerke selbst, und der nicht dazu führt, dass Nicht-Teilnahme automatisch in Nicht-Identität umschlägt“. Das bekannte Vermittlungsproblem von Theorie und Praxis gestaltet sich in Anbetracht eines sich dynamisch entwickelnden Gegenstands- und Forschungsfeldes somit als wiederkehrende Herausforderung, die aber beständig aufs Neue reflektiert werden muss, wie die Beiträge in diesem Heft eindrucksvoll verdeutlichen.
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Klaus Lutz/Mareike Schemmerling/Wolfgang Reißmann: Editorial: Aktive Medienarbeit in Zeiten ihrer Entgrenzung
Wo genau der Ursprung der Medienpädagogik zu verorten ist, lässt sich nicht mehr ergründen. Einen Meilenstein stellte sicherlich die Erfindung des Buchdrucks um 1440 durch Johannes Gutenberg dar. Durch die Einführung der beweglichen Metalllettern und der Druckerpresse wurde es möglich, Schriften in einer zuvor nie dagewesenen Geschwindigkeit zu vervielfältigen. Somit könnte man die Entstehung des Buchdrucks auch als die Geburtsstunde der Massenmedien bezeichnen. Die Befürchtung, die diese Erfindung begleitete, ist bis heute eine zentrale Fragestellung der Medienpädagogik: Wie wirken Medien auf Nutzer*innen? Und damit verbunden: Welche Auswirkungen hat das auf die gesellschaftliche Ordnung?
In der Geschichte der Medienpädagogik ist ein immer wiederkehrender Rhythmus zu beobachten. Mit dem Aufkommen eines neuen Mediums oder der Weiterentwicklung eines medialen Angebots stehen neben Neugier vor allem zu erwartende Probleme im Vordergrund. Meist wird eine pädagogische Regulierung gefordert. Auf eine Phase der mitunter vehementen Ablehnung folgt oftmals eine pädagogische Annäherung an die Nutzung. In den letzten 35 Jahren hat es sich die medienpädagogische Praxis daher zur Aufgabe gemacht, vor allem junge Menschen dabei zu unterstützen, sich notwendige Kompetenzen für ein souveränes Medienhandeln anzueignen. Eine reflektierte und durchaus kritische Haltung, so der Tenor, bildet hierfür die Grundlage.
Aktive Medienarbeit zur Förderung von Medienkompetenz
Nach wie vor steht dabei die Methode der Aktiven Medienarbeit im Zentrum der außerschulischen Medienarbeit: Der Wechsel von der passiven Nutzung von Medien hin zum aktiven Gestalten mit Medien. Kinder und Jugendliche werden also zu Medienproduzent*innen und durchlaufen im Prozess der Produktgestaltung eine Vielzahl von Lernfeldern. Diese Form des projektorientierten Lernens gilt bis heute als ‚Königsweg‘ medienpädagogischer Praxis. Sie ermöglicht es, alles ü ber die Medien selbst zu lernen – von der technischen Bedienung bis hin zu Manipulationsmöglichkeiten. Die projektorientierte Lernform ist zugleich ein Rahmen für soziales Lernen, denn die gemeinsame Produkterstellung fordert und fördert die Fähigkeit, Sozialbeziehungen einzugehen und die sich daraus ergebenden Konflikte im Hinblick auf das gemeinsame Ziel zu lösen.
Die Weiterentwicklung der Medientechnik und der damit verbundenen vielfältigen neuen Möglichkeiten wie kooperatives Zusammenarbeiten online, Ausweitung und Differenzierung von Social-Media-Angeboten oder die Möglichkeiten von KI werfen nicht nur neue gesellschaftliche und medienpädagogische Fragestellungen auf, sondern schaffen eigene Medienkulturen und Medienpraktiken, Jugendkulturelle Communitys, die sich der Logik Aktiver Medienarbeit zum Teil entziehen. Darüber hinaus sind Medien und Medienprodukte in anderen Bereichen wie politischer Bildung oder Kulturpädagogik ein fest verankerter Baustein geworden.
