Zum Hauptinhalt springen

SWIPE DES MONATS: Ein einfacher Strich

Die Computertechnologie hat in den letzten Jahren so gewaltige Fortschritte gemacht, dass den Filmemacher*innen schier endlose Möglichkeiten zu Erzeugung von Fantasiewelten zu Verfügung stehen. Schauspieler*innen müssen sich nicht wirklich auf den Mount Everest begeben, um eine Bergdrama zu drehen oder in die Tiefen des Meeres abtauchen, um mit einem großen, hungrigen Hai zu kämpfen. Auch junge Amateurfilmer*innen verfügen schon über die technischen Mittel, mit denen man einen Drehort aus der Fränkischen Schweiz in die Karibik verlagern oder Häuser explodieren lassen kann. Dies hat leider auch zur Folge, dass der von mir so bewundernde Beruf Stuntman/Stuntfrau etwas an Glanz verloren hat. Denn man weiß ja nie, ob ein Double wirklich mit den Skiern die Steilwand hinunterfährt oder ob eine Schauspielerin im gut geheizten Studio vor einer grünen Wand mit einem Anzug mit vielen Punkten steht und nur so tut als ob. Auch die 3D-Technik hat anfänglich Hoffnung auf neue Spannung im Kino geweckt. Filme wie Avatar produzierten mit dieser Technik Bilder, die das Gefühl eines legalen LSD-Tripps vermittelten. Allerdings: spannender wurde die Geschichte dadurch auch nicht.

Da lobe ich mir den Ladebalken, der seit gefühlten Ewigkeiten das Symbol für atemlose Spannung und als solches einfach nicht klein zu kriegen ist. Irgendjemand kam dankenswerterweise vor vielen Jahren auf die Idee, dass ein einfacher, meist grüner Ladebalken - wir alle kennen ihn, denn wir sitzen ja selbst häufig genug andächtig vor dem eigenen Computer und meditieren ein wenig beim Zuschauen - ein unglaublich dramaturgisches Potenzial besitzt. In keinem Actionfilm darf diese Szene fehlen. USB-Stick einstecken und der Balken beginnt zu laufen. Im Wettlauf mit dem Balken naht die Entdeckung des/der USB-Besitzer*in. Kurz vor der Entdeckung - der Bösewicht hat die Hand schon an der Türklinke - ist dann der Ladevorgang abgeschlossen, der Stick wird eilig herausgezogen und der/die Gute kann sich in Sicherheit bringen. Der Fantasie des/der Drehbuchschreiber*in sind dabei keine Grenzen gesetzt. Der kleine grüne Balken kann für alles Mögliche stehen: Geheime Daten stehlen, Schadsoftware auf den Computer aufspielen oder eine Überwachungssoftware installieren. Damit können dann wiederum militärische Konflikte ausgelöst, Umweltkatastrophen verhindert oder das organisierte Verbrechen besiegt werden.

Also ein Hoch auf den Ladebalken, der uns so viele spannende Momente beschert. Ohne den Ladebalken gäbe es weniger spannende Momente im TV und im Kino. Und wenn Sie selbst einmal wieder voller Ungeduld vor dem Ladebalken sitzen und auf den Abschluss des Updates warten, können Sie einfach den Kopf auf den Schreitisch legen, die Augen schließen und davon träumen, dass Sie in die Zentrale von Microsoft eingedrungen sind, einen Stick in den Hauptcomputer gesteckt haben und gerade dabei sind, Beweise für Sicherheitslücken zu sichern, während Sie schon auf den Gängen die Schritte der Security immer näherkommen hören. Kurz bevor Sie entdeckt werden, ist der Ladebalken zum Glück an seinem Ende, Sie ziehen schnell den Stick ab und verschwinden lautlos und artistisch über den Lüftungsschacht. Allerdings sollten Sie dann nicht vergessen, sich wieder aufrecht hinzusetzen und die Augen zu öffnen. Sonst denken die von der Mittagspause zurückkommenden Kolleg*innen, deren Schritte Sie im Traum gehört haben, Sie hätten ein unproduktives Schläfchen gemacht.

 

Klaus Lutz


Zurück

Kontakt

merz | medien + erziehung ist die unabhängige medienpädagogische Fachzeitschrift in Deutschland, in der Themen der Medienpädagogik aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden. Beschäftigen auch Sie sich mit diesem Themenbereich und möchten gerne selbst in merz veröffentlichen? Wir freuen uns immer über Einsendungen über Projekte aus Forschung und Praxis, über Rezensionen, Veranstaltungshinweise und natürlich Anregungen. 

 

Redaktion

merz | medien + erziehung
Kati Struckmeyer und Swenja Wütscher
Arnulfstraße 205
80634 München

+49 89 689 89 120
+49 89 689 89 111
merz@jff.de

Verlag

kopaed verlagsgmbh
Arnulfstr. 205
D-80634 München

+49 89 688 900 98
+49  89 689 19 12
www.kopaed.de
info@kopaed.de

Herausgeber*in

Kathrin Demmler | Prof. Dr. Bernd Schorb
JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis

Rechtsträger

JFF – Jugend Film Fernsehen e. V.
Arnulfstraße 205
80634 München

+49 68 989 0
+49 68 989 111
www.jff.de
jff@jff.de

Kontaktformular

Kontaktformular


Anmeldung zum merz-Newsletter

Hier können Sie sich zum merz-Newsletter anmelden.  Datenschutzerklärung.

Ich willige in die Verarbeitung meiner Daten zum Newsletter-Versand ein und habe die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen.