Swenja Wütscher
- Verantwortliche Redakteurin
swenja.wuetscher@jff.de
+49 89 68 989 120
Arnulfstraße 205
80634 München
Vita
Studium der Erziehungswissenschaft (Diplom) mit Schwerpunkt Medienpädagogik an der Universität Bielefeld, der Universtität Trier sowie der Deakin University; zertifizierte Medientrainerin (Hörfunk).
Seit 2015 verantwortliche Redakteurin von merz | medien + erziehung.
Aktivitäten
- verantwortliche Redakteurin von merz
- medienpädagogische Referentin am JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis
- Lektorin im kopaed-Verlag
- Lehrbeauftragte an der Universität Bielefeld, FH Bielefeld, Universität Augsburg
Schwerpunkte
Kindermedien
Jugendliche und digitale Medien, insbesondere Social Media
Materialien für schulische und außerschulische Jugendarbeit
Radioprojekte mit Kindern und Jugendlichen
Beiträge in merz
Swenja Wütscher: Zwischen Dschungel und Koboldhöhle
Bartl, Almuth/Birck, Jan (2014). Emil und Pauline auf Madagaskar. CD-ROM, Win8/Win7/Vista/XP/MacOS.München: United Soft Media Verlag GmbH, 16,99 €.
„Der Emil liebt Pusteblumen. Immer wenn er eine sieht, muss er sie anblasen – pffff …“ – und schon fliegen mitten im Abenteuerdschungel buntePusteblumenköpfe über den Bildschirm. Da die Lernsoftware Emil und Pauline auf Madagaskar aber Rechen-, Lese- und Schreibkenntnisse von Erstklässlerinnen und -klässlern vermitteln und vertiefen möchte, sind es keine einfachen Pusteblumen, sondern sie tragen Namen – um genau zu sein diverse nur teilweise existierende Substantive –, die per Mausklick sortiert werden müssen. Insgesamt acht unterschiedliche interaktive Lernwelten mit auditiven und visuellen Elementen birgt die CD-ROM, um Aufmerksamkeit, Feinmotorik, Gedächtnis und Logik sowie die Konzentration zu fördern. Aber nicht nur die Kinder lernen bei den Spielereien, sondern auch die Anwendung selbst: Alle Lernspiele passen sich nämlich – was sehr positiv zu erwähnen ist – automatisch den mathematischen, sprachlichen sowie feinmotorischen Fähigkeiten der Grundschülerinnen und -schüler an. Konkret finden die Spiele in zwei unterschiedlichen Welten statt, im Dschungel und in der Koboldhöhle. In Ersterem werden Lernziele verfolgt wie die Erweiterung des Grundwortschatzes, das Schreiben von Buchstaben, das Erkennen von sinnvollen Wörtern, das Blitzlesen häufiger Substantive sowie das Erkennen gesprochener Wörter. In der Koboldhöhle hingegen geht es um Mengenverhältnisse und geometrische Formen, das Lesen und Schreiben von Zahlen sowie die Addition und Subtraktion im Zahlenraum bis zehn bzw. 20.
Durch das direkte Feedback von Emil und Paulinewerden die Spielenden dabei nicht nur stetig motiviert, sondern auch effektiv trainiert. So wird beispielsweise jeder Spielfehler nicht nur unmittelbar kommentiert, sondern auch verbessert. Beim erstmaligen, fehlerfreien Beenden eines Spiels wartet zudem eine weitere Entlohnung: „Hut ab, du machst das echt gut. Zur Belohnung darf sich Maggy jetzt hier eine Fruchtpumpe mitnehmen. Die brauchen wir nämlich später bei unserem Belohnungsspiel“. In jedem der Spiele kann eine solche Fruchtpumpe erlangt werden, sie wächst sogar beim wiederholten makellosen Durchspielen bis zu einer Superfruchtpumpe an. Und schlussendlich – nach dem fünfmaligen Erlangen einer solchen – resultieren diese Pokale in einem Bonusspiel; genauer gesagt in zwei separaten Bonusspielen in Dschungel und Koboldhöhle. Die erfolgreichen Spielkinder werden also durch diese zum wiederholten Durchführen und damit zum Vertiefen der Aufgabeninhalte motivierend angehalten. Die bereits erlangten Fruchtpumpen, die auch optisch immer pompöser werden, sind in der jeweiligen Spielweltübersicht neben dem bisherigen Spielverlauf visualisiert. Allerdings ist das fehlerfreie Beenden der Spiele teilweise schwer zu meistern. So sollen in einer Lektion Substantiven richtige Artikel zugewiesen werden, der Begriff ‚Würfel‘ soll beispielsweise dem Artikel ‚der‘ zugeordnet werden. Die Zuordnung zum Artikel ‚die‘ wird in diesem Falle als falsch angesehen. Die Intention ist aus Sicht eines Fortgeschrittenen auch problemlos zu erkennen – für dieses Anfängerspiel wäre allerdings eine Auswahl an Wörtern, die im Plural gleich lauten und demnach auch anderen Artikeln richtig zuzuordnen wären, besser zu vermeiden. Alternativ wäre eine direkte Richtigstellung denkbar, die durch das erneute, differenziertere Erklären der Spielregeln realisiert werden könnte. Grundsätzlich werden die Spielenden auf leichtem Niveau in einem angenehm langsamen Tempo durch die CD-ROM geführt. „In diesen Nestern wohnen die Dschungelkobolde. Und die freuen sich immer über Besuch. Ja, wenn du auf ein Nest klickst, kommt der Kobold raus, der darin wohnt, und spielt mit dir.“
Obwohl es das zumeist intuitive Spielkonzept nicht bedarf, können die Spielanleitungen durch einen Klick auf die Protagonistenfigur auch wiederholt werden; dies müssen die Spielenden allerdings erst einmal selbst herausfinden. Auch wäre es teilweise angenehm, man könnte die zwar netten, aber nach einiger Zeit doch langwierigen Begrüßungen und Anweisungen überspringen. Wie es die Zielgruppe der Leseanfängerinnen und -anfänger verlangt, erfolgen die Spielinstruktionen durchweg auditiv, meist visuell unterstrichen durch das Bewegen eines Mundes der Protagonisten. Leider ertönen dabei wenig herzliche, unauthentische Computerstimmen. Auch kann die Wiedergabelautstärke im Spiel selbst nicht reguliert werden. Die kann nur durch die Shortcuts auf der Tastatur oder aber außerhalb des Spiels im Betriebssystem selbst justiert werden, was recht unhandlich ist. Sehr unvorteilhaft ist hierbei zudem, dass Emil und Pauline auf Madagaskar keine Spielunterbrechung erlaubt. Ist das Spiel, welches nur im Vollbildmodus gestartet und gespielt werden kann, einmal verlassen, muss es wieder von ganz vorne gestartet werden bei der Auswahl des Spielerprofils. Die separat anlegbaren Accounts für alle Spielerinnen und Spieler sind dabei wiederum sehr hilfreich und sorgen zudem für ein differenziertes Speichern an Schwierigkeitsgraden. Die Aufbereitung der Charaktere und 3D-Spieloberflächen jedoch lebt von der Liebe zum richtigen Detail. So konzentrieren sich die Abbildungen je nach Kontext auf das Wesentliche oder aber sie verbergen kleine Zusatzanimationen – wie das Rollen der Augen eines Tukans beim Klick auf diese –, die versiertere Spielerinnen und Spieler von heute hinter den Figuren teilweise auch erwarten. Auch die Gestaltung und Größe von Symbolen und Grafikelementen sind bei einer angemessenen Bildschirmgröße optimal gewählt.
Die Lernspiel-CD-ROM Emil und Pauline auf Madagaskar steigert also zusammen mit einem Eisbär, seiner Pinguinfreundin und kleinen Schönheitsfehlern auf abwechslungsreiche, kindgerechte, kreative Art – zwischen dem Zählen von Leuchtkäferpunkten, dem Wandern durch ein Labyrinth, dem Buchstabenschreiben am Nachthimmel und dem Lauschen eines Froschkonzerts – effektiv die Lernerfolge von Grundschulkindern – basierend auf neusten Erkenntnissen aus Pädagogik, Fachdidaktik und Psychologie. An das Spielentwicklerteam sei der Wunsch gerichtet, in den Spielablauf nach einer gewissen Zeit noch eine Empfehlung der Spielunterbrechung einzubauen. Auch wäre es hilfreich, die Spielenden würden in jedem und nicht nur in außerwählten Unterspielen sehen können, wie lange das Spiel noch andauert. Allen Spielenden sei schließlich empfohlen, in jedem Falle eine Computermaus anzuschließen, um die abverlangte Portion an Feingefühl nicht überzustrapazieren. Außerdem eignen sich die anderen Familienmitglieder, die zwei separaten iPad-Apps Emil und Pauline in der Höhle – Mathe Klasse 1 und Emil und Pauline im Dschungel – Deutsch für die 1. Klasse, um einiges besser zum Trainieren einer Touch-Bedienung.
Swenja Wütscher: Paus-Hasebrink, Ingrid/Sinner, Philip (2021). 15 Jahre Panelstudie zur (Medien-)Sozialisation. Wie leben die Kinder von damals heute als junge Erwachsene? Baden-Baden: Nomos. 318 S. 64,00 €. DOI: 10.5771/9783748927723.
Ingrid Paus-Hasebrink und Philip Sinner beleuchten in ‚15 Jahre Panelstudie zur (Medien)Sozialisation‘, welche Rolle Medien in der Übergangsphase von Jugend ins Erwachsenenleben spielen. Die Publikation schließt dabei an die vorherigen Bände an und zeigt auf, was aus den Kindern der (Medien-)Sozialisationsstudie in sozial benachteiligten Familien geworden ist. Damals, also zu Beginn der Panelstudie im Jahr 2005, waren die Kinder etwa fünf Jahre alt. Wie haben sich ihre sozio-ökonomischen und sozio-emotionalen Bedingungen entwickelt? Welche Themen beschäftigen sie aktuell? Welche Rolle weisen sie nun als junge Erwachsene Medien in ihrem Alltag zu? Erneut steht damit der im Kontext der Reihe wichtige Begriff der Sozialisation im Mittelpunkt, beleuchtet vor dem Hintergrund medialer Wandlungsprozesse auf Basis einer siebten, im Jahr 2020 durchgeführten Erhebungswelle. Theoretisch und methodisch baut der Band auf dem von Paus-Hasebrink konzipierten und im Laufe der Studie weiterentwickelten praxeologisch ausgerichteten Ansatz integrativer Mediensozialisationsforschung auf, in dessen Mittelpunkt die Frage nach dem subjektiven Sinn des (Medien-)Handelns von Individuen vor dem Hintergrund ihrer lebensweltlichen Kontexte steht.
Im Durchführungszeitraum der Langzeitstudie ist einiges passiert. Beispielweise wurde im Jahr 2005 das erste Video auf YouTube hochgeladen. Die Krisensituation um Migration und Flucht in den Jahren 2015 und 2016 hat – mit hoher medialer Aufmerksamkeit – zu starken Kontroversen geführt. Seit Anfang 2020 hält die Covid-19-Pandemie die Welt in Atem. Aus den Kindern von damals sind junge Erwachsene geworden. Ihre Handlungsoptionen, -entwürfe und -kompetenzen stehen nicht mehr in engem Zusammenhang mit der Lebensführung ihrer Familien bzw. Kernbeziehungsgruppen, in denen sie aufgewachsen sind. Die Neugier und Leidenschaft des Forscher*innenteams sind offenbar stets geblieben.
So bietet die Publikation ‚15 Jahre Panelstudie zur (Medien-)Sozialisation‘ abschließend und vielschichtig rückblickend abermals detaillierte, beeindruckende (und auch berührende) Einblicke in das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen aus prekären sozialen Lebensverhältnissen. Die gesamte Studie ist und bleibt ein Meilenstein.
Swenja Wütscher: Neue Plattform: Jugendliche gegen extremistische Ansprachen stärken
Das Präventionsprojekt RISE – Jugendkulturelle Antworten auf islamistischen Extremismus verfolgt das Ziel, das demokratische Werteverständnis Jugendlicher durch aktive Medienarbeit zu fördern. Herzstück des Projekts ist die Plattform: www.rise-jugendkultur.de – mit von Jugendlichen produzierten Filmen. Diese sind ergänzt mit pädagogischem Material und wissenschaftlichen Hintergrundinformationen. Multiplikator*innen können die Inhalte für ihre Präventionsarbeit nutzen.
Das Projekt RISE hat es sich zur Aufgabe gemacht, junge Menschen in ihren Meinungsbildungsprozessen zu stärken, ihre Argumentationsfähigkeit zu fördern, Reflexionsprozesse anzustoßen und sie kritisch im Umgang mit extremistischen Botschaften zu machen. Dazu entwickeln Jugendliche eigene Positionen, die sie in Medienproduktionen sichtbar und für die pädagogische Arbeit zugänglich machen. Die praktische Durchführung erfolgt durch eine individuelle Begleitung und Unterstützung von Jugendlichen bei der Produktion von Medienbeiträgen, die Arbeitsfelder fokussieren, die für die Präventionsarbeit relevant sind: Gesellschaftskritik, Religion und Werte, Rassismus, Gender sowie Pluralismus.
Die entstandenen Medienprodukte werden mit Materialien und Einsatzmöglichkeiten für die pädagogische Arbeit aufbereitet und auf der Plattform Fachkräften der schulischen und außer schulischen Bildung zur Verfügung gestellt. Die Plattform wird fortlaufend ausgebaut.
Das Gesamtvorhaben wird wissenschaftlich begleitet. Dies beinhaltet unter anderem ein kontinuierliches Monitoring relevanter wissenschaftlicher und pädagogischer Publikationen im Themenfeld, eine theoretische Fundierung der Themenschwerpunkte sowie die Evaluation der Praxisangebote.
Mit dem Ziel der bundesweiten Wirkung und Vernetzung wird dieses Projekt vom JFF – Institutfür Medienpädagogik in Forschung und Praxis, ufuq.de, dem Medienzentrum Parabol und dem Netzwerk Vision Kino umgesetzt.
Swenja Wütscher: Aktiv gegen digitale Gewalt. Ein Interview mit Ans Hartmann, bff
Der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) vertritt bundesweit knapp 200 Fachberatungs stellen, die den Großteil der ambulanten Unterstützungsarbeit bei geschlechtsspezifischer Gewalt in Deutschland leisten. Auch das Thema Digitale Gewalt ist dort und in den Beratungsstellen schon länger relevant. Swenja Wütscher im Gespräch mit Ans Hartmann, Leiter*in des Projekts bff: aktiv gegen digitale Gewalt.
Swenja Wütscher: Sexualisierte Gewalt mit digitalem Medieneinsatz. Ein Interview mit Frederic Vobbe, SRH Hochschule Heidelberg
Sexualisierte Gewalt mit digitalem Medieneinsatz umfasst unterschiedliche Phänomene. Neben einer Sexualisierung ist der Einsatz digitaler Medien zur Anbahnung, Fortsetzung wie auch zur Verübung der jeweiligen Gewaltformen charakteristisch. Eine wesentliche Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe besteht in der Prävention und Intervention eben dieser Gewalt. Doch bestehende Schutzkonzepte berücksichtigen die Spezifika des digitalen Medieneinsatzes meist nur bedingt. Swenja Wütscher im Gespräch mit Frederic Vobbe, Professor für Soziale Arbeit an der SRH Hochschule Heidelberg.
Swenja Wütscher: Glossar: Digitale Gewalt. Eine Begriffssammlung
Cybergrooming, Doxing, Happy Slapping, Revenge Porn, Swatting – die unterschiedlichen Begrifflichkeiten, Anglizismen und Wortschöpfungen, die zu digitalen Gewaltformen kursieren, lassen sich nicht alle trennscharf voneinander abgrenzen. Oft gibt es auch für ähnliche Phänomene verschiedene Begriffe, die sich aber nicht alle von selbst erklären. Eine Sammlung einiger relevanter Diskriminierungsformen und Bezeichnungen.
Swenja Wütscher: BPjM veröffentlicht Gefährdungsatlas
Der Kinder- und Jugendmedienschutz bedarf einer Neuausrichtung seiner Schutzziele und Instrumente. Infrastrukturelle Schutz- und Hilfemechanismen in den Angeboten sollen künftig für Kinder, Jugendliche und Erziehende eine unbeschwerte Teilhabe an digitalen Medien gewährleisten. So lautet die kinderrechtliche Einordnung des Gefährdungsatlas. Zum effektiven Schutz vor Gefährdungen sind Anbieter gefordert, ihre Angebote mit altersgerechten Voreinstellungen sowie Schutz- und Hilfemechanismen auszustatten. Der Gefährdungsatlas ist ein erstes Ergebnis des bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) angesiedelten Strategieprozesses „Digitales Aufwachsen. Vom Kind aus denken. Zukunftssicher handeln.“ Auf der Grundlage der Mediennutzungsrealität von Kindern und Jugendlichen gibt er Orientierung über Medienphänomene, den mit ihnen verbundenen Gefährdungen sowie gegebenenfalls auch Entwicklungschancen für Kinder und Jugendliche. Auch nimmt er eine kinderrechtliche Einordnung der Herausforderungen an den Jugendmedienschutz vor. Dem Anspruch folgend vom Kind aus zu denken, wird die Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen im Kontext der Mediennutzung sowie ihr Mediennutzungsverhalten vorangestellt. Deutlich werden die Mediatisierung und Digitalisierung aller Lebensbereiche von Kindern und Jugendlichen sowie die hierdurch beförderte Kommerzialisierung ihrer Lebenswelt. Erkenntnisse über das Nutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen werden entlang von drei Altersgruppierungen (Zwei- bis Sechsjährige, Sechs- bis 13-Jährige und etwa Zwölf- bis 18-/19-Jährige) nach Medientätigkeiten strukturiert dargestellt sowie in erzieherische Kontexte gesetzt. Neben den Gefährdungen werden unter anderem auch fördernde Funktionen für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen in den Blick genommen, die mit den Phänomenen assoziiert sind und den kinderrechtlichen Teilhabeanspruch an der digitalen Mediennutzung begründen. Der in der Autorenschaft des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (HBI) entstandene Gefährdungsatlas ist das erste im Rahmen der Zukunftswerkstatt erarbeitete Ergebnis, wie auch die erforderliche Wissensbasis für den weiteren Arbeitsprozess.
www.bundespruefstelle.de
Swenja Wütscher: Online-Audio-Monitor
Die Nutzung von Online-Audio-Inhalten nimmt immer weiter zu – und zwar bei Webradio wie auch bei On-Demand-Angeboten. Das sind Ergebnisse des Online-Audio-Monitor 2019. Fast zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland nutzen mittlerweile diese Angebote, drei Millionen mehr als im Vorjahr.
Nach wie vor zeigt sich ein klarer Zusammenhang zwischen der Online-Audio-Nutzung und dem Alter: In der jüngsten Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen liegt die Nutzerquote nun bei 95 Prozent (+ 4 %), bei den 30- bis 49-Jährigen bei 78 Prozent (+ 1 %). Unterdurchschnittlich viele Nutzende gibt es in der Altersgruppe ab 50 Jahren mit zusammengefasst 39 Prozent; allerdings weisen die Altersgruppen 50 bis 59 und 60 bis 69 Jahre mit jeweils rund 18 Prozent die höchste Wachstumsrate auf.
Die Nutzung erfolgt zudem immer regelmäßiger. Jeder Zweite ab 14 Jahre schaltet mindestens monatlich ein. Besonders dynamisch ist dabei das Wachstum der On-Demand-Angebote. So steigern Hörbücher ihre mindestens monatliche Nutzerschaft auf elf Prozent (+ 50 %), Podcasts bzw. Radiosendungen auf Abruf auf 13 Prozent (+ 42 %). Audio über Videoplattformen und Musikstreaming ist besonders beliebt bei den Unter-30-Jährigen. Beim Webradio liegen die 30- bis 49-Jährigen mit den Jüngeren nahezu gleichauf.
Zu den meistgenutzten Online-Audio-Inhalten zählen nach wie vor Musik, gefolgt von Nachrichten, Services wie Wetter und Verkehr sowie lokalen und regionalen Inhalten. Fast drei Viertel hört die Inhalte über das Smartphone. Immer mehr schließen dieses auch an ihr Autoradio an; diese Nutzung ist überproportional stark angestiegen. Knapp jeder Vierte nutzt mittlerweile im Auto Audioinhalte über oder – offline verfügbar gemacht – aus dem Internet. Die Nutzung linearer Webradioprogramme über den Tag hinweg zeigt, dass es das Medium der Morgenstunden ist; auch tagsüber wird viel Webradio gehört mit einem Peak am frühen Abend. Je später der Tag, desto höher liegt die Podcast-Nutzung. Webradio und On-Demand ergänzen sich also – und zwar zeitlich wie inhaltlich. Kräftig zugenommen hat auch die Audio-Nutzung über Smart Speaker. Rund jeder Zehnte ab 14 Jahre hat mittlerweile Zugang, der Anteil hat sich damit binnen eines Jahres verdoppelt. Der Online-Audio-Monitor untersucht
bevölkerungsrepräsentativ die Online-Audio-Nutzung in Deutschland. Insgesamt wurden hierzu im Mai und Juni 2019 gut 7.500 Telefoninterviews geführt. Auftraggeber der von Kantar durchgeführten Studie sind die Bayerische Landeszentrale für neue Medien, die Medienanstalt Berlin-Brandenburg, die Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg, die Landesanstalt für Medien NRW, der Bundesverband Digitale Wirtschaft und VAUNET – Verband Privater Medien.Swenja Wütscher: Studie: Orientierung Jugendlicher auf YouTube
Eine relativ kritiklose Sicht auf YouTube-Stars birgt das Risiko, dass sich Jugendliche in ihren Konsumwünschen und -entscheidungen allzu leicht beeinflussen lassen. Das ist ein Ergebnis der ACTON!-Monitoringstudie, deren fünfter Short Report die Orientierung Heranwachsender auf YouTube und ihr Strukturwissen zur Plattform fokussiert.
Unter den fast 90 Befragten, die alle YouTube kennen und nutzen, hat knapp ein Fünftel einen eigenen Account, um selbst Videos zu zeigen. Motive hierfür sind die Hoffnung, Geld und Aufmerksamkeit zu erhalten, verbunden mit dem Ehrgeiz, gute Videos zu erstellen – ganz nach dem Vorbild von YouTube-Stars. Zwar kennen die Elf- bis 14-Jährigen viele Regeln, die auf YouTube gelten, erleben diese jedoch teils als intransparent und in der Um- und Durchsetzung als inkonsistent. Besonders diskutiert wird unter anderem die Altersbeschränkung; dabei beziehen sich die Befragten hauptsächlich auf Kinder, die jünger sind als sie selbst. Einige weisen darüber hinaus sehr geringe Kenntnisse über die geltenden Altersbeschränkungen auf.
YouTube-Stars werden aufmerksam beobachtet. Dabei verstehen die Jugendlichen zwar, dass es den Stars in erster Linie um Klicks und Abonnements geht, um Bekanntheit und letztlich Erlöse zu erzielen, dennoch finden sich auch Beispiele naiver Rezeption. YouTube-Stars dienen den Befragten hierbei zur persönlichen Orientierung, vor allem deren äußerliche Attraktivität, ihr Leistungsvermögen und Selbstbewusstsein werden geschätzt. Besonders bei Beauty- und Lifestyle-Vloggerinnen finden sich neben einem hohen Selbstbewusstsein auch Selbstbestimmungsappelle mit bedenklichen Ratschlägen und doppelbödigen Botschaften. Von den Jugendlichen wird dies jedoch kaum in Frage gestellt, sondern vielmehr als hilfreich eingestuft. Im pädagogischen Kontakt könnte daran angeknüpft werden, um die Selbst- und Wertereflexion der Jugendlichen anzuregen, die Auseinandersetzung mit den Inhalten zu fördern oder das Strukturwissen Jugendlicher in Bezug auf die Plattform auszubauen und somit die Kritikfähigkeit der Jugendlichen zu stärken.
ACT ON! ist ein medienpädagogisches Forschungs- und Praxisprojekt des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, das das aktuelle Online-Handeln Zehn- bis 14-Jähriger fokussiert. Im Zentrum steht dabei die Perspektive Heranwachsender auf ihre Online-Welten.
Theunert, Helga/Lenssen, Margrit/Schorb, Bernd (1995). „Wir gucken besser fern als ihr!“ Fernsehen für Kinder. München: KoPäd.
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60 Jahre merz Buchklassiker
(Ehemalige) merz-Redakteurinnen und -Redakteure empfehlen medienpädagogische Klassiker: Dazu haben sie jeweils eine ihrer liebsten, interessantesten, herausforderndsten, wichtigsten ... Publikationen aus dem Regal gezogen, aus der sie heute noch Gewinn und Anregungen ziehen.
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„Da kann man was lernen von der Welt“ (S. 70), so hat eine Elfjährige vor gut 20 Jahren ihre Begeisterung für das Fernsehen begründet. Generell lassen sich Kinder schnell vom Fernsehprogramm begeistern und können dabei alles um sich herum vergessen. Aber Kinder verstehen Fernsehen auch – anders: Mit zunehmendem Alter und wachsender Fernseherfahrung verändern sich Verständnis und Vorlieben, Nutzung und Umgangsweisen, Auswahl und Erwartungshaltungen. Helga Theunert, Margrit Lenssen und Bernd Schorb haben das in den 1990er-Jahren aus Kindersicht auf Basis einer Auswahl an Forschungsergebnissen aufgedröselt. Zwar gehen die technischen Möglichkeiten heute weit über den Apparat im häuslichen Wohnzimmer hinaus und manche der aufgeführten Sendungstipps und Fallbeispiele sind nicht mehr ganz aktuell, die kindliche Faszination folgt aber noch immer ihren eigenen Strukturen. Kinder sind noch immer Fernsehanfängerinnen und -anfänger. Die Publikation gewinnt damit heute sogar eine neue Bedeutung: Sie liefert das Angebot, die Fernsehwelt durch Kinderaugen zu sehen und zu verstehen – völlig unabhängig davon, dass das Gerät so einiges mehr bietet als im Fernsehprogramm steht.
Swenja Wütscher ist Mitarbeiterin am JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis sowie im kopaed Verlag. Seit 2013 arbeitet sie in der Redaktion von merz | medien + erziehung, seit 2015 als verantwortliche Redakteurin.
Swenja Wütscher: In bester Ordnung. Oder: Zeig mir deinen Feed und ich sag dir, wer du bist
Zum Jahreswechsel fassen viele Menschen gute Vorsätze, um Ordnung zu schaffen, sich von Altem zu befreien oder neue Ziele zu setzen. Das Datum ist nicht so willkürlich wie es vielleicht scheint, denn immerhin dient das Fest dazu, die Geister des alten Jahres auszutrieben. Ich persönlich fand das allerdings früher einfacher. Damals, als ich mir noch einen leeren und erwartungsvollen Kalender gekauft habe, um ihn frisch mit positiven Dingen zu füllen – ohne dabei alte Ecken und Kanten mit auf die Reise zu nehmen. In der digitalen Welt fällt mir so ein Neuanfang schwerer. Habe ich beispielsweise erst einmal ein Profil auf einer Social-Media-Plattform angelegt, dümpelt es eigentlich meist auch Jahre später noch auf dem Stand der Ersteinrichtung rum. Stetig weiter gefüllt und aktualisiert, aber quasi nie entrümpelt. Marie Kondo würde mich dafür zusammenfalten – von wegen Datenflut reduzieren, Seiten, Feeds und Stories deabonnieren oder stummschalten. Nur Accounts folgen, die einem guttun. Wenn es sein muss, sich auch von Follower*innen trennen. An sich ist die Idee, sich von digitalem Ballast zu befreien, um Klarheit und Struktur oder gar Freiheit zu gewinnen, natürlich weder neu noch falsch, genauso wenig wie ein guter Neujahrsvorsatz.
So habe ich mich kürzlich durch mein Instagram-Profil geklickt. Vornehmlich durch die Karteileichen und Teile meiner schier unendlichen Liste gespeicherter Inhalte. Dabei habe ich längst vergessene Profile und Marmeladenglas-Momente (wieder-)entdeckt. Die Inhalte fand ich aber fast alle immer noch wertvoll, einzigartig, inspirierend oder wegweisend. Und so habe ich versucht, die gespeicherten Einträge, die kaum weniger geworden waren, zumindest zu ordnen. Aber das Strukturieren war, ehrlich gesagt, eine Katastrophe. Ich kam vom Hölzchen aufs Stöckchen, entdeckte noch mehr großartige Inhalte und Profile oder verlor mich zwischen Reels. Auch Instagram selbst war mir keine Hilfe, da durch das Markieren oder neu Favorisieren manches sortiert und anderes dafür durcheinandergeworfen wurde. Letztendlich habe ich nun Teile meiner Sammlung halb sortiert – anders gesagt, ich bin gescheitert.
Dafür ist mir wieder einmal bewusst geworden: Ich mag meine Pause zwischen den farbenfrohen Quadraten. Die Worte und Bilder zwischen Filtern, inszenierten Arrangements oder ungeschönten Alltagsmomenten. Den Input und die Gedankenschnipsel. Den digitalen Schaufensterbummel. Und ich mag, dass meine Bubble Randbereiche hat, die mich nur halb interessieren, die bei mir auch mal anecken oder mir gar missfallen.
Für die Ordnung in dieser digitalen Welt gebe ich die Verantwortung allerdings ab und entschuldige mich hiermit aufrichtig bei meinem Algorithmus für meinen intensiven Einsatz, mich durch längst von meiner Oberfläche verschollene Abonnements durchgeklickt zu haben.
Swenja Wütscher: Wissenschaftsjahr 2014 – noch lange nicht am Ende
Die digitale Gesellschaft ist eine Gesellschaft im Umbruch. In nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen sind digitale Technologien Voraussetzung und Begleiter neuer Entwicklungen. Das Wissenschaftsjahr 2014 – Die digitale Gesellschaft zeigt auf, wie Wissenschaft und Forschung diese Entwicklung mit neuen Lösungen vorantreiben und widmet sich den Auswirkungen der digitalen Revolution.Bürgerinnen und Bürger aller Generationen sind dazu eingeladen, sich an der Debatte über die Zukunft der digitalen Gesellschaft zu beteiligen. Deutschlands digitale Köpfe sind zwar bereits ausgezeichnet worden, aber das Wissenschaftsjahr selbst ist noch in vollem Gange:
Das umgebaute Frachtschiff MS Wissenschaft legt noch bis September in vielen Städten an – mit an Bord, die Ausstellung Digital unterwegs sowie die Chance, selbst zu probieren, wie Wissenschaft funktioniert. Auf der Online-Plattform Forschungsbörse können sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Nachwuchs für ihre Forschung begeistern möchten, weiterhin registrieren, – (Volkshoch-) Schulen wiederum können diese Personen auf der Plattform in ihren Unterricht einladen. In zahlreichen Diskussions- und Dialogveranstaltungen wird diskutiert; selbst in Nachtrunden. In den kommenden Tagen und Wochen wird es in Berlin einen Ferienkurs zu „Das Lernen lernen“ geben, in München eine Tagung zu Mensch & Computer und in Dortmund eine Ausstellung zu Ambient Intelligence. In Karlsruhe werden mit dem iPad YouTube Tutorials erstellt werden, in Köln werden die Open-Access-Tage ausgerichtet werden und die Ausstellung ScienceStation wird nach Frankfurt wandern. Der Veranstaltungskalender ist aber noch um einiges länger …www.digital-ist.de
Swenja Wütscher: Wellen, die für Kinder funken
Radio ist das, was übrig bleibt, wenn man vom Fernsehen das Bild abzieht. Oder so ähnlich. Sein Schattendasein hat der Hörfunk in der (Medien-)Pädagogik zwar mittlerweile überwunden, allerdings scheint die Suggestionskraft von Bildern die von Tönen hartnäckig zu überlagern. Dabei hat es für Kinder so einigesmehr zu bieten als eine tagesbegleitende Geräuschkulisse. Das zeigt eine Zusammenfassung der derzeitigen Angebote für Kinder im deutschsprachigen (Digital-)Radio und Internet.
Literatur:
Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse e. V. (2014). ma 2014 Radio II. www.agma-mmc.de [Zugriff: 12.09.2014]
Bayerische Landesanstalt für neue Medien (2013). Webradiomonitor 2013. Internetradio-Nutzung in Deutschland. Berlin: Goldmedia Group www.blm.de/files/pdf1/BLM-Webradiomonitor_2013_lang.pdf [Zugriff: 12.09.2014].
Bloech, Michael/Fiedler, Fabian/Lutz, Klaus (Hrsg.), Junges Radio. Kinder und Jugendliche machen Radio, München: kopaed.
die medienanstalten (2014). Jahrbuch. Landesmedienanstalten und privater Rundfunk in Deutschland. Berlin: VISTAS.
BR Presse (2014). BR will beim „KiRaKa“ des WDR einsteigen. www.br.de/presse/inhalt/pressemitteilungen/kooperation-wdr-br-kinderradio-100.html [Zugriff: 12.09.2014].
Handel, Marlene/Windgasse, Thomas (2013). Radionutzung von Kindern. In: Media Perspektiven, 2/2013, S. 93-100.
Hartung, Anja (2008): Humor im Hörfunk und seine Aneignung durch Kinder und Jugendliche. Eine qualitative Untersuchung. München: kopaed.
Hartung, Anja; Reißmann, Wolfgang; Schorb, Bernd (2009): Musik und Gefühl. Eine Untersuchung zur gefühlsbezogenen Aneignung von Musik im Kindes- und Jugendalter unter besonderer Berücksichtigung des Hörfunks. SLM-Schriftenreihe, Bd. 17. Berlin: VISTAS.
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2012). KIM-Studie 2012. Kinder + Medien, Computer + Internet. Basisuntersuchung zum Medienumgang 6- bis 13-Jähriger in Deutschland. www.mpfs.de/fileadmin/KIM-pdf12/KIM_2012.pdf [Zugriff: 12.09.2014].
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2003). KIM-Studie 2003. Kinder und Medien, Computer und Internet. Basisuntersuchung zum Medienumgang 6- bis 13-Jähriger in Deutschland. www.mpfs.de/fileadmin/Studien/KIM03.pdf [Zugriff: 12.09.2014].
Paus-Hasebrink, Ingrid (2004). Zehn gute Gründe für ein Kinderradio aus der Sicht der Medienforschung. In: Schill, Wolfgang/Linke, Jürgen/Wiedemann, Dieter (Hrsg.), Kinder & Radio, München: kopaed, S. 29-36.
Radiozentrale (2011). »Radio. Geht ins Ohr. Bleibt im Kopf.« www.radiozentrale.de/aktuell/kampagne-pro-radio/radio-geht-ins-ohr-bleibt-im-kopf [Zugriff: 12.09.2014].
Schell, Fred (2005).
rundlagen aktiver Medienarbeit mit Audio. In: Bloech, Michael/Fiedler, Fabian/Lutz, Klaus (Hrsg.), Junges Radio. Kinder und Jugendliche machen Radio, München: kopaed, S. 9-19.
Schill, Wolfgang (2008). Radio. In: Sander, Uwe/von Gross, Friedericke/Hugger, Kai-Uwe (Hrsg.), Handbuch Medienpädagogik, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 395-401.
Schill, Wolfgang (2004). Einleitung: Radio für Kinder – eine medienpädagogische Aufgabe. In: Schill, Wolfgang/Linke, Jürgen/Wiedemann, Dieter (Hrsg.), Kinder & Radio, München: kopaed, S. 11-27.
Schorb, Bernd; Hartung, Anja (2003): Gewalt im Radio: Eine Untersuchung zur Wahrnehmung, Bewertung und Verarbeitung von Unterhaltung im Hörfunk durch 9- bis 16-Jährige. AML-Schriftenreihe, Bd. 2. Berlin: VISTAS.
