SWIPE DES MONATS: Der Spielautomat
Die Stammleserschaft weiß sicherlich, dass meine Familie sehr fußballaffin ist. Meinem Sohn und mir ist es gelungen, der sparsamsten Ehefrau von allen Bezahl-Abos für die Übertragung von Fußballspielen abzuringen. Leider ist es nicht mit einem simplen Abo getan - da braucht es schon mehrere: Sky für die zweite Liga und die Samstagsspiele der Bundesliga. Amazon Prime für das Topspiel in der Champions League. Für die restlichen Spiele wie Bundesliga am Freitag und Sonntag und den großen Rest der Champions-League-Spiele ist ein weiteres Abo bei DAZN notwendig. Aber für dieses zusätzliche Abo gingen sogar meinem Sohn und mir die Argumente aus. Also suchten wir präventiv schon einmal nach einer Kneipe in unserer Nähe, die Fußballspiele überträgt und die bei Bedarf die Lücke in unserem Angebot schließen kann. Eigentlich dachten wir, das würde nicht so oft vorkommen. Aber - neben unserem geliebten Kleeblatt - möchte ich immer auch gerne die Spiele von Bayern, Freiburg und Leipzig sehen, mein Sohn ist seltsamerweise Bremen-Fan und meine Frau gehört zur großen Schar der Bewunderinnen von Xabi Alonso, der gerade Bayern Leverkusen zur neuen Fußballmacht in Deutschland aufbaut. Also war es eigentlich nicht überraschend, dass der erste Termin für einen Fußballabend in einer Kneipe nicht lange auf sich warten ließ - Bayern München gegen Leverkusen stand bevor. Also reservierten wir rechtzeitig einen Platz an der Theke und freuten uns auf Fußball. Allerdings lief der Fußballabend dann ein bisschen anders als geplant und – ehrlich gesagt – sehr spannend.
Während der Vorberichterstattung fiel uns direkt neben dem Zugang zu den Toiletten ein Automat an der Wand auf, ungefähr so groß wie ein Spielautomat, den man von Autobahnraststätten kennt. Auf der glatten schwarzen Oberfläche des Automaten befanden sich fünf Lichtleisten; eine leuchtete rot, die anderen gelb; eine „nix für Menschen-unter-18-Warnung“ oder einen Gewinnausgabeschacht gab es aber nicht. Also rätselten wir länger, aber erfolglos, welche Art von Glücksspielautomat das sein könnte.
Auffällig war, dass sich immer mehr junge Männer um den Automaten versammelten, die durch die Eingabe von Zahlen auf einer Tastatur anscheinend ihr Glück versuchten. Einer der Jungs wurde immer nervöser, tippte, schimpfte, verschwand, kam zurück und tippte erneut. Schließlich drosch er auf den Automaten ein und schimpfte: Gib mir mein Handy wieder, du Scheißding! Da dämmerte es uns: Es handelte sich nicht um einen futuristischen Spielautomaten, sondern um eine Ladestation für Handys. Der junge Mann wurde zunehmend verzweifelt und schon auch ein bisschen wütend. Es wurde also Zeit für einen pädagogischen Einsatz und ein beruhigendes Gespräch. Ich frage ihn daher mit sanfter Pädagogenstimme, warum er denn so aufgeregt sei, worauf er fassungslos antwortete: Können Sie sich ein Leben ohne Handy vorstellen? Echt jetzt? Ich antwortete wahrheitsgemäß und folglich mit Nein. Er seufzte entnervt: Sehen Sie!
Inzwischen hatte sich auch der Besitzer der Kneipe eingeschaltet und versuchte mit verschiedenen Schlüsseln das Fach zu öffnen, in dem sich das Handy befand. Ohne Erfolg. Auch ein längeres Telefonat mit der Automatenaufstellerhotline und der Einsatz von Werkzeug brachten keinen Erfolg. Meine Frau rief daher beherzt in die Runde: Ist jemand mit Erfahrung im Einbrechen oder Aufbrechen hier? Ein junger Kerl aus dem Gefolge des verzweifelten Handybesitzers drehte sich zu ihr um und meinte: Leider nein. Sie vielleicht? (Nebenbei: meine Frau ist Strafrichterin; und sie hält es für statistisch ausgeschlossen, dass am Samstagabend in einer vollen Fürther Innenstadtkneipe niemand ist, der weiß, wie man einen Automaten knackt).
Mittlerweile war das Fußballspiel zu Nebensache geworden und der Kneipenbesitzer hatte echte Bedenken, dass ihm der Automat von der Wand gerissen wird, um das eingeschlossene Handy mit Gewalt zu befreien. Aber kurz bevor die Situation zu eskalieren drohte, erinnerte sich der junge Mann wohl daran, dass Nachdenken manchmal echt viel helfen kann und kam auf die Lösung: er musste nicht – wie seit einer Stunde - drei Zahlen eingeben, sondern vier! Also noch ein Befreiungsversuch mit der Eingabe eines vierstelligen Codes und das Fach öffnete sich und gab das Handy frei. Die Erleichterung war riesig und der zwischenzeitlich sehr große Tross, der mit den noch verfügbaren Handys herbeigerufen worden war, rückte wieder ab. Währenddessen war das Fußballspiel zu Ende gegangen; das Unentschieden hatten wir allerdings nur am Rande mitbekommen. War aber egal – denn wir war uns einig, dass Fußball vor dem häuslichen Fernseher nichts ist im Vergleich zu dieser Liveshow in der Kneipe. Gut also, dass wir nicht alle Fußball-Abos haben.
Klaus Lutz
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