SWIPE DES MONATS: 75 Jahre JFF – Die Medien werden alt und ich auch
Woran merkt man, dass man alt wird: Man wird zu mehr Beerdigungen eingeladen, als zu Hochzeiten und beim Arztbesuch wird man nach Schilderung seiner Gebrechen dezent auf sein Geburtsdatum hingewiesen. Man fährt viel lieber Automatik statt Schaltung, geht nach 20 Uhr ungern aus dem Haus, wenn es keinen beruflichen Grund gibt und braucht nach dem Aufstehen am Morgen eine Weile, bis man sich schmerzfrei bewegen kann. Man weiß nicht, was ein Swifti ist, schaut noch analoges Fernsehen und muss jüngere Menschen um Hilfe bitten bei der Übertragung der Daten nach dem Neukauf eines Handys.
Ein weiterer Gradmesser für das Älterwerden sind die vielen Jubiläen, zu denen man eingeladen wird, weil man eben schon so lange im Geschäft ist. Nur ein kleiner Ausschnitt der in der nächsten Zeit anstehenden Jubiläen, zu denen ich eingeladen bin: 25 Jahre Medienfachberatung Mittelfranken, 40 Jahre Medienzentrum Parabol, 75 Jahre JFF – Institut für Medienpädagogik.
Jubiläen haben es so an sich, dass die Festredner*innen zurückschauen und die Entwicklung der letzten Jahre oder Jahrzehnte Revue passieren lassen.
Die Festredner*innen bei Jubiläen, die mit Medienpädagogik zu tun haben, versuchen dabei gerne mit skurrilen technischen Erinnerungen zu punkten: Kennt jemand noch Pong? Weiß noch jemand, was eine Diskette ist? Wer kann sich noch an Telefone mit Schnur erinnern oder kennt noch diese Akkugürtel, deren Gewicht die Träger*innen spätestens nach zwanzig Minuten zu einer Verschnaufpause zwang? Erinnert ihr euch noch daran, dass der Speicher einer Festplatte gerade mal 20 MB hatten (reicht ungefähr für eine Handvoll Bilder, die man mit dem Handy macht), und dass der Leseschreibkopf der Festplatte noch geparkt werden musste? Dass Raubkopie-Partys noch an der Tagesordnung waren und Texte mit einem Nadeldrucker nebst ziemlich fiesem Geräusch, das an Zahnarztbesuche erinnerte, auf Endlospapier gedruckt wurden?
Würde die Festrede von jungen Menschen gehalten, wäre das wahrscheinlich auch nicht anders. Denn gefühlt ändert sich die Welt in Nanosekunden, was technische Neuerungen in der Medienwelt betrifft. Dies ist schön zu beobachten, wenn die Band AnnenMayKantereit bei einem Konzert ihren Hit Als ich ein Kind war anstimmt: (Als ich ein Kind war - AnnenMayKantereit (Live in Berlin)
Als ich ein Kind war, gab's kein Internet
Es gab keinen Bildschirm neben dem Bett
Das Telefon hatte ein Kabel
Und wenn ich Fernseh'n schau'n wollte, musste ich fragen
Die Post war gelb und keiner kannte DHL
Alles war so langsam oder eher nicht so schnell
Der Sänger und Kopf der Band, Henning May, ist gerade mal 32 Jahre alt. Noch jünger ist sein Publikum, das beseelt den Refrain Als ich ein Kind war, gab es kein Insta mitsingt und gleichzeitig mit dem Handy das Konzert für eine Insta-Story filmt.
Deshalb will ich zum Schluss nochmal richtig schön nostalgisch werden und in Erinnerungen schwelgen: Ach, wie schön war die Welt noch, als uns Wolfgang und Wolfgang im WDR- Computerclub (ab 1982) einmal in der Woche die Welt der Computertechnik erklärt haben. So beschaulich, so begreifbar und dank YouTube immer noch verfügbar. Deshalb: Einfach mal WDR-Computerclub eingeben und in eine Zeitreise starten WDR Computerclub (1994). Und wer demnächst als Laudator*in gebucht ist, kann sich freuen, denn die Sendungen bieten unendlichen Stoff für Festreden, wenn es um Jubiläen von medienpädagogischen Einrichtungen geht.
Klaus Lutz
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