Swenja Wütscher: Stichwort Threema
Facebook hat WhatsApp gekauft, Datenschützerinnen und Datenschützer sowie Kundinnen und Kunden haben Alarm geschlagen. Und jetzt? Na Threema – so sagen es jedenfalls die gestürmten App-Charts unter Android und iOS. Der Schweizer Online-Dienst garantiert durch eine asymmetrische Ende-zu-Ende- Verschlüsselung den sicheren Versand von Kurznachrichten. Konkret heißt das, dass außer den vorgesehenen Empfängerinnen und Empfängern niemand den Klartext zu Gesicht bekommt. Im Unterschied zu anderen populären Messenger-Apps – einschließlich derer, die Verschlüsselung einsetzen – können bei Threema selbst die Serverbetreibenden nicht mitlesen; auch die NSA nicht.
So lauten zumindest die hauseigenen Versprechen, denen allerdings Nutzende selbst Vertrauen entgegen bringen müssen, da es kein Open Source-Angebot ist. Und, selbstverständlich beinhalten die derzeitigen Garantien auch keine Vorhersage darüber, ob Threema irgendwann nicht auch an Facebook und Co. verkauft werden könnte. Im Funktionsumfang kann der Instant Messenger jedenfalls mit den Vergleichbaren sehr wohl mithalten: Textnachrichten, Gruppenchats, Bilder, Videos und auch der aktuelle Standort können verschickt, das Adressbuch kann synchronisiert werden. Einzig die Einrichtung ist umständlicher und die Vorschau der Push-Nachrichten beinhaltet (auf iOS) keine Nachrichtenvorschau – dafür mehr Datenschutz und sicherere Kommunikation. S
icherlich ist diese App keine eierlegende Wollmilchsau in punkto Datenschutz. Es gibt schlichtweg kein globales Datenschutzrecht, kein globales Kontrollorgan zum Schutze unserer Daten. Es kann auch keinen sicheren Messenger geben, denn selbst gesetzliche Regelungen könnten nur Konsequenzen garantieren, nicht aber echte Sicherheit. Wenn es aber um das Chatten an sich geht, hat Threema derzeit die Nase vorn – unterstützt von Android (1,60 Euro) und iOS (1,80 Euro), Betriebssysteme wie Windows Phone sind noch außen vor. Letztendlich wird die wichtigste Entscheidung aber nicht bei der Auswahl des Messengers, sondern bei der – hoffentlich reflexiven und kompetenten – Auswahl der Informationen getroffen, die über diesen preisgegeben und verbreitet werden.
Ein Hinweis am Rande für alle, die sich von WhatsApp verabschieden wollen: Es ist darauf zu achten, die App nicht nur zu deinstallieren, sondern zuvor in den Einstellungen unter ‚Account‘ das eigene Konto zu löschen. Ansonsten bleiben die Daten des Nutzenden weiter auf den Servern des Unternehmens gespeichert.
Swenja Wütscher: Stichwort Standortbezogene Dienste
Diese mobilen Dienste (engl. Location Based Services, LBS) stellen Endnutzerinnen und -nutzern unter Zuhilfenahme von positionsabhängigen Daten selektive Informationen oder Dienste anderer Art bereit – und sind damit ein Meilenstein des technischen Fortschritts. Vorranging laufen LBS über Apps und dazugehörige mobile Endgeräte. Zwei unterschiedliche Angebotsarten werden dabei unterschieden, reaktive und proaktive. Bei ersteren müssen Nutzende den Service jedes Mal ausdrücklich anfordern, wie beim Suchen von nahgelegenen Restaurants, Sehenswürdigkeiten oder geparkten Autos. Proaktive Dienste hingegen reagieren automatisch beim Eintritt in eine bestimmte Zone – und sind damit beim Tragen eines mobilen Endgeräts automatisch ebenso dauerhafte Wegbegleiter. (Teilweise) ob gewollt oder nicht, denn aktuelle Smartphones sind immer mit beispielsweise (A)GPS, GSM, Bluetooth, RFID und WLAN zur Standortbestimmung ausgerüstet.
So wird seit geraumer Zeit unter anderem bei Facebook automatisch angezeigt, von welchem Ort aus ein Post abgeschickt wurde; es sei denn, man deaktiviert diesen Dienst. Neue Location-Based-Social-Networks sind sogar in der Lage, alle Informationen mit einer aktuellen Position zu versehen, ob dies nun Mitteilungen, Fotos, Videos oder selbst erstellte Point-of-Interests sind. Dabei der mobilen Internetnutzung immer häufiger automatisiert Standorte abgefragt werden, können Unternehmen regelrechte Bewegungsprofile ihrer Kundinnen und Kunden erstellen. Totale Überwachung, Datenschutzszenarien und leergesaugte Akkus seien an dieser Stelle nur als Schlagworte erwähnt, ebenso wie die Option, das dauerhafte Erfassen des Standorts zu deaktivieren. Standortbezogene Dienste scheinen nämlich keineswegs nur ein vorübergehender Trend zu sein.
Die Potenziale der Anwendung werden bisher noch nicht voll ausgeschöpft. Automatisches Bezahlen beim Verlassen einer Bar ist beispielsweise eine bereits heute technisch realisierbare zukunftsweisende Option.
Swenja Wütscher: stichwort Social Bots
Zwischen Trollen als menschliche Akteure und Spam-E-Mails: Social Bots sind Computerprogramme, die eine menschliche Identität vortäuschen und darauf ausgerichtet sind, in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter maschinell erstellte Beiträge wie Kommentare, Antworten oder Meinungsäußerungen zu generieren, um Diskurse zu beeinflussen bzw. zu manipulieren. Technisch gesehen sind die automatisierten Meinungsmacher mit unterstützenden Bots wie Chat Bots oder digitalen Assistenten eng verwandt; sie unterscheiden sich nur in ihrer Zielsetzung. Nicht zu verwechseln sind Social Bots mit den klassischen Bots. Diese Computerschadprogramme laufen auf vernetzten Rechnern – meist ohne Einverständnis der Eigentümerinnen und Eigentümer –, nutzen deren Netzwerkanbindung und lokale Ressourcen sowie Daten; beispielsweise zum Versand von Spam-E-Mails oder DDoS-Attacken.
Social Bots hingegen bergen das Potenzial, das Vertrauen in die Demokratie zu unterlaufen, indem sie unter anderem zur Veränderung der politischen Debattenkultur im Internet beitragen. So lassen sich beispielsweise Fake-Accounts von Social Bots durch einfache Anpassungen leicht skalieren, sodass auf Twitter tausende Accounts geschaffen werden können, die wiederum zehntausende Tweets pro Tag erzeugen. So können Trends, Interessengruppen und Einzelpersonen manipuliert, Influencer Marketing betrieben und Informationen sowie öffentliche Debatten verzerrt werden, da echte Menschen, die mit dem Social Bot kommunizieren, die Meinungsroboter als echte Internetnutzende wahrnehmen.
Die technischen Möglichkeiten zur Enttarnung von Social Bots hinken noch hinterher. Dennoch wird längst an wesentlich intelligenteren Entwicklungen gearbeitet, die es Gesellschaft und Politik erschweren, Roboter und einen Follower aus Haut und Knochen voneinander zu entscheiden.
Swenja Wütscher: Stichwort Qwant
Von Null auf Hunderttausend in Bruchteilen von Sekunden – der Platzhirsch unter den Suchmaschinen Google liefert allerdings nicht nur Suchergebnisse in Hülle und Fülle … er speichert auch nicht unbedingt weniger Informationen über seine Nutzerinnen und Nutzer. Qwant ist eine alternative Suchmaschine, die – so das Versprechen des gleichnamigen französischen Entwicklerunternehmens – keine Nutzerdaten speichert und mit strengen Datenschutzbestimmungen auftritt. Auch bei den Suchergebnissen verhält sich Qwant anders als Google, Bing, My Yahoo! und Co.: keine Cookies, kein Tracking, keine personalisierten Ergebnisse, stattdessen Anonymität, ungefiltertes Suchen, unabhängig von vorherigen Anfragen. Informationen zum Nutzungsverhalten werden per temporärem Sitzungscookie nur für die Dauer der jeweiligen Sitzung gespeichert, es werden keine permanenten Browserdaten von Interessen und Surfgewohnheiten erfasst; das (auf der Startseite offensichtliche) Opt-out für das Trackingtool Piwik muss dafür allerdings per einfachem Klick erst deaktiviert werden.
Wer tatsächlich personenbezogene Suchergebnisse wünscht, kann sich ein Konto anlegen und einloggen – die darüber erhobenen persönlichen Daten werden in Zentren in der EU vorgehalten und unterliegen damit europäischen Datenschutzbestimmungen. Die Ergebnispräsentation bei Qwant ist allerdings etwas gewöhnungsbedürftig, da die Suchmaschine keine herkömmlichen Resultate ausspuckt: Neben der klassischen Spalte zur Suche im NETZ treten die Kategorien NACHRICHTEN – Treffer mit besonders aktuellem Bezug –, SOZIAL–Kommunikation etwa auf Facebook, Twitter, Pinterest oder Tumblr – und SHOPPING. Zudem komplettiert ein eigenes Suchfenster jede Rubrik zur spezifischen Weitersuche. Gesondert werden am oberen Bildrand horizontal Ergebnisse aus Video- und Bilddateien angeführt. Große Orientierungshilfe bietet vor allem die limitierte Ansicht auf 50 Ergebnisse.
Qwant ist damit kein Lexikon mit dem Anspruch auf Vollständigkeit, sondern vielmehr eine Entdeckungsmaschine, ein Katalog, dessen Liste sich endlich scrollen lässt und kein (unübersichtliches) Blättern bedarf. Einzigartig innovativ ist dieses ‚Suchen, ohne gefunden zu werden‘ übrigens nicht, es erreicht allerdings mehr Traffic als die Herausforderer Duckduckgo, Blekko und Ixquick … und bevor jetzt gleich gegoogelt wird: qwant.com, dahinter verbirgt sich auch die deutsche Variante der Suchmaschine!
Swenja Wütscher: stichwort Messenger Kids
Facebook hat eine neue Version seines Messengers veröffentlicht: Messenger Kids, für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren. Zunächst gibt es die App allerdings nur auf Englisch. Im Vordergrund von Messenger Kids steht das Erlernen des Umgangs mit sozialen Medien, daher liefert die App im Grunde auch nicht weniger Funktionalität als die Standard-Version: Einzel-, Gruppen- und Videochats, 3D-Masken, Sticker und laut Anbieter vorgefiltert kindgerechte GIFs. Die Nachrichten kann auch der reguläre Messenger empfangen. Der Unterschied: Ein Account kann nur von den Eltern über deren Facebook-Account angelegt werden. Auch entscheiden die Eltern darüber, in welchem Umfang das Programm nutzbar ist und bestätigen jeden einzelnen Kontakt. Damit also ein neuer Kontakt wie eine Schulfreundin hinzugefügt werden kann, müssen sich zuerst die Eltern via Facebook adden, um dann ihren Kindern die Erlaubnis hierfür zu erteilen.
Klingt kompliziert, ist es auch! Gesendete Nachrichten können nicht gelöscht oder versteckt werden, so dass der komplette Chatverlauf jederzeit für die Erziehungsberechtigten einseh- und nachvollziehbar bleibt. Laut Facebook soll in der App keine Werbung enthalten sein und es würde auch auf die Auswertung der Daten für Werbezwecke verzichtet. Die App ist zwar nicht direkt in das soziale Netzwerk eingebunden, und auch das Mindestalter zur Erstellung eines eigenen Facebook-Profils von 13 Jahren bleibt davon unberührt. Dennoch bedeutet die Nutzung des Messengers eine frühe Bindung potenzieller, zukünftiger Nutzerinnen und Nutzer an die Marke Facebook. Auch löst das Einrichten einer Version für Kinder längst nicht alle Probleme, wie im vergangenen Jahr bei der Videoplattform YouTube Kids, bei der auch nicht kindgerechte Inhalte durchrutschten, erst wieder deutlich wurde. Und auch bei Facebook bleibt die Frage, wie der Konzern Kinder vor potenziellen Gefahren wie Gewaltdarstellung, sexueller Belästigung und Pädophilie bewahren kann, bisher unbeantwortet.
Swenja Wütscher: Stichwort Facebook Home
Nach einer neuen Chronik, einer neuen Ansicht und selbstverständlich ein paar aktuellen Einstellungsänderungen liefert Facebook jetzt direkt ein „3 in 1“-Paket: Startseite, Steuer, Stetigkeit. Die neue App FacebookHome ersetzt nämlich die normale Oberfläche eines Smartphones und bringt Facebook-Inhalte ganz nach vorne, die Kommunikation mit Freunden steht damit im Mittelpunkt der Smartphone-Nutzung. Alle anderen zentralen Anwendungen rücken in den Hintergrund, statt der Uhrzeit erscheinen demnach auf dem Bildschirm Fotos, die Freunde eingestellt haben – direktes Liken, Kommentieren und Nachrichten versenden inklusive. Selbst die Sperrbildschirm-Oberfläche gehört der Vergangenheit an, Facebook Home platziert dort das Neueste aus der Welt der Freundeund Bekannten. Sobald also ein Smartphone eingeschaltet ist, läuft Facebook.
Der Live-Stream ist dauerhaft aktiv, Ein- bzw. Ausloggen sind passé. Mit anderen Worten heißt das: Das neue, mobile Zuhause ist nun das Telefon, alles andere nur eine App. Die Möglichkeit einer solchen Anwendung verdankt Facebook übrigens seinem Konkurrenten Google, dessen Betriebssystem Android offen und zudem noch am weitesten verbreitet ist. Sein iPhone wird nämlich kein User in ein Facebook Home verwandeln können, da Apples Betriebssystem iOS keine Außenstehenden in dessen Privatsphäre eindringen lässt. Denn eines ist klar: Facebook Home ist zwar erst mal nur eine innovative Version eines Sozialen Netzwerkes, gleichzeitig aber auch Pionier für einen neuen Geräteumgang, welcher seinem Entwickler so nebenbei ein Mekka an Nutzerinformationen schenkt.
Wer seine Daten also ab und zu gerne für sich behalten möchte bzw. eine Risikobereitschaft mit gewissen Grenzen besitzt, der sollte die Testläufe vielleicht besser anderen überlassen. Die vermutliche Zielgruppe Generation Facebook wird aber zumindest vorerst schon mal herzlich mit einem werbefreien Startbildschirm begrüßt.
Swenja Wütscher: Stichwort Binge Watching
Ein neuer Volkssport? Die Sucht der Neuzeit? In jedem Falle ist Binge Watching kein Einzelphänomen, sondern ein Trend: das – unschön übersetzte – Komaglotzen oder der Serienmarathon, also das Schauen mehrerer Folgen oder Staffeln einer Fernsehserie am Stück. Das eher neuzeitige Phänomen resultiert aus der zunehmenden Vielfalt an (legalen und illegalen) Video-on-Demand-Angeboten von Portalanbietern wie Netflix, maxdome oder Lovefilm, die – im Gegensatz zum linearen Fernsehen – alle Folgen einer Serie gleichzeitig anbieten und die Fernsehbranche damit verändern, da die nächste Folge nicht mehr eine Woche, sondern nur noch einen Klick entfernt liegt.
Theoretisch sind solche Marathons zwar schon seit der Erfindung der Videokassette möglich und wurden mit den DVD-Boxen enorm erleichtert, aber der Trend des ununterbrochenen Konsumierens avancierte erst mit dem Stream per Mausklick oder Bildschirmberührung. Und jetzt, jetzt wird natürlich gewettert: Binge Watching schade den Einschaltquoten der Sender, die Ungeduld digitaler Konsumentinnen und Konsumenten werde gefüttert, fesselnde Handlungen lassen das Publikum in einen Trance-Zustand verfallen, ganz zu schweigen von den ökonomischen Folgen dieses radikalen Wandels des Sehverhaltens und den ausbleibenden Werbeeinnahmen.
Vielleicht könnte es aber auch sein, dass das Fernsehprogramm und die wöchentliche Stückelung nicht mehr zeitgemäß sind, dass Nutzerinnen und Nutzer durch ihren Konsum Selbstkontrolle lernen (müssen) und dass Fernsehsender sich schneller in Mediatheken verwandeln sollten – weit über gelegentliche Doppelepisoden oder Blockausstrahlungen hinaus. Und dann, dann könnte sich der Kuchen des Binge Watching nicht nur geteilt werden, er könnte sogar schmecken. Anders eben!
Swenja Wütscher: Stichwort: ChatGPT
Ein ironisches Gedicht über Verkehrsregeln, die Erklärung des Satz des Pythagoras in einfacher Sprache oder die Berichtigung eines Programmiercodes – der kostenfreie Chatbot ChatGPT hat für (fast) alle, auch komplexe Fragen oder Probleme eine Lösung. Das Sprachmodell GPT-3 von OpenAI ist die Grundlage des Multitalents, welches auf der Deep-Learning-Technologie basiert. Dabei werden Algorithmen aus mehrschichtigen Netzwerken mithilfe riesiger Datenmengen trainiert, im Fall von ChatGPT mit Textmassen aus dem Internet. Und so kann die KI, wie gewünscht, menschenähnliche Konversationen führen und eine breite Palette an Wissen und Fähigkeiten anbieten. Mit erstaunlichen, teils hochgradig kreativen Ergebnissen.1 Wohlgemerkt, mit Fehlern. Zum einen wurde der Chatbot bisher nur mit Informationen bis Ende 2021 gefüttert, dann endet sein Wissensstand. Zum anderen kann die KI beispielsweise nicht hinterfragen, kritisch denken oder auf unvorhergesehene Situationen reagieren. Antworten liefert ChatGPT dennoch immer stolz.
Als virtueller Assistent hat die KI ein hohes Potenzial, nicht nur für die Bildung. Unter anderem als kreativer Ideengeber, als Textgenerator, als echte Konkurrenz zu Suchmaschinen, für automatisierte Antworten oder Übersetzungen ... aber auch als Manipulator oder Verbreiter von Fake-News mit Datenschutzlücken und Big-Brother-Manier.
Swenja Wütscher: Gewaltinhalte im Netz: Social Media und Gamification verändern die Dynamik
Die Verbreitung und Rezeption von Gewaltinhalten hat sich durch den Einfluss von Social Media und Gamification drastisch verändert. Jugendliche stoßen nicht mehr primär über spezialisierte Websites auf drastische Darstellungen, sondern direkt in Sozialen Netzwerken durch Algorithmen und Hashtags. Das stellt den Kinder- und Jugendmedienschutz vor erhebliche Herausforderungen, so der Report von jugenschutz.net.
Empfehlungsalgorithmen, Hashtags und indirekte Darstellungen in Reaktionsvideos oder Erzählungen tragen zur Verbreitung bei. Plattformen wie TikTok und YouTube verbieten zwar solche Inhalte in ihren Richtlinien, doch Nutzer*innen umgehen diese Beschränkungen geschickt. KI-generierte Inhalte, wie Filmplakate im Stil von Animationsfilmen, und das Nachstellen von Gewaltvideos in Spielen wie Roblox zeigen eine neue Dimension der Verbreitung. Auch Challenges und Gamification-Elemente, die Gewaltinhalte als spielerische Herausforderungen präsentieren, tragen zur Normalisierung und emotionalen Distanzierung bei. Die Anpassung von Jugendschutzmaßnahmen an diese neuen Verbreitungsformen ist dringend erforderlich. Große Diensteanbieter wie Meta und Google untersagen zwar drastische Gewaltinhalte, aber die tatsächliche Kontrolle und Durchsetzung ist komplex. Zudem entstehen immer wieder neue Websites, die ähnliche Inhalte bereitstellen.
Für die medienpädagogische Praxis ist es wichtig, Kinder und Jugendliche über die Risiken aufzuklären und ihre Empathiefähigkeit zu fördern. Eine kritische Einordnung der Gründe für die Verbreitung solcher Videos ist notwendig.
Swenja Wütscher: Sinus-Jugendstudie 2024: Jugendliche besorgt, aber zukunftsoptimistisch
Jugendliche in Deutschland sind stark von globalen Krisen wie Kriegen, Energieknappheit, Inflation und Klimawandel betroffen, dennoch bleibt ihr Zukunftsoptimismus erhalten. So ein Ergebnis der SINUS-Jugendstudie 2024. Trotz ihrer Besorgnis entwickeln viele Jugendliche Copingstrategien und fühlen sich in ihrem Alltag zufrieden, da ihre Grundbedürfnisse gedeckt und sie sozial gut eingebunden sind.
Die Sehnsucht nach einer bürgerlichen Normalbiografie mit festen Partnerschaften, Familie und beruflichem Erfolg ist weiter ein starkes Leitmotiv. Werte wie Zugehörigkeit, Halt und Geborgenheit sowie Nachhaltigkeit sind für viele Jugendliche wichtig. Auch die Akzeptanz von Diversität und Gender-Gerechtigkeit wächst, viele Jugendliche akzeptieren non-binäre Geschlechtsdefinitionen und sind sich der fortdauernden Geschlechterstereotype bewusst.
Diskriminierung wird als alltägliches Problem wahrgenommen, besonders in Schulen. Viele Jugendliche haben Diskriminierung selbst erlebt oder in ihrem Umfeld beobachtet und kritisieren die soziale Ungleichheit sowie die Benachteiligung migrantischer Familien im Bildungssystem.
Das politische Interesse Jugendlicher bleibt begrenzt. Während Themen wie Klimakrise und Diskriminierung wichtig sind, fühlen sich viele von politischen Prozessen nicht ausreichend repräsentiert. Trotzdem befürworten die meisten Jugendlichen das Wahlrecht ab 16 Jahren, auch wenn sie sich nicht immer ausreichend darauf vorbereitet fühlen.
Soziale Medien sind die wichtigste Informationsquelle, trotz der Gefahr von Desinformation. Viele Jugendliche sind sich der negativen Auswirkungen des Social-Media-Konsums bewusst und versuchen, ihn zu regulieren. Sport spielt eine wichtige Rolle in ihrem Leben und dient als Mittel gegen Alltagsstress. Viele berichten von einem guten Gefühl während und nach dem Sport und schätzen Sportstätten als wichtige Orte der Begegnung.
Die Studie wurde vom SINUS-Institut im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung und weiteren Partner*innen durchgeführt und umfasst 72 qualitative Fallstudien mit 14- bis 17-Jährigen in ganz Deutschland. Sie bietet alle vier Jahre wertvolle Einblicke in die soziokulturelle Verfassung der jungen Generation.
Swenja Wütscher: Studie - Wunsch nach mehr Perspektivenvielfalt in Nachrichten
Zwei Drittel der erwachsenen Internetnutzer*innen in Deutschland erwarten von den Nachrichtenmedien eine vielfältige Darstellung aktueller Themen, jedoch sehen weniger als die Hälfte diese Anforderung als gut erfüllt an. Dies sind zentrale Ergebnisse des Reuters Institute Digital News Report 2024. Obwohl die Mehrheit über das aktuelle Geschehen informiert bleiben möchte, zeigt sich ein deutliches Bedürfnis nach mehr Perspektiven.
Das Internet hat das Fernsehen als Hauptquelle für Nachrichten abgelöst: 42 Prozent der Befragten nutzen das Internet primär, lineare Fernsehsendungen liegen knapp dahinter (41 %). Besonders Soziale Medien gewinnen an Bedeutung, wobei 15 Prozent der Befragten und 35 Prozent der 18- bis 24-Jährigen ihre Nachrichten hauptsächlich über Plattformen wie TikTok, Instagram und YouTube beziehen. Kurze Online-Nachrichtenvideos sind ein Trend: 49 Prozent der erwachsenen Internetnutzer*innen sehen sich mindestens einmal pro Woche solche Videos an. Diese Entwicklung unterstreicht die wachsende Relevanz von Bewegtbildinhalten in der Nachrichtenvermittlung.
Die Studie zeigt jedoch auch eine steigende Skepsis gegenüber Nachrichten in Sozialen Medien. Besonders auf TikTok haben 41 Prozent Schwierigkeiten, vertrauenswürdige von unzuverlässigen Nachrichten zu unterscheiden. Insgesamt äußern 42 Prozent Bedenken, Falschmeldungen von Fakten unterscheiden zu können. Vertrauen in Nachrichten hängt laut den Befragten stark von der Transparenz der Medien und hohen journalistischen Standards ab. 74 Prozent legen Wert darauf, dass Medien klar kommunizieren, wie Nachrichten entstehen. Auch eine faire und unvoreingenommene Berichterstattung sowie die Repräsentation verschiedener gesellschaftlicher Gruppen sind wichtige Faktoren für das Vertrauen.
Dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Journalismus wird überwiegend mit Skepsis begegnet. Die Hälfte der Befragten fühlt sich bei überwiegend durch KI erstellten Nachrichten unwohl. Junge Erwachsene zeigen zwar eine größere Offenheit gegenüber KI-generierten Nachrichten, begegnen politischen Informationen aus KI-Quellen aber mit ähnlicher Skepsis wie ältere Befragte.
Der Report basiert auf einer repräsentativen Befragung von fast 100.000 Personen aus 47 Ländern. Die deutsche Teilstudie, durchgeführt vom Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut, befragte rund 2.000 Personen im Januar 2024. Unterstützt wurde die Erhebung von den Landesmedienanstalten und dem ZDF.
Swenja Wütscher: D21-Digital-Index 2023/24: Digitaler Wandel
Die Digitalisierung dringt immer stärker in verschiedene Lebensbereiche vor, doch nicht alle Bevölkerungsgruppen können gleichermaßen davon profitieren. Der D21-Digital-Index 2023/24 wirft einen Blick auf die Anpassungs- und Zukunftsfähigkeit der Digitalen Gesellschaft.
Ein zentrales Ergebnis ist die Erkenntnis, dass trotz des Fortschritts der Digitalisierung eine Skepsis gegenüber ihren Auswirkungen besteht. Schon jede*r Dritte nutzt KI-Dienste wie ChatGPT oder DeepL, jedoch fällt vielen der kompetente Umgang damit noch schwer.
Für die große Mehrheit der Bürger*innen ist Digitalisierung fester Bestandteil des eigenen Lebens. 49 Prozent gehören zur Digitalen Mitte, 35 Prozent zu den Digitalen Profis, 15 Prozent sind Digitale Vermeider*innen. Doch ein hohes Maß an Digitalität allein reicht nicht aus, um auch zukünftig zu den Gruppen der Gesellschaft zu zählen, die besonders vom technologischen Fortschritt profitieren können. So droht neben den Digitalen Vermeider*innen auch die Ablehnende Mitte perspektivisch den Anschluss zu verlieren.
Eine Mehrheit der Bürger*innen wünscht sich mehr Transparenz und Aufklärung, um nachhaltiger digital zu leben. Konkrete Maßnahmen wie ein gesetzliches Recht auf Reparatur digitaler Geräte oder Prämien für nachhaltiges digitales Verhalten werden besonders begrüßt. Die Ergebnisse verdeutlichen die Notwendigkeit einer verstärkten Zusammenarbeit aller Akteur*innen, um die Digitalisierung optimal für eine nachhaltige Zukunft zu nutzen.
Der D21-Digital-Index ist eine Studie der Initiative D21, wird durchgeführt von Kantar und gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Die Studie vermittelt ein Lagebild zur digitalen Transformation.
Swenja Wütscher: Online-Risiken und elterliche Medienerziehung - aus Sicht von 10- bis 14-jährigen
„Meine Eltern haben so eine App, damit können sie halt mein komplettes Handy kontrollieren“ – so ein Zitat aus der Monitoring-Studie ACT ON!. Der aktuelle Bericht, der sich mit der Sichtweise von 10- bis 14-Jährigen auf elterliche Medienerziehung und Online-Risiken befasst, gibt tiefe Einblicke in ihre Bedürfnisse und Anliegen.
Nicht wenige 10- bis 14-Jährige nutzen SocialMedia-Angebote, von deren Nutzung sie laut AGB ausgeschlossen sind. Doch welche Herausforderungen und Bedürfnisse bringt das mit sich? Insbesondere Kinder im Alter von 10 bis 12 Jahren sehen in ihren Eltern vor allem Gatekeeper-Funktionen bezüglich der Medienauswahl und der Kontrolle von Online-Zeiten. Die Ergebnisse zeigen, je plausibler Eltern Entscheidungen und Vereinbarungen begründen können und je besser sie ihre Kinder darin unterstützen, in ihnen einen Nutzen für sich zu erkennen, desto eher lassen die Kinder sich darauf ein.
Gleichzeitig zeigt sich eine gewisse Ambivalenz: Während viele Kinder eine verstärkte elterliche Einbindung begrüßen, fürchten andere eine zu strenge Kontrolle und bevorzugen es, unter dem Radar ihrer Eltern zu agieren. Das Vorhandensein von Parental-Control-Apps wird von einigen durchaus als Einschränkung empfunden, von anderen wiederum als sehr hilfreich angesehen. Diese unterschiedlichen Perspektiven unterstreichen die Komplexität der elterlichen Medienerziehung und die Herausforderung, eine Balance zwischen Überwachung und Freiheit zu finden.
Die Ergebnisse heben damit auch hervor, wie wichtig es ist, Eltern bei der Entwicklung von Medienkompetenz und einem angemessenen Umgang mit digitalen Medien zu unterstützen.
Für die Studie des JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), wurden in den Jahren 2022 und 2023 mit insgesamt 18 Kleingruppen aus unterschiedlichen Bildungs- und Lebenskontexten qualitative Forschungsworkshops durchgeführt. Insgesamt nahmen 78 Kinder und Jugendliche daran teil.
Swenja Wütscher: Qualitätsstandards für Digital Streetwork
Eine vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre in Chats und Communitys, die Zusammenarbeit im Übergang von Online- zu Offline-Begleitung sowie die spezifische Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse junger Menschen in digitalen Lebenswelten sind Schlüsselfaktoren für gelingendes Digital Streetwork – so steht es in den Leitlinien. Die Qualitätsstandards für Digital Streetwork sind ein Meilenstein in der Weiterentwicklung des Arbeitsfelds. Sie dienen nicht nur als Grundlage und Orientierungshilfe für Fachkräfte, Organisationen und Institutionen im Bereich Digital Streetwork, sondern betonen auch die Relevanz von Digital Streetwork in der Jugendhilfe. Herausgegeben wurden sie durch den Bayerischen Jugendring und inhaltlich erarbeitet in Kooperation mit dem JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. Die Entstehung der Qualitätsstandards wurde durch den BJR initiiert und basiert auf einem spezifischen Ansatz, der im Rahmen des Projekts Digital Streetwork in Zusammenarbeit mit dem JFF entwickelt wurde. Das Resultat sind fundierte Empfehlungen, die auf der wissenschaftlichen Begleitung durch das JFF beruhen, gestützt durch praktische Erfahrungen von bis zu 14 Digital Streetworker*innen sowie die Projektkoordination. Darüber hinaus floss ein kontinuierlicher fachlicher Austausch im Landesvorstand des BJR, mit den Bezirksjugendringen und Vertreter*innen angrenzender Arbeits- und Handlungsfelder der Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit in die Ausarbeitung der Standards ein.
Die dokumentierten Standards fungieren als Leitlinien, die eine qualitativ hochwertige Umsetzung von Digital Streetwork sicherstellen sollen. Dies umfasst Aspekte wie die erweiterte Zielgruppenansprache, den gezielten und thematischen Zugang zu Online-Plattformen sowie die Abwägung zwischen digitalen Kinderrechten und Datenschutzvorgaben. Die Qualitätsstandards greifen zudem die Herausforderungen der Arbeit im digitalen Raum auf, insbesondere im Hinblick auf rechtliche Risiken, und ermutigen zu einer gezielten, aber verantwortungsbewussten Risikobereitschaft.
Swenja Wütscher: Online-Video-Monitor 2023
YouTube und TikTok sind nicht nur die beiden meistgenutzten, sondern auch die wichtigsten Kanäle zur Verbreitung eigener Video-Inhalte – so ein Ergebnis des Online-Video-Monitor 2023. Für 28 Prozent aller Online-Video-Anbieter sind diese Plattformen unumgänglich, insbesondere für Anbieter ohne eigene Website/App. Die eigene Website hat stark an Bedeutung verloren, sie ist nur noch für 29 Prozent (2021: 51 %) der Anbieter mit eigener Website/App der wichtigste Verbreitungskanal. Das Publikationsvolumen deutscher Online-Video-Anbieter nimmt weiter zu. 73 Prozent haben mehr Videos veröffentlicht als im Vorjahr. Der Short-Video-Boom wird durch die Befragungsergebnisse bestätigt: 44 Prozent der Online-Video-Anbieter haben in den letzten zwölf Monaten zunehmend kürzere Videos produziert. Der Trend geht zu mehr Live-Streams, hochwertigerem Content bzw. teureren Produktionen. Die Abrufzahlen sind bei 76 Prozent der Online-Video-Anbieter in den letzten zwölf Monate gestiegen; 31 gaben ein deutliches Wachstum an, bei neun Prozent sind die Abrufzahlen gesunken.
Künstliche Intelligenz wird am häufigsten (55 %) als Markttreiber angegeben und hat gegenüber 2021 am stärksten an Bedeutung gewonnen. Rund die Hälfte sieht in verbesserter Infrastruktur weiterhin einen wichtigen Treiber. Der Online-Video-Monitor wird im Auftrag der Landesanstalt für Kommunikation Baden Württemberg (LFK) und der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) von Goldmedia erstellt. Neben Online-Video-Angeboten mit eigener Webpräsenz wurden alle deutschen YouTube-Kanäle (mindestens 500 Abonnements) sowie die größten Facebook-, Instagram- und TikTok-Profile mit in die Analyse einbezogen. Erstmals wurden auch die Aktivitäten von Video-Influencer*innen auf Twitch untersucht.
Swenja Wütscher: Stichwort: Roblox
Auf der beliebten Online-Spieleplattform Roblox, einer Mischung aus Spieleumgebung und Sozialem Netzwerk, können Nutzer*innen eigene Welten erschaffen und mit anderen teilen. Diese reichen von einfachen Bauwerken bis hin zu komplexen Erlebniswelten wie Städten und Freizeitparks. Der Name der Plattform setzt sich aus den Wörtern ‚Robots‘ (Roboter) und ‚Blocks‘ (Blöcke) zusammen und beschreibt das Konzept der virtuellen Spielwelt, die im LEGO-Stil gestaltet ist und an das Spiel Minecraft erinnert. Nach der Registrierung auf der Website erhalten Nutzer*innen einen Avatar, den sie nach Belieben anpassen können. Kleidung und Frisuren stehen kostenlos zur Verfügung, zusätzliche Accessoires können mit der internen Währung Robux erworben werden. Die Erstellung und das Spielen von Spielen sind kostenlos, für spezielle Funktionen und Gegenstände können In-App-Käufe getätigt werden. Das Angebot richtet sich hauptsächlich an Kinder und Jugendliche und wird wiederholt kritisiert: Es gibt Bedenken bezüglich des Datenschutzes. Inhalte sowie die Kommunikation zwischen den Nutzer*innen werden unzureichend moderiert und Verstöße gegen die Community-Richtlinien nicht konsequent genug geahndet. Das integrierte Meldesystem und der Chatfilter scheinen unzureichend zu sein. Das Konzept kann dazu führen, dass Kinder echtes Geld in die Plattform investieren oder kostenpflichtige Mitgliedschaften abschließen. Außerdem werden oft die Erwartungen enttäuscht, mit eigenen Spielen auf Roblox viel Geld zu verdienen, da die Plattform den Großteil der Gewinne für sich behält. Der Anbieter (Roblox Coorporation) betont, dass Sicherheit und Datenschutz ernst genommen werden. Ein erster Schritt in diese Richtung sind die Kontoeinstellungen für altersgerechte Spiele und Limits für In-App-Käufe.
