Antje Müller
Beiträge in merz
- Antje Müller: Ingold, Selina/Maurer, Björn/Trüby, Daniel (Hrsg.) (2019). CHANCE MAKERSPACE. Making trifft auf Schule. München: kopaed, 352 S., 22,80 €.
Antje Müller: Ingold, Selina/Maurer, Björn/Trüby, Daniel (Hrsg.) (2019). CHANCE MAKERSPACE. Making trifft auf Schule. München: kopaed, 352 S., 22,80 €.
Chance Makerspace – Making trifft auf Schule klingt nach einem aussichtsreichen Versprechen oder einer leisen Vorwarnung: „Bedeutet das nun, dass unsere Kinder den ganzen Tag löten und ‚Makey Makey‘ spielen sollen oder ist das wieder eine dieser neumodischen Ideen, um die öde Schule attraktiv zu machen …“ Aber: Es steckt doch so einiges mehr dahinter. Entwicklungen im Bildungssystem, insbesondere die Einführung des Modullehrplans Medien und Informatik in Schweizerischen Volksschulen, geben Anlass, die Gestaltung von Schule und Lehrplänen zu reflektieren und über eine „lustvollere“ Gestaltung nachzudenken. Das Überdenken schulischer Rahmen bedingungen und die Ergründung möglicher Verbindungen von Schule und Making haben im Herbst 2018 Anlass zur Tagung Chance MakerSpace gegeben, welche die Basis für den gleichnamigen Tagungsband stellt. Dabei lag den Veranstaltenden am Herzen, Einstiegs- und Nutzungsszenarien sowie Herausforderungen zur Heranführung von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften an das Maker-Mindset zu skizzieren und geeignete Weiterbildungsformate aus schuladministrativer Perspektive zu diskutieren. Didaktisch, interdisziplinär und anschlussfähig, aber auch praktikabel, sinnvoll und innovativ sollten sie sein. VUCA1-maßstabsgetreu und ganz im Zeichen der 21st Century Skills trägt das Herausgeberteam Selina Ingold, Björn Maurer und Daniel Trüby die geballte Ladung an Wissen zu den erörterten Chancen des Lernraums MakerSpace zusammen. Mit Chance MakerSpace schaffen sie ein kompaktes Erinnerungsband und konzi pieren zugleich ein Manifest, das zum Aktiv werden einlädt. Ihrer Leitfrage folgend gliedern sie den Band in vier Teile: (1) Making: Begriffe und Perspektiven, (2) Impulse aus der außerschulischen Praxis, (3) Making: Erfahrungen aus dem Schulalltag, (4) Konkrete Umsetzungsbeispiele. Neben der anwendungsbezogenen Nutzung wollen sie zur Auseinandersetzung mit Wert- und Persönlichkeitsbildung mündiger Bürgerinnen und Bürger anregen. Doch im Verlauf der ansteckend intensiven Auseinandersetzung mit den in Einklang zu bringenden Rahmenbedingungen der in die Jahre gekommenen Institution zeichnen sich auch widerständige Herausforderungen ab. Strukturelle Zwänge, Druck auf Lehrkräfte, mangelnde materielle wie personelle Ressourcen und immer wieder die Frage nach mitzubringenden, zu vermittelnden oder zu erwerbenden Kompetenzen – all das bildet einen deutlichen Gegenpol zum Entfaltungsbestreben eines experimentellen, kreativitätsfokussierten, kollaborativen und eigeninitiativorganisierten MakerSpace. Der Band beginnt mit einem gelungenen Auftakt zu heranführenden Begriffen und Perspektiven des Making. Was Making will und vor allem kann, wird nachvollziehbar verknüpft mit den veränderten ökonomischen Bedingungen, die nach modernen Fähigkeiten verlangen und nicht zuletzt auch für die allseits beliebten Schulleistungsmess- und Prüfsystemen eines PISA-Tests oder einer OECD-Studie interessant zu sein scheinen. Denn fest steht offenbar: Maschinen übernehmen zwar viel; aber komplexes Denken, situierte selbstverantwortliche Entscheidungen und Beziehungsfähigkeit zählen zurzeit eher noch nicht dazu. Solch „willensgebundene Fähigkeiten“ müssen mit der Komplexität gesellschaftlicher Probleme Schritt halten und sich der kollektiven Intelligenz bedienen, so eines der Resümees. Und da die Reformmüdigkeit in der Schule hinreichend bekannt ist, wird das Kernthema direkt an den Wurzeln angepackt. Es sollte sich eben nicht in der Kritik an Veränderungen verloren werden, sondern Entwicklung aktiv vorangetrieben und Bildungsziele an Ansprüche wie Emanzipation, Autonomie und Handlungsfähigkeit angepasst werden. Doch wie wäre wohl die Schule, wenn sie sich selbst gestalten könnte? Spätestens auf den letzten Seiten ist das entsprechende Handwerkszeug bereitgestellt – mit einer Reihe sich im Kern ähnelnden Ansätzen, angereichert mit einer beeindruckenden Menge an Erfahrungen um und mit Making im Schulalltag und zuletzt auch konkreten Umsetzungsbeispielen. Dabei werden durchaus auch selbstkritisch Rahmenbedingungen, Machbarkeit oder Übertragbarkeit von Maker-Bedingungen auf Schule eingeordnet. Aber reicht ein ursprünglich unternehmerisch-geprägtes Design Thinking für die Überarbeitung des vermittelten Wertesystems in (Volks-/Grund-/Primar-)Schule und dem dortigen pädagogisch-erzieherisch begleiteten Heranwachsen mündiger Bürgerinnen bzw. Bürger aus? Kann ein analog-digitales Tüfteln und Selbermachen (DIY) unter Berufung auf kollaborative Intelligenz zur Lösung immer komplexer werdender Lebenswelten die Antwort auf eine Veränderung der gesamten Grundbildung geben? Bringen Peer-to-Peer-Ansätze, tutorielle Unterstützung oder die fortschrittliche Einbindung von Coachs und (Groß-)Eltern in einer von Noten befreiten Werkstattatmosphäre nicht auch neue Zwänge und Herausforderungen mit sich? Ohne Gleichen sind Fähigkeiten wie analytisches Denken, Interaktionsaffinität und der Wissenstransfer auf neue Zusammenhänge mehr denn je gefragt. Nicht abstreiten lässt sich das schulreformierende Potenzial eines MakerSpace, das die in Vergessenheit geratenen Qualitäten handwerklicher Fähigkeiten in ein neues Licht rückt und fächerübergreifende, überfachliche Kompetenzen schulen will. Doch besitzt der ganzheitliche Ansatz von Menschenzentriertheit, Coevolution, Fehlertoleranz, Kollaboration, Transparenz, Build-to-think und Handlungsorientierung die Kraft für ein ganzes Curriculum, das auf ein lebenslanges Lernen in einer unsicheren Zukunft vorbereitet? Der Band begeistert insgesamt durch sein Plädoyer für mehr Selbstbewusstsein und Stärkung der aktiven und kollektivorientierten Rolle junger Tüftlerinnen und Tüftler, genauso wie durch die Darlegung der Anschlussfähigkeit des Making für die Bearbeitung aktueller Diskurslagen wie Nachhaltigkeit und ökologisches Denken für eine zukunftsfähige Gesellschaft. Durch die vielen Parallelen zur aktiven Medienarbeit bietet die Publikation zahlreiche spannende Ansätze, Fächerdenken, Lehr- oder Lernräume und Prinzipien zu überdenken, und sich einem schulischen Maker-Experiment zu öffnen. Adressiert werden schulbehördliche oder pädagogische Fachkräfte, genauso wie alle Fachleute, Maker-Engagierte und -Interessierte. Chance MakerSpace überzeugt schließlich auch durch eine Fürsprache für eine neue Haltung an Schulen, die „Scheitern als Lernchance“ kultiviert und innovatives Material für offenkundige Leerstellen in Schule bereithält. Ein nicht reibungsloses Unterfangen, das kritische Stimmen sicher auch weiter in Bezug auf eine mangelnde Reflexion von Inhalt und digitalem Wandel oder sozial-ethische Fragen laut werden lässt. Eine sich lohnende Reise, die auch abseits von Kreativitätsförderung und Nützlichkeitsgedanken anregt, Grund-, Fort- und Weiterbildung zu überdenken und mit Making zu breit einsetzbaren Ansätzen weiterzuentwickeln.
