Birgit Irrgang
Beiträge in merz
Birgit Irrgang: Wie die Bilder laufen lernen. Kinder und Fernsehen in der medienpädagogischen Praxis
Vor genau 30 Jahren wurde das Projekt ‚Kinder kriechen durch die Röhre‘ zur Fernseherziehung für Vorschulkinder entwickelt. 2019 wurde das Projekt überarbeitet und unter neuem Namen ‚Wie die Bilder laufen lernen‘ an Kindertagesstätten durchgeführt. 2020 entstanden dazu digitale Materialien, die pädagogischen Fachkräften und Familien auf der Website der Medienstelle Augsburg des JFF e. V. (MSA) zur Verfügung stehen. Im Folgenden wird das Modellprojekt ausführlich vorgestellt.
Literatur
Bachmann, Gerhard/Balmer, Ursula/Graue, Jo (1993). Kinder kriechen durch die Röhre. Erfahrungen und Anregungen aus einem Modellprojekt im Kindergarten. Augsburg. http://docplayer.org/8443608-Kinder-kriechen-durch-die-roehre-medienerziehung-im-kindergarten.html [Zugriff: 24.01.2021]
Bader, Roland (2015). Medienarbeit als Spiel. Entwicklungspsychologische Voraussetzungen für die aktive Medienarbeit mit Kindern. In: Anfang, Günther/Demmler, Kathrin/Lutz, Klaus/Struckmeyer, Kati (Hrsg.), wischen klicken knipsen. Medienarbeit mit Kindern. München: kopaed, S. 211–223.
Eder, Sabine/Roboom, Susanne (2016). Kamera, Tablet & Co. im Bildungseinsatz. In: Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur in der Bundesrepublik Deutschland e. V. (Hrsg.), Krippe, Kita, Kinderzimmer. Medienpädagogik von Anfang an. München: kopaed, S. 25–36.
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2018). KIM-Studie 2018. Kindheit, Internet, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 6- bis 13-Jähriger. Stuttgart. www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/KIM/2018/KIM-Studie_2018_web.pdf [Zugriff: 24.01.2021]
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2014). miniKIM 2014. Kleinkinder und Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 2- bis 5-Jähriger. Stuttgart. www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/miniKIM/2014/Studie/miniKIM_Studie_2014.pdf [Zugriff: 24.01.2021]
Birgit Irrgang: Steckbrief: Schule ohne Rassismus. Filmprojekt an der Ulrichschule Augsburg
ZIELGRUPPE Junge Menschen im Förderschulkontext im Alter von 11 bis 14 Jahren
DURCHFÜHRENDE INSTITUTIONEN Medienstelle Augsburg des JFF e. V., Ulrichschule Augsburg
FINANZIERS UND PARTNER Das Vorhaben wurde im Rahmen von RISE gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie mit Mitteln der Stadt Augsburg (Amt für Kinder, Jugend und Familie) realisiert.
LAUFZEIT Mai bis September 2022
DIESE ZIELSETZUNG WIRD VERFOLGT
Ziel des Projekts ist es, sich über das Medium Film intensiv mit dem Thema Rassismus auseinanderzusetzen. Eingesetzt wird dabei die aktive Medienarbeit als Methode der handlungsorientierten Medienpädagogik. Diese eignet sich für das Vorhaben in besonderem Maße, da die Jugendlichen motiviert werden, in Kleingruppen zielgerichtet für den eigenen Film zum Thema Rassismus zu recherchieren. Wichtig dabei ist, dass die recherchierten Inhalte und das Gelernte nicht auf einer abstrakten Ebene verweilen, sondern der Bezug zur Lebenswelt der Projektteilnehmer*innen hergestellt wird. Der Transfer, der sich durch eigene Interpretationen, Erfahrungen und Erlebnisse der Jugendlichen vollzieht, wurde in einem weiteren Schritt als Story in einem Film umgesetzt – ein kreativer Prozess, der die Gruppe maßgeblich motivierte. Ziel ist es dabei, das Medium Film zur eigenen Artikulation und als Sprachrohr aus der Sicht der Projektteilnehmer*innen auf das Thema Rassismus und Ausgrenzung zu verwenden.Die Jugendlichen sammeln dabei Erfahrungen im aktiven Umgang mit Medien. Dabei werden auch medienkritische Prozesse sowie das Erkennen von Wirkungsmechanismen im Film gefördert und verdeutlicht. Daher ist das Ziel, durch die Gestaltung eines Films in der Klassengemeinschaft neben der Vermittlung von inhaltlichem Wissen auch Medienkompetenz und soziale Kompetenzen wie Teamfähigkeit und Kompromissbereitschaft zu stärken sowie die Sprachkompetenz zu fördern. Die Präsentation der Ergebnisse ist mit einer Premiere im Kino angedacht. Dazu sollen auch die Familien, Freund*innen und Bekannte der Projektteilnehmer*innen eingeladen werden. Wichtig ist hier, mit Stolz die eigene Filmproduktion zeigen zu können und dabei im Selbstbewusstsein gestärkt zu werden.