Swenja Wütscher: Queerfeindlichkeit Online
Beleidigungen und Feindseligkeiten – damit werden Menschen, die lesbisch, schwul, bisexuell, intersexuell, transgender sind oder sich auf eine andere Weise nicht-heteronormativ identifizieren (LSBTIQ* oder engl. LGBTIQ*) im Internet häufig konfrontiert. Das zeigt der Report Queerfeindlichkeit online. Hass, Hetze und Gewalt gegen LGBTIQ* im Netz von jugendschutz.net. Insbesondere in Sozialen Medien finden sich ablehnende Kommentare bis hin zu offenen Anfeindungen und Hetze gegenüber LGBTIQ*. Die Ablehnung und Verfolgung queerer Menschen im Internet ist zentraler Bestandteil rechtsextremer und islamistischer Propaganda. Rechtsextreme und islamistische Gruppierungen betrachten nicht-heteronormative Orientierungen und Geschlechtsidentitäten als vermeintliche Bedrohung ihrer ideologischen Vorstellungen von Rollen- und Geschlechterbildern. Der weit verbreitete Hass und die Aufrufe zur Hetze können Kinder und Jugendliche, die damit im Internet konfrontiert werden, in ihrer Entwicklung beeinträchtigen oder sogar gefährden, wie jugendschutz.net in seinem Bericht zeigt. Zum Beispiel könnten sie Ungleichwertigkeitsvorstellungen und Diskriminierung als akzeptabel betrachten oder in Bezug auf ihre eigene geschlechtsbezogene Identität verunsichert oder eingeschränkt werden. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass neben strafrechtlichen Maßnahmen und der Medienaufsicht auch die Anbieter Sozialer Medien ihre Verantwortung wahrnehmen, und Kinder und Jugendliche vor queerfeindlichen Hassinhalten schützen. Grundsätzlich verbieten alle großen Plattformen wie TikTok, YouTube und Instagram Queerfeindlichkeit als Hassrede in ihren Gemeinschaftsrichtlinien – es bräuchte neben niedrigschwelligen und effektiven Meldesystemen noch Mechanismen und Hilfestellungen, die beispielsweise bei der Content-Moderation unterstützen.
Swenja Wütscher: Staffelstabübergabe bei KBoM
Prof. Dr. Sven Kommer und Rüdiger Fries sind die Neuen – der langjährige Sprecher und Mitbegründer der Initiative Keine Bildung ohne Medien (KBoM) Prof. Dr. Horst Niesytound die Sprecherin Katja Friedrich (m+b.com) haben ihnen ihre Sprecherfunktion übergeben.Prof. Dr. Sven Kommer lehrt Allgemeine Didaktik und Medienbildung an der RWTH Aachen. Ausgehend von eigenen empirischen Untersuchungen beschäftigt er sich unter anderem mit der Frage, warum in den meisten deutschen Schulen eine aktive Medienbildung häufig kaum stattfindet. „[…] Reagiert das Bildungssystem auf diese Herausforderungen weiterhin abwehrend, sehe ich die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft als akut gefährdet an.“
Rüdiger Fries arbeitet im Ministerium für Bildung und Kultur des Saarlandes im Referat für Presse und Öffentlichkeitsarbeit als Online-Redakteur und begleitet Medienkompetenzprojekte und die Entwicklung der bildungspolitischen Leitlinien für die Medienbildung im Saarland. Die Schwerpunkte der Arbeit von KBoM liegen für ihn nach wie vor darin, dass einerseits Medienbildung institutionell in Deutschland verankert wird, als auch durch lokale Netzwerke unmittelbar vor Ort praktisch umgesetzt werden kann. Keine Bildung ohne Medien“ strebt eine breitenwirksame, systematische und nachhaltige Verankerung von Medienpädagogik in allen Bildungsbereichen der Gesellschaft an.
Die Initiative versteht sich als Netzwerk, das engagierte Einzelpersonen und Einrichtungen im Feld der Medienbildung zusammenführt, als Impulsgeber für bildungspolitische Aktivitäten zur Förderung von Medienbildung und Anlaufstelle für das Anstoßen regionaler und überregionaler Aktivitäten.
Swenja Wütscher: Stichwort: Lensa
Selfie-Avatare, gemalt von einer künstlichen Intelligenz. Eigentlich gibt es die App Lensa schon seit 2018, das neue Feature ‚Magic Avatars‘ lässt sie nun viral gehen: Nutzer*innen laden 10 bis 20 Selfies in die Anwendung, die daraufhin die eigenen Fotos
nach verschiedenen Kunstwerken und -stilen aussehen lässt – von Ölgemälden über Animes bis hin zu futuristischen Kunstwerken. Der Service ist nicht kostenfrei. Nutzer*innen bezahlen mindestens vier Dollar, um in der Testversion ein Set von 50 KI-Selfies von sich zu generieren. Relativ teuer, wenn man bedenkt, dass die App ihre Datensätze gratis bezieht. Sie basiert auf Stable Diffusion, einem Open-Source-Bildergenerator.
Besonders heikel wird es beim Urheberrecht und Datenschutz. Denn die KI muss mit gigantischen Datenmassen gefüttert werden; dies geschehe auch mit – teilweise privaten – Kunstwerken, Fotos, Grafiken, Comics, Zeichnungen und Animationen aus dem Netz. Das Problematische: Diese Bilder gehören der App nicht, die Urheber*innen erhalten keinerlei Gegenleistung, vielmehr noch haben sie der Nutzung nicht einmal zugestimmt. Dem Gebrauch zu widersprechen ist kaum möglich. Auch das Verständnis von Datenschutz scheint zweifelhaft: Unter anderem geben Nutzer*innen dem Unternehmen automatisch die Erlaubnis, die Bilder zu Werbezwecken zu nutzen, sobald sie ein Lensa-Foto in einem Sozialen Netzwerk hochladen. Darüber hinaus lassen Nutzer*innen-berichte vermuten, dass die App rassistische Stereotype reproduziert und Ableism unterstützt, indem beispielsweise die Haut von PoC heller gemacht wird oder Rollstühle von Fotos entfernt werden.
Neu sind der Hype und die Kritik um KI-Bildgeneratoren zwar nicht, bislang war man nur auf Plattformen wie Midjourney, Dall-E und Stable Diffusion beschränkt – Lensa scheint sich in der breiten Masse durchzusetzen. Künstler*innen fürchten bereits um ihre Existenz, weil Kunst so für alle umsetz- und machbar ist. Die Technologie steht diesbezüglich wohlgemerkt noch am Anfang ihrer Entwicklung.Swenja Wütscher: Studie: Mehr Transparenz von Medienintermediären erforderlich
Transparenzvorschriften sollen die Funktionsweise von Google, YouTube, Instagram und Co. für Nutzer*innen nachvollziehbar machen. Es herrscht jedoch erheblicher Nachholbedarf, wie eine von den Medienanstalten in Auftrag gegebene Studie zeigt.
Für Nutzer*innen bedeutet Transparenz im Netz auch, nachvollziehen zu können, warum ihnen bestimmte Inhalte auf Ergebnisseiten von Suchmaschinen- oder Videoplattformen angezeigt werden. Über 80 Prozent der Befragten sind an solchen Informationen interessiert. Die Suche nach den Transparenzangaben erwies sich bei den untersuchten Medienintermediären Google, YouTube und Instagram aber als schwierig – laut gesetzlichen Vorgaben sollten sie „unmittelbar erreichbar“ sein: Im Vergleich schneidet Google am besten ab, wenn auch nur 16 Prozent die Angaben finden, ohne auf einer der beiden nötigen Navigationsebenen zu scheitern. Bei YouTube sind es elf Prozent. Bei Instagram waren sechs Klicks nötig, nur vier Prozent schafften das, ohne auf mindestens einer der Seiten zwei Mal an der falschen Stelle zu klicken. Dies spiegelt sich in der subjektiven Bewertung der Auffindbarkeit der Transparenzangaben wider. Die Gestaltung des Links (Platzierung, Größe, Erkennbarkeit) wurde bei Google am besten bewertet. Bei der Verständlichkeit der Angaben herrscht ebenfalls Nachbesserungsbedarf: 41 Prozent der Befragten attestierten ein hohes Verständnis nach dem Lesen der beiden Instagram-Texte, 32 Prozent bei YouTube, 20 Prozent bei Google. Die Studie ist eine repräsentative Online-Befragung von 3.000 Nutzer*innen im Frühjahr 2022.
Swenja Wütscher: Stichwort: Poppy Playtime
In dem Survival-Horror-Videospiel Poppy Playtime, einer Hetzjagd durch eine leere Spielzeugfabrik, verteilt die Hauptfigur Huggy Wuggy tödliche Umarmungen. Das im Herbst 2021 für Microsoft Windows veröffentlichte erste Kapitel wurde auf Anhieb zum Erfolg, Versionen für Android und iOS wurden dieses Jahr nachgereicht. Ebenso das zweite Kapitel. Das Spiel richtet sich an Erwachsene, doch mittlerweile kennen selbst kleine Kinder Huggy Wuggy. Für sie ist das Spiel jedoch völlig ungeeignet, auch in der Rolle als Zuschauer*innen. Durch Let‘s-Play-Videos wurde das Aushängeschild des Spiels, eine blaue Figur, die einem Plüschtier ähnelt, über die Gamingszene hinaus bekannt. Auch auf TikTok, Instagram und vor allem YouTube kursieren Videoausschnitte. Huggy Wuggy sieht auf den ersten Blick sogar niedlich aus, verschreckt dann aber durch seine spitzen Zähne und fiesen Absichten. Er jagt, ohne Erbarmen.
Eine offizielle Altersfreigabe für Poppy Playtime gibt es nicht, weil es gestreamt wird. Es ist ein Spiel ohne Blut, Gewalt und ‚groteske Todesfälle‘. Trotzdem können die Bilder bei Kindern zu Angstzuständen führen. Teilweise werden Bilder, Handlungen und Spiele in (Grund-)Schulen weiterverbreitet. Auch YouTuber*innen geben vor, von dem blauen Plüschtier mit gruseliger Visage bedroht und entführt zu werden. Besonders jungen Kindern fällt es oft sehr schwer zu durchschauen, dass es sich um fiktive Geschichten handelt. Die Spielzeugfigur wirkt schlicht beängstigend und kann Kinder sogar nachhaltig sehr verstören. Bereits Anfang des Jahres wurde mehrfach auf das Grusel-Plüschtier hingewiesen, dennoch ist es als Merchandise-Produkt überall zu finden – auf Jahrmärkten, in Kinderzimmern, auf Pausenhöfen; in einigen Kindergärten und Schulen ist dessen Mitnahme bereits verboten worden.Swenja Wütscher: Vobbe, Frederic/Kärgel, Katharina (2022). Sexualisierte Gewalt und digitale Medien. Reflexive Handlungsempfehlungen für die Fachpraxis. Wiesbaden: Springer VS. 220 S., 53,49 €. DOI: 978-3-658-35764-1.
Digitale Medien sind Instrument und Kontext sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Sie müssen bei Übergriffen durch zuvor fremde wie nahestehende Personen stets mitbedacht werden. Ihr Einsatz verstetigt die Belastungen Betroffener und führt zu einer hohen Komplexität von Interventionen.
Die Open-Access-Publikation setzt sich mit Schwerpunkten auseinander wie a) dem Erkennen und Einordnen mediatisierter sexueller Gewalt, b) Eltern-Kind-Konflikten und Belastungen des Familiensystems, c) dem Umgang mit Ängsten und Folgebelastungen oder d) der präventiven Stärkung Heranwachsender im Umgang mit digitalen Medien und mediatisierter sexualisierter Gewalt. Anhand von typischen Fallbeispielen stellen Kärgel und Vobbe Handlungsempfehlungen für einen adäquaten Umgang mit mediatisierter sexualisierter Gewalt dar. Die Empfehlungen sind das Ergebnis des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts HUMAN. Sie wurden unter Beteiligung von Betroffenen sowie Expert*innen aus den Bereichen Recht, Psychologie, Pädagogik und Soziale Arbeit entwickelt.
Die Publikation liefert damit eine umfassende empirische Darstellung der Erscheinungsformen sexualisierter Gewalt – mit Problemerörterungen und Reflexionen anhand konkreter Fallbeispiele sowie Ansätzen für Prävention und (Krisen-)Intervention. Die Handlungsempfehlungen, welche nicht als Handlungsanweisungen oder -leitfäden zu verstehen sind, zeigen Möglichkeiten auf, um innerhalb der gegebenen Rahmenbedingun-gen der Kinder- und Jugendhilfe von mediatisierter sexualisierter Gewalt Betroffenen bestmöglich zu helfen.
Swenja Wütscher: Instagram-Leitfaden für Eltern und Betreuer*innen von Jugendlichen
Privatsphäre verwalten, Stories mit ‚engen Freunden‘ teilen, Schutz vor unerwünschtem Kontakt: In einem neuen Leitfaden finden Eltern und Pädagog*innen Tipps, Erklärungen und Hilfestellungen für eine sichere Nutzung von Instagram.
Die Plattform steht häufig in der Kritik, da sie unrealistische Schönheitsideale fördern oder auch früh den Kontakt mit Cybergrooming oder Pornografie ermöglichen würde. Gleichzeitig ist Instagram seit Jahren sehr beliebt bei Jugendlichen als Inspirationsquelle, aber auch zur Unterhaltung oder als Kommunikationsdienst. Für Erwachsene wiederum ist es oft schwierig, über neue Entwicklungen auf dem Laufenden zu bleiben und einen Einblick in die digitalen Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen zu erhalten, ohne deren Privatsphäre zu verletzen. Hier setzt der neue Leitfaden an: Er enthält Anregungen und Gesprächsleitfäden rund um altersgerechte Mediennutzung sowie einfache Erklärungen zu allen wichtigen Einstellungsmöglichkeiten und Sicherheitsfunktionen auf Instagram. Eltern und Betreuer*innen erhalten wertvolle Unterstützung, um Kinder und Jugendliche zur sicheren Nutzung von Instagram anzuleiten.
Der Leitfaden kann auch von Heranwachsenden (mit Unterstützung) selbst genutzt werden. Screenshots unterstützen die genaue Erläuterung einzelner Schritte. Unter anderem wird so erklärt, wie Heranwachsende Kommentare und Direktnachrichten filtern können.
Entwickelt wurde der 55-seitige Leitfaden von Facebook in Zusammenarbeit mit Expert*innen der EU-Initiativen Saferinternet.at und klicksafe sowie dem Projekt Stop Hate Speech.
https://about.instagram.com/de-de/community/parents
Swenja Wütscher: Jugend-Internet-Monitor 2022
Die Chat-Plattform Discord ist vor allem bei den Jüngeren Österreicher*innen sehr beliebt – so ein Ergebnis des Jugend-Internet-Monitor 2022. 53 Prozent der 11- bis 14-Jährigen nutzen Discord. Erstmals erhoben wurde die Online-Spieleplattform Roblox, die zunehmend als Soziales Netzwerk genutzt wird; ebenfalls vor allem von 11- bis 14-Jährigen.
Ansonsten hat sich im Vergleich zum Vorjahr nicht viel verändert: Die beliebtesten Internetplattformen österreichischer Jugendlicher sind weiter WhatsApp (96 %), YouTube (95 %) und Instagram (81 %). Die Video-App TikTok hat Snapchat eingeholt (beide 70 %).
Bei der regelmäßigen Verwendung ist TikTok unter den Videoportalen sogar an der Spitze: 77 Prozent der Jugendlichen, die TikTok nutzen, geben an, dies täglich zu tun – das sind mehr als beim Zweitplatzierten YouTube (64 % tägliche Nutzung).
Große Unterschiede gibt es weiterhin zwischen den Geschlechtern: TikTok wird von 78 Prozent aller befragten Mädchen und 62 Prozent aller Jungs genutzt. Pinterest von 66 Prozent der Mädchen und 19 Prozent der Jungs. Im Gegensatz dazu stehen die aus dem Gaming-Bereich stammenden Plattformen Twitch (Mädchen 11 %; Jungs 49 %) und Discord (Mädchen 30 %; Jungs 61 %). Ausnahme ist die Spieleplattform Roblox (Mädchen 24 %; Jungs 17 %).
Zwar verwenden nahezu alle befragten Jugendlichen WhatsApp, es werden aber zunehmend auch andere Messenger Dienste genutzt wie Signal (+ 13 %), jetzt gleichauf mit Telegram (25 %). Genutzt werden beide Dienste von allen Altersgruppen gleichermaßen.
Für den Jugend-Internet-Monitor 2022 wurde eine repräsentative Online-Umfrage des Instituts für Jugendkulturforschung durchgeführt. Dazu wurden 400 Jugendliche im Alter von 11 bis 17 Jahren im Dezember 2021 zu ihrer Nutzung Sozialer Netzwerke befragt.
www.saferinternet.at/services/jugend-internet-monitor
Swenja Wütscher: Videospiele in der Corona-Pandemie
Das Spielen von Videospielen hat sich während der Corona-Pandemie positiv auf das Wohlbefinden der Spieler*innen ausgewirkt. So lautet ein Ergebnis einer Online-Umfrage der University of Glasgow. Spiele sind ein angenehmes Mittel, um soziale Kontakte aufrechtzuerhalten, und ein stressabbauender und geistig anregender Ausgleich zu den Auswirkungen der Lockdowns.
Die Corona-Pandemie hat nahezu auf alle Lebensbereiche Einfluss genommen. Solche weitreichenden Veränderungen haben zwangsläufig Fragen zum Wohlbefinden und zur Bewältigung dieser beispiellosen Umstände aufgeworfen. Die Studie (N = 781) untersucht anekdotische Berichte, die darauf hindeuten, dass sich viele während der Pandemie dem Spielen von Videospielen zugewandt haben. Die Zeit, die sie mit Spielen verbringen, hat bei 71 Prozent der Befragten zugenommen. 58 Prozent der Befragten gaben an, dass sich das Spielen auf ihr Wohlbefinden ausgewirkt hat, wobei die überwältigende Mehrheit der Antworten auf positive Auswirkungen hinweist. Sieben Arten, wie Spiele die Spieler*innen beeinflusst haben, wurden herausgearbeitet – wie die Bereitstellung kognitiver Stimulation und Möglichkeiten, Kontakte zu knüpfen, einige Vorteile im Zusammenhang mit der psychischen Gesundheit, einschließlich weniger Angst und Stress.
Es wurde wenig von negativen Auswirkungen auf das Wohlbefinden berichtet. In mehreren Fällen wurden negative Kommentare durch positivere Stimmungen ausgeglichen. Am häufigsten wurde als negativ benannt, dass das Spielen ein Mittel sei, um Zeit zu verschwenden oder weniger produktiv zu sein. Da auch frühere Untersuchungen diese Ergebnisse im Allgemeinen stützen, ist es bemerkenswert, dass die öffentliche Wahrnehmung von Videospielen den Anschluss noch nicht ganz gefunden hat.
www.doi.org/10.1177/15554120211017036
Swenja Wütscher: D21-Digital-Index 2021/2022
Der Gesellschaft fällt es nicht leicht, die Auswirkungen der Digitalisierung auf die ökologische Nachhaltigkeit und die zugrundeliegenden Wirkzusammenhänge einzuschätzen. So ein Ergebnis des D21-Digital-Index 2021/2022. Neben der Untersuchung des Digitalisierungsgrads der Bevölkerung erfasst die Studie in diesem Jahr auch systematisch die Perspektive der Bürger*innen auf digitale Nachhaltigkeit. Das jährliche Lagebild zeigt, dass die deutsche Bevölkerung unterschiedlich gut für die Herausforderungen des digitalen Wandels gerüstet ist. Niedrig Gebildete und Ältere profitieren aus eigener Sicht deutlich seltener von der Digitalisierung und der ‚Digital Skills Gap‘ besteht weiter – höher Gebildete sind deutlich versierter. Nur 56 Prozent trauen sich zu, Desinformationen im Internet zu erkennen, 28 Prozent sehen in Digitalisierung eine Gefahr für die Demokratie.
Ein gutes Drittel der Bevölkerung glaubt, dass die Digitalisierung insgesamt einen eher positiven Einfluss auf die Umwelt hat, für ein weiteres gutes Drittel überwiegen negative Auswirkungen. Den größten Hebel für ökologisch nachhaltigere Digitalisierung sehen 33 Prozent in wissenschaftlichem Fortschritt und neuen Technologien. Deutlich weniger Menschen setzen auf politische Regulierungen oder wirtschaftliche Maßnahmen.
Der aktuelle Digital-Index liegt bei 63 von 100 Punkten (+ 3 im Vergleich zum Vorjahr). Die Generationen Z, Y und X weisen mit 75,72 bzw. 70 Punkten einen hohen Digitalisierungsgrad, Babyboomer*innen und die Nachkriegsgeneration mittlere Werte (58 bzw. 51 Punkte), die Generation bis 1945 (aktuell 76 Jahre oder älter) steht deutlich im digitalen Abseits (27 Punkte). Der D21-Digital-Index ist eine repräsentative Studie der Initiative D21, die Menschen im digitalen Wandel begleitet und aufzeigt, wie die Gesellschaft mit den sich stetig ändernden und wachsenden Anforderungen durch die Digitalisierung zurechtkommt. Durchgeführt wird die Studie von Kantar, gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
www.initiatived21.de/d21index21-22
Swenja Wütscher: appgezockt Pixel Press Floors
Jump’n‘Run, selbstgemacht. Pixel Press Floors ist eine Do-it-yourself-Gamingplattform, bestehend aus zwei Elementen: ein sogenanntes Sketch Kit mit Raster und Anweisungen, um eigene 8-Bit-Spiele zu entwerfen, und die App, um Arbeitsergebnisse aufzuzeichnen, einzusenden und letztendlich zu zocken. Nach Super Mario Bros.-Manier können fünf Level (ein einfaches Level kann in weniger als einer Stunde umgesetzt werden) Pixel für Pixel selbst gezeichnet werden – auf speziell gemustertem Papier, direkt am mobilen Endgerät oder auch in Kombination der beiden; Papierskizzen werden mittels Scanner von der App digitalisiert. Am mobilen Endgerät anschließend noch Funktionalitäten einfügen, Design auswählen, Farben modifizieren … und im Handumdrehen bewegt sich die Wunschfigur laufend und hüpfend durch das Terrain, um am Spielfeldrand angekommen mittels Leiter im nächsten Level zu landen.
Die Nutzerinnen und Nutzer bringen die kreative Leistung, den Rest – also das Programmieren – leistet Pixel Press, so dass die App es ermöglicht, eigene Spiele zu programmieren, ohne auch nur einen einzigen Code anfertigen zu müssen. Voraussetzung sind ein gewisses Geschick beim Zeichnen sowie rudimentäre Englischkenntnisse zum Lesen der (momentan noch ausschließlich) englischsprachigen Anleitung; die bebilderte Legende hilft dabei aber enorm. In der Pixel Press Floors-Community muss (!) das fertige Game schlussendlich dann getauscht werden. Alternativ kann der Programmierschritt aber auch übersprungen und direkt mit Level 1 eines bereits vorhandenen Spiels gestartet werden. Pixel Press Floors ist damit ein faszinierendes Kickstarter-Projekt mit einer erfolgreich-zugänglichen, werbefreien Mission: Jump’n‘Run, selbstgemacht.iOS (kostenfrei | englisch)Android (Juni 2014)
Swenja Wütscher: Familie, Freundschaft, Facettenglanz
Marjaleena Lembcke (2011). Die Füchse von Andorra. Berlin: DAV. Audio-CD. 9,99 €.
„Schönheit hat ja viele Facetten. Wenn ich euch so ansehe, würde ich sagen mindestens vier.“ „Was sind Facetten?“ „Also stell dir einen Diamant vor, der hat doch viele verschiedene Flächen. Und je nachdem wie das Licht auf diese Flächen fällt, sehen sie sehr verschieden aus.“ „Ich glaube das ist ein bisschen kompliziert.“ „Nein. Wir sind aus ein und demselben Stein, aber für Papa glänzen wir ganz verschieden, weil ja das Licht immer wechselt.“ Wir, das sind Jonathan der Kluge, Felix der Nimmersatt, Frederike die Kleine und Sophie die Vernünftige. Gut, Sophie hat eine Doppelrolle, sie ist nämlich auch noch die Älteste der Vierlinge. Um die wilde Großfamilie aber komplett vorzustellen ist da noch Mama Marlene die Vertraute, die den Nachbarskindern Nachhilfe gibt und Papa Jochen der Geschichtenerzähler, der als Taxifahrer seinen Herzen zwar keine regelmäßigen Europaurlaube finanzieren kann, sich aber besonders liebevoll um diese kümmert. Und so nimmt er seine Kinder jeden Abend mit auf Traumreisen.
Er ist einer dieser Väter, der nicht nur über seine eigenen verrückten Träume lachen kann, sondern insgeheim auch ein kleines bisschen daran glaubt, dass diese irgendwann Realität werden. Trotz dieser herzlich-humorvollen Geborgenheit, die sie umgibt, fühlt Sophie sich allerdings einsam. Sehr sogar. Die Zehnjährige träumt daher innig von einer Freundschaft mit ihrer mutigen Klassenkameradin Alice, deren Leben so vollkommen anders als ihres zu sein scheint.Wir schauten dem Vogelpärchen zu, das so fleißig hin und her flog, um seine Jungen zu füttern. Sie wussten genau, was sie zu tun hatten. Und ich, ich hatte Alice immer noch nicht angesprochen. Ich konnte wohl kaum einfach sagen: „Darf ich deine Freundin sein?“. Hmm … Sachen die man am liebsten sagen möchte, sagt man oft nicht. Und Fragen, die man stellen möchte, stellt man nicht. Nach einem Familienurlaub trifft Sophie plötzlich auch noch völlig unvorbereitet mit voller Breitseite das Leben, ihre vertraute Umgebung zerplatzt wie eine Seifenblase: Ihre Mutter scheint auf einmal dauerhaft traurig zu sein, irgendwie abwesend, und schaut durch Personen nur noch hindurch.Ja, sie will sogar nicht mehr ans Telefon gehen, versetzt ihre Nachhilfekinder und kümmert sich nicht einmal mehr ums Abendbrot für die Familie.
Stattdessen liegt sie fast ausschließlich im Bett und wenn sie doch mal aufsteht, dann sitzt sie im Bademantel am Küchentisch, wie ein Gespenst. Sie ging einfach ins Schlafzimmer und machte die Türe zu. Ich wartete, ob sie wieder rauskam, um sich die Zähne zu putzen. Aber sie kam nicht. Ich ging zu den Jungen und setzte mich bei Felix aufs Bett. „Mama ist traurig.“ „Warum denn?“ „Was hat sie denn gesagt?“ „Nichts. Sie ist müde, hat sie gesagt und sie hat nicht mal Zähne geputzt.“So gerne würde Sophie all das Alice erzählen, aber die scheint sie einfach nicht zu beachten. Und so bleibt Sophie ganz allein in ihrer Welt, traut sich einfach nicht über ihre Probleme zu erzählen und geht Alice aus dem Weg. Die sich anbahnende Freundschaft droht an Missverständnissen zu zerbrechen.Von starken Familienbanden über innige Freundschaft und ein ernstes Tabuthema erzählt das Hörspiel Die Füchse von Andorra von zwei Kindern, die erst über Umwege zueinander finden. Mit viel Bedacht im Blick auf die Zielgruppe der ab Achtjährigen befasst sich die berührende Geschichte von Marjaleena Lembcke mit der Krankheit Depression und den Umgang damit. Untermalt wird diese Düsternis von wenig Spannung, von wenig Action. Vielmehr wird das schwierig-unübliche Thema behutsam aufbereitet, mit einer durchgängigen Ernsthaftigkeit, ohne Zeigefinger. Realistisch eben. „Sie hat gar nicht geweint.“ „Vielleicht sind ihre Tränen schon alle?“ „Das glaube ich nicht. Sie wollte nur nicht, dass wir sie sehen.“ Wie ein roter Faden zieht sich eine Botschaft durch das Hörspiel: dass es kein Anzeichen von Schwäche ist, nach Hilfe zu suchen, wenn man sich selbst nicht mehr helfen kann.
Undidaktisch aber glaubwürdig schenken die liebenswerten Charaktere – wie auch schon im gleichnamigen Roman – den Zuhörerinnen und Zuhörern Mut, dass Probleme gemeinsam gemeistert werden können. Die Erzählperspektive ermöglicht es, Sophies kindliche Gedanken wahrzunehmen – auch dank der grandiosen Sprecherin Alexandra Henkel, die die unterschiedlichen Gemütszustände ihrer Figur mit Fingerspitzengefühl und Natürlichkeit greifbar umsetzt. Auf gleicher Augenhöhe reihen sich auch das unbekümmerte Geschwisterteam, der lebensfrohe und fantasievolle, späterbesorgte Familienvater und Ehemann sowie die schwermütig verzweifelte Mutter mit Stimmungsschwankungen und steigender Lustlosigkeit ein. Die Kinderstimmen überzeugen dabei ebenso wie die gestandenen Erwachsenen. Auch dramatisiert die Hintergrundmusik nicht mit großartigen Effekten Hoffnung oder Hilflosigkeit, sondern sorgt für eine warmherzige, gefühlsbetont-ruhige Atmosphäre, indem sie sich mit unspektakulär-sanften und dezent-melancholischen Melodien in die Geschichte einpflegt.
Mehr als zu Recht ist die Hörspielproduktion des WDR und SWR dafür mit dem Deutschen Hörbuchpreis 2012 als bestes Kinderbuch ausgezeichnet worden; und mit dem Auditorix Hörbuch-Siegel 2012/2013. Die Füchse von Andorra werden im 54-Minuten-Hörspiel so magisch-sensibel inszeniert, dass sie ihr Publikum – gleich welcher Altersklasse – zu Tränen rühren und gleichzeitig ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Es ist eben nicht nur die Welt der kleinen Sophie, die da erzählt wird, sondern der Alltag, der hin und wieder an jeder Haustüre anklopft. Der Alltag, in dem Glück manchmal bedeutet, nicht unglücklich zu sein.
Swenja Wütscher: Fahr oder stirb!
„Egal ob Du einen Inch oder eine Meile Vorsprung hast, gewonnen ist gewonnen.” – Das sagen professionelle Rennfahrer. Dementsprechend leben Dom Toretto (Vin Diesel) und sein Team bereits seit zwölf Jahren nach diesem Motto. Seit dem Coup in Rio de Janeiro, bei dem sie das Imperium eines Gangsterbosses gestürzt haben, hat die Crew zudem finanziell ausgesorgt, jedoch mit einer kleinen Schattenseite: Nach jedem von ihnen wird gefahndet, sie leben also alle auf ständiger Flucht und keiner wird jemals wieder in die alte Heimat Los Angeles zurückkehren können; nun gut, an der spanischen Küste lässt es sich bekanntlich auch ganz entspannt leben. Zumindest, bis ein gewisser US-Bundesagent, Luke Hobbs (Dwayne Johnson), eines Tages plötzlich bei Dom vor der Türe auftaucht. Sein einstiger Widersacher kommt diesmal aber in friedlicher Absicht, um ihn um einen Gefallen zu bitten; vom überzeugenden Druckmaterial, welches er in einem Briefumschlag mitbringt, mal abgesehen. „Ich brauche alles, alle Infos die du hast.“ „Die kriegst du, wenn das Team sie bekommt.“ „Kein Team, das muss ich alleine machen.“ „Das ist nicht so einfach. Die Crew, hinter der wir her sind, schlägt blitzschnell zu und verschwindet wieder. Wenn du das alleine machst, wirst du sie nie erwischen. Ich jage den Kerl schon über vier Kontinente und durch zwölf Länder, und glaube mir, das letzte, wonach mir der Sinn steht, ist an deiner Haustüre zu stehen und um Almosen zu betteln – ich brauch deine Hilfe Dom, und dein Team.“Hobbs‘ Deal: Er will die vereinten Kräfte von Dom und seinem Elite-Team, im Gegenzug will er ihnen jegliche Straftaten absprechen. Hobbs ist auf der Jagd nach dem Gangster Owen Shaw (Luke Evans), der mit seiner Gang von Interpol verfolgt wird. Nur mit Dom und seinen Partnern – davon ist der Polizist überzeugt – hat er eine Chance gegen die bestens ausgerüsteten Mitglieder von Shawns Truppe.
Gegen die Kriminellen, die man nur aufhalten kann, indem man sie auf dem Straßenpflaster mit ihren eigenen Waffen schlägt. Eines der Gangmitglieder soll Doms alte – bis dahin von allen totgeglaubte – Flamme Letty Ortiz (Michelle Rodriguez) sein. Während Doms Kumpel Brian O‘Connor (Paul Walker) glaubt, dass es sich bei den Beweisfotos um manipuliertes Material handelt, will sich Dom von der eventuellen Lebendigkeit Lettys doch selbst überzeugen und fliegt postwendend nach London. Bestens ausgerüstet mit neuen und schnellen Autos kommt es schließlich zum Duell zwischen den beiden Rivalen – und auch zwischen dem früher unzertrennlichen Paar Dom und Letty.Für Fast & Furious 6 hat Regisseur Justin Lin das Zepter wieder übernommen und gibt schon zu Beginn des Filmes direkt seine Richtung vor. Selbstgebaute Rennwagen heizen durch die Straßen und machen auch vor dem Gegenverkehr keinen Halt. Ohne Rücksicht auf Verluste schleudern sie unbeteiligte Fahrzeuge auf die Gegenfahrbahn, direkt ihren Verfolgern vor bzw. auf die Kühlerhauben. Lins Werk ist etwas chaotisch, schon fast sadistisch, aber seitdem er mit dem vierten Teil die Fast & Furious-Reihe übernommen und generalüberholt hat, schaltet er in jedem Teil ein paar Gänge höher. Auch dieses Mal bleibt er seiner Linie treu, die Einzelfilme immer stärker miteinander zu verweben, wenn er auch in Teil 6 ein wenig mit den Querverweisen übertreibt. Das üppige Cast liefert dennoch ein adrenalinhaltiges Spektakel, eine Mischung aus einer Fortsetzung der Ocean’s Trilogie, mit einer Prise James Bond und den guten alten Bad Boys. Anders gesagt: Die niveaulose aber unterhaltsame automobile Kriegsführung wird untermalt von leicht bekleideten Frauen sowie markigen Sprüchen und flotten Witzen.
Während die Handlung des Actionfilms sich dem Genre Thriller zweifellos zuordnen lässt, lassen die Dialoge zeitweise doch eher auf eine Komödie rückschließen.Trotz der spektakulären Actionszenen, den teilweise äußerst brutalen Kampfsequenzen und einigen Toten auf der Leinwand ist im Film übrigens fast kein Blut zu sehen. Die Verletzungen nach surrealen Sprüngen von Auto zu Auto von irgendwelchen Brücken mit Zwischenlandung auf Fahrzeugdächern hinterlassen offenbar eher kleine Wehwehchen, etwa so schlimm wie eingerissene Fingernägel.Dennoch, Fast & Furious 6 bietet das, was die Zielgruppe erwartet. Einen Rennzirkus mit spektakulärer Action, Verfolgungsjagden mit einem Panzer und unzählige, schrottplatzreife Autos. Es gibt aber noch mehr. Verbunden durch ihre Liebe zu schnellen Autos werden die Figuren nämlich zu einer Familie, die es zu beschützen gilt. Das Zentrum des Films. Und so schwebt über all den schnellen Bildschnitten, dem prolligen Metallschrott, dem röhrenden Sound und der Technomusik eine Seele. Diese Seele, die Familie, ist es, die den Film so wertvoll macht. Denn genau so sind sie, die glatzköpfigen, aufgepumpten Meister Propper-Protagonisten, die Champagner trinken. In ihren Adern fließt Diesel, aber in ihren Herzen schlägt die Familie. Der Kreis an Personen, für den sie einfach alles tun. Alles. „Man wendet sich nicht von seiner Familie, auch nicht wenn sie es tut.“Es ist der Kodex, nach dem sie leben. Nichts geht über die, die in ihren Herzen wohnen. Inwiefern sich ein solcher Lebensstil aber in der Realität umsetzten lassen würde, bleibt allerdings fraglich. Denn in dieser Familie überwiegen die Bedürfnisse des großen Ganzen und nicht die persönlichen Befindlichkeiten eines Individuums, welches beim Aufopfern für andere Grenzen ziehen sollte.Zweifellos sensationell werden also alle Zuschauerinnen und Zuschauer unterhalten.