Anmerkung
1 VUCA ist ein Akronym für volatility, uncertainty, complexity und ambiguity.
- Antje Müller: stichwort Bildung 4.0
Antje Müller: stichwort Bildung 4.0
Was im Jahr 2015 mit dem Netzwerk Digitale Bildung begann und sich politisch wie gesellschaftlichpzur Debatte formte, löste das Versprechen der Politik durch eine Forderung ab: Digitale Bildung!pEntfacht in Bildungskonferenzen, über einen „Digitalen Thesenanschlag“ bis hin zum Milliarden-pVersprechen der ehemaligen Bildungsministerin Johanna Wanka im Jahr 2017 – das Thema Digitalisierungpist im Bildungsbereich angekommen, und der Zusatz „4 – Punkt – 0“ ruft nun nachpgesellschaftlicher Verständigung in, mit, durch und über Digitalität. Sprach man 1994 noch vomp‚Internet der Computer‘ oder ‚George-Orwell-Jahr mit Macintosh‘ hieß es mit dem Web 2.0pplötzlich ‚Social Web – Internet der Menschen‘ und ‚Mitmach-Netz‘. Gegenwärtige Transformationsprozessepum ‚fleet learning network‘, ‚machine learning‘ und soziotechnische Systeme habenpjedoch das Grundelement der Gesellschaft erfasst: Kommunikation. Austausch. Lernen. Bildungp4.0. So die Strategie zum Lernen im digitalen Wandel. Was mit der Hightech-Strategie Industriep4.0 des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) begann, postuliert einen zeitgemäßenpBildungsbegriff, der weit mehr ist als E- bzw. Blended Learning, Lernplattformen oder MOOCs.p„Aktuelles Wissen ist die zentrale gesellschaftliche Währung in einem Wirtschaftssystem“, so heißtpes jedenfalls in der Präambel des Bildung 4.0 Manifests. In einer VUCA-Welt (volatility, uncertainty,pcomplexity und ambiguity) voll von Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeitpbenötige es ein neues Verständnis von Social Learning und einen Open-Innovation-Prozess,pin dem Kompetenzen im permanenten Wissensaustausch immer wieder neu entwickelt werdenpkönnen, sodass sich ein sich unaufhörlich veränderndes, erweiterndes und skalierbares Wissenpden Veränderungen angemessen anpasst. Bildung 4.0 soll sich bürokratiefrei, hierarchiearm,punabhängig und alternativ wertschöpfend als gesellschaftliches Betriebssystem dem steten Wissensflusspstellen und für eine Verschlankung des institutionellen Bildungssystems mit einer breiten,pgesamtgesellschaftlichen Bildungskultur sorgen. Zwischen Homo faber und Homo oeconomicuspheißt es ‚weder noch', aber vor allem ‚Citizen'. Nämlich ein solcher, der die Gesellschaft aktivpmitprägt(en) (kann) und die gesamtgesellschaftliche Grundkompetenz zu tragen weiß. Bildung 4.0psteht für „Mint & Makers“, Kompetenzbündelung und lebenslanges Lernen mit BELGUT, einempbedingungslosen Lernguthaben innerhalb einer Bildungskultur, die ein digitales Umdenken forciert,pstatt in digitalen Aktionismus zu verfallen. Transversal, offen und hybrid, intrinsisch motiviert undpentgrenzt, aber auch proaktiv, wider qualitativer Unterschiede und personalisiert in maximalerpGemeinfreiheit – das alles kann oder könnte Bildung 4.0 sein.p
- Hofbrauer, Christiane (2016). Kinder mit Fluchterfahrung in der Kita. Leitfaden für die pädagogische Praxis. Freiburg/Basel/Wien: Herder. 120 S., 19,99 €.
Hofbrauer, Christiane (2016). Kinder mit Fluchterfahrung in der Kita. Leitfaden für die pädagogische Praxis. Freiburg/Basel/Wien: Herder. 120 S., 19,99 €.
Spätestens seit der Jahrtausendwende sind mit dem PISA-Schock auch benachteiligte Kinder unter prekären Lebensumständen stärker in den Blick der Pädagogik gerückt. Die Publikation Kinder mit Fluchterfahrung in der Kita stellt nun heraus, dass das gute Ankommen in Deutschland und seinen Kitas nicht nur von der motivationalen Komponente der Kinder und Familien abhängt. Neben einer sprachlichen Förderung und der Anwendung interkultureller Kompetenzen der pädagogischen Fachkräfte, erscheint insbesondere auch ein besseres Verständnis und Hineinversetzen in die besondere Situation dieser Kinder notwendig. Denn in aller Regel sind „die meisten von ihnen [...] Kinder wie alle anderen auch – mit Ecken und Kanten, mit Stärken und Schwächen“.
Mit einem sehr sachlichen Blick und unter Einbezug eigener Erfahrungen mit syrischen Geflüchteten fasst die Autorin sämtliche Faktoren zusammen, die Erziehenden aber auch freiwilligen Helfenden im Umgang mit geflüchteten Kindern hilfreich sein können. Dabei werden unter anderem rechtliche Grundlagen, Fluchthintergründe, sprachliche sowie kulturelle Hürden und Unterstützungsmöglichkeiten für Kitas behandelt. Klar im Vordergrund steht für Hofbrauer die inhaltliche Aufbereitung, die durch eine wohl überlegte Visualisierung ergänzt wird. Jedes Kapitel beginnt mit einem Überblick wichtiger Fragestellungen, die im Verlauf durch Faktenkästchen und zahlreiche Fallbeispiele geklärt werden. Anekdoten, die zum Schmunzeln bringen oder empathische Momente erzeugen, verhelfen den Lesenden, sich besser in die Situationen geflüchteter Kinder hineinzuversetzen.
Darüber hinaus schafft Kinder mit Fluchterfahrung in der Kita den Spagat zwischen Information und konkreten Hinweisen bzw. Ratschlägen und bietet somit eine hervorragende Grundlage zur Arbeit mit Kindern. Es kann Bedenken pädagogischer Fachkräfte über eine gelungene Integration in Kitas in einen optimistischen und verantwortungsvollen Umgang mit neuen Herausforderungen verwandeln. am
- Matzat, Lorenz (2016). Datenjournalismus. Methode einer digitalen Welt. Konstanz: UVK. 111 S., 17,99 €.
Matzat, Lorenz (2016). Datenjournalismus. Methode einer digitalen Welt. Konstanz: UVK. 111 S., 17,99 €.
Wir sind umgeben von Daten. Das Internet, die tagtäglich genutzte Software oder die darin verwendeten Algorithmen – sie alle durchdringen unseren Alltag und versorgen uns mit Unmengen an Informationen, die es gilt, in gut ausgewählter Form und Präsentation zugänglich zu machen. Mit steigender Kraft verlangt es dadurch nach einer Spezialisierung des Journalismus.
Lorenz Matzat stellt in Datenjournalismus die Notwendigkeit der jungen Berufsgruppe der Datenjournalistinnen und -journalisten hinsichtlich ihrer Recherche-, Selektions- und Aufbereitungsarbeit heraus, und unterstützt insbesondere auch Einsteigende darin, das Handwerk besser zu erfassen. Dazu gehört für ihn vor allem auch, zu klären was zum sogenannten data-driven-journalism gehört und wie er sich umsetzen lässt, damit das Medium Internet mit aussagekräftigen und vielfältigen Informationen bespielt werden kann.
Datenjournalismus erscheint in einem handlichen Format mit stilsicherer Aufmachung. Beginnend mit grundlegenden Erläuterungen von unter anderem Struktur und Format von Daten sowie Software, erfolgt eine Vertiefung im Methodik-Abschnitt, der sich auch mit Quellenkritik, Datenbeschaffung und Rechtlichem auseinandersetzt. Einen besonderen Fokus legt Matzat auf die Präsentation der so gesammelten Daten. Denn das Design stellt für ihn auch ein Mittel der Rhetorik dar.