Zu einem Diskurs, wie sich Ansätze der aktiven Arbeit mit Medien unter diesen Bedingungen verändern, was unverändert bleibt und welche Herausforderungen sich ergeben, möchte dieser Themenschwerpunkt mit Reflexionsanlässen, Praxiseinblicken und professionellen Standpunkten beitragen. In ihrem Einführungsartikel ‚Von Aktiver Medienarbeit zur aktiven Arbeit mit Medien?‘ zeichnet die Fachredaktion, namentlich Mareike Schemmerling, Wolfgang Reißmann und Klaus Lutz, verschiedene Entwicklungslinien der Medienpädagogik der letzten Jahre nach. Dabei geht es nicht um Abgrenzung oder richtig und falsch, sondern um einen 360-Grad-Blick auf daraus resultierende pädagogische und gesellschaftliche Fragestellungen.
Jeffrey Wimmer beschäftigt sich mit Widersprüchen und Ambivalenzen von Gegenöffentlichkeiten in kommerziellen Plattformen und digitalen Infrastrukturen. Diese bieten zwar Frei- und Artikulationsräume, werden aber von marktförmigen Logiken bestimmt. Er plädiert für eine stärkere Berücksichtigung dieser in der Aktiven Medienarbeit. Was macht ein medienpädagogisches Angebot oder Projekt aus? Ist medienpädagogische Arbeit immer klar erkennbar und definierbar? Diesen Überlegungen widmet sich Anu Pöyskö in ‚Minimalinvasive Medienpädagogik‘. Vor allem in der offenen Jugendarbeit braucht es nach ihrer Einschätzung mehr Freiheit bezüglich der Definition von Medienarbeit.
Im Gespräch zwischen Klaus Lutz und Erhard Bollmann geht es um die Frage, wie und unter welchen Rahmenbedingungen sich medienädagogische Angebote in der offenen Jugendarbeit implementieren lassen. Bollmann richtet den Blick unter anderem auf die technische Infrastruktur in den Einrichtungen und die Relevanz medienpädagogischer Praxisangebote. Thomas Knaus, Jennifer Schmidt und Olga Merz plädieren in ihrem Artikel ‚Aktive
Medienarbeit als Vorbild‘ dafür, dem Ansatz der Medienpädagogik eine neue Dimension – die der digitaltechnischen – hinzuzufügen. Leitend ist das Konzept des produktiven Medien- und Technikhandelns, aus dem sie fünf Dimensionen und Schritte der Reflexion auf Design und Gestaltung von Digitaltechnik ableiten.Kathrin Demmler geht in ihrem Beitrag ‚Alles sozial?!‘ auf die Bedeutung von Gruppenprozessen ein. Das Erstellen eines gemeinsamen Medienprodukts ist oft nicht mehr von persönlicher Präsenz abhängig. Welchen Veränderungen Lernprozesse in einem solchen Setting unterliegen, zeigt sie an einem praktischen Beispiel auf.
In einer Zeit des expandierenden Einflusses von Medien ist die Relevanz von Medienkompetenz für eine Teilhabe an der Gesellschaft unumstritten. Ebenso die Methode der Aktiven Medienarbeit zu ihrer Förderung. In ihrem Beitrag ‚Was bleibt von Aktiver Medienarbeit?‘ zeigt Elke Dillmann anhand der Biografie zweier Jugendlicher, welche Kraft Aktive Medienarbeit langfristig entfalten kann.
Mareike Schemmerling/Wolfgang Reißmann/Klaus Lutz: Von aktiver Medienarbeit zur aktiven Arbeit mit Medien? Konstanten, Wandel und aktuelle Entwicklungen
In diesem Artikel stellen wir der Aktiven Medienarbeit die Entwicklung hin zu einer vielstimmigen aktiven Arbeit mit Medien gegenüber. Dabei legen wir eine Reihe von Beobachtungen dar, die eine Pluralisierung und bisweilen auch Entgrenzung beschreiben. Keinesfalls geht es darum, unterschiedliche Ansätze der praktischen Medienarbeit gegeneinander aufzuwiegen. Unser Ziel ist vielmehr, Einblicke in die Heterogenität von Herangehensweisen zu geben, die heute auch außerhalb der Medienpädagogik bestehen.
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