Dass aber auch dieser Fast & Furious-Teil wieder bei der seit Teil 3 herabgestuften FSK 12 bleibt, war zwar zu erwarten, dient in diesem Falle aber wohl weniger den Familienmitgliedern. Angesichts der fragwürdig-irrealen Botschaften scheint die Freigabe nämlich weniger auf die altersgerechte Vermittlung wahrer Werte an die jugendlichen Kinobesucherinnen und -besucher abzuzielen, als vielmehr auf einen Profit für die Industrie. Die scharrt bereits mit ihrem neuen gleichnamigen Spiel für iPhone, iPad und iPod in den Startlöchern.Die nächste Grenzerfahrung steht der Action-Familie auf der Leinwand übrigens im bereits angekündigten siebten Teil auch schon bevor. Zumindest wird während des Abspanns von Fast & Furious 6 ein namhafter Kontrahent präsentiert, der Dom, Brian und dem Rest der Familie mit Sicherheit wieder einige ernsthaft-tödliche Probleme bereiten wird.
Swenja Wütscher: Die letzte Seite
So langsam wird mein Finger lahm, denke ich, diese Liste mit Hunderten von Fernsehkanälen ist wirklich supersmart. Bereits drei potenzielle Programmangebote habe ich in meinem Kurzzeitgedächtnis gespeichert, obwohl ich von Buchstabe F bis M die Angebote nur im Turbolauf überflogen habe. Wenn ich nun die Programmtaste meiner Fernbedienung weiter durchgedrückt halten würde – anstatt jeden Kanal per Einzeldruck auszuwählen –, dann würde der Auswahlbalken für mich noch weiter über meine neue Flach-Mattscheibe rattern, aber einen Sinn hätte das wohl nur bedingt. Ich kann bei der Durchlaufgeschwindigkeit sowieso nur hieroglyphenartige Sendernamen erkennen und bis zur letzten Kanalübersichtsseite werde ich wohl in keinem Falle durchdringen.Ich stelle mir gerade vor, wie es wäre, würde ich einmal das Ende des Internet erreichen. Würde mir mein Bildschirm wie aus dem Nichts eine Nachricht einblenden, dass dies die letzte Homepage sei. Dass es keine weiteren Seiten mehr gebe, dass ich meinen Browser nun schließen könne. Es wäre aus und vorbei ... und es wäre doch gleichzeitig so wundervoll, spannend, aufregend!Es würde dann ja sicherlich sowas wie einen Internet-Nachfolger geben, etwas, was ich mir in diesem Augenblick wohl einfach noch nicht vorstellen und adäquat betiteln kann. Es wäre so, wie mit den Schulheften damals.
Die, die ich mir neu gekauft und bei denen ich mir felsenfest vorgenommen habe, diesmal ganz bestimmt alle Hausaufgaben zu machen, ordentlich zu schreiben, immer das Datum zu vermerken und eine saubere Überschrift zu setzen, nichts mit Tinte zu verklecksen, umzuknicken und in keinem Falle eine Seite rauszureißen. Gut, nach einem Monat sah es eigentlich immer wieder genauso aus wie das Heft, das ich weggeworfen hatte, aber dieser Neuanfang hatte für mich dennoch immer die Geister des alten Heftes vertrieben und mir eine notwendige Brise an frischem Wind ins Gesicht geweht, ein Gefühl voller Stolz, es die ersten Seiten ganz in meinem Sinne geschafft zu haben. Und auch wenn ich beim Internet-Nachfolger vielleicht kein weiteres Ende mehr erleben würde, ich hätte doch jetzt die Möglichkeit eines unberührt- reinen Neuanfangs. Jeder von uns. Jede Internet-Surferin, jeder Internetsurfer hätte einen neuen Ausgangspunkt – die Startseite, die er selbst wählt.Schade, dass es so etwas in der heutigen Medienwelt kaum noch gibt. Bücher, Zeitungen, Kassetten, ja selbst CDs setzen sich so langsam aber sicher in die zweite Reihe und nehmen dabei den Geruch mit, der in meine Nase steigt, beim ersten Öffnen eines frischen Notizbuchs, bei dem die Seiten noch ein klein wenig aneinander kleben, der Rücken noch nicht gebrochen ist und die Ecken noch nicht abgeschrammt sind.
Ich für meinen Teil werde sie vermissen, die letzten Seiten, die abschließend neue Geschenke mit sich bringen. Nur sehr wehmütig verlagere ich mein Leben in die unendliche Freiheit, die so gesehen gar keine ist. Denn ein Kapitel in meinem Leben abzuschließen – ganz egal ob digital oder analog –, gibt mir persönlich einiges mehr an Freiheit für einen neuen Abschnitt.
Swenja Wütscher: Das Internet vergisst nichts
Schon zu Kreidezeiten gab es Mobbing unter Schülerinnen und Schülern und auch der Einzug des Whiteboards konnte das nicht eliminieren. Im Gegenteil. Dennnoch war vor einigen Jahren mit dem letzten Pausenklingeln quasi Feierabend mit den Hänseleien. Heute bietet das Internet aber zahlreiche Möglichkeiten, ‚immer‘ sozial zu interagieren, sich mit Freundinnen und Freunden zu verknüpfen und Kontakte zu pflegen. Jeder kann die weltweite Plattform nutzen, um seine Meinung zu äußern – und damit können Jugendliche heute auch zeitlich unbegrenzt und für nahezu jeden sichtbar am virtuellen Pranger stehen. Jeder Internetnutzer, jede Internetnutzerin kann grundsätzlich zum Opfer und auch (sogar teilweise unbewusst) zur Täterin bzw. zum Täter werden. Während der Alltag von Heranwachsenden sich dabei längst zu einem großen Teil online abspielt, sind die damit verbundenen Risiken ihnen häufig weniger präsent.„Tarek engagiert sich für Hilfsbedürftige und arbeitet freiwillig in der Kleiderkammer für Obdachlose und du hast nicht Besseres zu tun als ihn dafür im Internet schlecht zu machen? Ich bin wirklich enttäuscht von dir! […] Ist dir nicht klar, was du mit deinem Kommentar zu Tareks Foto angerichtet hast? Das ist kein Spaß, Mia. Deine Bemerkung war beleidigend, schlimm genug. Aber es war zu erwarten, dass sich andere da dranhängen. […] Mobbing hat an unserer Schule keinen Platz. Das wird Konsequenzen haben.“Erschwerend kommt hinzu, dass Kinder und Jugendliche sich oft in einer Grauzone zwischen legal und illegal bewegen, indem sie die unendlichen Weiten des Internets (aus-)nutzen – und die Erziehungsberechtigten fühlen sich oftmals ohnmächtig.„Ich weiß gar nicht, was ich noch machen soll. Ich hab das Gefühl, ich krieg gar nicht mehr mit, was eigentlich läuft bei meinem Sohn.“Die Polizei hat es sich in der Präventionsarbeit daher zur Aufgabe gemacht, die Sicherheit im Umgang mit digitalen Medien bei Kindern und Jugendlichen und ihren erwachsenen Bezugsanderepersonen zu verbessern. Nicht nur angesichts der vielfältigen Formen von Internetkriminalität ist das eine wichtige Aufgabe, sondern auch aufgrund der Auswirkungen digitaler Abenteuer auf die reale Entwicklung und das reale Verhalten von Heranwachsenden: Alles, was im Netz passiert, bleibt nämlich nicht nur im Netz, sondern alles, was in der Realität passiert, findet sich mit modernen Aufnahmetechniken und -möglichkeiten auch schnell in der unbegrenzten virtuellen Öffentlichkeit. Der Grund dafür ist jedoch nicht immer technischer Natur, vielmehr ist es Unkenntnis, Leichtsinn und manchmal auch Fahrlässigkeit, die gerade jüngeren Internetnutzerinnen und -nutzern zu schaffen macht.
Das Medienpaket Verklickt! Sicherheit im Medienalltag setzt genau an dieser Stelle an. Es vermittelt Jugendlichen ab der siebten Jahrgangsstufe sicherheitsbewusstes Verhalten in ihrer digitalen Alltagswelt, indem es Probleme und Gefahren in Alltagssituationen aufzeigt, die ihnen im Netz begegnen können; und das, ohne Extreme widerzuspiegeln. Dadurch können die jungen Zuschauerinnen und Zuschauer die Inhalte in ihre eigene Lebenswelt transportieren und ihren persönlichen Umgang mit Medien kritisch prüfen. Im Schwerpunkt geht es bei dem Materialpaket um Cybermobbing, Passwortsicherheit, Persönlichkeits- und Urheberrechte sowie Kostenfallen und illegale Downloads. Die Herausgeber Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes wollen – in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) – damit Heranwachsende aber nicht nur auf Gefahren und Straftaten der virtuellen Welt aufmerksam machen, sondern ihnen auch entsprechende Schutzmöglichkeiten an die Hand geben.„Hey Robin, du bist der erste auf meinem neuen Smartphone“ […] „Toll, aber ganz ehrlich, die Kohle für dein Smartphone hätten wir auch für was anderes gebrauchen können“ „Wofür?“ „Mann, du hast letztens an meinem PC dieses Formular ausgefüllt, von diesem Videoportal. Wir haben gesagt 4,99 Euro nicht 89,99 Euro, du Penner. […] Du hast die falsche Flat angeklickt. Ich habe gestern die Rechnung bekommen […], die wollen 89,99 Euro und zwar sofort.“ „Was, ey, das ist doch voll die Abzocke, die machen das mit Absicht. Ich klicke auf 4,99 Euro und dann kostet das viel mehr.“Konkret besteht Verklickt! aus drei Teilen: einem Film, einem Filmbegleitheft in analoger und digitaler Form und Arbeitsmaterialen.
Der knapp einstündige Film ist dabei ebenso in drei Teile zerlegt, die allerdings alle nahtlos ineinander übergehen, so dass die Themen Geteiltes Leid, Geklautes Ich und Verspieltes Vertrauen einzeln aber auch am Stück geschaut werden können – ein gelungener roter Faden! Die moderne Aufbereitung aktueller Inhalte sowie realistischnachvollziehbare (Kumpel-)Dialoge stechen dabei besonders heraus. Auch sind die stereotypen Handlungsstränge – auf manche hätte dennoch verzichtet werden können – nicht außer Acht zu lassen, denn auch diese Verhaltensweisen kommen ja nicht von ungefähr. Außerdem birgt Material, von dem sich die Heranwachsenden im ‚Gespräch danach‘ gerne distanzieren, darüber lästern und abgrenzen wollen – Stereotype geben dazu eine perfekte Vorlage –, einen weiteren starken pädagogischen Wert: Identitätsarbeit! Auch variiert der Einzugskreis um die Stammprotagonistinnen und -protagonisten in den drei Sequenzen, so dass die drei differenzierten, bunten Charakter-Konstellationen für einen größeren Identifikationsfaktor seitens der Zuschauerinnen und Zuschauer sorgen … und damit quasi alle mit ins Boot holen; das Youth- Panel von Klicksafe, welches das Treatment, also die Grundlage für das Drehbuch, fachlich begutachtet hat, hat also ganze Arbeit geleistet.
Alle drei Filmteile haben mit ihren 16 bzw. 18 Minuten übrigens eine adäquate Länge, um diese in einer Schulstunde zu sichten und anschließend besprechen zu können.Unterstützung bietet ein 59-seitiges pädagogisches Begleitheft, das vorrangig für den Einsatz im Schulunterricht konzipiert worden ist – was außerschulische pädagogische Fachkräfte hoffentlich nicht davon abhält, sich davon ebenfalls inspirieren zu lassen. Inhaltlich richtet sich das Heft an der Filmhandlung aus, schwerpunktmäßig aufbereitet in den Kategorien Problemdarstellungen, rechtliche Aspekte, Tipp- Empfehlungen zur Weitergabe an Schülerinnen und Schüler oder auch Eltern, Hinweise für Fachkräfte selbst sowie Impulsfragen. Genügend Ansatzpunkte also, um im Rahmen von Diskussionen oder Projektarbeiten die unterschiedlichen Problematiken bei der Nutzung digitaler Medien vertiefend zu behandeln.Die 30 Seiten Verklickt!-Arbeitsmaterialen – dreiteilig aufbereitet an den drei unterschiedlichen Filmsequenz-Themen – zielen darauf ab, mit den Heranwachsenden Verhaltensregeln und -strategien im Umgang mit (Cyber-)Mobbing innerhalb der Schulklasse zu erarbeiten und orientieren sich in ihrer zeitlichen Konzeption daher auch an Schulstunden.
Das Medienpaket Verklickt! Sicherheit im Medienalltag ist eine reichhaltige Sammlung aktueller ‚virtueller‘ Brennpunktthemen der siebten bis neunten Jahrgangsstufe und damit ein sehr gutes Equipment, um in der Präventionsarbeit die Sicherheit im Umgang mit elektronischen Medien bei diesen Heranwachsenden zu fördern, sie über strafbare Handlungen im Internet sowie Schutzmöglichkeiten aufzuklären und für ihre Veröffentlichungen im Internet von sich selbst oder anderen Personen zu sensibilisieren. Mehr Informationen finden sich unter www.polizei-beratung.de/verklickt – dort kann das Medienpaket bestellt und das Begleitheft runtergeladen werden; das Paket gibt es auch bundesweit an (Kriminal-)Polizeilichen Beratungsstellen.
Swenja Wütscher: Das EmpÖrium schlägt zurück!
Mit Witz und Verstand gegen Stereotype, Vorurteile, Hass und Rassismus – das ist das Konzept einer sechsköpfigen Gruppe junger Berliner namens Datteltäter. Um ihr Publikum über den Islam oder Rechtspopulismus zu informieren und zum Nachdenken anzuregen, haben sie auf YouTube ein neues Satire-Kalifat errichtet. So versucht das muslimisch-christliche Team um Fiete Aleksander wöchentlich den Spagat, über Flüchtlingshelfer und Terroristen zu spaßen – und so Aufklärung zu betreiben.
Swenja Wütscher, verantwortliche Redakteurin von merz, im Gespräch mit Fiete Aleksander.
Swenja Wütscher: Aus 3DS mach 2DS – oder die Nintendo-Familie wächst
Nikolas (32) spielt seit seiner Jugend gerne Computerspiele, begonnen hat es damals mit der Spielekonsole Super Nintendo und dem Game Boy. Diese beiden Oldtimer hat er selbst während seiner Studienzeit noch gerne hervorgekramt, wenn sie auch schon modernen Zuwachs in Form einer Playstation erhalten hatten. Sein Sohn (5) sammelt derzeit seine ersten Konsolenerfahrungen mit der Nintendo 2DS. „Abgesehen davon, dass er einen riesen Spaß daran hat, mit seiner Konsole zu spielen, erlebe ich, wie mein Sohn motorisch und kognitiv gefordert wird!“ Seit etwa einem Jahr hat Nintendo ein neues Familienmitglied, die Handheldkonsole 2DS. Laut Nintendo soll diese Portfolio-Erweiterung an Handhelds die Leute ansprechen, die sie lieben. Gemeint sind damit insbesondere Kinder unter sieben Jahren.
Genau deshalb erscheint die neue Einsteiger-Konsole auch in einem neuen Design: die beiden Bildschirme sind übereinander angeordnet, es gibt keinen Deckel mehr, die Konsole tritt dadurch robuster und weniger filigran in Erscheinung. Wie bereits beim Vorgänger 3DS fungiert der untere Bildschirm als Touchscreen und das Wesentliche spielt sich auf dem oberen Display ab. „Ich finde den Multitasking-Aspekt der Konsolehervorragend. Mein Kurzer schaut auf zwei Bildschirme und steuert dazu mit beiden Händen Steuerungsknöpfe. Nach und nach hat er dabei sogar selbständig herausgefunden, dass er beim Spielen auch die Bildperspektive wechseln kann, indem er nochmals andere Knöpfe und Schieber betätigt – wie das Schiebepad, das eine 360-Grad-Steuerung hat, und es damit ermöglicht, Spielewelten aus jedem Winkel zu entdecken. Dazu kann er die Konsole per Touchscreen, aber auch mit einem Stift bedienen. Für mich bedeutet das, dass er beim Zocken lernt, einen Stift zu halten und gleichzeitig auch Touch-Displays mehr oder weniger koordiniert zu bedienen.“ Auch wird jedes Kippen der Handheld durch Bewegungs- und Beschleunigungssensoren registriert, was eine uneingeschränkte Interaktivität mit sich bringt. Zudem können alle Spiele, die jemals für eine der DS-Konsolen erschienen sind, auch auf der neuen Konsolenedition erlebt werden, nur eben nicht – wie beim Vorgänger 3DS – in 3D.„Kinder unter sechs Jahren sollten sowieso noch keine 3D-Funktion verwenden. Beziehungsweise ist das ja nicht so ganz bewiesen.
Es soll jedenfalls nach manchen Untersuchungen schädlich sein und mit dem 2DS so muss ich nun keinesfalls in Kauf nehmen, dass das Sehvermögen meines Sohns beeinträchtigt werden könnte.“ Einzig Super Mario 3D Land macht auf dem 2DS keinen Spaß, da der 3D-Modus für einige Rätsel benötigt wird. Aber bei den meisten 3DS-Spielen ist die stereoskopische Darstellung ohnehin nur Gimmick. Wie mittlerweile alle modernen Spiele-Geräte bietet auch der Nintendo 2DS Einstellungsmöglichkeiten hinsichtlich des Jugendmedienschutzes. So lassen sich beispielsweise nicht-altersgerechte Spiele sperren bzw. mit diesen Einstellungen erst gar nicht anzeigen. Die Spiele selbst sind – seit April 2003 gesetzlich verpflichtet – mit Altersfreigaben versehen. Diese Kennzeichen geben jedoch keine Auskunft über die tatsächliche ‚Spielbarkeit‘ ab diesem Alter. Auf Basis der USK-Freigaben hat auch Nikolas für seinen Sohn eine Altersbeschränkung eingerichtet, um so die Kontrolle besser behalten zu können. „Das ist eigentlich ganz einfach. In den ganz normalen Systemeinstellungen kann man eine Altersbeschränkung festlegen.
Das System erfordert zuerst die Einrichtung einer vierstelligen Geheimzahl. Zusätzlich legt man danach noch eine geheime Frage fest, mit der man ebenfalls Zugriff auf die Altersbeschränkungen hätte, auch wenn man seine Geheimzahl vergisst. Es ist also wie bei jedem gewöhnlichen Passwort. Danach konnte ich dann zwischen verschiedenen Altersfreigaben entscheiden. Schade finde ich allerdings, dass die Altersbeschränkung nur für die 3DS-Software gültig ist. Das heißt, dass meine älteren Spiele, die sich auf dem 2DS auch abspielen lassen, damit nicht gesperrt werden können.“ Mittels des Passworts können auch noch weitere Bereiche der Konsole eingeschränkt oder komplett gesperrt werden. Da Kinder und Jugendliche besonders beim Spielen via Internet mit problematischen Kontakten konfrontiert werden können, sollten sich Eltern auch immer schon vor der ersten Inbetriebnahme mit den Online-Fähigkeiten des Geräts auseinandersetzen. Und das sind beim Nintendo 2DS einige. „Ich habe auf unserer 2DS das Internet und Konsorten komplett deaktiviert. Es gab zwar viele einzelne Parts, aber ehrlich gesagt konnte ich damit wenig anfangen. Von wegen Internet, Shop, Streetpass, Miiverse und Co. Und bevor es dann hier und da doch wieder Lücken gibt, habe ich es eben komplett gesperrt. Also kein Internet, kein Shop, kein Miiverse, keine Downloads. Das volle Paket eben. Und das gilt bei uns dann für jedes Familienmitglied.“
Neben den Spielfeatures hat der 2DS auch noch zwei Kameras auf der Rückseite, die Fotos und Videos in 3D aufnehmen können. Das erscheint allerdings wenig sinnvoll, denn räumlich lassen sich die Bilder auf der Konsole nicht betrachten. Außerdem ist die Qualität sowohl in der Schärfe als auch in der Farbpräsentation eher unbefriedigend bis mangelhaft. Der Akku der Konsole ist solide. Er würde zwar keinen Langstreckenflug überstehen, aber dafür wurde er auch nicht konzipiert. Wenn auch die Konsole so gut in der (Kinder-)Hand liegt, als dass gerne für Stunden gespielt werden kann. Das beiliegende Netzteil zum Aufladen des Akkus ergänzt seine Lebensdauer damit zur vollen Zufriedenheit. „Wir haben uns mittlerweile sogar ein zweites Gerät zugelegt. Das Tolle daran ist, dass man beispielsweise bei Mario Kart auch zum gemeinsamen Zocken mit zwei Konsolen nur einmal das Spiel selbst benötigt. Der Spielspaß hingegen verdoppelt sich. Spätestens wenn diese urtypische Nintendo-Musikuntermalung ertönt, strahlt mein Herz immer. Natürlich ist sie nicht mehr im 8-Bit-Stil, aber der Sound ist noch derselbe. Gut, ein wenig könnte das natürlich auch an der Qualität der 2DS Lautsprecher liegen …“ Der Preis der Konsole scheint allerdings sein echtes Manko zu sein.
Mit einer unverbindlichen Preisempfehlung von 130 Euro (3DS 170 Euro) überschreitet er die Hundertermarke und damit eine gewisse Schmerzgrenze für ein Spielzeug für Kinder deutlich. Auch der nur sehr geringe Preisunterschied zum Vorgängermodell – bei welchem der vermeintlich bedenkliche 3D-Modus komplett deaktiviert werden konnte – ist dabei nicht förderlich. „Ja, die Konsole ist teuer. Aber mein Smartphone, mein Tablet oder sonstige technische Geräte sind nicht günstiger. Der 2DS ist ein gutes, solides Einsteigergerät. Zielgruppe Kinder. Und günstiger als der 3DS. Mein Sohn hat auch bereits verstanden, dass er das Gerät nicht überall mit hinnehmen kann. Und mit einem Augenzwinkern kann ich auch sagen: Dank seines Formats passt der 2DS auch in keine Hosentasche und landet damit auch nicht so schnell versehentlich im Sandkasten.“
Swenja Wütscher: Auf den Hund gekommen
Er selbst, eine kalte Schnauze auf vier Pfoten, gilt als äußerst treuer Begleiter, doch seinen eigenen treuen Weggefährten hat Dackel Darius verloren. Besser gesagt hat das Schlappohr seinen Knochen selbst vergraben, hat aber nicht den blassesten Schimmer, wo auf dem Bauernhof sich sein Herzstück nun befindet. Glücklicherweise hilft ihm sein Freund Mops Moritz, den verschwundenen Leckerbissen wiederzufinden. Dazu lädt die interaktive Kinderbuch-Spiele-App Dackel Darius sucht seinen Knochen Vorschulkinder ein, Darius auf seiner Knochensuche zwischen Hühnerstall, Traktor und Pferdekoppel ebenfalls behilflich zu sein. Spielerisch lernen die Kleinen dabei die Welt eines Bauerhofs mit seiner vollen Tier-, Obst- und arbenpracht pädagogisch sinnvoll kennen. Sie erfahren beispielsweise, wo Milch, Eier und Wolle herkommen, dass Pferde den Menschen früher bei der Feldarbeit geholfen haben und was der Unterschied zwischen einem Hengst und einer Stute ist. Zudem sind fünf kleine Aufgaben in die Geschichte integriert, die das Gehörte bildlich abfragen. Die Konzentration, Sprach- und Hörmerkfähigkeit sowie die auditive Wahrnehmung werden dadurch unbewusst trainiert. Durch Farbund Positionswechsel der Geschichten- und auch Spieleelemente bei jedem Neustart wird zudem der Lerneffekt erhöht, die Aufmerksamkeit durch Neues aufrechterhalten und dem Auswendiglernen erfolgreich entgegengewirkt. Zwar besitzt die Kinderbuch-App dabei durchweg liebevoll-detaillierte Illustrationen, die durch gezieltes Einsetzen von einigen wenigen Animationen einer visuellen Überreizung vorbeugen und damit die Aufmerksamkeit nicht verteilen, die Bedienung der Anwendung verlangt Vorschulkindern allerdings eine zu große Portion Vorwissen oder zumindest eine Intuitionsstärke ab. So ist die Abbildung einer Hundehütte in der Menüzeile nur für versierte Nutzende selbsterklärend ein Home-Button, der zur Startseite der App zurückführt, und ein nach links beziehungsweise rechts gerichteter Dackel ein Zeichen für Vor- und Zurückblättern. Auch ist die Abbildung eines Hundes, welcher bei Berührung seine Sprechblase zwischen „WAU“ und „PSSST“ wechselt, auf der App-Startseite zwar niedlich, sie verlangt der Zielgruppe der Vorschulkinder aber sowohl eine eigentlich nicht unbedingt vorhandene Lesekompetenz wie auch eine gute Deutungskompetenz – „WAU“ bedeutet „App-Ton an“ – ab, ohne zumindest direkt akustische Unterstützung zu liefern. Diese Navigationsverwirrung durch zwar äußerst kreative, aber inhaltlich zu anspruchsvolle Symbole zieht sich durch die gesamte Anwendung und resultiert daher in der zwingenden Notwendigkeit einer – nicht vorhandenen – App-Bedienungsanleitung; teilweise übrigens auch für erwachsene Nutzende. Grundsätzlich sind die Ein- und Ausschaltfunktion der Erzählstimme sowie der Bilder- und Lesemodus der Kinderbuch-App dennoch besonders hilfreich, um beispielsweise gemeinsam die Bilder anzusehen und durchzusprechen oder die Geschichte als Gute-Nacht-Lektüre vorzulesen. Aber auch die Anwendung selbst kann sich hören lassen, da es erkennbar professionelle Sprecherinnen und Sprecher sind, die Dackel Darius und seinen tierischen Freundinnen und Freunden ihre Stimme geliehen haben.
Die Art ihrer Aufbereitung spricht dabei Jungen und Mädchen gleichermaßen an. Neben dem Geschichtenmodus – ob selbst gelesen, vorgelesen oder angeschaut – können die 19 vorhandenen Illustrationen je nach Altersstufe in einem separaten Spielemodus auch in zwei Schwierigkeitsgraden gepuzzelt werden; mit wahlweise sechs oder zwölf Puzzleteilen. Leider ist auch diese nützliche und sehr gute Auswahloption nur zufällig – oder gar überhaupt nicht – aufzufinden. Auch ist es in dem gut durchdachten Konzept der App zwar ein Herzensanliegen, die Merkfähigkeit zu trainieren, dennoch wäre es sinnvoller, die Instruktionen der Spiele würden während der Durchführung zum Nachlesen stehenbleiben, um unnötige Frustrationen zu vermeiden. Auch die Instruktionsvorgänge selbst könnten expliziter beschrieben sein. Neben der Anweisung „Hilf den Hunden durchs Maisfeld-Labyrinth zu laufen“ wäre beispielsweise eine Beschreibung, wie genau dies zu tun ist, hilfreich. Eine anderes Gimmick wiederum sticht aus der Anwendung positiv hervor: Zur Einübung von lokalen Präpositionen wie auf, neben, unter oder zwischen, ist auf jeder dieser Abbildungen nämlich zusätzlich noch eine Maus versteckt. Deshalb eignet sich die Kinderbuch-App auch zur Unterstützung sprachtherapeutischer und logopädischer Behandlungen.
Bei Dackel Darius sucht seinen Knochen wollen also Früchte und Tiere benannt, ein Labyrinth durchquert und Präpositionen zugeordnet werden, ohne dass Langeweile einkehrt. Erfolgreich. Denn mit den Abstrichen einiger, auch ernüchternder Eingewöhnungsminuten zur Bedienung, bietet die Kinderbuch-App ein erfolgreich gut durchdachtes Konzept mit emporragendem, pädagogischem Mehrwert auf allen unterschiedlichen Ebenen: im Erzählermodus, im Lesemodus und im Bildermodus ... vor allem durch (klitze-)kleine, interaktive Elemente, wie dem Belohnungspiepsen, das beim Auffinden der versteckten Maus auf den Illustrationen ertönt. Auch die angedachte Zielgruppe der Drei- bis Sechsjährigen wird – nicht nur durch die Hauptfigur eines Hundes, den sich besonders viele Kinder in dieser Altersgruppe wünschen – durch die Aufbereitung angesprochen, sei es nur durch kleine, versteckte Zusatzgeräusche und -Animationen, die erfahrene Kinder auf Bilderbuch-Bildschirmen suchen und auf diesem finden können. Dass die Anwendung nicht nur unter iOS, sondern auch unter Android läuft, ist ebenso eine Besonderheit, da die meisten Apps nicht für den Gebrauch auf einem Google-Smartphone ausgerichtet sind.
Diese Anwendung ist mit absolut identischen Versionen verfügbar für iPhone, iPod touch, iPad, Android-Smartphones und Tablet-PCs. Zu einem Preis von 1,79 Euro steht das Kinderbuch in den deutschen App Stores zum Kauf bereit. Angemessen sind diese Kosten unter anderem auch deshalb, da die Macherinnen und Macher von Dackel Darius den Hund up-to-date halten. Ein schönes, lobenswertes Update hat das Schlappohr auch bereits spendiert bekommen, Version 2.0. In dieser wurde unter anderem aus Rücksicht auf kleinere Nutzende die Swipe-Funktion deaktiviert, um ungewollten Seitenwechseln vorzubeugen.
Swenja Wütscher: ARD/ZDF Onlinestudie 2014
Die Internetnutzung steigt weiter an, jede zweite Onlinerin bzw. jeder zweite Onliner greift auch von unterwegs auf Netzinhalte zu, diese mobile Nutzung wird durch mobile Endgeräte und die steigende Nachfrage nach Fernsehinhalten im Netz angetrieben – das sind die zentralen Ergebnisse der mittlerweile 18. ARD/ZDFOnlinestudie 2014. Zwar ist das Fernsehen bei den Älteren mit einer Sehdauer von stolzen 244 Minuten am Tag nach wie vor Leitmedium, das Internet holt aber – in allen Altersschichten – auf; wenn auch mittlerweile eher moderat: 55,6 Millionen Deutsche ab 14 Jahre sind heutzutage online und damit (nur) 1,4 Millionen mehr als im Jahr 2013. Für Dynamik sorgen der Erhebung zufolge vor allem die Seniorinnen und Senioren. Fast jede bzw. jeder Zweite der Generation 60plus ist mittlerweile online. Im Vergleich zu anderen Staaten der Europäischen Union, in denen zum Teil mehr als zwei Drittel der Senioren online sind, liegt Deutschland damit im Mittelfeld.
Generell ist auch weiterhin nicht davon auszugehen, dass die Internetdurchdringung in Deutschland sehr schnell ein ‚skandinavisches Niveau‘ mit 95 Prozent Internetnutzerinnen und -nutzern in der Bevölkerung erreichen wird. Bei den 14- bis 29-Jährigen ist das Internet mit 233 Minuten Nutzungsdauer pro Tag bereits auf Platz 1. Fernsehen liegt mit 128 Minuten (134 Minuten im Jahr 2013) deutlich dahinter.Unterwegs geht inzwischen jede zweite Internetnutzerin bzw. jeder zweite Internetnutzer mittels Smartphone oder Tablet online. 2012 waren es gerade einmal 23 Prozent, im vergangenen Jahr 41 Prozent. Durchschnittlich verbringen Internetnutzende in Deutschland täglich 166 Minuten im Netz, wobei die mobile Nutzung mit 195 Minuten über dem Durchschnitt liegen. Auch wächst die Beliebtheit des TV-Konsums via Internet: 32 Prozent der deutschen Erwachsenen nutzen 2014 die Mediatheken der Fernsehsender, 2013 waren es 28 Prozent. Unter den 14- bis 29-Jährigen, ist vor allem das zeitversetzte Fernsehen beliebt (53 Prozent). Von ihnen nutzt fast jeder zweite die TV-Mediatheken (42 Prozent). Insgesamt machen TV-Online-Angebote zwar nur rund acht der 248 Minuten durchschnittlicher Internet-Nutzung aus, trotzdem ist ein Wachstum erkennbar; waren es nur fünf Minuten im Vorjahr. Demnächst werden etablierte Fernsehsender damit gegen Online-Medien bestehen müssen. Zwar verwenden nur 13 Prozent der deutschen Internetnutzenden Video- Streamingangebote, in der Gruppe der 14- bis 29-Jährigen sind es aber bereits 26 Prozent; fünf Prozent mehr als noch 2013.
Mit anderen Worten: Nur noch für jeden zweiten Jugendlichen zählt das lineare Fernsehen über Kabel, Satellit oder Terrestrik zum täglichen Ritual. Gerade das Nutzungsverhalten der Jugendlichen ist damit ein Indikator für den fortschreitenden Wandel des Mediennutzungsverhaltens – und die damit einhergehende Bedeutung für Fernseh- und Radioanbieter, ihre Inhalte als Marken zu etablieren.Für die Studie wurden im März und April bundesweit repräsentativ 1.814 Erwachsene befragt.
www.ard-zdf-onlinestudie.de
Swenja Wütscher: Arbeitsblätter, Linkliste, Lernmodule
„WWW steht für World Wide Web, das ist Englisch und bedeutet weltweites Netz. Hier gibt es viele Millionen Internetseiten aus der ganzen Welt und bei den meisten weißt du nicht, wer sie gemacht hat. Viele sind in anderen Sprachen, die du vielleicht nicht verstehst, andere sind für Experten oder Fans gemacht, manche sind seit Jahren nicht aktualisiert worden oder doppelt vorhanden, andere total langweilig. Es ist auch für Erwachsene schwierig, sich im Web zurechtzufinden. Nicht alles was im Internet steht ist wahr, du darfst nicht alles glauben, auch Bilder können täuschen oder gefälscht sein.“ Kinderzimmer sind Medienzimmer, doch auch bereits im Grundschulalter nutzen Kinder diese Medien nicht mehr nur noch zum Spielen. Am Computer beginnen sie beispielsweise sich im Netz zu informieren oder mit Hilfe von Web 2.0-Anwendungen zu kommunizieren; ob mit oder ohne Anleitung seitens der Familie oder pädagogischer Fachkräfte.
Die didaktische DVD Medien sinnvoll nutzen nimmt sich den Themen Mediennutzung, Regeln für Chat und E-Mail, sichere sowie unsichere Seiten und fiese Tricks im Web an. In einem elfminütigen Hauptfilm werden also Potenziale und Gefahren des Internets aufgezeigt. „Downloads können Geld kosten oder du kannst damit die sogenannten Urheberrechte von anderen verletzen. Schau her, ich erkläre es dir: Ein Urheber ist keiner, der eine Uhr hochstemmt, sondern einer, der beispielsweise ein Musikstück, ein Video oder ein Foto gemacht hat. Ihm gehören dann auch die Rechte am Foto. Nicht jeder darf es einfach so verwenden. Der Rechteinhaber muss gefragt werden.“ Das Abspielen des Lehrfilms kann wahlweise mit und ohne Untertitel erfolgen, allerdings ist die Dauer der Einblendungen nur für versierte Leserinnen und Leser adäquat. Die angedachte Zielgruppe der Grundschulkinder kommt bei dem Tempo keinesfalls beim Mitlesen mit; abgesehen davon ist zeitweise zu viel Text im bewegten Bild, das Halten der Aufmerksamkeit auf ein Element beziehungsweise den richtigen Fokus zu legen, wird dadurch enorm erschwert. Neben der einzelnen Kapitelauswahl im übersichtlichen DVD-Menü befindet sich Zusatzmaterial auf dem DVD-ROM-Teil: Pädagogischen Fachkräften stehen dort Arbeitsblätter in unterschiedlichen Bearbeitungsformaten zur Verfügung, um den kurzweiligen Film in Einzel- oder Teamarbeit mit wenig Vorbereitungszeit intensiv nachbereiten zu können.
