Anika Bonitz
Beiträge in merz
Anika Bonitz und Melanie Bonitz: Abwägender Einsatz digitaler Schulbücher
„Today’s students are no longer the people our educational system was designed to teach”, schreibt Prensky 2001. Im selben Jahr startete in Malaysia das Electronic Book Project. Länder wie Südkorea, die Türkei oder Polen haben längst Programme zur Einführung digitaler Schulbücher beschlossen. Angesichts der aktuellen Einführung in Deutschland stellt sich die Frage, welche Faktoren entscheidend sind, dass sie Teil einer modernen Lehr- und Lernkultur werden, mit der man die aufwendige Umstellung begründet.
Literatur:
Ebner, Martin/Schön, Sandra (2012). Die Zukunft von Lern-und Lehrmaterialien. Entwicklungen, Initiativen, Vorhersagen. Norderstedt: BoD.
Foong-Mae, Chan (2002). ICT in Malaysian Schools: Policy and Strategies. Center for the Research and Support of Educational Practice. Online: unpan1.un.org/intradoc/groups/public/documents/apcity/unpan011288.pdf [Zugriff: 28.05.2013].
Herber, Erich/Nosko, Christian (2012). Totgesagte leben länger – das Schulbuch der Zukunft. In: Blaschitz, Edith (Hrsg.), E-Learning. Zukunft des Lernens. Glückstadt: Hülsbusch. S. 165-187.
Hiller, Andreas (2012). Das Schulbuch zwischen Internet und Bildungspolitik. Marburg: Tectum.
Kim, Jackie Hee-Young/Jung, Hye-Yoon (2010). South Korean Digital Textbook Project. In: Computers in the Schools, 27(3-4), S. 247-275.
Lane, Donna N. L. (2007). Educational Value of E-textbooks. Saarbrücken: VDM.
Anika Bonitz: Loverboys ins Netz gegangen
Das Phänomen der „Loverboys“ war in den Niederlanden schon 2010 weithin bekannt. In Deutschland hingegen wird es erst nach und nach wahrgenommen. Im August 2011 wurde ein Fall in Schleswig-Holstein publik gemacht. Die tatsächliche Zahl der Opfer in Deutschland ist nicht bekannt. Presseberichten zufolge wurden im Zeitraum von 2009 bis 2010 drei Fälle zur Anzeige gebracht. Loverboys lassen bevorzugt bei jungen Mädchen eine emotionale Abhängigkeit entstehen, indem sie Liebe vortäuschen, um sie nach einiger Zeit in die Prostitution zu drängen. Soziale Netzwerke bieten den verdeckten Zuhältern eine einfache Möglichkeit, Bekanntschaften zu schließen und Vertrauen aufzubauen. Fotos und Informationen, die Rückschlüsse auf familiäre und freundschaftliche Beziehungen aber auch persönliche Interessen oder Probleme zulassen, machen den Zugang zu geeigneten Opfern sehr einfach. Bisher gibt es zwei deutschsprachige Internetseiten, die gezielt Aufklärungsarbeit leisten, vor allem jedoch persönliche Foren sind.