DESWEGEN IST DAS VORHABEN EIN VORBILD FÜR ANDERE
Kindern und Jugendlichen im Förderschulkontext wird häufig wenig zugetraut. Die Teilnehmer*innen sind zudem oft selbst im Alltag von Diskriminierung und Ausgrenzung betroffen. Das Projekt schafft eine Situation, die es ermöglicht, sich intensiv mit dem Thema Ausgrenzung und Rassismus zu beschäftigen sowie eigene Erfahrungen zu thematisieren und dabei auch ernst genommen zu werden. Das Medium Film wiederrum bietet die Möglichkeit selbst in Rollen zu schlüpfen und unterschiedliche Verhaltensweisen und Muster spielerisch zu erfahren. Am Ende steht ein fertiger Film, den die Kinder und Jugendlichen vor und hinter der Kamera bzw. im Trickfilmstil selbst gestaltet haben. Sie erleben dabei Selbstwirksamkeit und sie werden in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt.SO GESTALTET SICH DAS VORHABEN IM DETAIL
In drei Vorbereitungstreffen à 90 Minuten wurden die Kinder und Jugendlichen auf die Projekttage vorbereitet. Dabei wurden Szenen aus diversen, im Rahmen des Projekts RISE von jungen Menschen produzierten Filmen gezeigt (www.rise-jugendkultur.de/mediathek). Sie wurden gezielt als Diskussionsanreize eingesetzt, um zum Thema Rassismus ins Gespräch zu kommen und unterschiedliche Facetten deutlich zu machen.Zwei Klassen entschieden sich, Spielfilme umzusetzen. Dabei wurde mit Filmkameras gedreht. Eine Klasse setzte ihre Filmideen mit der Stopptrick-Technik um. Hier wurde mit Tablets gearbeitet. Die entsprechende Technik wurde bereits in einem Vorbereitungstreffen eingeführt und gemeinsam ausprobiert. Auch das Drehbuch wurde gemeinsam entwickelt. In insgesamt drei Projekttagen wurden dann die Filmideen umgesetzt. Dabei übernahmen die Schüler*innen alle Rollen vor und hinter der Kamera sowie das Basteln von Trickfilmkulissen, Filmschnitt und Filmmusik.
AUS DIESEN ERFAHRUNGEN, HÜRDEN, FEHLERN KÖNNEN ANDERE LERNEN
Wichtig ist, dass Arbeitsmaterialien bebildert und wenig textlastig ausgelegt sind. Eine einfache Sprache, ein angstfreies offenes und wertschätzendes Projektsetting sowie das Einfühlungsvermögen der Teamenden tragen zum Gelingen des Projekts bei. Die Jugendlichen haben in diesem Projekt die Möglichkeit, sich zu ihren eigenen Erfahrungen mit Diskriminierung, Ausgrenzung und Rassismus zu äußern. Daher ist es wichtig, Strategien vorzubereiten, wie diese Erfahrungen und entsprechende mögliche Konfliktsituationen in der Klasse von den pädagogischen Fachkräften aufgefangen werden können. Auch sollte genügend Zeit für die filmischen Ideen der Projektteilnehmer*innen eingeräumt werden. Zunächst wurden ausschließlich Ideen aus bereits existierenden Filmen reproduziert. Es dauerte daher eine Zeit, bis eigene Ideen, orientiert an der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen, reifen konnten.DIESE METHODE EMPFEHLEN WIR ALS BEST-PRACTICE-BEISPIEL SELBST EINMAL AUSZUPROBIEREN
Die Methode Weltferienlager von Compasito trägt dazu bei, dass sich Projektteilnehmer*innen mit eigenen Klischees und Vorurteilen sowie deren Herkunft auseinandersetzen. Die Methode fördert Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung. Dabei wählen die Kinder und Jugendlichen aus einer Liste aus, mit welchen Kindern sie in einem Zelt übernachten wollen. Sie kommen im Anschluss in einer Kleingruppe zusammen und diskutieren gemeinsam, welche Vorschläge die Gruppe in ihrem Zelt aufnimmt. Die Vorschläge sind Kinder aus unterschiedlichen Herkunftsländern mit verschiedenen körperlichen Merkmalen. Wichtig ist im Anschluss die Reflexion, warum bestimmte Kinder ausgesucht wurden und warum bestimmte Kinder auch nicht gewählt wurden. Die Methode dient zum Einstieg in das Thema Rassismus und Diskriminierung. Wichtig ist allerdings, dass die Methode sehr achtsam angeleitet wird und gut vorbereitet ist, damit kein Rassismus reproduziert und verstärkt wird.