Der Bogen, den dieses Arbeitsmaterial durch eingearbeitete, personalisierte Fragen spannt, ist äußerst positiv zu bewerten. Den Grundschulkindern wird dadurch spielend die direkte Thematisierung und Verarbeitung persönlicher Erfahrungen ermöglicht; mit Fokus auf negativ eingestufte Erlebnisse. Dass allerdings zeitweise mehrere Fragen auf einmal gestellt werden ist schade, da so Antworten leichter missinterpretiert und einzelne Fragestellungen unbeabsichtigt unbearbeitet bleiben können. Auch die parallele Verwendung der Begriffe Web und Internet birgt Verwirrungspotenzial. Während eine auch vorhandene Linkliste das Beschaffen von weiteren Materialien zudem vereinfacht, ist das spezifische Glossar nur eingeschränkt hilfreich. Inhaltlich schwankt das Niveau der Begriffserklärungen so stark, dass die eigentliche Zielgruppe – ob Grundschulkinder oder pädagogische Fachkräfte – des Dokuments nicht ersichtlich wird. Der Wortschatz selbst ist darin teilweise mit zu vielen Fremdwörtern versehen, „Grafikdateien konvertieren“, oder Bedeutungen werden zu umständlich formuliert, wie „eine zeitgleiche Kommunikation durch das Austauschen von Textnachrichten zwischen mindestens zwei Personen“. Einmal missfällt die Erklärung komplett, durch unspezifisch-unvollständige Beschreibungen: „Als digitale Medien werden elektronische Trägersysteme zur Informations- und Bildvermittlung bezeichnet. B
eispiele sind Digitalradio, digitales Fernsehen, Internet und Mobiltelefon. Den Gegensatz dazu bilden analoge Medien.“ Die analogen Medien werden nirgends weiter erläutert. So weicht das Zusatzmaterial in einzelnen Teilen stark von der Qualität des Lehrvideos ab. „Weißt du was ‚Downloaden‘ deutet? Das Wort ‚downloaden‘ ist Englisch und heißt ‚herunterladen‘, also etwas auf deinem Computerspeichern. Spiele, Musik, Klingeltöne fürs Handy, Videos, Bilder – du kannst viele Dinge im Internet herunterladen.“ Das Lehrvideo selbst nutzt seine Kanäle hervorragend aus. So werden Erklärungen wie auch Erzählungen durch das Bildmaterial nicht nur ansprechbar aufbereitet, sondernauch explizit hilfreich unterstützt, wie durch das Zeigen eines Downloadvorgangs in einfach nachvollziehbaren Schritten. „Es ist gut, für die Nutzung von Fernseher, Spielen, Handy und Computer klare Regeln in der Familie aufzustellen. Beispielsweise wie lange und was du im Fernsehen anschauen darfst oder wann du das Handy benutzen darfst. Oder wie lange und vor allem was du am Computer tun darfst – nicht alle Sendungen im Fernsehen sind für Kinder geeignet.“ Zusammenfassend ist das Grundschullehrmaterial, das seine Zuschauerinnen und Zuschauer mit ‚du‘ anspricht, auch durch seinen konsequenten ‚Sendung mit der Maus‘-Videostil ein empfehlenswertes DVD-Paket.
Didactmedia hat mit diesem erneut didaktisches Unterrichtsmaterial zusammengestellt, welches pädagogische Fachkräfte, Eltern wie auch Schülerinnen und Schülern für ein aktuell brisantes Thema liebevoll sensibilisiert und darüber aufklärt, ohne dabei Längen oder einen böse-erhobenen Zeigefinger aufzuweisen. Die medienpädagogische Nachhilfe ist übrigens für angemessene 48,90 Euro käuflich zu erwerben; einige kommunale Medienzentren halten die DVD sogar kostenfrei zur Sichtung bereit.
Swenja Wütscher: Faszination Medien
Bundeszentrale für politische Bildung/Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e. V./Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF:
Faszination Medien.
Ein multimediales Lernangebot für Schule und Jugendarbeit. DVD-Rom, 7 €.„Schau nicht so viel fern. Warum musst du den ganzen Tag am Rechner sitzen? Diese Spiele machen Dich süchtig. Trefft Euch lieber mal, anstatt nur auf Facebook rumzuhängen“ – das ist sie also, die faszinierende Welt der Medien. Jedenfalls, wenn sie auf den Warnungs-, Vorwurfs- und Kontrollalltag von Jugendlichen runter gebrochen wird, denen viele von ihnen im Bezug auf ihre Mediennutzung täglich ausgesetzt sind; situativ scheint dies auch nachvollziehbar. Aber eigentlich ist auch den Erwachsenen klar – das wissen sie aus ihrem eigenen Alltag –, dass auch Jugendliche sich Filmen, Hardware und Netzwerken in Ausbildung, Job und Freizeit kaum mehr entziehen können. Die multimediale, interaktive DVD-ROM Faszination Medien strebt daher an, dass Jugendliche sich gezielt mit ihrem medial geprägten Umfeld diskursiv auseinandersetzen und ihre eigenen Wahrnehmungsgewohnheiten hinterfragen. So sollen Medienwissen und Medienreflexion gleichermaßen gefördert werden. Entstanden ist das Produkt in einem mehrjährigen Projekt der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen und der Bundeszentrale für politische Bildung in Kooperation mit der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF. Was genau fasziniert uns an den Medien und wie beeinflussen sie uns? Um zu erforschen, was es gibt, zu hinterfragen, wer es nutzt und zu erfahren, wie es sich entwickelt wurde Faszination Medien mit über 180 Medienbeispielen und Experteninterviews, Filmausschnitten und Fotomaterial ausgestattet – gepaart mit interaktiven, individuell lösbaren Lernsequenzen.
Basierend auf einem dualen Lernmodell wird dabei unterschieden zwischen Medienphänomenen – Themen genannt – und öffentlich geführten Diskursen. Die DVD-ROM vermittelt also zum einen Kenntnisse in den fünf Bereichen News, Filme & Videoclips, Reality-TV, Computerspiele sowie Communities und ermöglicht dadurch eine analytische Auseinandersetzung mit dem medialen Facettenreichtum. Parallel dazu bereitet sie gesellschaftliche Diskurse zu Privatheit in der digitalen Welt, Mediensucht, Prominenz, Sexualität und Gewalt auf, um die Entwicklung eigener Haltungen dazu zu fördern. Das Begleitheft liefert neben Hintergrundinformationen auch Ablaufpläne für den praktischen Einsatz von Faszination Medien in Schule und Jugendarbeit. Optisch überzeugt das gesamte Materialpaket mit seiner logischen Struktur sowie seiner modern ansprechenden, zielgruppengerechten Aufbereitung auf voller Linie. Auch überzeugen das didaktische und inhaltliche Konzept auf den ersten Blick: Die interaktiven – wenn auch teilweise eng geführten – Lehrpfade sowie verwendeten Medien sprechen die Zielgruppe an und fügen sich in ihre vorhandenen Kompetenzen ein. Die Themen orientieren sich an ihren Lebenswelten. Jede Lernaufgabe ist so konzipiert, dass die Nutzenden sich immer die korrekte Lösung selbst erarbeiten; ohne, dass ihnen auf dem Weg dahin konkrete Fehler aufgezeigt werden. Die Vermittlungsmethoden sind auf unterschiedliche Altersstufen und Leistungsniveaus ausgelegt. Das Material ist so zeitlos wie möglich. Zusätzliche Hintergrundinformationen dienen vor allem Lehrenden und Eltern. Die mundgerecht aufbereitete, strukturierte und dezidierte Handreichung für pädagogische Fachkräfte potenziert den tatsächlichen Einsatz des Materials innerhalb und außerhalb des Schulkontexts enorm – positiv unterstützt von der Orientierung am deutschen Lehrplan. Mittels Lesezeichenfunktion und Bausteinprinzip kann jede Anwendung detailliert und stringent vorbereitet werden, unterstützt durch ein Glossar und eine Druckfunktion.
Die durchweg verwendete, nicht gegenderte Wir- und Du-Sprachführung bringt eine angebrachte Kommunikationsebene mit sich. Kurzum, das Entwicklerteam aus Medienpädagoginnen und Medienpädagogen hat sich ordentlich etwas dabei gedacht. Allerdings hat auch Faszination Medien seine kleinen Macken. So wird die Länge der einzelnen Teilbereiche beispielsweise durch Balkenanzeigen visualisiert und gibt den Nutzenden damit Orientierung. Diese geht allerdings unnötig verloren, indem gelegentlich nicht ersichtlich ist, wie lange ein Video dauert. Das klingt erstmal nach einer Kleinigkeit, ist es aber nicht. Denn zeitweise zwingt das System seine Nutzenden, Videos vollständig anzuschauen, um fortfahren zu können. Darauf werden diese aber nicht einmal hingewiesen, was anfangs erneut für Ernüchterung sorgt und Unruhe schürt, indem vergeblich nach dem Weiter-Button gesucht wird. Auch gibt es den Fall, dass zu einem Thema drei Interviewparts aufbereitet sind, von denen Nutzende sich mindestens zwei ansehen müssen, um fortfahren zu können. Auch darauf wird am Bildschirm nirgends hingewiesen. Teilweise können die Bewegtbilder auch nicht pausiert oder wiederholt gesichtet werden. Die sich dahinter verbergende Didaktik scheint strittig – spätestens, wenn sie auf die gewöhnlich flexible, nonlineare Nutzungspraxis von Jugendlichen stößt. Schön gewesen wäre auch eine Legitimation der ausgewählten Expertinnen und Experten. Für Nutzende bleibt teilweise unklar, warum eine Person zu einem Thema spricht; Jugendliche sollten in ihrer informationsdurchfluteten Welt allerdings genau Gegenteiliges erlernen. Auch ist die Suchfunktion leider nur bedingt hilfreich, da diese kaum nützliche Ergebnisse findet und wenn doch, dann sind diese – abhängig vom Schlagwort – nicht allzu übersichtlich aufbereitet.
Dennoch, das soll an dieser Stelle betont werden, verdient Faszination Medien die Aufmerksamkeit der pädagogischen Branche: Es ist ein großartiges Produkt mit interaktiven Lehrpfaden um lebensweltorientierte, medienübergreifende, (dauer-)aktuelle Themenfelder. Völlig zu Recht ist die DVD-ROM bei den Erasmus EuroMedia Awards 2014 prämiert worden in der Kategorie „Language and Media“ – da sie wegen ihrer didaktischen Praktikabilität eine herausragende Rolle einnimmt. Faszination Medien fordert und motiviert seine Zielgruppe 14- bis 16-jähriger Nutzerinnen und Nutzer, sich mit ihrem eigenen Medienleben auseinanderzusetzen: vom Nachdenken über die eigene Nutzung und die Wirkung von Medien über die Findung und Formulierung eigener Standpunkte bis zur kritischen Beurteilung von Medienprodukten. Auf vielfältigste Art und Weise werden dazu zentrale Kritikthemen der Medienkulturdebatte aufgegriffen. Die DVD-ROM ist in Schule und Jugendarbeit, aber auch in der Familie gut einsetzbar. Für sieben Euro kann diese bei der Bundeszentrale für politische Bildung bestellt werden. Ein umfangreiches Fortbildungsprogramm zur Nutzung des Materials ist in Planung.
Swenja Wütscher: appgemalt colAR Mix
Dieser Mix – buchstäblich bestehend aus Farbe (color) sowie realer und virtueller Welt (Augmented Reality) – ist im Grunde lediglich eine Kamera, die Bildern virtuell Leben einhaucht; und damit beeindruckend präsentiert, was sich hinter dem Fachjargon Augmented Reality (kurz AR, zu deutsch ‚erweiterte Realität‘) verbirgt. Aus ganz normalen Papierzeichnungen generiert colAR Mix voll animierte 3D-Objekte, jedoch beschränkt auf die gut 20 Malvorlagen, die die Website colarapp.com zum kostenfreien Download bzw. zum Ausdruck zur Verfügung stellt; allerdings können anschließend mit der Gratis-App nur bestimmte Motive genutzt werden, im Gegensatz zur Vollversion (2,69 €). Die ausgedruckten Vorlagen werden mit echten Farbstiften – nicht am mobilen Endgerät, wie bei den meisten Mal-Apps – nach Belieben ausgemalt, erst danach kommt die App zum Einsatz: Das Kunstwerk mit einer ruhigen Hand anvisieren, aufnehmen und schon wird die Zeichnung mitsamt der individuell ausgemalten Felder lebendig; es zahlt sich also aus, auch den Hintergrund auszumalen!
Die animierten, teils sogar ein wenig interaktiven, selbstgestalteten Lebewesen begeistern damit nicht nur das Zielpublikum der Vier- bis Neunjährigen. Das kann übrigens trotz englischer Anweisungen, die über ein ‚print‘, ‚color‘ oder ‚play‘ nicht weit hinausgehen, dank der einfach gehaltenen, werbefreien Bedienung intuitiv mit der App umgehen. colAR Mix eignet sich daher nicht nur zur Verknüpfung digitaler Mediengeräte mit dem altbewährten (Aus-)Malen, sondern auch zur Demonstration zukunftsweisender Technik, Augmented Reality nämlich. Kleiner Tipp am Rande: Per Touch auf das Display erscheint eine Lupe, mit der in das AR-Bild hineingezoomt werden kann.iOS (kostenfrei)Android (kostenfrei)
Swenja Wütscher: appgehängt Actionbound
Die klassische Schnitzeljagd ist im 21. Jahrhundert angekommen: Actionbound bietet für Einzelpersonen und (Klein-)Gruppen abenteuerliche und lehrreiche Touren zwischen Natur und Kultur, zwischen Geschichte und Politik sowie zwischen den ganz eigenen Lieblingsplätzen. Neben dem Pool bereits vorhandener Routen können Nutzerinnen und Nutzer – vom Grundschulkind bis zur pädagogischen Fachkraft – nämlich ohne spezifisches Vorwissen auch eigene interaktive Rallyes, Stadtführungen oder Schatzsuchen programmieren. Der Editor funktioniert dabei browserbasiert, so dass kein Software-Download notwendig ist.
Informationen zum Streckenverlauf können in Form von Erklärungen, Fragen oder Aufgaben interaktiv eingebaut und damit attraktiv vermittelt bzw. abgefragt werden; Bilder, Videos, Maps, QR-Codes et cetera lassen sich integrieren. Auch kann die Anfertigung und der Upload eines Inhalts selbst Teil einer Aufgabenstellung sein, die – wie alle eigenen Produkte – abschließend optional auch für andere zugänglich gemacht werden kann. Die klar strukturierte App kombiniert damit die reale Geschichte einer (selbst programmierten) Wahlumgebung mit der Nutzung und Erprobung digitaler Möglichkeiten mobiler Endgeräte. Offline und ohne GPS-Gerät mit nur einem mobilen Endgerät spielbar, lässt sich Actionbound ideal in jegliche Bildungskontexte und Wandertage einbinden.iOS (kostenfrei)Android (kostenfrei)
Swenja Wütscher: appgefaltet Foldify
Eine virtuelle 2D-Bearbeitungsfläche, eine 3D-Vorschau, eine selbstgebastelte Papierfigur. Origami 2.0. Per digitalem Pinsel und Stift können mit Foldify Bastelvorlagen wie Würfel, Figuren und Autos nach Belieben gestaltet, also angemalt, beschriftet und mit Bildern – neben dem Import von Eigenproduktionen stehen auch diverse Hände, Augen und Münder zur freien Verfügung – verziert, anschließend (per PDF als Mail, AirPrint und WLAN-Drucker) ausgedruckt, entlang der Schnittlinien ausgeschnitten und schlussendlich zusammengebastelt werden. Neben der Förderung von Kreativität und haptischen Fähigkeiten ermöglicht die App faszinierende und aufschlussreiche Entdeckungen durch den Transfer vom Digitalen zum realen Printprodukt; die simultane 3D-Vorschau während der Bearbeitung am iPad ermöglicht zudem eine direkte Reflexion des medialen Handelns.
Eine soziale Komponente bietet die Foldify-Community, in welcher die individuell bemalten Schablonen mit anderen geteilt werden können. Während allerdings die Bedienung der App anfangs nicht ganz intuitiv funktioniert, hilft auch die ausschließlich englische Anleitung nur bedingt. Außerdem hätten die In-App-Erweiterungen (je 0,89 €) kostenfrei integriert werden können – während es jedoch sehr positiv zu erwähnen ist, dass dieser Dienst eine eingebaute Zugriffssperre mittels Touch-Aufgabe besitzt, deren Lösung zumindest Lesekompetenz bedarf.
Da die werbefreie App auch offline voll funktionstüchtig ist, ist die kreative Perle Foldify für jegliche Faltexperimente in KiTa, (Grundschul-)Unterricht, Freizeit und Zuhause wärmstens zu empfehlen; der neue liebevolle Ableger Foldify Zoo (1,79 €) fordert übrigens ältere Bastelkinder nochmal besonders heraus.iOS (3,69 Euro)
Swenja Wütscher: appgebildet Explain Everything
Der Name ist Programm, denn die (mittlerweile auch ins Deutsche übersetzte) Whiteboard- und Screencast-App ist tatsächlich ein Allround-Erklärbär, um zu erläutern, vorzustellen, gemeinsam zu erarbeiten, audio-visuell zu präsentieren … und anschließend die Skizzen, Bilder, Texte oder Videos zur Verfügung zu stellen. Der Clou an Explain Everything ist nämlich, dass aus praktisch jeder Quelle Daten importiert, kommentiert, in eine Erzählung verpackt und anschließend fast überall hin exportiert werden können. Die umfangreichen und übersichtlichen Funktionen von handschriftlichen Anmerkungen über jegliche Farben, Formen, Fotos bis hin zu Texten und Videos werden à la Power-Point angelegt und nach dem gewohnten Schema F bedient: Fingertippen, Fingerhalten, Fingerspreizen, Fingerrotieren. Die Aufnahmefunktion ermöglicht, die Arbeitsfläche mitzuschneiden, wahlweise mit zusätzlichen auditiven Erklärungen und Augenführungen mittels eines eingebauten Laserpointers; nachträgliche Bearbeitungsmöglichkeit inklusive.
Explain Everything eignet sich damit hervorragend, um in werbefreier Zone – nach kurzer Einweisung auch durch Heranwachsende selbst – Lernvideos zu erstellen (Zeichnungen zu erarbeiten wird weniger empfohlen), lediglich das abschließende Rendern dauert seine gewohnte Zeit.iOS (2,69 Euro)Android (2,56 Euro)
Swenja Wütscher: Angebot bewertet Apps auf Risiken für Kinder
Das neue Informationsangebot app-geprüft.net liefert Eltern und pädagogischen Fachkräften auf einen Blick wichtige Informationen über Risiken in von Kindern genutzten Apps. Die Website bewertet mit einem Ampelsystem beliebte Apps auf ihre Eignung für Kinder und zeigt mögliche Risiken wie In-App-Käufe, Werbung und Schwachstellen im Datenschutz auf. Beim regelmäßigen Monitoring ausgesuchter, bei Kindern besonders beliebter Apps untersucht jugendschutz.net unter anderem folgende Aspekte: Werden Kinder mit entwicklungsbeeinträchtigenden, jugendgefährdenden oder strafrechtlich relevanten Inhalten wie Gewalt, Hassreden oder Pornografie im Spiel selbst oder innerhalb der eingebundenen Werbung konfrontiert? Bietet die App Verknüpfungen zu Social Media-Plattformen und belohnt diese gar mit virtuellen Gütern? Ist Nutzerinteraktion möglich? Ausschlaggebend für die App-Auswahl sind Reichweite und Jugendschutzrelevanz.
So beruft sich das Angebot nicht nur auf die Top-Listen der meistgenutzten App-Stores, sondern berücksichtigt auch Beschwerden über Apps, die jugendschutz.net erreichen, sowie aktuelle Studien, Berichterstattung oder Trends. Hierbei stehen nicht allein explizite Kinder Apps im Fokus, sondern auch solche, die beispielsweise durch für Kinder interessante Inhalte, ein einfaches Bedienkonzept oder begleitende Marketing-Aktivitäten eine große Anziehungskraft auf die junge Zielgruppe ausüben. Gerade populäre Apps werden ständig weiterentwickelt und mit neuen Features ausgestattet, sodass ihre Bewertung kontinuierlicher Sichtung bedarf. Alle Informationen unter app-geprüft.net werden daher kontinuierlich aktualisiert und überprüft. Das Angebot von jugendschutz.net wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gefördert.
Swenja Wütscher: Alternativlos, Folge 30
„Das Wort suggeriert sachlich unangemessen, dass es bei einem Entscheidungsprozess von vornherein keine Alternativen und damit auch keine Notwendigkeit der Diskussion und Argumentation gebe. Behauptungen dieser Art sind 2010 zu oft aufgestellt worden, sie drohen, die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung zu verstärken“, so die Worte der Jury im Jahr 2010, als sie „Alternativlos“ zum Unwort des Jahres kürte; insbesondere wegen Angela Merkels Verwendung zur Begründung der Griechenlandhilfe. Und genau das haben sich Felix von Leitner und Frank Rieger zu eigen gemacht. Sie haben sich an Politikerinnen und Politikern orientiert, die ihre Vorgaben gerne damit begründen, dass sie angeblich ‚ohne Alternative‘ seien; so enthalten Begründungen von Gesetzen beispielsweise praktisch immer den Absatz ‚Alternativen: keine‘. Die Netzbeschallung, der Boulevard-Podcast Alternativlos von Frank und Fefe war geboren. Seitdem reden die beiden regelmäßig ungebremst – alternativlos eben – über Politik, Technik und auch über Verschwörungstheorien.
„Wenn man also damit rechnen muss, dass die Nachricht auf dem Weg gelesen wird, bleibt also nur, sie zu verschlüsseln. Im Internet ist das ja quasi genau dasselbe, wir haben immer Postkarten im Internet. Also jeder kann es – wenn es nicht verschlüsselt ist – auf dem Weg lesen. Und deswegen brauchen wir Verschlüsselung.“Alternativlos, Folge 30 Told you so dreht sich um Abhörtechniken von Geheimdiensten, Kryptographie und Crypto Wars. Von Leitner und Rieger philosophieren inhaltlich fundiert über die Mechanismen, die dahinter stecken, und dröseln die diesbezügliche Geschichte detailverliebt auf: Wo kommen Geheimdienste überhaupt her? Was war deren Aufgabe? Wie war bzw. ist deren Mindset? Warum treiben sie das, was sie tun, auf diese Art und Weise, mit diesem Aufwand, mit diesem Selbstverständnis? Die Zuhörerinnen und Zuhörer sollen am Ende nachvollziehen können, was da heute eigentlich passiert, was ‚wir‘ aus den Snowden- Enthüllungen lernen können und müssen. Damit sich all das, was seit einigen Monaten für mehr und mehr Aufruhr sorgt, nicht wieder nur in einer Blase sammelt, die wächst bis sie platzt und im Nirgendwo verschwindet. Das wollen Frank und Fefe verhindern – eine kleine Zeitreise in die Vergangenheit beginnt.„Vor allem ist das nötig, um es diesmal besser zu machen. Denn es stellt sich heraus, es gibt so alle zehn, zwanzig Jahre so einen Aufschrei über die NSA. Es gibt irgendwelche Enthüllungen, die NSA hört uns alle ab, dann geht das in die Presse. Gut, jetzt vielleicht nicht ganz so groß wie bei Snowden, aber es gab mehrere solche Sachen.“
Selbstverständlich hat sie im Laufe der Zeit die Art und Weise, wie Nachrichten verschlüsselt werden, geändert – wenn auch nicht durchweg überhaupt von Verschlüsselung gesprochen werden kann, da es keine Schlüssel per se gab, sondern vielmehr das Verfahren oftmals das Geheimnis war: So geht die Reise über den Kurier der Antike mit tätowierter Kopfbotschaft über Chiffresysteme mit meist Substitutionsschlüsseln, die sich beispielsweise an Ersatzzeichen für Buchstaben orientiert haben, bis hin zur Weiterentwicklung dieses komplexen Systems, welches zur Entschlüsselung ein bestimmtes Codebuch bedingt. Auch werden unter anderem die Feldtelefone des Ersten Weltkriegs thematisiert, ebenso Versiegelungsarten, die Entstehung von SIGNIT und auch Wanzen und Tapes – bis Told you so in der Neuzeit, der Hauptepoche für Crypto, landet.„Ihr erinnert euch dunkel, als man noch diese Vorwahlen gemacht hat, um halt billiger fern zu telefonieren. Das waren halt häufiger irgendwelche Gesellschaften, die die Anrufer halt über die USA geleitet haben. Weil es billiger war […] Mit dem Effekt, dass die Anrufe alle in den USA vorbeikamen und die NSA sie mitgenommen hat.“ Die zwei Protagonisten von Told you so sind vorbereitet, ihr Konzept wirkt durchdacht, ihre Informationen liefern sie zielsicher – und auf ihre ganz persönliche Art ergänzen sich von Leitner und Rieger on Air hervorragend. Während man als Zuhörerin bzw. Zuhörer die ersten zwei, drei Minuten braucht, sich an den weniger euphorischen, charmant brummelnd-nuschelnden Frank zu gewöhnen, übernimmt Fefe weniger wortgrätschend, gelegentlich kichernd, den Gegenpart – dabei bewegen sie sich immer auf gleicher Augenhöhe. Sie nehmen ihre Hörerschaft direkt mit ins Thema, geben einen Überblick über den folgenden Inhalt. Hier und da schweifen die beiden auf ihrem Weg zwar mal vom Thema ab, sie versinken mal ein wenig in (IT-)Fachterminologie, aber genau das verleiht den beiden ihre Authentizität.
„Die Dienste verhandeln untereinander den Datenaustausch, der Regierung wird nur mitgeteilt, was notwendig ist, und auch zum Beispiel bei der Verhandlung vom Verfassungsgericht, als es da um die Anti-Terror-Datei ging, da hatten wir an Argumenten allerhand Sachen eingebracht, insbesondere was den internationalen Datenaustausch zwischen den Diensten angeht. Da wollte niemand ran. Auch das Verfassungsgericht wollte da nicht ran. Das ist halt tatsächlich ein echter Skandal, dass einfach die Schattenwelt, die da existiert, unbehindert vor sich hin wuchert, dass von allen angenommen wird: Ja, was die Geheimdienste da machen, das wird schon alles seineRichtigkeit haben.“Frank und Fefe informieren und diskutieren in diesem Podcast mit einem breiten Spektrum an Wissen, Hintergrundinformationen und einer guten Portion eigener Meinung über die Geschichte der (verschlüsselten) Kommunikation und die Möglichkeiten, diese zu brechen. Im Zentrum stehen dabei durchweg die weltweiten Geheimdiensttätigkeiten – und das Bewusstsein, dass Wissen um deren Möglichkeiten allein noch nicht schützt.
Told you so ist höchst informativ, sogar teilweise unterhaltsam – was die Materie nun mal nicht automatisch mit sich bringt – und auch bei knapp drei Stunden Podcast-Länge kurzweilig zu hören; verstreute Bookmarks auf dem Wege wären dabei zwar großartig, aber das ist tatsächlich Meckern auf hohem Niveau. Zu empfehlen ist das Podcast jeder (medien-)pädagogischen Fachkraft, jedem Studierenden: entweder, um mehr Hintergrundwissen zu erhalten, oder aber, um von tieferen Inhalten und Ressourcen zu erfahren, die aufhorchen lassen, die staunen lassen und damit dabei helfen können, bei anderen Bewusstsein zu schaffen. Unter www.alternativlos.org/30 gibt es neben dem Podcast übrigens auch weiterführende Links und Buchtipps.
Swenja Wütscher: 15 Jahre JIM-Studie
„Die heute Zwölf- bis 19-Jährigen wachsen wie keine zweite Generation zuvor in einer stark von Medien geprägten Welt auf. […] Darum sind Untersuchungen wichtig, die sich mit den möglichen Veränderungen der Mediennutzung – sowohl der klassischen als auch der neuen Medien – unter den sich sehr dynamisch verändernden Rahmenbedingungen beschäftigen“, so stand es in der ersten Ausgabe der JIM-Studie im Jahr 1998. Wortwörtlich könnte diese Aussage auch heute – 15 Jahre später – noch als aktuell abgedruckt werden, lediglich die inhaltlichen Bezugspunkte würden differieren. Beispielsweise waren damals fünf Prozent der Jugendlichen die Referenz der regelmäßigen Internetnutzenden, aktuell sind es 89 Prozent, wie die aktuelle Publikation des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest (mpfs) zeigt, die mit einer Gegenüberstellung nach 15 Jahren JIM-Studien den Medienwandel der letzten Jahre dokumentiert. Von Anfang an war die Studienreihe JIM als Langzeitprojekt mit einer kontinuierlichen quantitativen Datenerhebung konzipiert; der Fragebogen musste nur sukzessive an die aktuellen Gegebenheiten – neue Geräte, neue Verbreitungswege, neue Inhalte – angepasst werden. So fest das Internet mittlerweile Bestandteil der Lebenswelt Jugendlicher ist, so fest gehören längst auch diese jährlichen Studienergebnisse zum Inventar von Medienpädagoginnen und -pädagogen, um mit deren Hilfe beispielsweise adäquate Angebote zu konzipieren.
Die Generationsunterschiede werden in einem Aspekt nochmals besonders deutlich: Laut den Daten der letzten Jahre werden heutefast alle traditionellen Medien von Jugendlichen in vergleichbarer Häufigkeit wie vor 15 Jahren genutzt, sie wurden und werden nicht abgelöst, vielmehr wird das Medienrepertoire von Jugendlichen durch neue Medien kontinuierlich ergänzt und erweitert. So haben 1998 beispielsweise 85 Prozent der Heranwachsenden mindestens mehrmals pro Woche Radiogehört, 2013 sind es 80 Prozent. Zusätzlich zeigen die aktuellen Zahlen, dass nicht nur die Internetnutzung an sich, sondern sogar die Zugangsart – in diesem Falle über mobile Endgeräte – immer wichtiger wird: Mit 96 Prozent ist die Verbreitung von Mobilfunkgeräten bald bei einer Vollausstattung angekommen. Die Nutzung von Online-Communitys steht dabei bei den kommunikativen Tätigkeiten im Internet an erster Stelle. Das mobile Internet ist demnach zwar schon seit einigen Jahren auf Mobilfunkgeräten verfügbar, ist aber erst jetzt – dank kostengünstiger Zugänge, schnellen Verbindungen und attraktiven Benutzeroberflächen – im Alltag von Jugendlichen angekommen. „Das Smartphone als multifunktionale Plattform bereichert das alltägliche Leben um praktische Werkzeuge, aber auch um vielfältige Möglichkeiten zum Zeitvertreib. Das Handy ist mittlerweile Speichermedium, Mediaplayer, Navigationssystem, Lexikon, Digitalkamera, Spielkonsole, Terminkalender, Nachrichtenportal und nicht zuletzt eine Kommunikationsplattform“ (mpfs 2013).
Swenja Wütscher : nachgefragt Walter Schmich, Programmbereichsleiter Bayern 3 und Jugend beim Bayerischen Rundfunk
Die rasante technische Entwicklung und die damit einhergehenden Veränderungen in der Mediennutzung sind eine Herausforderung für alle Medien, auch für die öffentlich-rechtlichen Sender. Gerade in der Phase des Umbruchs den Erwartungen jüngerer und junger Menschen gerecht zu werden scheint dabei besonders schwer. Swenja Wütscher hat für merz mit Walter Schmich, dem Programmbereichsleiter Bayern 3 und Jugend des Bayerischen Rundfunks darüber gesprochen. Das Ergebnis: Der Bayerische Rundfunk ist mit seinen neuesten Entwicklungen am Puls der Zeit.
merz: Schon vor etwa eineinhalb Jahren hat der Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks gefordert, rechtliche Voraussetzungen für ein öffentlich-rechtliches Fernsehprogramm zu schaffen, das junge Menschen adäquater anspricht. Was genau beinhaltet denn ein solch adäquates Angebot?
Schmich: Aus meiner Sicht, dass wir junge Menschen auf allen Ausspiel-Wegen erreichen. Sie suchen in der Regel nicht gezielt nach für sie tauglichen Formaten, sondern brauchen ihr Angebot immer und überall. Ein adäquates junges Angebot wäre also – für das Medium Fernsehen beispielsweise – ein Kanal, bei dem sie rund um die Uhr Angebote für sich finden. Hinzu kommt aber, dass aus meiner Sicht ein eindimensionaler junger TV-Kanal heutzutage nicht ausreicht. Das Stichwort Trimedialität ist bei Jugendlichen einfach viel wichtiger als in älteren Zielgruppen.
merz: Mit einem Jugendkanal soll also verstärkt an der Lebenswelt und den Nutzungsgewohnheiten Jugendlicher angeknüpft werden. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass das derzeitige Angebot auf diese Gegebenheiten weniger Wert legt.
Schmich: Die Möglichkeiten waren in der Vergangenheit einfach nicht so da oder man hat sie nicht ausgeschöpft. Als Bayerischer Rundfunk hat man aber mit dem Bayerischen Fernsehen nun mal nur den einen großen Fernsehkanal – und BR-alpha, der aber in Richtung Bildung und Wissen ausgerichtet ist. Wir im BR haben aber schon immer viele Programme für Jugendliche angeboten. Man darf nicht vergessen, dass wir derzeit allein mit BAYERN 3 im Radio schon 630.000 unter 30-Jährige erreichen. Vielleicht waren unsere anderen Angebote aufgrund nicht immer optimaler Verbreitungswege in der Vergangenheit für die Zielgruppe zu schwer auffindbar – das versuchen wir mit PULS derzeit zu verbessern – Stichwort neue Radio-App.
merz: Mit PULS, dem trimedialen Jugendprogramm hat der BR mit seinem Bemühen um junge Mediennutzerinnen und -nutzer bereits Ernst gemacht: der Radio-, TV- und Online-Sender ist gestartet. Wie genau schafft es PULS denn, in Anmutung und Inhalt nun stärker auf jüngere und junge Menschen zugeschnitten zu sein?
Schmich:Gerade mit Inhalten und der etwas anderen Musik sowie dem vorher erwähnten trimedialen Angebot. PULS besteht ja aus mehreren Teilen: zum einen dem 24-Stunden-Radioprogramm. Auch da haben wir der Erwartungshaltung Jugendlicher ans Radio Rechnung getragen, denn sehr viele Jugendliche nutzen heute entgegen anders lautender Gerüchte das Medium Hörfunk. Wir setzen auf alle möglichen Verbreitungswege, vom Digitalradio DAB+ über die App bis hin zur reinen Online-Nutzung. Aber auch Jugendliche erwarten von ‚ihrem Radio‘ vor allem eine persönliche Ansprache, daher senden wir nun ein 24 Stunden moderiertes Radioprogramm, vorher waren es nur vier Stunden. Lange Musikstrecken bringen relativ wenig, denn nur Musik kann man sich mittlerweile über mp3 Player oder Musikdienste besser nach seinem eigenem Geschmack zusammenstellen, als das ein Radiosender erledigen kann. Bei PULS sitzen jetzt Moderatorinnen und Moderatoren, die definitiv die Sprache der Zielgruppe sprechen. Hinzu kommen natürlich Bewegtbilder, die wir online und über unser wöchentliches PULS-TV-Magazin zeigen. Ganz wichtig ist uns auch der Kontakt mit unserem Publikum, dabei spielen natürlich die gängigen Social Media Kanäle eine große Rolle. Das heißt, wir sind auf allen Ausspielwegen präsent und sind – vor allem durch unsere eigene App – schlichtweg besser erreichbar als früher. Inhaltlich unterscheiden wir uns auch deutlich von anderen Jugendangeboten in Bayern. Wir legen nicht nur auf die Musik, sondern auch auf öffentlich-rechtlich Inhalte sehr viel Wert.
merz: Leistet das junge Programm von PULS jetzt Vorarbeit für einen integrierten TV-Jugendkanal von ARD und ZDF?