Die Internetseite der niederländischen Stiftung StopLoverboys bietet Betroffenen Hilfe bei der Suche nach Vermissten. Hier ermöglichen ein Forum und Ansprechpartnerinnen oder Ansprechpartner einen Austausch und Unterstützung. Durch zahlreiche Erfahrungsberichte und aktuelle, persönliche Meldungen wird Betroffenen auf dieser Internetseite eine Plattform gegeben. Im September 2011 wurde nun in Deutschland der Verein EILOD e.V. gegründet. Dieser Verein entstand aus der Elterninitiative für Loverboy Opfer Deutschland. Die Internetseite dieser Initiative wurde in Form eines Tagebuchs gestaltet und bietet eine erste Anlaufstelle für Eltern und Opfer. Ziel der Internetseite ist, über das Thema zu informieren sowie Eltern und Opfer zu beraten. Dazu gehört die Vermittlungsarbeit zwischen Betroffenen, die sich auch hier über ein Forum austauschen können. Während die Informationen im ‚Tagebuch‘ auf das Wesentlichste reduziert sind, besteht über das Forum die Möglichkeit, zusätzliche Informationen über Veranstaltungen, Veröffentlichungen und Anlaufstellen zu erhalten. Neben dem Onlineforum wird eine persönliche Kontaktaufnahme angeboten, über die gegebenenfalls professionelle Ansprechpartnerinnen oder Ansprechpartner vermittelt werden. In Düsseldorf finden inzwischen monatliche Treffen statt. Die Inhalte der Seite ermutigen Betroffene, sich zu öffnen. Dazu wenden sich die Initiatorinnen und Initiatoren einfühlsam an die Opfer und klären auch Angehörige über deren Probleme auf. Die Auflistung möglicher Anzeichen, die bei Opfern dieser Form der Prostitution häufig beobachtet werden, bietet eine unverbindliche Orientierung. Die niederländische Internetseite www.stoploverboys.nu und die deutsche Seite www.eilod.de bieten ein niedrigschwelliges Hilfsangebot für viele, die es nie zu einer Anzeige kommen lassen. Beide Internetseiten sind auf Initiative persönlich Betroffener hin entstanden. Die beste Prävention im Internet ist die Stärkung Jugendlicher, indem ihnen das Bewusstsein über Risiken vermittelt wird. Sie sollen sich die Fähigkeit aneignen, souverän im Internet zu kommunizieren und sich angemessen zu präsentieren. Kenntnisse über mögliche Alarmsignale, Handlungsmöglichkeiten und Hilfsangebote bei eigenen Problemen aber auch im Verdachtsfall können steigenden Fallzahlen entgegenwirken.
Linktipps
www.chatten-ohne-risiko.netwww.klicksafe.dewww.schau-hin.info
Initiativen für Loverboy-Opfer und Betroffene
www.eilod.de/index.htmlwww.stoploverboys.nu
Anika Bonitz: stichwort social payment
Social Payment ist eine simple Möglichkeit, eine freiwillige Gegenleistung für Onlineangebote wie Internetseiten, Videos oder Textbeiträge zu erbringen. Über Seiten wie kachingle, flattr oder rewrd.org wird ein monatlicher Betrag ab zwei Euro unter den persönlich favorisierten Internetangeboten aufgeteilt – schnell und einfach, per Klick auf den entsprechenden Button. Natürlich stellt sich die Frage, warum ein ‚homo oeconomicus‘ so eine ‚digitale GEZ‘ freiwillig zahlen sollte – und tatsächlich scheint florierendes Social Payment bisher vor allem in den Träumen der Anbieter zu funktionieren.
Viele Userinnen und User schrecken noch vor der komplizierten Erstanmeldung beim Dienst, Transaktionskosten und Provisionskosten zurück. Abhilfe wollen hier virale Konkurrenz-Modelle wie Pay with a Tweet – zu gut deutsch also ‚zahle mit deiner Empfehlung und deinem guten Namen‘ – schaffen. Wer ein gutes Angebot per Twitter oder facebook weiter empfiehlt, zahlt selbst nichts, verhilft aber unter Umständen dem Produkt dennoch zu (zahlenden) Abnehmerinnen und Abnehmern. Clevere Strategie für die ‚Kostenlos-Kultur‘ im Internet? Oder eine weitere Ausprägung der ‚Geiz ist geil‘-Mentalität? Ob es funktioniert jedenfalls wird sich herausstellen müssen.
Anika Bonitz: The Help
The Help erzählt die Geschichte von Eugenia ‚Skeeter‘ Phelan, die es sich in den Kopf setzt, die afroamerikanischen Dienstmädchen in den USA zu interviewen und ihre Unterdrückung damit öffentlich zu machen. Sie kündigt damit nicht nur ihre Freundschaften aus Kindertagen auf, sondern erntet auch auf Seiten der Hausmädchen Skepsis. Jackson, Mississippi Anfang der 60er Jahre: Die Frauen der Oberschicht tragen bunte Haarbänder und Perückenfrisuren, sie haben das Sagen im Haus und dienen der Dekoration an der Seite ihrer Männer. Sie verbringen ihren Tag mit Kartenspielen, Klatsch und Tratsch und der Organisation des Haushalts, zu der ihnen das persönliche Hausmädchen den Tee reicht.