Ohne aus den Lesenden eine Datenjournalistin bzw. -journalisten oder eine Programmiererin bzw. einen Programmierer machen zu wollen, überzeugt das Werk mit einer klaren Sprache und einem kompakten Überblick über das umfangreiche Tätigkeitsfeld. Zahlreiche aktuelle Beispiele, Webhinweise und ein Glossar ermöglichen zudem auch medienpädagogischen Fachkräften, mit Vorwissen zu Big Data und Data Mining, eine Annäherung an das Fachgebiet. Trotz der Kürze umfasst Datenjournalismus nahezu eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für werdende Datenjournalistinnen und -journalisten und bietet eine ideale Ergänzung innerhalb der Medienbildung. am
Beitrag aus Heft »2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel«
Autor: Antje Müller
Beitrag als PDF - Knaus, Thomas/Engel, Olga (2016). Wi(e)derstände. Digitaler Wandel in Bildungseinrichtungen. München: kopaed. 240 S., 16,80 €.
Knaus, Thomas/Engel, Olga (2016). Wi(e)derstände. Digitaler Wandel in Bildungseinrichtungen. München: kopaed. 240 S., 16,80 €.
Die Publikation der framediale-Reihe befasst sich im fünften Band mit strukturellen und organisatorischen Hürden bei der Bewältigung des digitalen Wandels und den Vollzug des pädagogischen Einsatzes neuer Medien in formalen und non-formalen Bildungskontexten. Zu überwinden sind nicht nur technische oder strukturelle Hemmnisse, sondern – wie sich zeigt – auch „tradierte Ressentiments“ den neuen Medien gegenüber. Denn Bildungsinstitutionen bleiben häufig ihren traditionsreichen Strukturen treu und schließen digitale Medien, trotz Weiterentwicklung der Technik, häufig mit besorgtem Blick aus. Dabei bergen diese auch Potenziale, die das Lehren unterstützen und das Lernen fördern können.
Dieser Band stellt sich daher der Frage, wie organisatorische, institutionelle und innere Widerstände sichtbar gemacht und überwunden werden können. Basierend auf Beiträgen der Frankfurter Fachtagung und Medienmesse fraMediale 2015 werden dafür strukturelle und habituelle Hemmnisse in der sozialen Arbeit, im schulischen Kontext und auch in der universitären Lehrerausbildung identifiziert und analysiert. Der Band schließt mit einer Untersuchung der skeptischen Haltung von Digital Natives und macht Angebote zum Aufzeigen von Lernwiderständen sowie zu deren Nutzbarmachung in der Medienkompetenzförderung.
Als einschlägiges medienpädagogisches Fachbuch legt Wi(e)derstände medienpädagogisch Wirkenden vielfältige Perspektiven zur Problematik der Integration digitaler Medien in formalen wie non-formalen Bildungskontexten offen. Dabei wird neben der Bestandsaufnahme weder der Blick von Praxiserfahrungen abgewendet noch die Auseinandersetzung mit didaktischen Konzepten gescheut. Die Publikation präsentiert sich als sehr gut aufbereitetes und schlüssig gegliedertes Werk und liest sich wie ein aufrüttelnder, konstruktiver Aufruf zur überfälligen Akzeptanz des digitalen Wandels. am
Beitrag aus Heft »2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel«
Autor: Antje Müller
Beitrag als PDF - Fingerling, Michael/Jaenicke, Angelika (Hrsg.) (2017). Rundfunk für alle. Die Bürgermedien in Hessen – Eine Bestandsaufnahme. München: kopaed. 229 S., 20,00 €.
Fingerling, Michael/Jaenicke, Angelika (Hrsg.) (2017). Rundfunk für alle. Die Bürgermedien in Hessen – Eine Bestandsaufnahme. München: kopaed. 229 S., 20,00 €.
Bürgermedien sind ein zentraler Baustein bei der Orientierung in der Angebotsvielfalt der Rundfunklandschaft der Länder und ermöglichen Artikulations- und Partizipationschancen, wo Bürgerinnen und Bürger im professionellen Rundfunk nicht zu Wort kommen oder kein Gehör finden. Doch den wichtigsten Beitrag leisten Bürgermedien für die Medienkompetenzentwicklung junger Nutzerinnen und Nutzer wie auch für die Fortbildung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren. Rundfunk für alle ist die erste Publikation der Schriftenreihe der Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien Hessen (LPR Hessen), die sich mit der Hörfunk- und auch der Fernsehvariante beschäftigt und Nichtkommerzielle Lokalradios (NLK) sowie Medienprojektzentren Offener Kanäle (MOK) einbezieht.
Die Publikation geht der Fragestellung nach, wie die vier MOK-Einrichtungen der LPR Hessen und die sieben von ihr lizenzierten und geförderten NLKs nach 24 Jahren aufgestellt sind. Es wird erläutert, wie sie sich selbst sehen und wie sie von ihrem Klientel gesehen werden, aber auch was gut läuft und wo Probleme liegen. Jede hessische Einrichtung bekommt die Möglichkeit, sich auf acht bis 18 Seiten selbst darzustellen: mit Informationen über aktuelle Angebote, Aufgabengebiete, Kooperationen und Daten zu den Entwicklungen. Ihre Einzigartigkeit unter den Bürgermedien unterstreichen sie zudem bei der Hervorhebung besonderer Sendungen, medienpädagogischer Projekte oder erzielter Meilensteine.
Das Werk besticht durch vielfältige Erfahrungsberichte von Mitarbeitenden und Nutzenden. Rundfunk für alle präsentiert einen gelungenen Überblick über die Bürgermedienlandschaft in Hessen und eignet sich für alle, die sich über das Angebot in der Region informieren möchten. Darüber hinaus kann es für medienpädagogische Fachkräfte zur Anregung dienen und bei der Weiterentwicklung von MOKs und NLKs behilflich sein. am
Beitrag aus Heft »2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel«
Autor: Antje Müller
Beitrag als PDF - Antje Müller: KIM-Studie 2016
Antje Müller: KIM-Studie 2016
In den Kinderzimmern und damit im Eigenbesitz der Sechs- bis 13-Jährigen finden sich am häufigsten Mobiltelefone (51 %), CD-Player (45 %) und bei knapp der Hälfte auch Spielekonsolen. Die KIM-Studie 2016 zeigt außerdem, dass der Fernseher (77 %) am häufigsten täglich genutzt wird, während die Handy- Nutzung 42 Prozent erreicht. Schon jedes vierte Kind nutzt zudem regelmäßig Apps (44 % mindestens einmal die Woche) und Kinderwebseiten (46 % täglich), wenn es im Internet aktiv ist. Einen eigenen Internetzugang besitzen 18 Prozent der Sechs- bis 13-Jährigen. Bei der Betrachtung der täglichen Nutzung fällt die eher geringe Verbreitung des Tablets auf: 28 Prozent der Kinder nutzen es, fünf Prozent verfügen über ein eigenes Tablet. Von den täglich genutzten Internet-/Online-Diensten (41 %) widmen sich 41 Prozent der Kinder WhatsApp, gefolgt von den Webangeboten YouTube (17 %) und Facebook (17 %), welche auch zu ihren Lieblingsseiten gehören. Die Facebook- Nutzung beginnt im Durchschnitt ab dem zehnten Lebensjahr und steigt, wie bei YouTube, mit zunehmendem Alter an. Zu den am meisten genutzten YouTube-Angeboten zählen Humor (72 %) und Musik (62 %), gefolgt von Tier- (37 %) und Sportvideos (34 %) sowie Mode- und Beauty-Inhalten (30 %).