Schmich: Das können wir nicht, da wir im Moment kein 24-Stunden-Fernsehprogramm bestücken könnten, da fehlen uns einfach die Mittel. Wir könnten derzeit nur einzelne Beiträge oder Formate eines ARD-ZDF-Jugendkanals liefern. Wenn es aber um die Entwicklung geht, da sind wir in jedem Falle beteiligt und arbeiten gerade dran. Für uns ist da unser Jugendleiter Thomas Müller mit im Boot.
merz: Momentan sind Pro7 und RTL mit ganz oben auf der Favoritenliste der Jugendlichen. Und das, obwohl ARD und ZDF mit EinsPlus, ZDFneo et cetera schon – zumindest teilweise – Jugendkanäle besitzen: EinsPlus möchte mit der Abendsparte 14- bis 30-Jährige ansprechen, ZDFneo grundsätzlich 25- bis 49-Jährige, das Durchschnittsalter des Publikums liegt allerdings über 50 Jahren. Ist ein neuer integrierter Jugendkanal tatsächlich die Lösung?
Schmich:EinsPlus ist derzeit noch ganz anders definiert, der Vergleich hinkt also. Pro7 erreicht die junge Zielgruppe vor allem mit amerikanischen Serien – das kann und wird nicht das Ziel eines öffentlich-rechtlichen Jugendkanals sein. Aber ich bin mir sicher, dass wir mit einem gut aufgestellten 24-Stunden-Programm gute Möglichkeiten haben werden, eine jüngere Klientel zu erreichen. Ich glaube auch, dass wir da derzeit den richtigen Weg eingeschlagen haben.
merz: Wäre eine Online-Vernetzung von ARD und ZDF vielleicht sogar eine bessere Vernetzungsalternative um junge Menschen zu erreichen? Schmich Das ist für mich kein ‚Entweder – Oder‘, ich denke, dass wir ein neu aufgestelltes, sehr junges TV-Angebot auf alle Fälle auch in der Online-Welt abbilden müssten. Eine Vernetzungsmöglichkeit sehe ich auch in der Bündelung vieler junger Inhalte der ARD und, wie bereits erwähnt, darf man nicht die Wichtigkeit der verschiedenen Social Media Kanäle außer Acht lassen. merz Was wünschen Sie sich für die jungen Radio-, TV- und Online-Nutzerinnen und Nutzer?
Schmich:Wenn ich mir tatsächlich was wünschen könnte, dann dass wir möglichst schnell mit unserem neuen Angebot vorankommen und dass wir ideale Verbreitungswege erhalten.
Bernd Schorb und Swenja Wütscher: Der Diskurs um Medien und Werte ist weiter zu fassen
Die Debatte um Werte und Medien begleitet die Gesellschaft und speziell die Pädagogik seit dem Aufkommen der sogenannten Massenmedien. Im Mittelpunkt stand und steht noch immer die Annahme, dass problematische, insbesondere gewalthaltige Medieninhalte von Heranwachsenden angeeignet und als Orientierungen in das eigene Wertesystem übernommen werden. Da in demokratischen Industriegesellschaften Konsens herrscht, personale Gewalt zu ächten und diese – neben der Pornografie – als Unwert anzusehen, wurden Mittel und Wege gesucht, solche negativen Orientierungen, so sie durch Medien vermittelt werden, unschädlich zu machen bzw. ihre möglichen Wirkungen zu minimieren. Eine umfassende Zensur der Medien steht allerdings im Widerspruch zu demokratischen Grundprinzipien, daher wurde ein eigenes Instrument entwickelt: der Jugendmedienschutz, mit dem verhindert werden soll(te), negativ bewertete Medieninhalte Jugendlichen zugänglich zu machen. Dieses Instrument wurde im Prinzip bis heute erhalten.
Auch die öffentliche Auseinandersetzung über Medien und ihre Inhalte beschäftigt sich bis heute mit negativen über die Medien vermittelten Orientierungen. Bis in die achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts ließ sich das Instrument des Jugendmedienschutzes mit mehr oder minder großem Erfolg auch anwenden, denn die Produktion wie die Produzentinnen und Produzenten audiovisueller und gedruckter Medien waren überschaubar. Den Medienproduzierenden wurden inhaltliche Vorgaben gemacht, sie wurden kontrolliert, Verstöße wurden sanktioniert. Heute stehen wir vor einer neuen Situation. Die Medien sind nunmehr parziell Mittler vorproduzierter Information und Unterhaltung. Sie sind integrierter Bestandteil aller Lebensbereiche. So hat sich das Internet innerhalb von wenigen Dekaden zu einem alle Bereiche des Alltags bestimmenden Bestandteil des Lebens entwickelt und hat zugleich die klassischen Medien aufgesogen. Medien sind nicht mehr nur Massenkommunikation mit Inhalten, die von der bewusstseinsproduzierenden Industrie (vgl. Adorno 1996) für ein Massenpublikum hergestellt und distribuiert werden, sondern Bestandteil jedweder Kommunikation zwischen Menschen und Menschen, zwischen Menschen und Medien sowie zwischen Medien und Maschinen. Medien sind also nicht mehr einseitig ausgerichtet als Mittler an Menschen, sondern zentrale Vermittlungsinstanz zwischen Menschen. Als interaktives Medium vermittelt das Internet seine Daten an sie und erlaubt es ihnen zugleich, in vorgegebenen Rahmen selbst Daten zu generieren, Informationen zu schaffen und an andere weiterzuvermitteln, die zugleich selbst agieren und auf die gesendeten Informationen reagieren können. Medien vermitteln nicht mehr nur Werte, sondern erlauben es den Menschen selbst auch, Werte zu kommunizieren.
Wir sind nahe am einst geforderten Ideal, aus Medienkonsumentinnen und -konsumenten Medienproduzentinnen und -produzenten (vgl. Brecht 1976; Enzensberger 1976) zu machen und zugleich auf dem Weg zum globalen Dorf (vgl. McLuhan 1962) in dem jede bzw. jeder mit jedem in Kontakt treten kann. Mit der Globalität des Internets sind zugleich die nationalen Medienproduzentinnen und -produzentenin den Hintergrund gerückt worden. Das Internet wird beherrscht von einer internationalen Industrie, die inzwischen zur größten dieser Welt geworden ist. Da diese Industrie sich hauptsächlich durch Werbeeinnahmen finanziert, benötigt sie möglichst viele Informationen über ihre Nutzerinnen und Nutzer. Da sie zugleich potenziell Zugriff auf alle Daten des Netzes hat, kann sie die Kommunikation der Menschen im Netz erfassen und daraus virtuelle Abbilder derselben generieren. Zugleich kann sie die Inhalte, die im Netz verbreitet werden, nicht nur schaffen, sondern auch kontrollieren. Mit den Internetnutzerinnen und -nutzern tritt sie in ein Tauschverhältnis. Die Industrie offeriert den kostenfreien Gebrauch ihrer Dienste gegen die Erfassung und Verarbeitung der erwünschten persönlichen Daten. Dieser Tauschakt tangiert in besonderer Weise einen Wert, den sich die Menschheit beim Verlassen des Mittelalters erkämpft hatte, die Unverletzlichkeit der Persönlichkeit bzw. das vom Bundesverfassungsgericht so benannte Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Privatsphäre verschwindet, der Mensch wird gläsern. Da der offerierte Tauschhandel von einer großen Mehrheit der Mediennutzerinnen und -nutzer gegenüber dem Verlust der Privatsphäre als ‚wertvoller‘ empfunden wird, verschwindet der Wert der informationellen Selbstbestimmung, verliert seine gesellschaftliche Verbindlichkeit. Hier ist die Umwidmung eines Wertemusters eine unmittelbare Folge der Medienentwicklung.
Auch an einem zweiten Beispiel lässt sich das Verschwinden bzw. die Verschiebung von Wertemustern beobachten: Der Jugendmedienschutz, der über Jahrzehnte die Medienentwicklung begleitet und in einem gewissem Umfang auch reguliert hat, wird obsolet. Das liegt zum einen daran, dass mit der Zunahme von medialen Angeboten diese kaum noch überschaubar und damit kontrollierbar sind. Zum anderen ist die Medienindustrie zu einer solch ökonomischpolitischen Macht geworden, dass sie an der Realisierung jugendschützerischer Maßnahmen beteiligt wird. So werden die entsprechenden Gesetze und Vorschriften so komplex und zugleich umfänglich und dem juristischen Laien unverständlich formuliert, dass sie möglichst der technischen Vielfalt medialer Verbreitung und der Vielzahl der Verbreitenden gerecht werden. Das führt beispielsweise dazu, dass sich die zuständigen Bundesländer seit Jahren nicht auf eine Neufassung des Jugendmedienschutzstaatsvertrages einigen können. Und die Kontrolle über die medialen Inhalte – laut Grundgesetz eine Aufgabe des Staates – wird an die Medienanbieterinnen und -anbieter abgegeben. Mit dem Konstrukt der ‚regulierten Selbstregulierung‘ wird den Produzentinnen und Produzenten von Medieninhalten die Kontrolle über diese Inhalte übergeben – unter Aufsicht einer halbstaatlichen Kommission, die aber nicht in die Inhaltskontrolle eingreift. Die zu beaufsichtigenden Werte wie Unwerte können damit in ihrer inhaltlichen Valenz und Ausgestaltung von der Medienindustrie (mit-) bestimmt und gewandelt werden.
Schließlich erhalten die Medien einen entscheidenden Einfluss auf die Wertevermittlung. Sie sind zu einer bedeutenden Instanz der Sozialisation nicht nur der Heranwachsenden geworden. Die dominanten Sozialisatoren Elternhaus, Schule, Kirchen, Gewerkschaften et cetera haben bis in die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts Normen und Werte bestimmt, an denen sich die Heranwachsenden direkt und die gesellschaftlichen Institutionen inklusive der Medien indirekt ausgerichtet haben. Die klare Normierung durch die klassischen Sozialisationsinstanzen ist verlorengegangen, an ihre Stelle ist ein Wertepluralismus getreten. Für die Menschen bedeutet dies, dass sie sich im Positiven wie Negativen nicht mehr an gesetzten Normen orientieren können, sondern sich ihre Orientierungen selbst suchen müssen. Hier bietet das Internet einen Raum, in dem alle Wertemuster auffindbar sind, nicht mehr hierarchisiert und allgemein verbindlich, sondern gleichwertig nebeneinander gestellt und in vielfarbigen Schattierungen. Es wird zur besonderen Leistung der Menschen, sich nicht mehr am Vorgegebenen durch Zustimmung oder Abgrenzung auszurichten, sondern die dargebotenen Wertemuster mit eigenem Handeln und Vorstellungen abzugleichen und mit den Normen, die in der sozialen Umwelt herrschen, zu vereinbaren. Welche Werte aus der Vielfalt des Angebotes gewählt, welche befolgt werden und welche sich gesellschaftlich durchsetzen, lässt sich von außen kaum absehen. Das in der Sozialpsychologie gebräuchliche Bild einer personalen Identität als Bricolage aus diversen Vorgaben der sozialen Umwelt fasst die Unbestimmbarkeit der Wertsetzungen. Insbesondere die Medien sind heute Träger der Vorgaben, aus denen sich die Menschen ihr eigenes für sie bestimmendes Wertemuster zusammentragen müssen.
Die beschriebenen Einflüsse der Medien auf die Wertedebatte in unserer Gesellschaft sind bislang eher unverbundene Beobachtungen. Die Frage nach den Verschiebungen der Wertemuster in der Gesellschaft lässt sich damit keineswegs beantworten. Lediglich Phänomene können gesehen und ihre Folgen herausgearbeitet werden. Dieser Diskurs über Werte, Medien, Subjekt bzw. Gesellschaft wird in der vorliegenden Ausgabe von merz angerissen. „Aus der Tatsache, dass Menschen einen bestimmten Wert akzeptieren, folgt nicht, dass er für alle Menschen gelten muss.“ Matthias Rath beschreibt die historische Genese von Werten und ihre Veränderung unter den Bedingungen einer mediatisierten Gesellschaft, indem er dem klassischen Konzept der Vermittlung eines festen Wertekanons die Vermittlung kritischerWerturteilskompetenz gegenüberstellt. Der Medienpädagogik wird damit die Aufgabe zuteil, mediale Handlungsorientierung zu beurteilen und die unterschiedlichen Wertangebotekompetent abzuwägen. Thomas Merz führt aus, dass sich diese ethische Reflexion keinesfalls auf einzelne Medienprodukte oder -inhalte beschränken darf. Vielmehr gehört ethische Kompetenz untrennbar zur Medienbildung. Er zeigt auf, wo ethische Reflexion in Bezug auf Medien in der Primarstufe und Sekundarstufe I notwendig ist und wie sie umgesetzt werden kann. Was beispielsweise müssen Jugendliche wissen, was können sie wissen und was sollten sie auf Social Media weiterverbreiten? Anja Hartung zeichnet nach, wie sich der Freundschaftsbegriff kulturhistorisch herausgebildet hat. Heute ist Freundschaft in den Social Networks zu sozialem Kapital geworden, mit dem im Identitätsprozess der Erwerb von Anerkennung verbunden ist.
Dass Freundschaft weiterhin einen von Jugendlichen angestrebten Wert hat, eröffnet einerseits Möglichkeiten der Förderung medienethisch kritischer Fähigkeiten und andererseits die Selbstbestimmung des Wertes von Freundschaft in einer vernetzten Welt. Bernd Schorb versucht im Gespräch mit Thomas Krüger die Bedeutung der Medien für eine Bestimmung politischer Werte und die Verortung der Menschen in diesem Prozess zu eruieren. Krüger macht deutlich, dass die Vermittlung von Werten eine zentrale Aufgabe politischer Bildung ist. Er kritisiert die Vernachlässigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und die Wertevermittlung von globalen Medienunternehmen. An Beispielen veranschaulicht er die Bedeutung medienpädagogischer Arbeit zur Vermittlung und Verankerung demokratischer Werte. Wie wichtig eigene moralische Orientierung für Jugendliche ist, zeigen Rudolf Kammerl, Michaela Hauenschild und Anja Schwedler mit ihrer Untersuchung von jugendlichen Onlinespielerinnen und -spielern. Mit Dilemma-Interviews haben sie erforscht, wie sich Entgrenzungsphänomene im Kontext der Nutzung von Online-Spielen darstellen, auf welche Weise Jugendliche sich diesen gegenüber verhalten und wie sie ihre Entscheidung begründen: von „Wenn’s ne langweilige Aufgabeist, spiel ich lieber was“ bis „Weil Real Life ist halt wichtiger“.
Abschließend stellen Kathrin Demmler, Christa Gebel, Mareike Schemmerling und Swenja Wütscher die enge Verbindung von Werte- und Medienkompetenz heraus. Anhand von Projektbeispielen wie ICH WIR IHR im Netz erläutern sie die Prinzipien und Potenziale medienpädagogischer Arbeit mit dem Ziel, das Wertebewusstsein von Heranwachsenden zu fördern. „Werte sind [...] nicht ein beliebiges Thema für die Medienpädagogik, sondern zentrale Aufgabe und Herausforderung für alle Fachkräfte.“ Die Trias Jugend – Werte – Medien hat Konjunktur. Angesichts der gesellschaftlichen und medienpädagogischen Diskussion um Wertevermittlung, -verschiebung und -verlust sowie der Verunsicherung über die Omnipräsenz und -potenz von Medien ist sie so aktuell wie nie. Gleichzeitig wird der Diskurs aber noch lange weiterzuführen sein, da die noch keineswegs abgeschlossene Entwicklung der Medien weitere zusätzlich zu beachtende Aspekte einbringen wird.
Literatur:
Adorno, Theodor W. (1996). Eingriffe. Neun kritische Modelle (1963). Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Brecht, Bertolt (1976). Der Rundfunk als Kommunikationsapparat. In: Prokop, Dieter (Hrsg.), Massenkommunikationsforschung. Band 1: Produktion. Frankfurt/M.:Fischer.
Enzensberger, Hans Magnus (1976) Baukasten zu einer Theorie der Medien. In: Prokop, Dieter (Hrsg.), Massenkommunikationsforschung. Band 2: Konsumtion. Frankfurt/M.:Fischer.
McLuhan, Marshall (1962). The Gutenberg Galaxy: The Making of Typographic Man. Toronto: University of TorontoPress.
Swenja Wütscher: Kindersicherung in der Hosentasche?!
Kommunikationsmittel, Spielekonsole, Kamera – mit Apps wird aus jedem mobilen Endgerät ein digitales Schweizer Taschenmesser, welches neue Chancen und Herausforderungen mit sich bringt. Markus Gerstmann, Medienpädagoge im ServiceBureau Bremen und verantwortlich für die Redaktion von jugendinfo.de, beschäftigt sich mit dem Potpourri der Möglichkeiten und informiert seit Jahren über die aktuelle Mediennutzung von jungen Menschen und zeigt Möglichkeiten für lebensnahe, partizipative und kollaborative Lernformen mit digitalen Medien auf.
Swenja Wütscher: Neuer Bereich auf klicksafe.de: Sexting
In den Medien ist immer häufiger von Sexting die Rede, von Jugendlichen, die freizügige Fotos oder Videos von sich machen und diese über Computer, Tablet oder Smartphone verschicken. Probleme birgt Sexting einerseits, wenn diese Fotos neben der Person, für die sie gedacht waren, noch an weitere Personen verbreitet werden; unabhängig ob aus Versehen oder aus böser Absicht geschehen. Zum anderen sich erotische Fotos, die auf Druck einer anderen Person entstehen, klare Nötigung bzw. Erpressung (vgl. Interview mit Angelika Berankek zu Sexting in merz 1/14, S. 6 f.). Wie häufig aber kommt Sexting tatsächlich vor? Was sind die möglichen Folgen? Was kann man tun, wenn die eigenen Bilder plötzlich ungewollt in der Öffentlichkeit stehen? klicksafe, die EU-Initiative für mehr Sicherheit im Netz, hat auf ihrer Homepage einen neuen Bereich zum Thema Sexting angelegt und gibt Antworten auf diese und weitere Fragen. Beispielsweise wird dort erklärt, dass es sich bei den meisten Sexting-Fotos und -Videos nicht um Kinderbzw. Jugendpornografie handelt. Und dass sich Jugendliche durch das Versenden der selbstaufgenommenen erotischen Bilder an die Partnerin bzw. den Partner nicht strafbar machen. An selbiger Stelle bietet klicksafe übrigens auch 138-seitiges kostenfreies Zusatzmaterial für Lehrkräfte an: Let‘s talk about Porno!
Swenja Wütscher: nachgefragt Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung
Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) regelt für Rundfunk und Telemedien, welche Medieninhalte wann und wie gesendet bzw. angeboten werden dürfen. Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) prüft, ob Verstöße dagegen vorliegen und entscheidet über die Ahndung von Rechtsverletzungen. Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, ist stellvertretender Vorsitzender der KJM. Im Herbst 2011 sagte er: „Jugendmedienschutz darf kein Placebo sein, das die Eltern schlucken, um sich in falscher Sicherheit zu wiegen“. Swenja Wütscher hat mit ihm anlässlich der Novellierung des JMStV gesprochen und ihn gefragt, was dieses Zitat im Umkehrschluss bedeutet: Jugendmedienschutz ist ein Mittel für … ?
Krüger: Jugendmedienschutz ist ein weites Feld, würde Fontane sagen. Ich argumentiere mal von den zu Schützenden her, also dass vor allem bei Kindern der Schutzgedanke im Vordergrund stehen muss, und bei Jugendlichen der Gedanke der Eigenverantwortung. Sprich, wir brauchen differenzierte Lösungen, die den Schutzbedürfnissen Rechnung tragen, die auf der anderen Seite aber auch begreifen, dass es nicht nur um Ordnungspolitik geht, sondern auch um Medienkompetenz. Die medienpädagogische Herausforderung, die Aufgabe, die es zu bewältigen gilt, ist die Stärkung der Eigenverantwortung der Jugendlichen.
merz: Welche Wirkung entfaltet die – im Jahr 2010 gescheiterte, im März erneut gestartete – Novellierung des JMStV bei Ihnen?
Krüger: Zunächst geht es natürlich darum, viele offene Fragen zu diskutieren, die mit der Medienkonvergenz aufgetreten sind, aber auch die Frage, wie es mit dem technischen Jugendmedienschutz weitergehen soll. Ich bin der Meinung, dass die Wirtschaft derzeit nicht in der Lage ist, eine vernünftige Weiterentwicklung der Jugendschutzprogramme alleine zu finanzieren und plädiere vehement für ein stärkeres Engagement der öffentlichen Hände von Bund und Ländern.
merz: Brauchen medienkompetente Heranwachsende überhaupt noch einen Jugendmedienschutz?
Krüger: Kinder brauchen in jedem Fall Vorkehrungen des Jugendmedienschutzes, bei Jugendlichen sieht das schon anders aus. Ich glaube, dass Jugendliche mit zunehmendem Alter selber für sich Verantwortung übernehmen müssen, weil Schutzvorkehrungen nur relative sein können. Deshalb muss der Jugendmedienschutz der Zukunft – also einer, der seinen Namen verdient – begreifen, dass es neben dem Standbein der technischen und ordnungspolitischen Vorkehrungen ein Spielbein der Unterstützung von Medienkompetenz-Projekten für Jugendliche braucht, die sie ermächtigen, eigenverantwortlich mit Medien umzugehen.
merz: Was könnte oder sollte ‚die Medienpädagogik‘ selbst zur Verbesserung des Jugendmedienschutzes beitragen?
Krüger: Medienpädagogik dient zunächst dazu, wozu Pädagogik überhaupt dienen soll, nämlich der Stärkung einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit, die den Qualitätskriterien demokratischer, offener Gesellschaften Rechnung trägt. Insofern müssen medienpädagogische Projekte von Sozialverhalten bis hin zu technischen Kompetenzfragen und der Beurteilung und Bewertung von Medieninhalten ein großes Spektrum abdecken, letztendlich aber darauf hinauslaufen, dass die eigenverantwortliche Persönlichkeit im Mittelpunkt stehen sollte. Bisher wird hier viel zu viel klein-klein gefahren. Es gibt hervorragende dezentrale Initiativen, aber weder eine systematische Förderpolitik noch eine erkennbare Verzahnung mit den schulischen Curricula – vor allem für den Bereich der weiterführenden Schulen.
merz: Welche Aspekte sollten damit einen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag anführen?
Krüger: Die Diskussion um einen JMStV muss berücksichtigen, dass es auch korrespondierende Lösungen für den medienpädagogischen bzw. für den Medienkompetenz-Bereich geben muss. Der JMStV muss Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass tatsächlich übergeordnete Förderpolitik gestartet wird, die dadurch denkbar ist, dass man entsprechende Institutionen aktiviert, diese Aufgabe wahrzunehmen, oder – wie es immer als große Lösung vorgeschlagen wurde – eine Bund-Länder-Stiftung Medienpädagogik auf die Schiene setzt, die ihren Namen aber auch wirklich verdient.
merz: Wer sollte mit wem ein solches Konzept gestalten?
Krüger: Ich finde, die Verantwortlichen in Bund und Ländern müssen genauso an den Start wie die Fachleute, die sich über Jahrzehnte um dieses Themenfeld verdient gemacht haben. Die Medienpädagogik hat einen sehr starken sozialwissenschaftlichen Background in die Waagschale zu werfen, der sehr hilfreich ist, was die Adoleszenz-Phase von Jugendlichen betrifft, und damit sozusagen die Projekte der Medienpädagogik und Medienkompetenz einpasst in die Persönlichkeitsentwicklung. Gleichzeitig kann man auch nicht vorbeigehen an der Expertise starker Anbieter von medienpädagogischen Projekten. Also es gibt im Feld eine Reihe von Experten, die angesprochen und einbezogen werden müssen. Es gibt aber vor allem auch die politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern, die endlich begreifen müssen, dass der Jugendmedienschutz auf zwei Beinen zu stehen kommen muss, wenn es um Jugendliche geht: neben den technischen und ordnungspolitischen Vorkehrungen nämlich auch die Stärkung der Eigenverantwortung der Jugendlichen. Das A und O sind die Jugendlichen, die nicht nur Patienten sind, die erzogen oder pädagogisiert werden müssen, sondern wenn wir von Medienpädagogik- und Medienkompetenz-Projekten ausgehen, denken wir eine teilhabeorientierte Bildung – also die Einbeziehung der Jugendlichen selber – immer mit. Ohne Partizipation in diesen Projekten, ohne Mitbestimmung über die Lernszenarien und -settings wird keine Akzeptanz in diesem Bereich herzustellen sein.
merz: Jugendmedienschutz darf nicht nur Regulierung heißen. Jugendliche sind gleichzeitig Regisseure und Darsteller ihrer Lebenswelt – und sollen das auch sein. Ihr Wunsch nach sozialer Zugehörigkeit verlangt dabei auch Webpräsenz: Welche Alternativen sollte es daher für Jugendliche neben sicheren Surfräumen und Filterlösungen geben?
Krüger: Eine Lösung ist vielleicht, ins Kloster zu gehen, aber die gehört eher anderen Jahrhunderten an. Ich glaube, man muss berücksichtigen, dass Jugendliche heute neben der Einbeziehung in den formellen und non-formellen Bildungssektor auch Selbstlernende sind: Sie organisieren sich selbst, auch ihre Lernprozesse – in der pädagogischen Wissenschaft wird das informelle Bildung genannt –, sie vernetzen sich mit Gleichaltrigen, tauschen sich aus und werden quasi durch das Interagieren mit Gleichaltrigen Experten ihres Alltags – auch ihres Medienalltags. Das gilt es in entsprechenden Szenarien und Förderprogrammenzu berücksichtigen. Denn die Akzeptanz bei Jugendlichen wird nur herzustellen sein, wenn sie als eigenverantwortliche Persönlichkeiten von Anfang an mitgestaltend ins Spiel kommen und dieses Terrain mitbestimmen können.
Swenja Wütscher: nachgefragt Prof. Dr. Thomas Merz, Fachbeauftragter für Medienbildung an der Pädagogischen Hochschule Thurgau
Lehrplan 21 – der steht für einen gemeinsamen Lehrplan der 21 deutsch- und mehrsprachigen Kantone der Schweiz, denn bisher hatte jeder Kanton seinen eigenen (teilweise jahrzehnt-veralteten) Lehrplan. Gleichzeitig steht Lehrplan 21 aber auch für eine Bildung gemäß dem 21. Jahrhundert, die eine umfassende Medienkompetenz als Voraussetzung für ein Bestehen in der Mediengesellschaft mit sich bringt. Derzeit befindet sich dieser Lehrplan in der Konsultationsphase, bevor er Anfang 2014 in die letzte Bearbeitsungsphase gehen wird. Prof. Dr. Thomas Merz arbeitet an diesem Meilenstein der Schweizer Schulgeschichte mit, in der Arbeitsgruppe Medien/ICT. Swenja Wütscher hat er fürmerz erzählt, was ihm der Prozess bedeutet.
merz: Vor einigen Wochen haben Sie sich geäußert, dass die bisherige Diskussion um den Medien- und ICT-Unterricht in die richtige Richtung gehe. Wie genugtuend sehen Sie das heute?
Merz: In den letzten Monaten wurde in der Schweiz ausgeprägt eine Verstärkung der Informatik im Lehrplan gefordert. Ich begrüsse das sehr. Bereits der aktuelle Vorschlag des Lehrplans ist für die Schweiz ein Fortschritt. Entscheidend ist, dass er dann auch umgesetzt wird.
merz: Sich richtig informieren zu können ist eine Grundkompetenz in der heutigen Mediengesellschaft. Auch deshalb war bzw. ist in der Diskussion, in den Lehrplan 21 ein eigenes Schulfach für Medienkompetenz zu implementieren. Wie ist der aktuelle Stand dazu?
Merz: Im Moment ist eben vom Lehrplanvorschlag her noch kein eigentliches Fach vorgesehen, sondern es sind lediglich die Kompetenzen für Medien/ICT definiert. Medien/ICT soll nach wie vor integrativ unterrichtet werden, also in die anderen Unterrichtsfächer integriert. Neu ist bisher nur die Verbindlichkeit von klaren Kompetenzen. Aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahrzehnte wissen wir: Entscheidend für die Umsetzung wäre nun, nicht nur die Kompetenzen zu definieren und integrativ zu verorten, sondern dafür auch tatsächlich ein Zeitgefäss im Lehrplan mit entsprechender Verantwortung zu definieren.
merz: Inwiefern werden die aktuell frisch ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrer oder auch die, die sich gerade noch in ihrem Studium befinden, vorbereitet, um – unabhängig von einer letztendlichen Verankerung von Medien/ICT im neuen Lehrplan – nicht von ihren Schülerinnen und Schülern lernen zu müssen?
Merz: Da hat kürzlich die Hasler Stiftung eine Untersuchung gemacht und festgestellt, dass die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer in der Schweiz sehr unterschiedlich verläuft. Ich gehe ganz klar davon aus, dass an verschiedenen pädagogischen Hochschulen – auch wenn der Lehrplan 21 so kommt, wie er im Moment vorgesehen ist – da auch Ergänzungen notwendig sind. Natürlich kann man sagen, dass in der Regel noch frisch ausgebildete Lehrpersonen in dem Bereich deutlich mehr mitbringen als Lehrpersonen, die schon länger im Schuldienst stehen, aber die stetig steigenden Anforderungen in dem Bereich, die bringen natürlich auch stetig neue Herausforderungen für die Ausbildung.
merz: Neue Lehrmittel gibt es noch nicht. Wie könnten oder sollten in Ihren Augen die dringend notwendigen Materialen aussehen, die quasi immer aktuell und dennoch kostenmäßig tragbar bleiben sollen und müssen?
Merz: Aus meiner Sicht sind zwei Ebenen nötig: Ich sehe nach wie vor Printmedien als eine Variante, Schulbücher et cetera, vorwiegend für die längerfristigen Bildungsziele. Die müssen aber ergänzt werden, auch durch audiovisuelle, online zur Verfügung gestellte Materialen und Hilfsmittel, die die jeweils aktuellen Grundlagen für den Unterricht auch nutzbar aufbereiten. Das würde ich daher auch nicht als Zusatzausgaben bezeichnen, sondern als Investition. Denn jede Volkswirtschaft steht heute untrennbar auch vor der Herausforderung, genau in dem Bereich, in Medien/ICT, Konkurrenzfähigkeit zu beweisen. Diese Konkurrenzfähigkeit wird massiv davon abhängen, ob wir eben in Medien/ICT die künftigen Berufstätigen, die Schülerinnen und Schüler, auch vorbereiten können. Und wenn wir hier am falschen Ort sparen, dann werden die Kosten langfristig erheblich höher sein, als wenn wir jetzt das eine oder andere bei den Lehrmitteln einsetzen.
merz: Bis Ende 2013 befindet sich der Lehrplan 21 noch in der Konsultationsphase, bevor die nächste Überarbeitungs- und Bürokratiephase läuft, um ab 2016/17 (hoffentlich) in den Deutschschweizer Volksschulen umgesetzt zu werden. Wie sollten sich pädagogische Fachkräfte verhalten, um bereits jetzt auf den Zug der Mediengesellschaft aufzuspringen?
Merz: Ganz entscheidend sollten sie eigentlich jederzeit, sofort, überall dort, wo es möglich ist, integrativen Medienunterricht stark ausbauen. Sie sollten bereits heute im Unterricht Medienprodukte und -inhalte sorgfältig reflektieren, aber auch Medien produzieren und Schülerinnen und Schüler dazu befähigen, sich selbst in Medien auszudrücken. Es bestehen eigentlich kaum Schwierigkeiten, das unter den heute bereits gültigen Lehrplänen zu tun. Was aus meiner Sicht zentral ist, ist eine Erhöhung der Verbindlichkeit. Aber getan werden könnte, sollte und müsste es jetzt sofort.
merz: Es ist gar nicht so einfach zu bestimmen, was man alles wissen und können muss. Wie finden Sie, meistert der neue Lehrplan 21 allgemein diesen Spagat?
Merz: Wenn die Grundkompetenzen, die im Lehrplan drin sind, für die ganze Deutschschweiz verbindlich festgelegt sind, ist das aus meiner Sicht tatsächlich ein wichtiger Fortschritt, in dem eine zeitgemäße auch systematische Medienbildung gefordert wird. Es geht nämlich nicht einfach nur darum, einzelne Aspekte aus dem Bereich der Medien in die Lehrpläne zu integrieren, sondern systematisch Schülerinnen und Schüler zur Mündigkeit in einer Mediengesellschaft hinzuführen. Und diese Zuverlässigkeit, der übergreifende Anspruch über verschiedene Kantone und die Konzeption, die halte ich für entscheidend.
Swenja Wütscher: nachgefragt Klaus Wenzel, Präsident Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband
Rofl, knuddel, hdl – vor gut 20 Jahren haben sie das Licht der Welt entdeckt. Auf ihrem Weg des Erwachsenwerdens hat die SMS dann auch noch ein paar Geschwister erhalten: WhatsApp, Joyn, Apple iMessage und Facebook Chat. Zwar besitzen alle Familienmitglieder eine individuelle Infrastruktur, es vereint sie aber der Bund einer speziellen Kommunikationskultur. Klaus Wenzel, Präsident des Bayerischen Lehrerund Lehrerinnenverbandes (BLLV), hat sich bei der Renaissance des Telegramms damals zurückgehalten, und sich nicht direkt mit der Familie SMS angefreundet. Es hat ein bisschen gedauert, bis er bereit und in der Lage war, eine SMS zu schreiben. Telefonieren war für ihn anfangs noch die angenehmere Alternative, bis er sich auf die neue Kommunikationskultur eingestellt hatte, wie er Swenja Wütscher erzählt hat, die für merz mit ihm gesprochen hat.
merz: Heute gehört die Familie der SMS zum Alltag, es wird täglich millionenfach ohne Stift geschrieben. Jugendliche wissen schon gar nicht mehr, wie man korrekt schreibt – so heißt es jedenfalls häufig. Aber ist das wirklich so, ruiniert die SMS-Sprache die deutsche Sprache?
Wenzel: Nein, sie entwickelt sie weiter. Das gab es schon immer in der Geschichte deutscher Sprache, dass sich vor allem Jugendliche eine eigene Sprache gesucht haben, um sich von der Erwachsenenwelt auch abzugrenzen. Die Panik, die ich manchmal fast erlebe, die deutsche Sprache würde jetzt ruiniert werden, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Ich denke, es ist zum Teil auch sehr kreativ, was da passiert, was für Abkürzungen sie verwenden, was für Codes, die bewusst unter den Jugendlichen ausgetauscht werden, eben um sich auch etwas abzugrenzen von der Erwachsenenwelt.
merz: Die Länge einer einzigen (1) SMS ist auf 160 Zeichen begrenzt. Da gilt es also schnell auf den Punkt zu kommen mit einer Portion Qualität statt Quantität. Dadurch wird die Einschränkung doch zu einer Stärke, oder?