Change begins with a whisper
In diese Welt kehrt Skeeter (Emma Stone) nach ihrem Abschluss an der Ole Miss University zurück, unverheiratet, idealistisch und unkonventionell. Während ihre Mutter, gespielt von Allison Janney, nichts anderes im Kopf hat, als ihre Tochter hübsch zu kleiden und zu frisieren, um sie endlich unter die Haube zu bringen, träumt Skeeter davon, Journalistin oder Schriftstellerin zu werden. Sie gehört zu den Menschen, die um die Anerkennung ihrer Überzeugungen kämpfen, frei heraus, den Konventionen der spießbürgerlichen Oberschicht will sie sich nicht anpassen. Damit wird sie schnell zu einer unabhängigen Außenseiterin. Doch voll gesunder Naivität spricht Skeeter ohne eine gute, vorweisbare Referenz bei einer Zeitung vor. Gleichzeitig erfährt sie vom mysteriösen Verschwinden des Hausmädchens der Familie. Dies ist ein Schicksalsschlag für Skeeter, die liebevoll von ihr großgezogen wurde. Das Erlebnis bewegt sie dazu, afroamerikanische Dienstmädchen über ihre erniedrigende Lebenssituation zu interviewen.
Dafür erntet sie keineswegs Anerkennung. „Wenn ich mitmache, kann ich mein Haus auch gleich selber anzünden“, klärt Aibileen (Viola Davis), eines der Hausmädchen, sie auf. Sie ist selber vom Leben hart gelehrt worden. Doch gewissenhaft und liebevoll zieht auch sie die kleinen Kinder der ‚erwachsenen Kinder‘ groß und sie brät die besten Hühnchen für die Herrschaft. Hier existieren zwei Welten nebeneinander, zwischen denen Skeeter steht. Die schicken und hysterischen Püppchen auf der einen Seite und die rechtlosen und doch lebensbejahenden, schwarzen Dienstmädchen auf der anderen Seite. Sie zollen den Hausherrinnen trotz allem stummen Gehorsam. Hilly Holbrook (Bryce Dallas Howard) hat das Sagen in der eingeschworenen Frauenclique des Ortes. Sie ist wie Skeeter ein Mensch, der unerschütterlich in seinen Überzeugungen ist. Sie versteht es andere mitzureißen. Sie hat jedoch nie etwas anderes gelernt, als dass Schwarze zur dienenden, schmutzigen Klasse gehören. So wird sie zu einer vielschichtigen Gegenspielerin für Skeeter, die fürchten muss, dass ihre Arbeit an dem Buch, das die Lebenslage der Hausmädchen öffentlich macht, entdeckt wird. Die diskriminierende Denkweise von Hilly spiegelt wider, wie die gesellschaftlich anerkannten Überzeugungen in den Köpfen der Menschen funktionierten. Maßnahmen, wie das Einrichten einer gesonderten Außentoilette für die Dienstmädchen als hygienische Notwendigkeit, klingen für Hilly nicht mehr absurd Es ist undenkbar, ein ungehorsames Dienstmädchen im Haushalt zu beschäftigen, ohne dabei selber sein Gesicht in der Gemeinde zu verlieren.
Be Courageous. Share Your Story
Über den Gerechtigkeitskampf Martin Luther Kings, den Marsch auf Washington und die Freedom Riders haben uns die Geschichtsbücher unterrichtet, doch die Menschlichkeit, die darin steckt, einem Irrglauben zu folgen, der von der großen, unbekannten Gesellschaft bis in die eigene Familie hinein anerkannt ist, haben sie uns nicht erklärt. Der Film ist ein anrührender Ausgangspunkt, um über Rassendiskriminierung, amerikanische Geschichte, Freundschaft und Mut oder gesellschaftliche Denkmuster nachzudenken. Die erfolgreiche literarische Vorlage von Kathryn Stockett und das Thema selber können auch zu eigenen, mutigen Geschichten inspirieren. Es ist jedoch empfehlenswert, jüngeren Zuschauerinnen und Zuschauern die Umstände der damaligen Zeit schon im Vorhinein bewusst zu machen. Damit werden sie für geschichtliche Anspielungen und die Lage der Hausmädchen sensibilisiert.