Je älter die Kinder sind, desto eher nutzen sie die verschiedenen Medien ohne Begleitperson, allen voran steht die alleinige Nutzung des Fernsehens (56 %) und Handy- sowie Smartphone- Spiele (42 %). Im Vergleich der Geschlechter zeigen sich leichte Unterschiede bei den beliebtesten Freizeitaktivitäten. Sowohl Mädchen als auch Jungen treffen sich in ihrer Freizeit zwar am liebsten mit Freundinnen und Freunden (Mädchen 56 %, Jungen 54 %), spielen gern draußen (Mädchen 39 %, Jungen 46 %) und sehen gerne fern (Mädchen 31 %, Jungen 32 %). Für Mädchen (13 %) sind jedoch, im Gegensatz zu den Jungen (30 %), PC-/Konsolen- und Onlinespiele eher nachrangig. Dafür nutzen sie in ihrer Freizeit häufiger das Internet (17 %) als Jungen (6 %). Zum Schutz der Kinder vor ungeeigneten Inhalten setzt ein Viertel der Haupterzieherinnen und -erzieher von Kindern, die das Internet nutzen, eine Jugendschutz-Software, -filter oder eine -App ein. Die Studienreihe KIM wird im Auftrag des Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest (mpfs) seit 1999 durchgeführt. Die repräsentative Studie bildet das Medienverhalten von 1.200 Sechs- bis 13-jährigen Kindern in Deutschland ab.
Beitrag aus Heft »2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel«
Autor: Antje Müller
Beitrag als PDF - Antje Müller: JIM-Studie 2016
Antje Müller: JIM-Studie 2016
Unter den befragten Zwölf- bis 19-Jährigen in Deutschland nehmen fast alle ihr Handy mit in die Schule (94 %). Allerdings dürfen dort zwei Fünftel ihr Mobiltelefon prinzipiell nicht benutzen – zu diesen Ergebnissen kommt die JIM-Studie 2016, die sich unter anderem mit dem Medienumgang innerhalb der Schule, des Lernens und beim Erledigen der Hausaufgaben beschäftigt. Dabei werden insbesondere auch Regelungen bei der Handy und WLAN-Nutzung in der Schule beleuchtet. Speziell bei den Zwölf- bis 13-Jährigen darf nur jeder Zehnte das Handy im Unterricht für den Unterricht nutzen. Unter den volljährigen Schülerinnen und Schülern sind es dagegen schon 45 Prozent. Die Mobilfunknutzung ist allerdings nicht gleichzusetzen mit der WLAN-Nutzung an Schulen.
Nach Angaben der Befragten gibt es an 41 Prozent der Schulen zwar WLAN, ist jedoch meist nicht zur Nutzung für die Schülerinnen und Schüler gedacht. So dürfen nur fünf Prozent der Schülerinnen und Schüler das WLAN an der Schule in den Pausen nutzen; 29 Prozent ist die Nutzung generell untersagt. Daneben räumen etwa 70 Prozent ein, mit den vielen Apps und Communitys, die sie nutzen, manchmal viel Zeit zu verschwenden. Dennoch äußern über zwei Drittel (68 %), dass sich eine Organisation und Planung in ihrem Freundeskreis gar nicht mehr ohne diese realisieren lässt, auch und vor allem innerhalb der Schulorganisation (51 %). So entfallen beispielsweise mindestens 92 Minuten pro Wochentag auf die Erledigung von Hausaufgaben mit und ohne Computer beziehungsweise Internet. Darüber hinaus steigen die digitalen Hausaufgabenzeiten mit zunehmendem Alter auf bis zu eine Dreiviertelstunde bei den volljährigen Schülerinnen und Schülern an. Trotzdem kann sich mehr als die Hälfte der Befragten vorstellen, eine Woche ohne Handy auszukommen. Das Smartphone ist aber Zentrum und Ausgangspunkt für Kommunikation, Information und Unterhaltung. Die Hauptintention der Verwendung von Online-Diensten entfällt dabei auf die Kommunikation (41 %), gefolgt von Live- Radiosendern (Mädchen 69 %, Jungen 61 %), YouTube- (Mädchen 53 %, Jungen 57 %) oder Musik-Streaming-Diensten (wie Spotify; Mädchen 39 %, Jungen 47 %) sowie der Unterhaltungssuche (29 %). Wie in den Jahren zuvor haben fast alle Jugendlichen (99 %) Zugang zum Internet. Einen Höchststand hat hingegen die tägliche Reichweite des Internets erreicht: Aktuell nutzen 87 Prozent das Internet (mindestens einmal) täglich, im Vorjahr waren es noch 80 Prozent. Die Studienreihe wird vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest in Zusammenarbeit mit dem Südwestrundfunk durchgeführt und bildet das Medienverhalten der Jugendlichen in Deutschland ab. Die Basisdaten stammen von 1.200 telefonisch befragten Zwölf- bis 19-Jährigen aus Deutschland.
- Hartmann, Simon/Purz, Dirk (2018). Unterrichten in der digitalen Welt.Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 166 S., 20 €.
Hartmann, Simon/Purz, Dirk (2018). Unterrichten in der digitalen Welt.Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 166 S., 20 €.
Unterrichten in einer digitalisierten Welt mit zahlreichen Tools und technischen Lösungen, die das unabhängige Lernen zu ermöglichen und die Wissensbereitstellung zu übernehmen scheinen, wirf zunehmend Fragen um die Rollen von Lehrenden und Schülerinnen wie Schüler auf. Ist der klassische Lehrkörper obsolet, lösen digitalisierte Lehrmethoden und Lernmedien den klassischen Unterricht ab? Hartmann und Purz stellen sich in ihrem Band Unterrichten in der digitalen Welt den Herausforderungen und Chancen eines ‚guten‘ digitalen Unterrichts und setzen sich dabei nicht nur mit veränderten Kompetenzen pädagogischer Fachkräfte und Schülerinnen wie Schüler auseinander, sondern liefern ebenso methodische Impulse und praktische Tipps aus dem Spektrum der im eigenen Unterricht gewonnenen Erfahrungen und erprobten Tools. Mit dem Ziel, die eigene Rolle samt Arbeitsbereich zu reflektieren, werden pädagogische Fachkräfte und angehende Lehrende zunächst über traditionelle Lerntheorien und Didaktik-Konzepten langsam auf das neue Erfordernis – der Digitalität – vorbereitet.
Zum Abbau (letzter) Vorbehalte, geht der Band über zu konkreteren Beispielen eines blended oder flipped classroom, die sich von einem Medieneinsatz um ihrer Selbstwillen abgrenzen und von einer Notwendigkeit eigens entwickelter digitaler Lehr- und Lernkonzepte überzeugen. Mit kontinuierlicher Hervorhebung erforderlicher didaktisch-medialer Kompetenzen sowie Kenntnisse, verknüpft mit Tool- , Software- sowie Projektempfehlungen für eine didaktische Aufbereitung digitaler Lernkonzepte, werden Lehrende in die konkreten Ausgestaltungsmöglichkeiten eingeführt. Ganz nah an den Bedürfnissen und pädagogischem Setting der Zielgruppe werden unter anderem interaktive Lernplakate, Multiuser-Mindmaps, Gamification- Tools, Schnittprogramme bis hin zu Open-Source-Lösungen für Schulserver vorgestellt. Dem Medienkompetenz-Aufbau dienend, insbesondere für interessierte Lehrende mit eher seltenem Kontakt zu digitalen Methoden, bietet der Band nicht zuletzt auch einen kleinen Ausschnitt eines Wörterbuchs für verwendete Fachbegriffe zur Digitalität.
Trotz behutsamer Einführung in das Thema und aufschlussreichen Erklärungen mit ausführlichen Praxisvorschlägen bei größtmöglicher Offenheit für eine individuelle Einsetzbarkeit spricht der Band eher Fortgeschrittene im Umgang mit digitalen Lehr- und Lernmethoden an. Unterrichten in der digitalen Welt bietet insgesamt kompakt aufbereitetes, nützliches und vor allem handhabbares Wissen, das zum Weiterdenken anregt. Die wissenschaftlichen Beiträge dieses Bandes bieten - unter Betrachtung der Aktualität und Relevanz der Themen - eine geeignete Grundlage zur Umsetzung medienpädagogischer Methoden.am
- Kurzvorstellung: Ein Interview mit Jakob Licina
Kurzvorstellung: Ein Interview mit Jakob Licina
merz: Warum nimmst du an den WebDays teil?
