Dr. Wolfgang Brudny
Beiträge in merz
Wolfgang Brudny: Nachruf Paula Linhart
Es kam nicht überraschend – und doch! Der Antwortbrief, den sie mir auf meine Glückwünsche zu ihrem 106. Geburtstag schrieb, er zeigte, dass Paula Linhart noch wie immer in ihrer Wortwahl eloquent und in ihren Gedanken präzise war. Dazu noch jene liebevollen Akzente in der Sicherheit des persönlichen Umgangs. Paula Linhart war ihr Leben lang in jener Welt des Journalismus‘ zuhause, in der es um Werte geht, um Engagement für das Recht, besser noch: für das Richtige. Dafür war sie bereit zu kämpfen. Scherzhaft wurde sie der ‚Bayerische Löwe‘ genannt, dort, wo es um Jugendschutz in den Medien ging, bei der FSK. Und das hatte mit Respekt zu tun, denn wo immer sie in Gremien auftrat und ihre Plädoyers mit bestimmter, aber auch behutsam gedankenerschließender Stimme vortrug, da hörte man ihr zu. Auch sie konnte zuhören, nahm Anteil, konnte aber auch auf ihre Art anderer Meinung sein, wenn sie es für richtig hielt. Was sie sagte, hatte immer gesellschaftspolitische Relevanz und war gleichzeitig in jenem Glauben tief verwurzelt, der Menschen stark aber nicht dogmatisch macht. Paula Linhart trat für Una sancta ein, die Überwindung von Grenzen zwischen den christlichen Religionen – die Ökumene.
Immer wieder suchte sie das Gespräch. Dann stand sie da, eine zart-gebrechliche Frau, mit neugierig-kommunikativen Blicken hinter starken Brillengläsern und setzte sich ein für das Gute und gegen die Bedenkenlosigkeit etwa jener Medien, die junge Menschen irritieren, sie zur Teilhabe an einer Gesellschaft instrumentalisieren, in der Gewalt und Unrecht an der Tagesordnung sind. Mit der Begabung zu Kritik und Analyse genoss sie Hochachtung und Beliebtheit und kam so zu Ehrenämtern und bedeutsamen Funktionen. Sie arbeitete in der Katholischen Filmkommission, wurde zur ersten Geschäftsführerin der Aktion Jugendschutz (aj) in Bayern berufen, schrieb über Jahre hinweg Kritiken für den Filmdienst der katholischen Kirche und überzeugte mit profunder Sachkenntnis und Interpretation. In fast logischer Konsequenz gründete sie den RIO-Treff in jenem Münchner Kino, das bereits mit qualitätsvollem Programm Tradition zeigte. Da stand sie nun wieder vor einem Publikum und gab – mit schon leicht gebrechlicher Stimme, aber immer gut vorbereitet – Einführungen zu Weltklasse-Filmen und freute sich an engagierten Diskussionen. Die Interessierten kamen – auch später noch, als Paula Linhart sich langsam zurückzog. Aber sie erkundigte sich in jedem Telefongespräch nach dem Stand der Dinge und nach den Erfolgen der einzelnen Referentinnen und Referenten.
Mit der Kraft ihres tiefen Glaubens suchte und fand sie Mitstreiterinnen und Mitstreiter für ihre humanen Anliegen und Taten, aber auch für den Blick auf das Schöne in dieser Welt. Doch das Tempo, mit dem die elektronische Kommunikation mit sprache-verändernden Codierungen die Menschen besetzte – das ließ sie zögernd stehenbleiben, das war nicht mehr ihr Terrain. Sie blieb sich selbst und ihrem Metier treu. Natürlich genoss Paula Linhart mit Freude und auch Stolz so manche Auszeichnung und Ehrung, die ihr zuteil wurde: so das Große Bundesverdienstkreuz, der Päpstliche Orden Pro Eclesia et Pontifice, die Medaille München leuchtet und nicht zuletzt der Bayerische Verdienstorden. Doch in einer Bestattungsanzeige hieß es schlicht und ebenso wahr: Paula Helene Linhart, Sozialarbeiterin. Sie hatte viele Freundinnen und Freunde und schenkte unvergessliche Freundschaft.
Wolfgang Brudny: Aus der "Vor-merz-Zeit"
Bevor merz erstmals 1957 unter dem Namen „Jugend und Film“ als Vierteljahresschrift des Wissenschaftlichen Instituts für Jugendfilmfragen erschien, waren schon einige Jahre vergangen, in denen mit den „Mitteilungen des Arbeitskreises Jugend und Film“ erste Versuche mit einer regelmäßigen medienpädagogischen – damals noch eher filmpädagogischen – Publikation gemacht wurden. Schon damals war es ein Anliegen der Verantwortlichen, ein möglichst breites Spektrum an Aktivitäten aus Forschung und Praxis vorzustellen.
(merz 2006-05, S. 11-13)