Wenzel: Das glaube ich auch, dass man sich dann auf das konzentriert, was man eigentlich als Botschaft rüberbringen will. Insofern ist es auch eine gedankliche Leistung herauszufiltern, was ich mit dieser begrenzten Zeichenzahl meinem Adressaten mitteilen will. Das Abfordern dieser gedanklichen Leistung hat also durchaus einen Vorteil.
merz: Rechtschreibung, Grammatik und Stil verlieren in einer SMS allerdings doch an Bedeutung. Inwiefern hat das in den letzten gut 20 Jahren denn schon Auswirkungen auf die Sprache gehabt?
Wenzel: Mit der Rechtschreibung haben wir schon immer Probleme. Meine Stellungnahme als eine Person, die 34 Jahre Lehrer war, ist die: Wir investieren viel zu viel Zeit in Rechtschreibstunden mit einem viel zu geringen Effekt. Und die Frage ist, ob diese Investition sich wirklich lohnt oder ob man nicht mehr daraufachten sollte, dass junge Menschen in der Lage sind ihre Gedanken auszudrücken; auch kreativ auszudrücken. Man könnte auch flapsig sagen: Es sind ziemlich arme Menschen, die für jedes Wort nur eine Schreibweise kennen! Es ist selbstverständlich wichtig, dass man erkennen kann, was mitgeteilt werden soll, aber wenn ein Mensch nur durchschnittlich liest, dann schleicht sich das schon automatisch ein, weil wir ganz stark über Wortbilder lernen. Insofern glaube ich, dass viele Stunden, in denen sich Lehrerinnen und Lehrer gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern mit rechtschriftlichen Fragen beschäftigen, oft fehlinvestiert sind.
merz: Wie sieht es aus, wenn wir in die deutschen Klassenzimmer schauen: Machen sich der private SMS Gebrauch und damit die Sprachveränderung denn auch im Unterricht bemerkbar?
Wenzel: Ich weiß nicht, ob es da wissenschaftliche Befunde gibt, da spielt noch was anderes mit. Viele Grundschulkinder lernen heute anders lesen als noch vor 20 Jahren, mit einer sogenannten Anlauttabelle. Das sind sehr typische Abbildungen, wie beispielsweise ein Auto. Jedes Kind erkennt das Auto und weiß, dass es mit einem „A“ beginnt. Anschließend fangen die Kinder mit Hilfe dieser Anlauttabelle an, Texte zu schreiben; natürlich so, wie sie es hören. Da gibt es sehr kreative Schreibweisen. Auch dadurch wird natürlich die korrekte Rechtschreibung beeinflusst. Insofern weiß ich nicht, ob man das nur der SMS-Gruppe zuordnen kann, dass die Rechtschreibung heute nicht mehr so optimal ist, wie das vielleicht früher einmal war. Ich glaube es hat auch etwas mit der Anlautmethode zu tun.
merz: Auch wenn sie kein Schulranzen in einem Schulgebäude empfangen soll: Welchen Stellenwert hat für Sie eine SMS in Bezug auf die Lebenswelt der Jugend?
Wenzel: Ich bekomme das in meinem Umfeld mit: Die SMS hat inzwischen eine Riesenbedeutung erhalten. Ich bin gerade mit der U-Bahn zu meiner Arbeitsstelle gefahren und da sitzen junge Leute die tippen und tippen und tippen. Sie sind offensichtlich dabei, sich irgendwelche Botschaften zu senden und das nicht nur einmal am Tag. Das heißt: Ich glaube, die digitale Kommunikation hat erheblich zugenommen. Mir ist wichtig, dass junge Menschen darüber den realen Kontakt nicht verlieren, also dass sie auch noch in Situationen kommen, in denen sie miteinander sprechen und eine einigermaßen vernünftige Jugendsprache verwenden, aber die SMS ist nicht mehr wegzudenken und kann auch – wie wir in unserem kurzen Gespräch schon gesehen haben – sehr positiv bewertet werden.Anmerkung (1) Eine SMS war und ist immer auf 160 Zeichen beschränkt. Seit ein paar Jahren bieten Mobiltelefone zusätzlich die Möglichkeit, mehrere Kurznachrichten automatisch miteinander zu verketten.
Swenja Wütscher: nachgefragt Ida Pöttinger, Vorsitzende der GMK
30 Jahre GMK, 30 Jahre mit Medien, 30 Jahreüber Medien. Als bundesweiter Fachverband der Bildung, Kultur und Medien setzt sich die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) für die Förderung von Medienpädagogik und Medienkompetenz ein. Unter dem Motto „Kreativ und kritisch mit Medienleben – Medienkompetenz fördern“ bringt sie Interessierte aus Wissenschaft und Praxis zusammen, um für Information, Austausch und Transfer zu sorgen. Zum 30. Jahrestag ihres Bestehens hat Swenja Wütscher mit der Vorsitzenden, Dr. Ida Pöttinger, der Gesellschaft gesprochen.
merz: 30 Jahre gibt es ihn nun schon, den medienpädagogischen Dach- und Fachverband: die GMK, die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur – oder sollte ich besser sagen die Gesellschaft für Motoren und Kraftanlagen?
Pöttinger: Der Vergleich ist nicht so übel. Tatsächlich war es so, dass sich zunächst Leute aus der Wissenschaft, Forschung und Praxis zusammengetan haben, weil das Bedürfnis so groß war, sich selbst mit seinem Anliegen zu versichern. Die Gewissheit, dass Medienkompetenz ein wichtiger Bestandteil von Erziehung und Bildung ist und die Neugierde, wie andere Medienpädagogik umsetzen, machte die Vernetzung so wichtig. Der fachliche Austausch stand immer im Vordergrund. Mit Dieter Baacke, der unter anderem mit der Einführung des Begriffs Medienkompetenz dem Verein noch eine Richtung gab, entwickelte sich die GMK zu einem Motor für lebensweltorientierte Bildungs- und Erziehungsmodelle. Das jährliche mehrtägige Forum ist nach wie vor eine Kraftanlage, weil sich dort Praktiker und Studierende mit Menschen, die sie oft nur aus Büchern oder dem Internet kennen, austauschen, neue Ideen und gemeinsame Projekte entwickeln. Trotz der Diversität der Ansichten, ist die GMK aufgrund der regelmäßigen Teilnahme von Mitgliedern wie eine big family oder community. Das Vertrauen, dass im Prinzip alle an einem Strang ziehen, gibt Kraft.
merz: Mit der jährlichen Verleihung des Dieter Baacke Preises erinnert sich die GMK immer noch ihrer Wurzeln, ihres Gründungsvorsitzenden, des Urvaters der Medienkompetenz. Sind die Ziele von damals auch noch die Ziele von heute?
Pöttinger: Dieter Baacke unterteilte Medienkompetenz in vier Dimensionen: Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung. Untersucht man die Inhalte der Begriffe, so muss man feststellen, dass sie durchaus noch gelten. Aber man würde heute eher von einer Bewertungs- und Wissensdimension, Orientierungsfähigkeit und Handlungsdimension sprechen. Es geht bei der Herausbildungvon Medienkompetenz immer noch um Fähigkeiten und Fertigkeiten, die im Rahmen von handlungsorientierter Medienarbeit oder individualisierten Lernumgebungen erworben oder erweitert werden können. Es geht aber um mehr: Man muss die Mediatisierung aller Lebensbereiche begreifen. Im Übrigen: Definitionsstreitigkeiten spielen angesichts der notwendigen Vernetzung mit europäischen Partnern mittlerweile eine sekundäre Rolle.
merz: Die Gründung war im Orwellschen 1984, dessen Visionen heute aktueller zu sein scheinen als damals. Wo genau positioniert sich die GMK heute in dem Feld aus Kulturpessismus und -optimismus?
Pöttinger: Ein Überwachungsstaat oder ein Überwachungskonzern, wie bei Orwell beschrieben, stellt sich jetzt als Bedrohung der Freiheit dar. Zu Baackes Lebzeiten galt noch die Brecht’sche Forderung, dass der Empfänger zum Sender werden sollte, also vom Objekt zum selbstbestimmt handelnden Subjekt. Das hat sich augenscheinlich durch das Internet zum Positiven verändert. Ich sage augenscheinlich, denn es stellen sich neue Fragen: Wie schaffen es offene Gesellschaften, mithilfe des Netzes die Demokratie zu stärken? Werden die Menschen künftig vor allem getrieben von mächtigen Staaten und Konzernen, die das Netz dafür nutzen, Regeln zu brechen, Rechte zu beugen und so die Demokratie zu schwächen? Natürlich kann das Netz demokratische Beteiligung stärken, aber nur mit neuen Regeln und einer Ethik der Verantwortung. Genau mit diesen Themen muss sich die GMK beschäftigen im Großen (in der Politik) wie im Kleinen (in der Pädagogik). Deshalb geht es auf dem Forum 2015 um Kommunikationskulturen. Wären wir nicht Optimisten, müssten wir den Kampf für mehr Medienkompetenz aufgeben und eine Gegenbewegung starten. Richtig ist, dass die Medienpädagogik gerade aus der Individualisierungsecke wieder herauskommt und Themen wie Identitätsentwicklung in den Hintergrund treten zugunsten von Themen wie Manipulation durch Medien.
merz: Das Schlagwort Medienkompetenz taucht im aktuellen Koalitionsvertrag ganze 37 Mal auf. Welche Konsequenzen zieht die GMK daraus?
Pöttinger: Koalitionsvereinbarungen müssen sich in der Praxis bewähren und verlangen mitunter einen langen Atem. Auch verläuft die Entwicklung nicht immer gleichmäßig und kontinuierlich. Die Bestandsaufnahme, die wir 2013 für das BMFSFJ gemacht haben und die sich daraus ergebenden Forderungen, sehen eine Förderung von Medienbildung und Medienpädagogik entlang der gesamten Bildungskette vor. Sie sind aus unserer Sicht ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Darauf können wir mit unseren Partnern aus der Politik und aus anderen Institutionen aufbauen. In den einzelnen Bundesländern nehmen wir große Fortschritte wahr. Wichtig ist uns auch die enge Zusammenarbeit mit der Kampagne KBoM ( Keine Bildung ohne Medien), die sich eine Grundbildung Medien für alle pädagogischen Bereiche auf ihre Fahnen geschrieben hat.
merz: Im Alter von 30 Jahren endet heute oft erst die Phase der Pubertät. Damit hört der Spaß zwar nicht auf, aber es wird ernst. Was genau haben wir zu erwarten?
Pöttinger: Wenn pubertär ‚wild at heart‘ meint, dann kann es von uns aus nach 30 Jahren noch experimentell und offen weitergehen. Auch wenn zunehmend weitere Altersgruppen medienpädagogisch in den Blick kommen: Kinder, Jugendliche und Familien stehen im Zentrum unserer Arbeit. Diese Zielgruppen und neue Technologien fordern uns heraus und verlangen ständiges Umdenken und Prüfen, ob die Richtung noch stimmt. Wir wollen der Soundtrack sein und nicht nur die Begleitmusik.merz gratuliert der GMK ganz herzlich zum 30-jährigen Jubiläum, vielmehr aber noch der gesamten ‚big family‘, die diese Institution mit Leben befüllt.
Swenja Wütscher: nachgefragt Dr. phil. Angelika Beranek Sozialpädagogin im Infocafe Neu-Isenburg
„Mittlerweile wird unter dem Begriff Sexting verstanden, dass Jugendliche Nacktfotos von sich via Smartphone oder Internet verschicken, entweder über das Handy oder übers Internet, um die Aufmerksamkeit des jeweils gegengeschlechtlichen Parts zu erregen. Ursprünglich kommt der Begriff daher, dass man erotische Inhalte zum Flirten benutzt, also eine Mischung aus Sex und Texting. Jetzt ist es aber auch auf das Negative umgemünzt worden, dass man diese Fotos verschickt und diese ungewollt weiterverbreitet werden“, erzählt Dr. phil. Angelika Beranek. Auch hat sie Swenja Wütscher erklärt, wie und warum dieser Schneeball-Effekt funktioniert.
Beranek:
Das ist so eine Art Sensation: Man hat irgendwas Neues, Spannendes und will das dann auch mit anderen teilen. Es existiert häufig auch der Zwang, es anderen zu zeigen, um mit dabei zu sein. Es wird meist ja erst mal im engen Freundeskreis weitergeschickt. Nur dieser enge Kreis schickt es eben auch wieder weiter, um nicht uncool zu sein.
merz: Die Weiterverbreitung der Fotos ist also weniger auf eine ‚böse Absicht‘ zurückzuführen?
Beranek: Häufig ist es so, dass die Kids nicht darüber nachdenken, was sie demjenigen auf dem Bild antun. Die Aufmerksamkeit ist erst mal auf sie selbst und auf das gerichtet, was das Foto für ihre eigene soziale Position bedeutet. Die Opfer liegen eigentlichgar nicht im Fokus. Es ist relativ selten, dass die Fotos verbreitet werden, um jemandem zu schaden. Vielmehr ist es ein sozialer Prozess, der mit Neugierde, Sensation und Dazugehörigkeit zu tun hat.
merz: Was aber passiert im Moment der Weitergabe bei der abgebildeten Person?
Beranek: Die Person weiß natürlich schnell, dass dieses Foto rumgeht. Sie ist dann beschämt, weiß nicht recht, wie sie damit umgehen soll. Auch fühlen sich diese Personen meist schuldig, weil sie das Foto selbst gemacht hat. Diese sei selbst Schuld, weil sie eben eine Schlampe sei. Ohne pädagogische Betreuung ist es für Kids schlichtweg normal und völlig ok, solche Fotos weiterzuschicken.
merz: Und das trotz oder ohne das Bewusstsein, dass das Internet, die Medien nichts vergessen?
Beranek: Was den Jugendlichen – und auch vielen Erwachsenen – nicht bekannt ist, ist die biometrische Bildersuche. Das heißt, wenn das Foto erst einmal irgendwo unterwegs ist im Netz, kann es theoretisch über Gesichtserkennungsprogramme jederzeit wiedergefunden werden. Es hat sich auch gezeigt, dass Fotos häufig wieder auftauchen, wenn sie in Vergessenheit geraten sind. Wenn man eben denkt, es wäre alles wieder gut, dann findet jemand das Foto auf seiner Festplatte, denkt sich, wie witzig das damals war und lädt es wieder hoch.
merz: Die Kreation dieser Bilder ist grundlegend ja nicht problematisch, es ist vielmehr ‚normal‘ und gut, dass Jugendliche ihre Sexualität entdecken. Vor Jahrzehnten wurden dazu Polaroid-Fotos geschossen, heute Digitalfotos. Der Knackpunkt an den Fotos sind also die Weiten der digitalen Technik. Gleichzeitig müssen Jugendliche aber auch aktiv lernen dürfen, mit den neuen Medien umzugehen. Wie lässt sich dieser Zwiespalt auflösen?
Beranek: Durch Aufklärung! Es ist eben kein Kavaliersdelikt und auch nicht cool, solche Fotos zu verschicken oder mit der ganzen Welt zu teilen. Man muss ihnen klar machen, dass die Technik genau das bietet, Inhalte – ob sie gesehen werden sollen oder nicht – schnell zu verbreiten. Sie brauchen aber Hilfe, das zu verstehen, wie eine virale Verbreitung von Daten passiert, welche Rolle sie selbst dabei spielen und welche Folgen das haben kann.
merz: Teilweise sind den Jugendlichen psychologische, zwischenmenschliche und/oder rechtliche Konsequenzen bekannt, dennoch verwenden sie besagte Fotos als Profilbilder in Sozialen Netzwerken. Warum denken Jugendliche die Konsequenzen offensichtlich also nicht mit?
Beranek :Die eine Sache ist mitzudenken, die andere ist danach zu handeln. Jugendliche handeln häufig impulsiv so, dass sie erst mal einen Vorteil daraus ziehen. Mit jenen Fotos können sie natürlich Aufmerksamkeit erregen – und dabei ist egal, ob sie die Fotos selber machen oder ‚nur‘ teilen. Sie erreichen also etwas, was für sie gut ist. Dass das im Nachhinein schwere Konsequenzen haben kann, ist für sie kaum zu greifen.
merz: Das heißt, die mittlerweile zahlreichen Präventivmaßnahmen und Aufklärungskampagnen gegen Sexting sind der richtige Weg, weil Jugendliche es einfach nicht greifen können?
Beranek: Also wir sagen schon, dass man solche Fotos aus bestimmten Gründen nicht schießen sollte, dass man auch nicht auf Oben-Ohne-Bitten reagieren, sondern eher überlegen sollte, ob das wirklich der richtige Partner ist. Aber das Hauptaugenmerk ist bei uns doch auf den Personen, die die Bilder weiterschicken, mit rechtlichen Inhalten und vor allem entkräften wir das Argument ‚Schlampe, sonst würde sie so Fotos nicht schießen‘. Wir erklären, dass jedermann, wenn er verliebt ist, mal was Blödes macht. Dann fängt die Klasse meist schon an zu lachen, weil sie das kennen. Sie sehen ein, dass einen sowas nicht ein Leben lang verfolgen sollte, erst recht nicht zur Schlampe macht, denn jeder hat das Recht auszuprobieren.
merz: Bezugnehmend auf die Aussage ‚Wenn du mich liebst, gibst du mir so ein Bild‘ – die ist ja schon realitätsnah; auch wenn sie in die Kategorie Nötigung und damit als Strafbestand einzustufen ist. Wie lässt sich auf dieser Ebene ein guter Dialog mit Heranwachsenden führen?
Beranek: Man kann es natürlich über die Das-kanndamit-passieren-Ebene versuchen. Aber man muss wissen, dass es Pubertierende sind, bei denen die Impulskontrolle nicht unbedingt so gut ist. Das heißt, es wird immer wieder passieren. Deshalb geht es darum zu entscheiden, wie man reagiert, wenn man so ein Foto bekommt, mit ihnen, der Klasse, der Schule Handlungsmöglichkeiten zu erarbeiten, um eben diese ganze Kultur zu ändern.
merz: Wie wäre es stattdessen mit Safer Sexting?
Beranek: Ist nur möglich mit dem Bewusstsein, dass es früher oder später rumgehen wird, es werden Leute sehen, die es nicht sehen sollten. Das heißt, man sollte darauf achten, dass es ein Foto ist, zu dem man später auch stehen kann, ohne übertriebene Darstellungen, ohne Photoshop und mit aufgeräumtem Zimmer. Darauf zu achten ist quasi die ‚sichere‘ Methode gepaart mit dem nötigen Selbstbewusstsein.
merz: Wo gibt es adäquate Alternativen für Jugendliche bei der Suche nach sexueller Orientierung?
Beranek: Es ist mittlerweile schwierig zu sagen, was normal ist und was nicht. Jugendliche bekommen relativ viel mit, gerade auch durch die heutige Fernsehkultur, wo das Rumgehen solcher Fotos durch den Kakao gezogen wird. Das ist eben normal bei den ganzen Doku-Soaps und Serien – sie lernen es also gar nicht anders, es ist für sie normal. Eine Alternative wäre, nicht mit Fotos zu arbeiten, weil die auch so heftig sind, weil sie besser im Gedächtnis bleiben und über biometrische Suchen gefunden werden können. Texte und Zeichnungen wären eine Alternative oder eben Fotos, auf denen man das Gesicht nicht sieht.
Swenja Wütscher: nachgefragt
FLIMMO, den Programmratgeber für Eltern und Erziehende, gibt es kostenlos und werbefrei als Broschüre, im Internet und als App. Er bespricht das Fernsehprogramm aus Kinderperspektive und gibt Tipps zur Medienerziehung. FLIMMO ist ein Projekt des Vereins Programmberatung für Eltern e. V. Mitglieder sind dreizehn Landesmedienanstalten und das Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI). Mit der Durchführung ist das JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis beauftragt. Swenja Wütscher im Gespräch mit Verena Weigand, Vorsitzende des Vereins Programmberatung für Eltern. Sie leitet den Bereich Medienkompetenz und Jugendschutz der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM).
merz: Seit 20 Jahren gibt es die Programmberatung für Eltern. Warum ist das Thema heute noch so wichtig wie damals?
Weigand: Vor 20 Jahren erhielten wir viele Rückmeldungen von Eltern, dass es ihnen immer schwerer fällt, bei dem großen Programmangebot, das Kinder und Jugendliche interessiert, den Überblick zu bewahren und eine Orientierung zu finden. Es versteht sich von selbst, dass dieses Programmangebot nicht gerade kleiner geworden ist, sondern größer. Dementsprechend könnte man sagen, dass das Thema heutzutage sogar noch wichtiger ist als damals.
merz Zurück zum Anfang: Was waren die Gründe für die Entstehung des Angebots?
Weigand: Ich hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt, in der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien etwas in die Richtung zu entwickeln. Es gab aber tatsächlich einen konkreten Anlass. Im Rahmen einer Leseraktion einer Tageszeitung, bei der Leser Fragen zum Thema Medien äußern konnten, wurde unser damaliger Präsident von Eltern geradezu mit Fragen bestürmt, nach einzelnen Sendungen, was für ihre Kinder gut sei, wie lange Kinder fernsehen dürften. Er war überrascht und beeindruckt, und hat daraufhin das Signal gegeben, zusammen mit dem JFF ein diesbezügliches Angebot entwickeln zu können.
merz: Was sind denn die zentralen Anliegen von FLIMMO?
Weigand: Ein wichtiges Anliegen ist natürlich die Förderung der Medienkompetenz, die zu unseren Kernaufgaben gehört. Für die Eltern wird es immer schwieriger, den Überblick zu bewahren, und die Rückmeldungen zeigen uns, dass sie deshalb FLIMMO auch gerne nutzen. Außerdem versteht sich FLIMMO als Anwalt der Kinder, er hat eine besondere Sicht auf das Angebot – nämlich mit Kinderaugen.
merz: Wie wird denn gewährleistet, dass unterschiedliche Zielgruppen von FLIMMO profitierenkönnen?
Weigand: FLIMMO hat diesbezüglich verschiedene Wege eingeschlagen. Zum einen ist das Angebot so aufbereitet, dass sich Personen angesprochen fühlen, die Beratungsbedarf haben. Zum andern durfte es nicht zu kompliziert sein, deshalb sind die Sendungsbeschreibungen sehr kurz gehalten. Wir wollten aber keine einfachen Rezepte, deshalb kein Ampelsystem, eher das Gespräch und das Nachdenken über die Mediennutzung in der Familie anregen. Zudem sollte das Angebot kostenfrei sein. Nachdem er dann in einer relativ großen Stückzahl produziert und verteilt werden musste, ist man auf die Idee gekommen, Multiplikatoren mit ins Boot zu holen. Das waren am Anfang die klassischen Multiplikatoren: Schulen und Kindergärten. Anschließend sind immer mehr dazugekommen. Zum Beispiel haben uns tatsächlich Apotheken und Kinderarztpraxen angesprochen, ob sie nicht ein Kontingent bekommen könnten, um es auszulegen. Das war natürlich genial. FLIMMO hat noch keinen Cent für Werbung ausgegeben.
merz: Worin unterscheidet sich FLIMMO von anderen Ratgebern zur Medienerziehung?
Weigand: Zum einen im Anspruch, das lineare Fernsehprogramm im Hinblick auf kinderrelevanteSendungen abzubilden. Eine sehr große Herausforderung, die mit den neuen Verbreitungswegen in dieser Form wohl nicht mehr gewährleistet werden kann. Aber wir wissen auch, dass bei der Hauptzielgruppe der Drei- bis Zehnjährigen noch viel über das lineare Fernsehen abläuft: Es ist immer noch das Leitmedium dieser Altersgruppe. Das macht meines Wissens kein anderes Angebot. Auch diese starke Betonung der Kinderperspektive ist einmalig – was von strengen Pädagogen auch mal kritisiert wird. Es sind ja keine Empfehlungen und kein Gütesiegel. Kindern dürfen auch einen Unterhaltungsanspruch haben, solange eine Sendung nicht schadet. Und natürlich ist jede dieser Programmbeschreibungen wissenschaftlich fundiert. Die Kriterien, die zu den Einstufungen führen, sind transparent.
merz: Gibt es Themen aus 20 Jahren FLIMMO, die Ihnen besonders stark in Erinnerung gebliebensind?
Weigand: Wir waren am Anfang nicht sicher, wie die Fernsehprogrammanbieter reagieren würden. Da war zu Beginn auch eine große Zurückhaltung zu spüren, bis hin zu durchaus negativen Aussagen, vor allem vor dem Erscheinen des ersten Heftes. Das hat sich aber gewandelt, FLIMMO wird auch von den Anbietern akzeptiert. Ein zweiter Punkt: Trotz der digitalen Entwicklung bekommen wir immer wieder die Rückmeldung von Eltern und Multiplikatoren, dass keiner auf das gedruckte Heft verzichten will. Und leider können wir aus finanziellen Gründen den bestehenden Bedarf nicht decken.
merz: Was für Ansprüche haben Eltern im Jahr 2017 denn an eine Programmberatung?
Weigand: Orientierung zu bekommen! Früher haben Pädagogen immer gefordert, dass manKindern nur Sachen zum Anschauen geben soll, die man selbst auch gesehen hat. Das kann man aber längst keinem Elternteil mehr zumuten. FLIMMO bietet Eltern eine Entlastung, auf die sie sich verlassen können. ‚Setzt euch mal dazu oder seid in der Nähe‘– das sind natürlich dennoch gute Ratschläge. Mithilfe von FLIMMO können Eltern geeignete Sendungen auswählen oder bei Wünschen ihrer Kinder kurz nachschauen – und bekommen dann im Überblick die wichtigsten Informationen.
Swenja Wütscher: MekoKitaService ist online
Im Internet ins Museum gehen, den Großeltern E-Mails senden, die Sandmännchen-App auf dem Tablet – in Kinderzimmern sind digitale Medien längst angekommen. In Kindertagesstätten stehen Kindermedien allerdings oft noch weit hinter dem Bildungsplan, der Sprachförderung oder der Förderung motorischer Kompetenzen, obwohl es überwiegend bereichernde, pädagogisch wertvolle Medienerlebnisse und kreativitätsförderndeAngebote sind, mit denen sich Kinder gerne beschäftigen. Der MekoKitaService der Landesanstaltfür Medien NRW (LfM) ist daher ein weiterer Baustein, mit dem Medienerziehung in den Kitas verstärkt verankert werden kann.
Der monatliche Newsletter bietet ab sofort für Kitas und Familienzentren konkrete Anregungen und Materialien zur Vermittlung und Förderung von Medienkompetenz im Kindergarten. In den Rubriken wie „Medien in Gespräch und Spiel“, „Medien aktiv“ oder „Medien und Familie“ macht die Redaktion Vorschläge, wie Erzieherinnen und Erzieher Medien und Medienthemen in den Alltag ihrer Einrichtungen einbinden können, also wie sich beispielsweise mit Kita-Kindern altersgerecht und aktiv zum Thema Medien arbeiten lässt, welche Online-Angebote Kita-Fachkräfte für ihre Arbeit nutzen und auch wie Eltern erreicht und einbezogen werden können.
Die Anmeldung zu dem kostenfreien Abonnement des MekoKitaService erfolgt auf der Homepage, mit der inhaltlichen Erstellung des Angebots ist die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) beauftragt.
www.meko-kitas-nrw.de
Swenja Wütscher: Kita-Medienpädagogik: 11 goldene Methoden
Ob ComicLife, Postcrossing oder Wortsalatmaschine, ein ganz grundlegendes Mittel, Medien zu verstehen, ist, selbst Medien zu machen. Die Broschüre mec Methoden für die kreative Medienbildung in der Kita beinhaltet elf Methoden, zur aktiven Medienarbeit – analoger und digitaler Art – mit Fokus auf Kindern vom Elementar- bis zum Primarstufenbereich, da Bücher, Hörspiele, digitale Kameras, Fernsehen, Video und Computer längst zum kindlichen Alltag gehören. Entwickelt wurde der Methodenkatalog vom Team des Medienpädagogischen Erzieher/innen Clubs – der von medien+bildung.com und damit von einer Tochtergesellschaft der Landeszentrale für Medien und Kommunikation (LMK) getragen wird –, um Erzieherinnen und Erziehern wie auch anderen pädagogischen Fachkräften in Kindereinrichtungen notwendiges Praxis-Know-how für eine kindgerechte Medienbildung und -erziehung zu vermitteln und damit deren medienpädagogische Fachkompetenz zu stärken.
Die mit einer Methode jeweils anvisierte Zielgruppe, eine adäquate Gruppengröße, Zeitdauer sowie benötigtes Material werden jeweils benannt, die Durchführung erklärt und Varianten aufgeführt. Gestaffelt von schnell und einfach bis hin zu anspruchsvollen Leitfäden decken die in der Praxis erprobten Methoden mit Audio, Video, Comic, Internet und Tablet diverse Medienangebote ab und verknüpfen damit die Förderung von Sprach- und Lesekompetenz in der frühkindlichen Bildung mit Medienkompetenz und fördern außerdem einen altersgerechten Medienumgang. Auf der Website steht die Broschüre zum kostenfreien Download zur Verfügung, eine gedruckte Version kann bei medien+bildung.com angefordert werden.
Kathrin Demmler, Christa Gebel, Swenja Wütscher und Mareike Schemmerling: Werte – Medien – Pädagogik
Wertekompetenz und Medienkompetenz sind eng miteinander verbunden: In der Fähigkeit Bewertungen vorzunehmen ist eine der pädagogischen Zieldimensionen von Medienkompetenz zu verorten und die Entwicklung von Wertekompetenz benötigt in einer mediatisierten Gesellschaft Medienkompetenz. Dieser Artikel greift einige Projektbeispiele auf und erläutert die Prinzipien und Potenziale medienpädagogischer Arbeit mit dem Ziel, das Wertebewusstsein von Kindern und Jugendlichen zu fördern.
Literatur:
Demmler, Kathrin/Rösch, Eike (2012). Aktive Medienarbeit in Zeiten der Digitalisierung. In: Rösch, Eike/ Demmler, Kathrin/Jäcklein-Kreis, Elisabeth/Albers-Heinemann, Tobias (Hrsg.), Medienpädagogik Praxis Handbuch. Grundlagen, Anregungen und Konzepte für aktive Medienarbeit. München: kopaed, S. 19-26.
Grimm, Petra (2013). Digitale Ethik und medienethische Kompetenz 2.0 – ein neuer Ansatz für Konfliktlösungen im Netz? Berliner Forum Gewaltprävention, Jg. 14, H. 48. S. 52-57.www.berlin.de/lb/lkbgg/publikationen/ berliner-forum-gewaltpraevention/2013/bfg_48.pdf [Zugriff: 28.01.2015].
Grundmann, Matthias (2009). Sozialisation – Erziehung – Bildung: Eine kritische Begriffsbestimmung. In: Becker, Rolf (Hrsg.), Lehrbuch der Bildungssoziologie. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. S. 61-83.
Grunert, Cathleen (2005). Kompetenzerwerb von Kindern und Jugendlichen in außerunterrichtlichen Sozialisationsfeldern. In: Sachverständigenkommission Zwölfter Kinder- und Jugendbericht (Hrsg.), Kompetenzerwerb von Kindern und Jugendlichen im Schulalter, S. 9-94.
Kohlberg, Lawrence/Levine, Charles/Hewer, Alexandra (1983). Moral stages: A current formulation and a responseto critics. Basel/New York: Karger. Kohlberg, Lawrence (1995). Die Psychologie der Moralentwicklung. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Rath, Matthias/Marci-Boehncke, Gudrun (2008). Jugendliche Wertkompetenz im Umgang mit Medien. In: von Gottberg, Joachim/Prommer, Elizabeth (Hrsg.), Verlorene Werte? Medien und die Entwicklung von Ethik und Moral. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft, S. 77-98.
Schell, Fred (2003). Aktive Medienarbeit mit Jugendlichen. Theorie und Praxis. 4., unveränderte Auflage. München: kopaed.
Schell, Fred/Demmler, Kathrin (2013). Aktive Medienarbeit. Theoretische Einordnung, Ziele, Lernprinzipien und Lernbereiche. In: Hartung, Anja/Lauber, Achim/Reissmann, Wolfgang (Hrsg.), Das handelnde Subjekt und die Medienpädagogik. Festschrift für Bernd Schorb. München: kopaed, S. 243-250.
Schorb, Bernd/Wagner, Ulrike (2013). Medienkompetenz – Befähigung zur souveränen Lebensführung in einer mediatisierten Gesellschaft. In: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Medienkompetenzförderung für Kinder und Jugendliche. Eine Bestandsaufnahme. www. bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/publikationen,did=199436.html [Zugriff: 22.04.2015].
Schubarth, Wilfried (2010). Die „Rückkehr der Werte“. Die neue Wertedebatte und die Chancen der Wertebildung. In: Schubarth, Wilfried/Speck, Karsten/Lynen von Berg, Heinz (Hrsg.), Wertebildung in Jugendarbeit, Schule und Kommune. Bilanz und Perspektiven. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 21-41.
Tulodziecki, Gerhard (2011). Zur Entstehung und Entwicklung zentraler Begriffe bei der pädagogischen Auseinandersetzung mit Medien. In: Moser, Heinz/Grell, Petra/Niesyto, Horst (Hrsg.), Medienbildung und Medienkompetenz. Beiträge zu Schlüsselbegriffen der Medienpädagogik. München: kopaed, S. 11-40.
Swenja Wütscher: Jung und vernetzt
Nahezu alle Zehn- bis Elfjährigen (94 %) sind mittlerweile online: Zehn Prozent der jungen Internetnutzenden sind in sozialen Netzwerken aktiv, gut die Hälfte kann in dieser Altersgruppe schon alleine E-Mails versenden und Textdokumente bearbeiten. Für die meisten Kinder und Jugendlichen zwischen zehn und 18 Jahren gehören Smartphones zum Alltag, Kurznachrichten sind für sie beim Austausch mit dem Freundeskreis oder der Familie wichtiger als persönliche Gespräche. Und das Internet ist für Jugendliche im Alter von 16 bis 18 Jahren das wichtigste Medium, um sich über aktuelle Nachrichten auf dem Laufenden zu halten. So lauten einige Kernergebnisse der Studie „Jung und vernetzt – Kinder und Jugendliche in der digitalen Gesellschaft“ des Digitalverbands BITKOM; Teilergebnisse sind bereits im vergangenen Jahr veröffentlicht worden. Grundlage der Studie ist eine repräsentative Befragung von 962 Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und 18 Jahren.
In dieser geht es unter anderem um Nutzung und Besitz von Geräten wie Smartphones, Computern oder Tablets, die Mediennutzung mit Schwerpunkt auf digitalen Spielen und um das Kommunikationsverhalten von Kindern und Jugendlichen – differenziert nach Jungen und Mädchen. Auch wurden dabei negative Erfahrungen wie Cybermobbing berücksichtigt und die Rolle der Eltern beim Umgang mit digitalen Medien abgefragt. Durchweg werden die Daten immer wieder mit der letzten Erhebung aus dem Jahr 2011 verglichen. Darin zeigt sich beispielsweise, dass die Ergebnisse weitgehend konstant bleiben und damit ein Trend hin zur häufigeren Internetnutzung bei den Jüngeren (noch) nicht feststellbar ist.
Handlungsempfehlungen und Hinweise, wie Eltern ihre Kinder in den unterschiedlichen Altersgruppen auf dem Weg in die digitale Welt unterstützen können, runden den Bericht ab. Die gesamten Studienergebnisse stehen zum Download bereit.