Licina: Mein Ziel ist es, Jugendlichen Politik näher zu bringen. Politik findet immer nur im Bundestag statt und Jugendilche beteiligen sich, indem die alle paar Tage in der Tagesschau nur einen 20 sekunden-Ausschnitt sehen. In der Schule wird es lang nicht gelehrt. Letztes Jahr habe ich auf den WebDays in den Action-LABs das Projekt you{th}can entwickelt und dieses Jahr wurde ich als Referent eingeladen. Das politische Interesse kam anfangs über ein Schulprojekt und generellhabe ich LeFloid geguckt, weil ich die Tagesschau und so nicht so sehr informativ fand.
merz: Wie beeinflusst dich Social Media?
Licina: Für mich ist es tatsächlich die einzige Informationsquelle, neben Online-Portalen oder der Online-Ausgabe der FAZ und anderen Printmedien, die herausgefunden haben, dass das Internet cool ist. Social Media beeinflusst mich. Das fängt bei Sachen an, wie die Nachricht, dass Donald Trump einen Atomkrieg beginnt, dabei war das nur ein Scherz eines Mitarbeiters. Bei Social Media habe ich gemerkt, dass es ganz wichtig ist, darüber nachzudenken, dass verschiedene Leute Verschiedenes wollen. Da muss man immer so ein bisschen gucken. Es geht alles unglaublich schnell. Facebook nutze ich nicht. Es ist gut für Business, aber die News dort interessieren mich nicht. Ich kann über Social Media tatsächlich besser Kontakte knüpfen. Andere Leute interessieren sich für Snapchat, Facebook und ich mache morgens lieber Twitter auf, weil es unglaublich schnell und interaktiv und auf 160 Zeichen beschränkt ist. Morgens schaue ich immer die Trends an, weil das für mich so viele Nachrichten zusammenfasst. Wenn irgendwas in der Welt passiert, erfahre ich es über Twitter zuerst. Ich habe aber jetzt auch eine Zeitung abonniert und lese Newsletter.
merz: Überschneiden sich deine Social Web-Kontakte mit deinen realen Freundschaften?
Licina Ich treffe Leute selten, weil es schwierig ist. Ich nutz eher Social Media und Instagram. Bei Leuten im Web, die die Freunde von Freunden sind, da fühl ich mich tatsächlich immer ganz unwohl, weil ich die Situationen nicht einschätzen kann. Da sind immer viele Verknüpfungen. Aber man kann über Social Media die gleichen Gefühle für Menschen oder für Dinge haben, die man hätte, wenn die Person neben einem sitzt. Man schreibt sich natürlich häufiger auf WhatsApp, als das man sich trifft. Ich kann aber bei jedem meiner Kontakte sagen, wo ich die oder den kennengelernt habe. Mit jedem Kontakt, habe ich schon einmal bewusst Kontakt aufgenommen und den meisten von denen habe ich auch schon einmal die Hand geschüttelt.
merz: Welche Möglichkeiten bietet dir das Schreiben auf deinem Technikblog?
Licina: Die Motivation dahinter meinen Blog zu betreiben, war anfangs erst nur die Frage wie ich regelmäßig an neueste Tech-Geräten komme. Heute mache ich das mit dem Bloggen eher für mich selbst, um meinen Schreibstil zu trainieren und weil ich dadurch viel herumkomme. Wir haben den Blog im letzten Jahr im Juni gestartet und haben uns überlegt, dass den meisten Leuten die ganzen fachthematischen Dinge nicht interessieren; und die Leute, die es interessiert, die lesen Fachportale. Also brauche ich das nicht machen. Ich brauche nicht die Pressemitteilung und die technischen Daten kopieren – das ist nicht meine Zielgruppe. Zu meiner Zielgruppe gehören erst einmal die Leute in meinem Umfeld, in meinem Freundeskreis, in meinen WhatsApp-Gruppen. Das sind mehr junge Leute. Mein Blog ist einer der wenigen Blogs in Deutschland, die das Ganze in Textform machen und begleitend mit Videos. Unser Testbericht ist immer auf ‚Papier'. Damit habe ich auch eine Zielgruppe 40 plus, die die ganzen Videos nicht sehen, sondern einen Bericht lesen möchte. Ich verknüpfe solche Tests mit einem Event wie den WebDays, sodass ich dann im Bericht schreiben kann, wo ich war und unter welchen Umständen getestet wurde. Es ist etwas Echtes und kein Labortest. In der Regel frage ich an oder ich werde auf Veranstaltungen angesprochen und meistens haben sie Interesse und schicken mir dann das Gerät zum Test. Es passiert tatsächlich viel über Twitter. Durch den Technikblog hat sich aber auch alles so ergeben. Ich bin mehr auf diesen Politikveranstaltungen. Ich bin mehr mit Leuten in Kontakt gekommen, natürlich auch mit anderen Bloggerinnen und Blogger wie auch Journalistinnen und Journalisten.
- Antje Müller: Online-Plattform zu digitaler Jugendbeteiligung
Antje Müller: Online-Plattform zu digitaler Jugendbeteiligung
jugend.beteiligen.jetzt bündelt Wissen, Erfahrungen sowie wirksame Methoden und Tools auf einer Online-Plattform. Es zeigt gute Beispiele und verlinkt ausgewählte digitale Jugendbeteiligungsprojekte. So entsteht ein stetig wachsendes und vielfältiges Netzwerk für digitale Jugendbeteiligung als Beitrag zu einer jugendgerechten Gesellschaft. Dabei wird nicht nur auf die rein theoretische Annäherung gesetzt, sondern vor allem auch an neue Tools und Methoden innerhalb eines diskursiven Austausches zwischen Initiatoren, Unterstützerinnen und Unterstützern sowie Expertinnen und Experten herangeführt. Unter dem Motto ‚Handeln für eine jugendgerechte Gesellschaft‘ sollen insbesondere Jugendliche zwischen zwölf und 27 Jahren aktiv in die Politik einbezogen werden.
Ziel ist die feste Verankerung einer lebendigen Beteiligungskultur im Alltag von Jugendlichen und politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern. Somit verhilft jugend.beteiligen.jetzt zur Stärkung des Netzwerks für digitale Jugendbeteiligung und leistet einen wichtigen Beitrag zu einer jugendgerechten Gesellschaft. Mit einer sehr strukturierten und übersichtlichen Oberfläche Jugendverfügt die Plattform zur Partizi pation mit digitalen Medien und Internet über ideale Voraussetzungen zur Heranführung an ein komplexes Themenfeld. So finden medienpädagogische Einsteigerinnen und Einsteiger hier erste Informationen zur Rechtslage, zu Grundlagenwissen rund um das Thema Jugendbeteiligung sowie erste Hinweise zur Planung und zu möglichen Verfahrenswegen bei der Suche nach Fördermöglichkeiten.