Ein berührender Film zum Nachdenken und Schmunzeln
Regisseur Tate Taylor hat sich mit spürbarer Begeisterung der literarischen Vorlage Gute Geister von Kathryn Stockett angenommen. Dafür musste die über 400 Seiten lange Bestsellervorlage einige Kürzungen ertragen. Mit der charakterstarken Darstellung und der Liebe zum Detail geht die charmant erzählte Geschichte jedoch keineswegs verloren. Die besondere, exzentrische Eigenart der Bewohner, die Kulisse der authentischen Drehorte und nicht zuletzt auch die mit besonderer Sorgfalt hergerichteten Originalspeisen, erwecken die Geschichte auch auf der Leinwand zu einem kurzweiligen Filmerlebnis. In Deutschland wird der Film ab dem 8. Dezember 2011 in den Kinos gezeigt. Am Ende, so viel sei verraten, lässt die gewissenhafte Aibileen ihre berühmten, gebratenen Hühnchen doch anbrennen.
The Help (2011)
USA
Regie: Tate Taylor
Darsteller: Emma Stone, Viola Davis
FSK: noch nicht geprüftDreamworkswww.thehelp-film.deAnika Bonitz: stichwort: liquid democracy
Flüssig, transparent, flexibel – Jeder kann Wissen und Erfahrungen online in Entscheidungsfindungen einfließen lassen. Da niemand umfassend informiert ist, ist es möglich, die eigene Stimme an den ‚Experten seines Vertrauens‘ zu übertragen. Liquid Democracy oder auch Delegated Democracy ist eine neue Form der Demokratie und eine Form kooperativen Managements. Sie ist direkt, repräsentativ oder etwas dazwischen, auf jeden Fall ‚massig‘ intelligent. Es geht um mehr als darum, ein Kreuz in das überzeugendste Kästchen zu setzen, es geht um Diskurs, Vorschläge, Eigeninitiative. Besonders gegen jugendliches Politikphlegma soll der digitale Enthusiasmus Wunder wirken. Doch Risiken und Nebenwirkungen sind nicht ausgeschlossen. Als 1912 in der New York Times eine ähnliche Idee von W. S. U’Ren und anderen Reformern veröffentlicht wurde, war noch nicht klar „How this method can be worked out (...)“ Inzwischen macht das Internet es möglich, die Demokratie in die Hände einer Software zulegen.
Das ist nicht das einzige Problem. Kritiker stellen in Frage, ob sich die Stimmen wirklich demokratisch verteilen werden, ob der Bürger über genug Kompetenz verfügt und die Verantwortung übernimmt. Und wie lässt sich der Konflikt zwischen der Überprüfbarkeit elektronischer Abstimmungen einerseits und von Datenschutzansprüchen auf der anderen Seite lösen? Während die einen sich den Kopf zerbrechen und diskutieren, lassen es die anderen auf einen Versuch ankommen. Nach einer Pilotphase nahm die Piratenpartei Deutschland im Februar 2010 den Abschnitt Liquid Democracy in ihre Satzung auf. Auch die Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft ließ Anfang 2011 den Bürger als 18. Sachverständigen in der digitalen Mitte der Diskussionen Platz nehmen.
Government 2.0 steckt noch in den Kinderschuhen. In der tiefsten Krise des Landes entstand das isländische Ideenministerium – der Versuch einer ganz neuen Demokratie. Online, transparent und für alle Bürgerinnen und Bürger offen, haben sie den Verfassungsprozess in die Mitte des Volkes gelegt und dabei gezeigt, wie der Sprung aus der virtuellen Welt in die reale Welt umsetzbar sein könnte.