Swenja Wütscher: Jugendmedienschutzindex: Zum Umgang mit onlinebezogenen Risiken
Das Alter der Kinder ist der entscheidende Faktor dafür, was Eltern über die Online-Aktivitäten ihrer Kinder denken. Dabei sind sich Eltern und Heranwachsende einig: Der Schutz Heranwachsender ist wichtiger als ein leichter Zugang zu allen Online-Angeboten. Das sind Ergebnisse des Jugendmedienschutzindex – initiiert und herausgegeben von der FSM – Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia- Diensteanbieter e. V., durchgeführt vom JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis und dem Hans-Bredow- Institut.
Die Studie zeigt, in welcher Weise der Schutz Heranwachsender vor negativen Online-Erfahrungen in den Sorgen, den Einstellungen, dem Wissen und dem Handeln von Eltern, von pädagogischen Fachund Lehrkräften sowie von Heranwachsenden verankert ist. Die bisherigen Ergebnisse fokussieren die Betroffenen sowie die Endnutzenden des Jugendmedienschutzes: Eltern und Heranwachsende. So lässt sich unter medienpädagogischer Perspektive aus den vielschichtigen Resultaten herausgreifen, dass die Rolle der Eltern für das Funktionieren von Jugendmedienschutz im Alltag von herausragender Bedeutung ist. Sie sind nicht nur diejenigen, die vom gesetzlichen Jugendmedienschutz vorgesehene Schutzinstrumente vor Ort umsetzen sollen, sondern ihr Umgang und ihre Orientierungen fließen direkt in die messbaren Unterschiede der Fähigkeiten und Risikowahrnehmungen ihrer Kinder ein. Angesichts der Befunde, dass die Einstellungen der Eltern zum Jugendmedienschutz sehr unterschiedlich ausfallen und damit die Online-Kommunikation von Kindern unter sehr unterschiedlichen Voraussetzungen stattfindet, sollten medienpädagogische Initiativen und Programme diese Unterschiede vermehrt berücksichtigen. Darüber hinaus bestätigt sich, dass Jugendmedienschutz im Online- Bereich nicht allein darin bestehen kann, Heranwachsende vor möglichen negativen Erfahrungen zu bewahren.
Ein Ziel sollte auch sein, sie zu einem bewussten und ihren Interessen gerecht werdenden sowie sozial verantwortlichen Umgang mit Online- Medien zu befähigen und sie dabei zu unterstützen, Risiken zu vermeiden oder zu bewältigen. Empirische Basis der Studie ist eine bundesweite Repräsentativ- Befragung von 805 Internetnutzenden zwischen neun und 16 Jahren und jeweils einem Elternteil, das für die Online-Erziehung zuständig ist bzw. sich am besten mit der Online-Nutzung des Kindes auskennt. Der zweite Teil der Studie, welche die Perspektive von Lehrkräften an Schulen sowie pädagogischen Fachkräften von außerschulischen Bildungseinrichtungen fokussiert, folgt im Laufe des Jahres.
Swenja Wütscher: Ich sehe was, was du nicht siehst!
Leutnant Commander Geordi La Forge, mitten in der Fußgängerzone der bayerischen Landeshauptstadt! Für alle Nicht-StarTrek-Fans, es ist der Chefingenieur aus jenem Universum, der durch seinen Visor unverkennbar ist. Naja, zumindest fast. Denn auf den zweiten Blick erkenne ich, dass es weder er persönlich noch irgendein Fan der Weltraumserie ist, sondern einer von den noch zählbaren Datenbrillenträgerinnen und -trägern. Einer von denen also, die sich auf ihrem Zaubernasenfahrrad über ein Mikrodisplay Informationen in ihr natürliches Sichtfeld einblenden lassen können; eine kleine Kamera zur Bildanalyse und zur (unbemerkten) Aufnahme von Fotos und Videos inklusive.
Es ist mein erstes Mal. Gelesen habe ich zwar schon so einiges über die neue Technologie – vor allem im Bezug auf das Projekt des Internetgiganten Google Glass –, aber in diesem Moment werde ich erstmalig völlig unvorbereitet mit der vollen Breitseite des Geräts konfrontiert. Und das spaltet bekanntlich nicht nur Sichtfelder, sondern auch Gemüter: Spielerei für Vollnerds oder Meilenstein der Technik, Prototyp oder Revolution, treuer Assistent oder Big Brother?! „Der macht nichts, der will nur spielen“, ist das Erste, was mir in den Kopf schießt. Ein Satz, den ich bisher primär mit Hundebesitzerinnen und -besitzern verbunden hatte und der bei mir als bekennende Person mit Hundephobie direkt die Alarmglocken schrillen lässt. „Spielen also, ich will aber nicht spielen. Und noch weniger möchte ich, dass mit mir gespielt wird.“ Aber diesmal ist es anders, um einiges unangenehmer. Es ist, als würde ein solch tierischer Vierbeiner nicht nur mit mir spielen wollen, sondern als würde er dabei zusätzlich eine Sonnenbrille mit verspiegelten Gläsern tragen. Er hat mich damit vollkommen im Blick, ich wiederum muss meine Kontrolle über ihn bei meinem Spiegelbild abgeben, an die dunkle Seite der Gläser.
Ein analoges Fahrradklingeln lässt mich aufschrecken. Mein Blick nimmt nun auch die anderen Passanten wieder wahr. Ich realisiere, dass um mich herum offensichtlich ziemlich viele Personen nicht spielen wollen. Oder denken die etwa immer noch, Leutnant La Forge sei in der Stadt? Das ist es also, das Corpus Delicti der Neuzeit, das polarisiert. Es ist der Kleincomputer auf meiner Nase, der mir stetig nützliche Informationen liefern kann, aber gleichzeitig auch der Kleincomputer auf deiner Nase, der mich gefühlt immer beobachtet, ausspäht und dokumentiert. Ich aber liebe meine Freiheitsrechte und bin überzeugt davon, dass Datenschutz trotz des stetigen Bedürfnisses nach Vernetzung und Kommunikation keine veraltete Idee ist. Im Gegenteil. Ich glaube, dass er sich seit der Erfindung des Telefonbuchs vorbildlich weiterentwickelt hat. Und genau das macht mich so rasend. Dieses Armutszeugnis einer ach so modernen Branche, die selbstverliebt stetig neues Spielzeug kreiert, statt die Geißeln und Wächter der Menschheit zu bekämpfen.
Wie ich derzeit die Zukunft durch meine rosarote Brille sehe? Nun gut, moralische Werte, Privatsphäre und Datenschutz mögen in ihrer jetzigen Form gegen das Gadget langfristig verlieren bzw. sich der gläserne Mensch mit diesen revolutionieren. Aber solange ihr Akku noch schwach ist und ein Blick in den Spiegel noch an eine Science Fiction-Serie erinnert, so lange wird sich die Datenbrille glücklicherweise niemals als Alltagsgegenstand durchsetzen!
Swenja Wütscher: Gelee auf Erdnussflips
„Gute Nacht Agnes, gute Nacht Margo, Sekunde, Sekunde, was soll das werden – wem schreibst du da?“ „Keinem, ich schreib bloß an Avery.“ „Aaaavery, A … Avery? … Was für ein Name ist das – für Mädchen oder für Jungen?“ „Ist das wichtig? „Neeein, nein, ist nicht wichtig – außer, es geht um ein Jungen.“ Gute-Nacht-Geschichten, Kindergeburtstage und erste Verehrer – seitdem der Superschurke Gru sein Bösewicht-Dasein an den Nagel gehängt und die Waisenkinder Margo, Edith und Agnes adoptiert hat, ist das Leben des liebenden Familienvaters ruhigergeworden. Schattenseiten birgt es zwar noch immer, doch statt Pläne zu schmieden, wie er die Weltherrschaft an sich reißen könne, versucht Gru sich nun als seriöser Chef einer Konfitüren- und Geleeproduktionsfirma. Allerdings mit Betonung auf ‚versucht‘, denn sein Endprodukt ist scheußlich, wie seine beliebt-berüchtigte Minion-Armee eindeutig bestätigen kann. Dazu gibt es jetzt auch noch einen Gru-Nachfolger, einen neuen, einen anderen mysteriösen Superschurken, der besiegt werden muss und dafür braucht eine gewisse Geheimorganisation Fachkenntnisse, und zwar von keinem Geringeren als Gru höchstpersönlich: „Wir sind die Anti-Verbrecherliga, die sich dem Kampf gegen das weltweite Verbrechen verschrieben hat. Ein neuer Schurke ist aufgetaucht, als Ex-Schurke wissen Sie, wie ein Schurke denkt und handelt, deshalb haben wir Sie hierher bringen lassen. Ich bin der Direktor der Liga, Silas Ramspopo.“
Durch den tatkräftigen Einsatz der Top-Agentin Lucy wird Gru ganz gegen seinen Willen ein Unterfangen unterbreitet, dass seine neuerlangte Idylle über den Haufen werfen würde. Wenn auch sehr zögerlich, so willigt der ehemalige Schurke letztendlich ein und macht sich voller Eifer auf die Jagd nach jenem Bösewicht – natürlich wieder in Zusammenarbeit mit seinen treuen Minions. Seinen neuen Auftrag aber auch noch mit der Erziehung seiner Adoptivtöchter in Einklang zu bringen, erweist sich als große Herausforderung. Als Gru dann auch noch bemerkt, dass er und diese Lucy auch fernab von Verbrecherbekämpfungen ein Dream-Team sein könnten – ist die Überforderung des einstigen Einzelgängers perfekt. „Hey, was ist los?“ „Och, gar nichts, gar nichts ist los. Ich entspanne hier, mit dem Tortilla-Hut, und ziehe mir Guacamole rein.“ „Gru, bitte, diesen Gesichtsausdruck kenne ich nur zu gut. Dahinter steckt ein gebrochenes Herz.“ „Woran haben Sie das gesehen?“ „Glauben Sie mir, mein Freund, ich habe selbst so manche Nacht versucht meinen Kummer zu ertränken, in Guacamole.“ Nach ihrem großen Erfolg als siebterfolgreichster Film im Jahr 2010 haben sich Pierre Coffin und Chris Renaud schnell einer Fortsetzung gewidmet. Um es aber gleich vorweg zu nehmen, mit Ich, Einfach Unverbesserlich 2 können sich die Regisseure leider nicht mehr in der Liga ihres unverbesserlichen Universal-Animationsdebüts einreihen. Das erneut verantwortliche Duo verliert nämlich leider auf der Strecke zum erneuten Minion-Blockbuster eine Stärke des ersten Teils, die berührende Geschichte und das Herz.
Dass Al Pacino – obwohl er mit dem Einsprechen seiner englischsprachigen Bösewicht-Rolle bereits deutlich fortgeschritten war – schlussendlich wegen kreativer Differenzen abgesprungen ist, spricht wohl bereits deutlich für sich. Auch haben Steve Carell im Original und Oliver Rohrbeck in der deutschen Fassung ihre Rolle als Schurke zwar wieder übernommen, aber der fröhlich-ambitioniert-verliebte Papa der guten Seite kommt eindeutig nicht an den schräg-kurios-lustig-griesgrämigen Anti-Helden-Schurken von damals ran. „Ich habe soeben einen neuen Job angenommen.“ „Wow, wirklich?“ „Ja, ich wurde nämlich angeworben von einer strenggeheimen Organisation. Ich soll undercover ermitteln und die Welt retten.“ „Echt, du bist ein Spion?“ „Gaaaanz genau, Babe. Gru ist wieder am Start mit Technikzeug und Waffen und coolen Autos. Da fehlt nichts.“ Visuell geht das Konzept hingegen vollends auf, durch die unglaubliche Liebe zum Detail. Immer und überall gibt es selbst in den hintersten Leinwandecken großartige Action zu entdecken wie beispielsweise bei Agnes‘ Geburtstagsfeier, bei der selbst für das erwachsene Publikum Kinderträume wahr werden. Der trendige 3D-Effekt, der ganz selbstverständlich auch über diesen Film gelegt worden ist, ist bei diesen prächtigen Bildernallerdings absolut überflüssig; räumliche Tiefen und Popouts erscheinen sowieso nur selten. Im Abspann wird das verschenkte Potenzial dann am deutlichsten, wenn die Dimensionen in Bonusszenen ihre Wirkung in vollster Pracht auskosten; schade und selbstironisch zugleich. Aber da sind ja noch die unwiderstehlichen Nebenfiguren, die geradegebogenen Erdnussflips, die klein-gelben Latzhosenträger, die wahren Protagonisten: die Minions. Und genau hinter diesen verbirgt sich auch diesmal wieder das Erfolgsgeheimnis des Films. Denn auch diesmal tragen sie wieder die schmerzhaftesten Unglücke mit einer unvergleichlich-störrischen Gelassenheit und interpretieren mit ihren unverständlichen Lauten italienische Schmusesongs und amerikanische Evergreens mit unnachahmlich-grandiosen Performances.
Die Songelemente sind es übrigens auch, die mit ihrer kurz-episodischen Taktung die Handlung stetig pausieren lassen und so die Animationskomödie kindgerecht aufbereiten, während die inhaltliche Klassik der Musik auch Erwachsene überzeugt und weiter in den Bann zieht. Leider wird die Unterhaltung der Großen in der eigentlichen Handlung gelegentlich überstrapaziert, so dass bei den jüngeren Zuschauerinnen und Zuschauern Fragezeichen im Kopf entstehen, wenn sich beispielsweise Gru aus im Plot selbst unausgesprochenen Gründen eine komplette Szene lang nicht traut, seine heimlich Angebetete anzurufen. Der FSK 0 tut dies keinenAbbruch, es sorgt lediglich für Klärungsgespräche zwischen Kindern und Erwachsenen während der Vorstellung. Da die Minions im Zwischenteil aber sowieso aus obskuren Gründen von der Bildfläche verschwinden und damit der Handlungsprozess einfällt – dem Kreativteam scheint zu den drei Kindern nicht mehr viel Neues eingefallen zu sein –, bleibt dafür zumindest ausreichend Gelegenheit. Ich, Einfach Unverbesserlich 2 bietet also seiner Fangemeinde um die Minions eine zweite, großartige Kult-Komödie, wenn diese sich stets eifrig abrackern und regelmäßig eins auf die Mütze bekommen.
Die Agentengeschichte an sich sorgt allerdings mit seinen 100 Minuten Laufzeit nur für einen netten Familienausflug. Für das Jahr 2014 scheint das Produzententeam von Universal Pictures die bessere Lösung vorzubereiten, denn dann werden die gelben Tollpatsche ihre ganz eigene Bühne erhalten in Despicable Me: Minions Spin-Off. Dann vermutlich höchst erfolgreich, ganz ohne dass eine Liebesgeschichte oder James Bond-übertrumpfendes Equipment aufgefahren werden müssen.
Swenja Wütscher: Gefühle sind Farben
Wie mache ich mein Kind sicher und stark? Helfen Sie mit diesem Hörbuch, Kinder vor Gewaltverbrechen und Missbrauch zu schützen. Sicher-Stark-Team Audio-CD, oomoxx media, 65 min., € 19,99.
„[…] Wut ist ein Gefühl, das wir Erwachsene zwar häufig bei Kindern nicht sonderlich schätzen, das aber in vielen Situationen durchaus hilfreich und nützlich sei kann. Gefühle sind […] Farben, sie sind weder gut noch schlecht“. Vielmehr geht es darum, wie mit diesen Gefühlen umgegangen wird. Gefühle an sich sind immer in Ordnung, lediglich der Umgang mit ihnen sollte angemessen sein und bedarf daher der Förderung von Gefühlswahrnehmung und -erkennung. Mit solchen und anderen Strategieansätzen werden speziell Eltern – im Grunde aber alle Personen, die mit Kindern arbeiten – angesprochen, um ihnen dabei zu helfen, ihre Kinder sicher und stark zu machen und in ihrer weiteren Entwicklung zu unterstützen: In welchem Alter sollten Kinder mit Gefahren überhaupt vertraut gemacht werden? Wie kann ich mein Kind effektiv schützen? Was mache ich, wenn mein Kind erpresst wird? Wie vermittle ich meinem Kind Selbstbewusstsein? Fragen über Fragen, denen sich das Elternhörbuch Achtung! Starkes Kind! – Wie mache ich mein Kind sicher und stark? unter dem Motto „Prävention statt Therapie“ annähert.
Gefahrensituationen werden simuliert, Übungsspiele für zu Hause angeregt, Eltern in ihrem Vorhaben durchweg gestärkt. „Dein Vater hatte heute Morgen einen Autounfall und ich soll dich von der Schule abholen, um dich ins Krankenhaus zu bringen. Deine Mutter ist auch schon dort und die warten alle auf dich. Komm, steig schnell ein, damit wir losfahren können.“ Es sind Beispiele, die beim ersten Höreindruck etwas altmodisch klingen, da sie mit demselben Wortlaut auch schon vor einigen Jahrzehnten auf der Tagesordnung standen. Allerdings sind sie in der Realität heute nicht weniger aktuell, im Gegenteil. Es gibt sie nämlich noch, die Maschen von damals, die bei Eltern längst in Vergessenheit geraten sind, mit denen sich aber auch heute Kinder noch locken lassen. Durch gezieltes Training, Gefahren zu erkennen, einen adäquaten Situationsumgang parat zu haben, gezielte Fragen zu stellen und richtiges Verhalten zu zeigen, soll unter anderem das Selbstvertrauen der Kinder gestärkt werden – aber auch das der Eltern, ihren Töchtern und Söhnen ein solches zu vermitteln. In 25 teils auch sehr kurzweiligen Hörbuch-Tracks – mit einer Gesamtlaufzeit von 65 Minuten – liefert Autor Ralf Schmitz, Trainer für Gewaltprävention, praxisorientierte Alltagstipps sowie Anregungen und Hilfestellungen.
Die Sozialinitiative Sicher Stark möchte mit diesem Konzept erreichen, dass Eltern ihre Kinder besser vor Gewaltverbrechen schützen und gegen Missbrauch stärken können, da Kinder, die sich wehren können und das Nein-Sagen gelernt haben, nicht so schnell Opfer von Gewaltverbrechen werden und wissen mit Übergriffen im nahen Umfeld besser umzugehen. Revolutionär sind manche der Ratschläge nun wirklich nicht, daher wirken so einige der Tracks etwas ausgelutscht. Allerdings ist es auch nicht die Absicht des Elternhörbuchs, neue Präventionsmaßnahmen vorzustellen, vielmehr geht es um eine Bündelung wichtiger – teils auch altbewährter – Strategien, um diese frisch ins Gedächtnis der Erziehenden zu rufen und den interessierten Hörerinnen und Hörern mit Trainingsratschlägen zur Seite zu stehen. Auch die sehr schlichte auditive Aufbereitung der einzelnen Tracks unterstreicht den inhaltlichen Schwerpunkt, wenn auch auf manch banale Bekräftigungsnebensätze gut hätte verzichtet werden können.
Die Abbildung einer weiblichen Figur auf dem Booklet sowie der CD wiederum hätte gerne um einen männlichen Gegenpart ergänzt werden können, um das Stereotyp, dass nur weibliche Kinder geschützt und unterstützt werden sollten, nicht unnötig aufzufrischen. Die eigentlich Botschaft des Sicher Stark-Werks bedarf allerdings keiner weiteren Worte: „Kinder sollen nicht nur sicher und stark [gemacht werden], sondern […] Stärken erfahren, von denen sie vorher noch nichts wussten.“
Swenja Wütscher: Games und Gaming kompetent gemacht
„(Spielen) ist besser als die Realität (…), ist nicht so langweilig“ (Junge, 16 Jahre). Die Welt rund um Computerspiele hat sich in den letzten Jahren auch durchaus weiterentwickelt, sei es die Hardware der mobilen Spielgeräte, realitätsnähere Grafik, Onlinevernetzung von Spielenden, neue Genres wie Social Network Games oder neue Erlösmodelle wie Free-to-Play. Allerdings bringen diese (Spiel-) Alltagsveränderungen auch neue Herausforderungen mit sich, sowohl für (spielende) Heranwachsende, als auch für Eltern und pädagogische Fachkräfte. Im Fokus des zweijährigen Modellprojekts GamesLab stand daher die Frage nach einem souveränen Umgang mit digitalen Spielwelten, der Verantwortungsbewusstsein, Spielspaß und Selbstbestimmung vereint und kreatives und spielerisches Handeln ebenso wie die kritische Auseinandersetzung mit Games einschließt.
In der integrierten Praxis-Forschungs-Aktivität wurden Zwölf- bis 14-Jährige in Bayern über Werkstätten zu Computerspielen angesprochen und motiviert, sich selbst einzubringen und Materialien zu entwickeln, die ihre Sicht auf Computerspiele – verbunden mit Fragen, Anregungen und Handlungsempfehlungen – darstellen. Die erstellten Produkte brachten die Heranwachsenden einerseits in sogenannte Jugendtagungen ein und nutzen sie für weitere Aktivitäten in ihrem sozialen Umfeld, wie Schule oder Jugendarbeit. Aus der wissenschaftlichen Begleitung wurden Handlungsempfehlungen für Schule, Jugendhilfe und Politik generiert; diese stellt die Perspektive von älteren Kindern und Jugendlichen in den Mittelpunkt und eruiert sowohl ressourcenorientierte und kompetenzstärkende Aspekte des Computerspielens als auch Problemlagen der Gruppe der Vielspielenden.
Die Befragung von jungen Vielspielenden hat gezeigt, dass vorurteilsbehaftetes und abwehrendes Verhalten der Erwachsenen junge Computerspielende noch stärker ins Abseits bringen kann. Kinder und Jugendliche, die tatsächlich zu viel spielen, brauchen Unterstützung durch pädagogische Fachkräfte und Eltern, um zu einem souveränen Umgang mit Computerspielen zurückzufinden. Jugendliche, denen die kompetente Unterstützung mit Computerspielen fehlt, sind potenziell stärker Risiken wie exzessivem Computerspielen, Kostenfallen oder Kontakt- und Konfrontationsrisiken ausgesetzt. Neben der Stärkung medienpädagogischer Kompetenzen bei Erwachsenen scheint auch die Stärkung der Mitverantwortung der Peergroup ein erfolgversprechender Weg, um ältere Kinder und Jugendliche dazu anzuregen, ihr eigenes Medienhandeln zu reflektieren und selbstbestimmt mit Medien umzugehen.
Durchgeführt wurde das Projekt vom JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis in Kooperation mit dem Medienzentrum Parabol und Unterstützung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration. Die Einzelpublikationen von GamesLab (Expertise, Evaluationsbericht, Bericht zur Vielspielenden-Befragung), die pädagogischen Materialien sowie die Produkte aus den Werkstätten sind online verfügbar.www.jff.de/games/gameslab
Swenja Wütscher: Für Kinder, die stark sein müssen
„Da geht es um ein Nashorn, das lebendig wird. Ein Junge malt es an die Wand und es wird lebendig, aber eigentlich sehnt sich dieser Junge nach seinem Vater. Und sobald dieser Vater auftaucht, kann der Junge das Nashorn auch wieder gehen lassen. Das Nashorn wird auf ein Schiff verfrachtet und dort ausgesetzt, wo es hingehört. Es geht vordergründig in der Geschichte nicht um Action, sondern darum, wie sehr sich dieser Junge nach seinem Vater sehnt. Aber der Junge muss sich trotzdem mit diesem Nashorn auseinandersetzen, das in seinem Wohnzimmer steht, weil er es blöderweise an die Wand gemalt hat und es lebendig wurde“, erzählt Katrin Hoffmann über die dänische Märchen-Komödie Otto ist ein Nashorn. Als Leiterin des Kinderfilmfests hat Katrin Hoffmann sich bereits von jedem einzelnen Film des diesjährigen Kinderfilmfest München verzaubern lassen, sonst hätten es die Auserwählten auch nicht bis ins Programmheft geschafft.Vom 28. Juni bis zum 6. Juli 2013 werden auf dem Festival – wie jedes Jahr – Filme für die jüngeren Zuschauerinnen und Zuschauer gezeigt; als Parallelprogramm zum FILMFEST MÜNCHEN für Erwachsene. „Meine Intention ist es, den Kindern dort andere Kinderfilme zu zeigen als sie normalerweise zu sehen kriegen. Sonst geht es in Kinderfilmen ja meist um Banden, um Schatzsuche. Aber das ist eigentlich nicht die Lebenswelt der Kinder.
Also die Filme sind schon auch wichtig, so dass Kinder auch mal einen lustigen Nachmittag haben können im Kino, aber ich finde es sehr, sehr wichtig, dass die Filme des Kinderfilmfestsaus der Welt der Kinder kommen. Dass sie sich mit ihren Problemen, Ängsten und Nöten beschäftigen und innerhalb des Filmes Wege oder Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie man mit diesen Konflikten umgehen kann. Ich bin davon überzeugt, dass das eigentlich immer das Spannendste ist für die Kinder. Das sieht man auch an den Reaktionen, wenn sie in den Kinos sitzen. Man kriegt sie ja nicht unbedingt oft dahin – das weiß ich auch von meinen eigenen Kindern, aber wenn sie mal drin sitzen, dann sind sie immer ganz begeistert und das finde ich immer eine schöne Bestätigung.“Um die Kinder auch wirklich begeistern zu können, hat die Kinderfilmfest-Leiterin bereits sehr viel Herzblut in die Zusammenstellung der Filme gelegt. Denn sie lässt sich nicht nur von einer Geschichte oder einem Thema überzeugen, auch die Darstellerinnen und Darsteller müssen sie mit ihrer Performance erst mal für sich gewinnen. Katrin Hoffmann will von niemandem etwas vorgespielt bekommen und erst recht will sie ihren Gästen nichts vormachen. Sie setzt klar auf Authentizität, auch in Kinderfilmen: „Es gibt ja leider immer noch Kinderfilme, in welchen die Bösen dann besonders lustig-blöd dargestellt werden, so dass die Kinder in jedem Falle erkennen, dass das der Schlimme ist – aber da tut man den Kindern unrecht, finde ich.
Deswegen mag ich Filme am meisten, die auch auf eine gute Ästhetik setzen und nicht unbedingt das Ganze mit Musik zukleistern, sondern diese lieber pointierter einsetzen. Also Filme, die Kinder genauso ernst nehmen wie Erwachsene.“ Eine Herausforderung, bei einer Programmstärke von zwölf Filmen, die gleichzeitig auch noch Abwechslung für ihre Zielgruppe der Fünf- bis Zwölfjährigen bieten möchte.„Ich hab auch immer ein Kurzfilmprogramm dabei, weil man damit sehr schön die verschiedenen Genres abbilden kann, also Realfilme, Dokumentarfilme, Animationsfilme natürlich auch. Und dieses Kurzfilmprogramm wird auch sehr gerne wahrgenommen, gerade von Jüngeren.
Das fängt in etwa so im Alter von fünf Jahren an.“ Mit auf dem Spielplan sind dann aber gleichzeitig auch Filme für Ältere, die Katrin Hoffmann guten Gewissens ab zehn Jahren empfehlen kann, wie der fiktive Film Bekas, der im irakischen Kurdistan der 90er-Jahre spielt. Dort träumen die zwei Jungen Dana und Zana von Amerika, wie sie es aus Superman kennen; beziehungsweise das, was sie von Superman durch ein winziges Kinofenster heimlich erhaschen konnten. Danas und Zanas Realität sieht anders aus, sie wachsen in einem hoffnungslosen, von Saddam Hussein beherrschten Irak auf. Die beiden versuchen alles, um diesem Leben zu entfliehen; soweit das eben möglich ist ohne Pass und Geld auf einem Esel als Fortbewegungsmittel.Neben Bekas und Otto ist ein Nashorn schenkt das Kinderfilmfest München die Leinwand noch Georgie, Ella und ihre Freunde, Ernest und Célestine, Kopfüber, Mein kleiner Orangenbaum und Reuber. Für das Publikum ab fünf Jahren gibt es Kurzes für Kleine: Junge und der Mond, Igel und die Stadt, Rising Hope sowie Yim & Yoyo. Ob in einer 3D-Animation oder einem Trickfilm, in einer Märchen-Komödie oder einem realistischen Spielfilm, alle Heldinnen und Helden nehmen ihre Gäste mit auf eine abenteuerliche Weltreise: Von Schweden über das irakische Kurdistan geht es über den Ozean bis nach Brasilien.
Die Tour hat zudem noch eine Station in England mit Weiterreise nach Dänemark eingeplant und landet über kurze Abstecher nach Lettland, Italien und die Niederlande dann wieder in Deutschland.Allerdings können in den Münchner Kinos selbst wohl eher nicht alle Kinder eine solche Reise überhaupt erst mit antreten: „Unser Programm geht natürlich an sämtliche Schulen, alle Hortgruppen, wir haben auch mal ein Waisenhaus eingeladen zur Eröffnung, und versuchen da schon auch unsere Werbung sehr breit zu streuen. Auch die Kinderreporter, die werden vom Medienzentrum München und vom JFF – Institut für Medienpädagogik gesucht, und die versuchen auch nicht ans klassische Gymnasium zu gehen, sondern wirklich Kinder zu finden, die eben vielleicht nicht unbedingt aufs Kinderfilmfest kommen oder das vielleicht noch nicht kennen und sie darüber begeistern.“ Ob damit allerdings wirklich Kinder aus allen sozialen Schichten, aus allen Lebenslagen überhaupt erreicht werden, ist fraglich. Das Organisationsteam des Kinderfilmfestes nimmt leider nur in Ansätzen Bemühungen auf sich, allen Kindern so ein Erlebnis zu ermöglichen. Seien es die Vorführzeiten, die breiter über den Tag verstreut werden könnten, so dass auch berufstätige Eltern ein solches Gemeinschaftserlebnis besser mit ihren Kindern teilen könnten. Oder eine Einladung einer Schule aus einem sozialen Brennpunkt, Vorführungen mit Gebärdensprachendolmetschern, die sicherlich für alle Kinder ein besonderes Ereignis wären. Derartige Angebote gibt es nicht.Auf die Bedürfnisse der anwesenden Kinder geht der abwechslungsreiche Spielplan von Festival-Leiterin Katrin Hoffmann aber dennoch definitiv ein.
Denn auch die jungen Zuschauerinnen und Zuschauer haben Ansprüche: Sie wollen unterhalten werden. „Man kann die Kinder aber auch mit anspruchsvollen Themen gut unterhalten. Die müssen jetzt nicht immer den Clown, die Animationsfilme oder den stolpernden Polizisten auf der Leinwand sehen, sondern sie lassen sich auch sehr gut mitnehmen von Themen, die sie vielleicht aus der Nachbarschaft oder von sich selber kennen.“ Da wäre zum Beispiel der Animationsfilm Ernest und Célestine über die Freundschaft zwischen einer kleinen Maus und einem großen Bären, allen Vorurteilen und Widerständen zum Trotz. Oder das Familiendrama Kopfüber mit dem Protagonisten Sascha, der ein ADHS-Medikament verschrieben bekommt – doch während sich alle über seine Entwicklung freuen, erkennt er selbst sich kaum wieder.Die Planung des Festivals sieht aber nicht nur ‚viereckige Augen‘ vor, sondern arbeitet mit und für die Kinder äußerst medienkonvergent. „Wir haben einerseits Kinderreporter, die wieder über die Filme schreiben, die dann auch wieder veröffentlicht werden in der AZ, auf www.spinxx.de und www.pomki.de. Und dann gibt es einen sehr schönen Workshop – auf den bin ich sehr gespannt –, den macht eine Kollegin, die viel mit Kindern arbeitet und die macht am Samstagvormittag einen Workshop zu einem Kurzfilm.
Den wird sie neu vertonen, und das Ergebnis des Synchronisationsworkshops wird dann am Nachmittag bei der Kurzfilmreihe auch vorgeführt – und zwar von den Kindern selbst. Und was ich ganz toll finde, dass Kinder einer Grundschulkasse dieses Jahr zu jedem Film einen Trailer gemacht haben. Das heißt, vor jedem Film wird ein von Kindern selber gemachter Trailer laufen und eben nicht das Original, sondern unser ganz eigener.“All das, was bisher so innovativ und jung klingt, ist allerdings – bis auf kleine Neuerungen – bereits 31 Jahre alt. Doch die Sehgewohnheiten haben sich über die Jahre schon verändert. „Die Kinder sind nicht mehr wirklich die ganz ruhigen, langsamen Filme gewohnt. Das muss man schon auch immer in der Ankündigung mit einbeziehen oder die Kinder vielleicht auch nochmal kurz darauf hinweisen, denn die sind durch die Veränderungen in der Medienwelt schnelle Schnitte, große Lautstärken und mehr oder weniger dauerhafte Musikuntermalung gewohnt. Umso wichtiger ist es aber auch, dass wir mit dem Kinderfilmfest versuchen, einen Gegenpunkt zu setzen. Also ich will das gar nicht verschreien und nicht negativ bewerten, aber man muss auch sehen, dass es auch die andere Art von Filmen gibt. Und sobald sie gepackt sind von den Bildern, von großartigen Bildern, gehen sie auch mit der Geschichte mit.“ Genau dafür hat Katrin Hoffmann ihre Filme ausgewählt. Sie ist immer wieder fasziniert von jungen Heldinnen und Helden, die mit viel Fantasie an der Lösung schwierigster Fragen arbeiten. Und so widmet sie die Filme des diesjährigen Kinderfilmfests München vor allem den Kindern, die trotz großer Widerstände ihren eigenen Weg gehen: für Kinder, die stark sein müssen.
Bekas
von Karzan KaderFinnland/Schweden/Irak 2012
Länge: 92 min
Empfohlen ab 10 JahrenDeutsche Fassung
Deutsche Premiere
Ella und ihre Freunde(Ella Ja Kaverit)
von Taneli MustonenFinnland 2012
Länge: 81 minEmpfohlen ab 6 Jahren
Deutsch eingesprochen
Deutsche Premiere
Mein kleiner Orangenbaum (Meu Pé De Laranja Lima)
von Marcos BernsteinBrasilien 2012
Länge: 99 minEmpfohlen ab 10 Jahren
Deutsch eingesprochen
Deutsche Premiere
Reuber
von Axel Ranisch
Deutschland 2013
Länge: 70 min
Empfohlen ab 8 JahrenWeltpremiere
Otto ist ein Nashorn
von Kenneth Kainz
Dänemark 2013
Länge: 76 min
Empfohlen ab 6 Jahren
Deutsch eingesprochen
Internationale Premiere
Georgie (Believe)
von David ScheinmannEngland 2012
Länge: 94 min
Empfohlen ab 8 Jahren
Deutsch eingesprochen
Deutsche Premiere
Ernest und Célestine (Ernest Et Célestine)
von Benjamin Renner,Vincent Patar, Stéphane Aubier
Frankreich 2012
Länge: 80 min
Empfohlen ab 6 Jahren
Deutsche Fassung
Kopfüber
von Bernd Sahling
Deutschland 2012
Länge: 90 min
FSK 6, empfohlen ab 8 Jahren
KURZES FÜR KLEINE 5+Junge und der Mond (Boy and the Moon)
von Rino Alaimo
Kreidezeichnung
Italien 2012
Länge: 6 min
Deutsch eingesprochen
Igel in der Stadt (Ezi Un Lielpilseta)
von Evalds Läcis
Puppentrickfilm
Lettland 2013
Länge: 10 min
Yim & Yoyovon Anna van Keimpema
Real- und Zeichentrickfilm
Niederlande 2012
Länge: 25 min
Deutsch eingesprochen
Rising Hope
von Milen Vitanov
Computeranimation
Deutschland 2012
Länge: 10 min
Swenja Wütscher: Fernsehen im Wandel – damit auch der Jugendmedienschutz?
Im Interesse des Jugendschutzes werden Medieninhalte bereits vor ihrer Veröffentlichung begutachtet und klassifiziert. Die Behörden übertragen daher einen Teil ihrer Kompetenzen an Selbstkontrolleinrichtungen. Swenja Wütscher und Claudia Mikat, Leiterin der Programmprüfung der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), im Gespräch über den Wandel der Fernsehlandschaft und seine Herausforderungen für den Jugendmedienschutz.