Stehen die Projektideen schon fest und sind erste Kompetenzen zur Durchführung und dem Einsatz digitaler Technik bereits vorhanden, finden erfahrenere Initiatorinnen und Initiatoren eine Reihe von Tools, Methoden und Entscheidungshilfen, die insbesondere auch erfahrenen Fachkräften auf der Suche nach neuen Methoden weiterhelfen.
jugend.beteiligen.jetzt ist ein Gemeinschaftsprojekt der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, des Deutschen Bundesjugendring und IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e. V., initiiert und gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. www.jugend.beteiligen.jetzt
- QR-Code-Test Quality Time
QR-Code-Test Quality Time
Das Smartphone ist ein Allrounder und ständiger Begleiter. Ihm wird inzwischen mehr Zeit und Aufmerksamkeit geschenkt, als unter Umständen vielleicht der Familie, Freunden oder den Hobbies. Die App Quality Time hilft den Nutzenden dabei, die Smartphone-Aktivitäten von denen in der Außenwelt besser zu trennen, wenn sie „Qualitätszeit“ verbringen möchten. Das heißt, ihre freie Zeit bewusst mit menschlichen Beziehungen oder ihren Lieblingstätigkeiten verbringen möchten. Die App unterteilt diese Qualitätszeit in die Bereiche „Relaxing“, „Reading“, „Family“, „Sports“ und generelle Quality Time. Wählt man einen der Bereiche aus, erscheint eine Stoppuhr. Nachdem diese angetippt wurde, wird aufgezeichnet, wie viel Qualitätszeit man in diesem Bereich verbringt. Die jeweilige Gesamtzeit sowie die Summe aller Bereichszeiten können in einer Statistik angezeigt werden. Eine Herausforderung bei der Reflexion qualitätsvoll verbrachter Zeit stellt jedoch dar, dass die Uhr nicht angehalten bzw. die letzte aufgenommene Zeit nicht gelöscht werden kann, sollte einmal das Zurücksetzen der Stoppuhr vergessen worden sein. Diese Zeit fließt auch in die Gesamtzeit ein und kann nicht mehr entfernt werden. Wird gerade aufgezeichnet, stehen andere Apps nicht zur Verfügung. Im Gegensatz zur Forest-App (VERWEIS), in der die qualitätsvoll verbrachte Zeit pro Einheit anhand der Wuchshöhe eines Baumes und der Dichte des entstehenden Waldes ablesbar ist, wird hier kein Überblick über die Länge vollzogener einzelner Einheiten und deren Häufigkeit gegeben. Erschwerend hinzu kommen teilweise inkorrekt angezeigte Zeiten in den Statistiken.
Die App bietet zudem die Möglichkeit, Abwesenheitsnachrichten zu versenden, um so Kontaktpersonen via E-Mail oder Anrufenden mitzuteilen, dass man gerade nicht erreichbar ist. Der Hersteller 200 Apps verlangt außerdem unter anderem Zugriff auf Telefonstatus, Identität und Kontakte des App-Nutzenden. Dabei besteht die Option, Notfallkontakte einzustellen, deren Anrufe auch während der Sammlung von Qualitätszeit angezeigt werden. Die „Erfolge“ können mit Freunden geteilt werden. Im Vergleich zu anderen Apps, die sich ebenfalls mit der Thematik des ‚produktiven‘ Zeiterfassens befassen, bietet Quality Time ein gut überschaubares Maß an Möglichkeiten, das auf das Notwendigste beschränkt ist. Somit eignet sich die App nur für Nutzende, die lediglich einen groben Überblick über ihre sinnvoll verbrachte Zeit erhalten möchten. Die Option, Abwesenheits-SMS zu verschicken ist positiv hervorzuheben und kann prinzipiell nützlich sein, es muss jedoch daran gedacht werden, dass hier hohe Kosten anfallen können. Durch die praktische Handhabung kann die App leicht in den Alltag integriert werden.
Kostenlos verfügbar für Android und iOS, USK ab 0 Jahren, englisch
- Antje Müller: Kinder. Bilder. Rechte. Persönlichkeitsrechte von Kindern im Kontext der digitalen Mediennutzung in der Familie
Antje Müller: Kinder. Bilder. Rechte. Persönlichkeitsrechte von Kindern im Kontext der digitalen Mediennutzung in der Familie
Digitale Medien sind in Familien zu einem wesentlichen Bestandteil für die Beziehungspflege der Eltern geworden. Das Teilen von Daten und insbesondere von Bildern ihrer Kinder in Sozialen Netzwerken stellt sie jedoch, aufgrund begrenzten Wissens in Bezug auf Datenschutzfragen Datenschutzfragen und möglichen Konsequenzen, vor neue Herausforderungen der Wahrnehmung von Persönlichkeitsrechten ihrer Kinder.
Das Deutsche Kinderhilfswerk untersuchte in der Studie Kinder. Bilder. Rechte. – Persönlichkeitsrechte von Kindern im Kontext der digitalen Mediennutzung in der Familie die Praxis des Sharenting in Familien, um dessen Zusammenhang mit der Medienerziehung empirisch zu rekonstruieren.
Im Rahmen der Medienerziehung fragen sich Eltern zwar, wie sie die Mediennutzung ihrer Kinder erzieherisch begleitet können und reflektieren ihre eigene Praxis. Die meisten zeigen sich jedoch, unabhängig von ihrem Bildungshintergrund, damit überfordert, den Anschluss an die medialen Entwicklungen nicht zu verlieren und geraten in einen Konflikt zwischen Autonomieermöglichung und Schutz der Privatsphäre ihrer Kinder. Einerseits neigen sie zu stark kontrollierenden Eingriffen in deren Privatsphäre, andererseits verlagern sie die Verantwortung auf die jungen Nutzenden. Werden Bilder der Kinder zugunsten einer komfortablen aber oft unreflektierten Form der Beziehungspflege geteilt, werden häufig die Rechte des Kindes am eigenen Bild verletzt.
Kinder haben dagegen genaue Vorstellungen davon, was geteilt werden darf und würden in der Regel deutlich weniger Bilder preisgeben. Diese Kriterien zur Problematisierung von Inhalten divergieren allerdings mit der Erwachsenensichtweise auf unproblematische Inhalte. Währen Kinder ihrerseits zwar Wert darauf legen, dass Bilder von ihnen nicht ungefragt geteilt werden, gehen sie widersprüchlich mit den Rechten anderer am eigenen Bild um, solange diese nicht ausdrücklich protestieren.
Insgesamt offenbart sich ein Mythos der „Aushandlungsfamilie“ sowie eine widerspruchsgeladene Praxis des Sharenting zwischen Eltern und Kindern entlang einer etablierten erzieherischen Praxis, die nur eine geringe Beteiligung der Kinder vorsieht.
Die Studie basiert auf 37 Interviews mit Eltern und Kindern zwischen sechs und 15 Jahren aus den Bundesländern Berlin, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein und wurde in Kooperation mit der Universität zu Köln erstellt.
www.dkhw.deBeitrag aus Heft »2019/01 Medien, Wohlbefinden, gelingendes Leben«
Autor: Antje Müller
Beitrag als PDF - Antje Müller: stichwort Hey, Siri!
Antje Müller: stichwort Hey, Siri!
Mehr als zwölf Millionen sollen laut Marktforschern zu Weihnachten weltweit verschenkt worden sein und bereits jede bzw. jeder Deutsche besitzt mindestens eines der vernetzten Smart-Home- Geräte, die zunehmend auch über Sprachsteuerung Beleuchtung, Thermostate, Videoüberwachung oder Markisen steuern. Smarte Lautsprecher gehören zu der am stärksten wachsenden Produktkategorie im Bereich Consumer Electronics und ersetzen zugunsten beschleunigter Informationsabfrage und erleichterter Bedienung nach und nach die manuelle Befehlseingabe. Zur Aktivierung genügen Signalworte wie „Hey Siri“ oder „Okay Google“ und schon können die Anfragen über die Server der entsprechenden Hersteller in Form von Informationen oder einer Aktion an den Gerätebesitzenden gesendet werden. Zu den fünf beliebtesten Sprachassistenten gehören Alexa, Siri, Google, Cortana und Bixby. Sie eigenen sich für den Einsatz in nahezu allen Lebenslagen: Sie übersetzen Fragen, befolgen Anweisungen, steuern Geräte oder spielen Musik und lesen Bücher vor. Ob das Organisieren von Kalendern oder das Vorbereiten von Einkaufslisten – die Erhöhung des Komforts kennt fast keine Grenzen. Im Geschäft der ‚globalen Strategie‘, umfassende Spracherkennungslösungen anzubieten, stehen Unternehmen wie Hotelketten, Banken, Haushaltsgeräteanbieter oder Autohersteller zunehmend auf Du und Du mit den sprechenden Systemen. Der „Siegeszug der Sprachassistenten“, wie es zuletzt der Bitkom-Präsident formulierte, findet dabei immer mehr Möglichkeiten und „Skills“, die sich explizit an eine Zielgruppe unter sechs Jahren richten – von Quizfragen und Motivieren zum Zähneputzen, bis hin zur Begleitung beim Schlafengehen durch das Vorspielen von Gute-Nacht-Geschichten. Selbst bei den Hausaufgaben cleverer Sechsjähriger können die virtuellen Assistenten behilflich sein. Das finden Erziehende solange unterhaltsam, bis die nächsten Puppenhäuser und eine kostspielige Rechnung in die Wohnung flattern; wie vielleicht auch ungefragt Dritte. Kindersicherungen existieren kaum, zur Verfügung stehen lediglich einige Filtereinstellungen, das Deaktivieren von Spracheinkäufen, die Verwendung von Bestätigungscodes, ein eingeschränkter YouTube-Modus oder das Blocken bestimmter Titel für Google Play Music. Selbst das Versprechen des permanenten Ausschaltens konnten Sicherheitsforschende bereits 2017 durch damals noch mögliche unhörbare Ultraschall-Sprachbefehle widerlegen. Nicht zu Unrecht wurde Amazon Echo im vergangenen Jahr mit dem Big Brother Award ausgezeichnet und hinterlässt als neu avanciertes „Cloud Pet“ ein ungutes Gefühl im Wohn- wie auch Spielbereich. Denn die ständig empfangsbereiten smarten Lautsprecher lernen von den Gewohnheiten, Hobbys und Interessen der (jungen) Userinnen und User und ermöglichen via Profiling und Datafizierung ein Behavioral Targeting, das letztlich (ungefragt) der Monetarisierung weiterer kooperierender Unternehmen und Drittanbieter der Smart Voices dient. Wenn man dem ständigen Datenabruf der auch im Auftrag der Behörden arbeitenden „Standby“- Geräte eine Pause gönnen mag, kann neuerdings auf die datenschutzfreundliche Mozilla-Alternative Common Voice zurückgegriffen werden: ein quelloffenes Programm zur Spracherkennung, das auch ohne kontinuierliche Internetverbindung auskommt.
Beitrag aus Heft »2019/01 Medien, Wohlbefinden, gelingendes Leben«
Autor: Antje Müller
Beitrag als PDF - Antje Müller: Online-Beratung von Jugendlichen für Jugendliche. Ein Interview mit Susanne Neuerburg, JUUUPORT
Antje Müller: Online-Beratung von Jugendlichen für Jugendliche. Ein Interview mit Susanne Neuerburg, JUUUPORT
JUUUPORT.de ist eine Online-Beratungsplattform, die Jugendlichen bei Problemen im Netz, wie Cybermobbing, Sexting und Datenklau, Unterstützung anbietet. Die Beratung übernehmen Jugendliche, die sich ehrenamtlich als Scouts neben Schule und Studium bei JUUUPORT engagieren. Susanne Neuerburg, medienpädagogische Projektmanagerin und Ansprechpartnerin für die Arbeit der jugendlichen Beraterinnen und Berater bei JUUUPORT, im Gespräch mit Antje Müller, gewährt Einblicke in die Peer-Ausbildung und die Beratung der Scouts.
- Antje Müller: stichwort: Performanz
Antje Müller: stichwort: Performanz
Während Lippmann noch in den Köpfen der Menschen steckte und nach Lösungen für die Installation einer Stereotypen-gestützten Pseudowelt suchte, sprang John L. Austin mit seinem Werk How to do things with words (1962) bereits auf den Bandwagon des gesprochenen Wortes auf. In der Beschäftigung mit dessen Kraft erkannte er die enge Verbindung eines gelungenen Sprechaktes mit seiner gezielten Absicht und seinen sich stetig verändernden Bedingungen. Performanz und performative Äußerungen bleiben jedoch nicht alleiniger Gegenstand der Linguistik. Als ‚performances‘ bilden sie die Grundpfeiler der Theater- und Kulturwissenschaft, als (Geschlechts-)Identitäts-konstruierendes Moment beeinflussen sie Gender-Theorien und damit auch die Politik, und als professionelle sprachliche Leistung sind sie Teil der Arbeits- und Organisationspsychologie – die übrigens auch von der trendigen ‚contextual performance‘ oder dem freiwilligen ‚Extraeinsatz‘ spricht. Im Querschnitt ist also die Rede von sozialen Prozessen, die mal mehr auf soziale Handlungen – theatralisch, inszeniert oder ritualisiert –, mal mehr auf autonom, intentional agierende Subjekte (Performativität) zielen. Sprechakte übernehmen entweder die Funktion, symbolische Handlungen durchzuführen (z. B. Ja-Wort), oder sie nehmen einen konstitutiven Charakter durch ihre kraftvollen Äußerungssubjekte an (z. B. über Zitate). Dabei stellt sich nicht die Frage nach wahr oder falsch, zentral ist ein Gelingen oder Scheitern dieser Akte. Es geht um die erlernte und evaluierte Kompetenz, Sprachwissen und -können im sozialen Kontext adäquat einzusetzen. Sprich: Es geht darum, sich den Herausforderungen der Bühne des Lebens (mit seinen Requisiten, Rollen, Erwartungen und Statisten) zu stellen, sich auch in andere hineinzuversetzen und sich diesen gegenüber verständlich zu machen, ohne zu überfordern oder zu langweilen. Erfolg kann dann bedeuten, im Brian’schen Always-Look-on-the-Bright-Side-of-Life-Stil das weltliche Leben eines Kollektivs auf den Kopf zu stellen oder aber auch im Thunberg‘schen Stil öffentlich wirksam einen sozialen Wandel ins Rollen zu bringen. Aller etwaigen Künstlichkeit von performances zum Trotz, wird so oder so der Ernst des Lebens mit einer neuen sozialen Wirklichkeit konfrontiert. Doch bevor kommunikative Einsichten neue Perspektiven eröffnen, Weltwahrnehmungen oder Handeln verändern, beginnt ein frühzeitiges Erlernen, fachliche bzw. domänentypische Sprach- und Handlungsmuster in Gebrauch zu nehmen. Die medial gestützte Dynamik und Wiederholbarkeit von normgeladenen Sprechakten, ob eines herzerwärmenden Helene-Fischer-Konzerts oder eines kontroversen Rezo-Clips, machen allerdings Prozesse der Kompetenzvermittlung um Wissen, Bewerten, Handeln, Reflexion, Orientierung oder Positionierung nicht leichter. Neben der Basiskompetenz, Sprache (grammatikalisch, orthografisch, syntaktisch und kontextbezogen) korrekt anzuwenden, sind somit Teilbereiche der Didaktik gefragt, Sprachwissen zu den vielfältigen, zunehmend digitalisierten Kommunikationsräumen aufzubereiten und entsprechende Kompetenzen mit den Lernenden im Modus der Performanz zu schulen und zu evaluieren. Denn nur ein hier zugrunde gelegter reflektierter Gebrauch kann später in der Lebenspraxis durch wechselseitigen Zugang und Teilhabe an Sprechakten im sozialen Gefüge zur aktiven Weltgestaltung befähigen. Literacy – Lesekompetenz – Weltmodellierung
- Antje Müller: stichwort Influencer-Marketing
Antje Müller: stichwort Influencer-Marketing
Sie sind hip und cool. Sie sind nicht selten unverzichtbares Element von Pausen(hof)gesprächen. Sie setzen Trends und haben den Markt im Griff. Die Rede ist von Social Influencerinnen und -Influencern – den Meinungsmachenden der Social Media-Ära, denen insbesondere jugendliche Follower-Scharen zwischen 14 und 17 Jahren loyal an den Lippen hängen. Die von ihnen praktizierte neue Werbe form des Influencer-Marketings steht für hohe Effizienz, lukrative Beurteilungen und (Produkt-)Bewertungen und ist artverwandt mit bekannten ‚Testimonials‘ oder auch unternehmensnahen, nahezu ehren amtlich engagierten Botschafterinnen bzw. Botschaftern für Marken. Jugend liche lieben deren ‚natürliche Art‘ und gut verpackte emotionalisierte (Werbe-)Botschaften auf Facebook, YouTube, WhatsApp oder Instagram. Ganz nebenbei – beim Zeigen ihrer Kleidung, beim Unboxing oder der Hashtag-Setzung – setzen die je nach Reichweite unterschiedenen Nano-, Micro-, Mid-Level-, Macro-, Mega-Influencerinnen und -Influencer Trends und stellen für manche die persua siv kommunizierende, parasozial interagierende Schwester oder den Bruder. Angetrieben von zuverlässigen Likes springen Jugendliche auf den mitziehenden ‚Waggon‘ auf, übersehen Schleichwerbung, mangelnde Konsumkritik, stereotype Botschaften, fragwürdige Werte und gar die Instrumentalisierung privater Momente unter den Minis des Influencer-Marketings zu Erwerbszwecken. Was die zumeist professionellen Social Influencer dennoch gut beherrschen ist Orientierung geben, Werte formen und kulturelle Impulse liefern – die helfen dann auch auf dem Pausenhof, um unter Peers Anschluss zu finden und kinder- und jugendkulturelle Zusammenhänge herzustellen (mehr zum Influencer Markting vgl. Lochowitz 2019 in dieser Ausgabe, S. 61–68).
- Antje Müller: Studie: Jugendliche und YouTube
Antje Müller: Studie: Jugendliche und YouTube
Die Webvideo-Plattform YouTube erreicht nahezu alle Zwölf- bis 19-Jährigen (86 %) mit deutlichem Abstand zu Alternativen wie Vevo oder Vimeo. Zu dem Ergebnis kommt die Studie JUGEND / YOUTUBE / KULTURELLE BILDUNG.HORIZONT 2019 des Rat für kulturelle Bildung.
Der als Leitmedium deklarierte Dienst wird von über der Hälfte der Befragten (58 %) entsprechend mobiler Möglichkeiten genutzt. Antworten für die Beliebtheit liefern Begründungen wie ‚witzig und lustig‘ (59 %), ‚neu/zeitgemäß/hip‘ (39 %) oder ‚originell/kreativ‘ (33 %). Für ein Viertel spielen Erklärungen und informative Inhalte eine Rolle, die Hälfte der Schülerinnen und Schüler hält Videos auch für schulische Belange für wichtig (37 %) bis sehr wichtig (10 %). Vorteile der Nutzung sehen sie insbesondere in der ständigen Verfügbarkeit, beliebig vielen Wiederholungen und der Art und Weise der Präsentation von Inhalten. Anschauliche Erklärungen, die leicht nachahmbar und praxisnah sind, überzeugen ebenso wie die Anregung zur Umsetzung von Ideen und der Herstellung von etwas Neuem. Jugendliche schätzen dabei Insidertipps und interessante Neuigkeiten, Empfehlungen von Angeboten sowie Tipps und Tricks, die sie für die Anschlusskommunikation und Interaktion nutzen.
Insbesondere für die Erarbeitung von Hausaufgaben und -arbeiten (70 %), für die Vertiefung von Wissen sowie die Vorbereitung auf Prüfungen werden Webvideos von Schülerinnen und Schülern genutzt. Begründet wird dies unter anderem mit der vorteilhaften bildlichen Erklärung und der lustigen, lockeren Art der Aufbereitung, die verständlicher und einprägsamer wirkt. Direkten Fachbezug stellt der Rat für kulturelle Bildung für den Musik-, Kunst- und Theaterunterricht (45 %) sowie für den Deutsch- und Sprachunterricht (37 %) her. Gespaltene Ansichten herrschen allerdings darüber, ob Inhalte in der Schule (50 %) oder auf YouTube (54 %) besser vermittelt werden; ein Großteil wünscht sich eine kritische Auseinandersetzung im Unterricht (60 %) und hinsichtlich der Herstellung von Videos eine stärkere Unterstützung seitens der Schule. Mit der Bandbreite an kulturellen Formaten und Angeboten, insbesondere im Bereich der beliebten Musik-, Tanz- und Modevideos, nehmen die orientierungsgebenden YouTuberinnen und YouTuber Einfluss auf die kulturellen Aktivitäten Heranwachsender. Gemäß Studienergebnissen erlangt der Soziale Netzwerkdienst somit den Status eines digitalen Kulturorts mit Auswirkungen auf die (Schul-)Bildung.
Die Studie basiert auf einer Stichprobe 818 Heranwachsender, die im Februar und März 2019 zu ihrem Nutzungsverhalten von YouTube durch das IFAK Institut GmbH & Co. KG Markt- und Sozialforschung befragt wurden.
- Antje Müller: stichwort Tick Tack, Tik Tok
Antje Müller: stichwort Tick Tack, Tik Tok
Mit Lip-Sync und Video-Challenges bekommt YouTube Konkurrenz von der immer populärer werdenden Plattform TikTok, auf der sich sogenannte Youngfluencer unter Jugendlichen zwischen 13 und 17 Jahren einen Namen machen. 2016 noch unter dem Namen musical.ly kaufte das chinesische Unternehmen Bytedance die Plattform August vergangenen Jahres auf, um eine „größere und bessere Video-Community“ aufzubauen und den Fokus auf Musikvideos, Vlogs, Unterhaltung und Comedy zu lenken. Das Portal, das mittlerweile über 500 Millionen aktive monatliche Nutzende verfügt, macht seither mit Sternchen wie Halia Beamer oder dem deutschen Sänger Lukas Rieger von sich reden. Jugendliche ab 13 Jahren können sich in der kostenfreien Anwendung Musikclips ansehen und – mit vorheriger Anmeldung bzw. Verknüpfung mit bestehenden Konten bei Google, Facebook, Instagram oder Twitter – eigene maximal 15 Sekunden lange Videos erstellen und über Zusatzfunktionen wie Emojis oder Filter bearbeiten. Für die häufig auftretenden Karaoke- oder Playback- Gesangstalente bzw. Schauspielerinnen und Schauspieler steht eine große Auswahl an Musikstilen und Audioclips verschiedener Medien zur Verfügung, samt der Möglichkeit über Kommentare miteinander zu interagieren. Sortiert in insgesamt 19 Kategorien fasst TikTok die beliebtesten Videos zu thematischen Hashtags und Internet-Challenges auf der Hauptseite zusammen. So nehmen die jungen Nutzerinnen und Nutzer der App teilweise leicht bekleidet und lasziv tanzend an plattformbezogenen Challenges teil. Doch nicht nur die zuweilen fragwürdige Selbstdarstellung der minderjährigen Nutzerinnen und Nutzer wird immer wieder kritisiert. In der Vergangenheit machte die Plattform unter anderem mit Verstößen gegen den Jugend- und Datenschutz sowie Pädophilie-Vorwürfen Negativschlagzeilen. Die vom umfirmierten Unternehmen initiierten Gegenmaßnahmen – die Einführung einer Altersgrenze, eine garantierte 24-h-Moderation, der Aufbau eines Sicherheitscenters und der Einsatz maschinellen Lernens in Bezug auf sexistische Kommentare und Cyber-Mobbing-Angriffe – können die Nutzungsrisiken nur bedingt verringern. Daher empfiehlt es sich für Eltern und Erziehende, auch bei dieser App ein Auge auf das Nutzungsverhalten der Kinder zu haben und im Zweifelsfall auf neue Einstellungen wie Filtermöglichkeiten bestimmter Schlüsselwörter in den Kommentaren oder Sichtbarkeitseinstellungen für bestimmte Freundeskreise zurückzugreifen.
- Antje Müller: Wir wollen uns wieder – in ‚echt‘ jetzt!
Antje Müller: Wir wollen uns wieder – in ‚echt‘ jetzt!
Freundschaften sind wichtig, und sobald man sich in einer neuen Stadt befindet, wird nach neuen Verbindungen gesucht. Dabei geht es nicht allein um den Besitz. Es geht um das Teilen von Gemeinsamkeiten, um die Vermittlung und Versicherung von Persönlichkeit. Es stärkt die eigene Identität! Nun sind jedoch nicht alle Wege gleich effektiv. Manche haben sich abgenutzt, andere sind vielleicht so neuartig, dass es die Mechanismen zunächst zu verstehen gilt. Kommunikationskulturen sind eben ein großes Thema. Jugendliche ziehen aufgrund von Studium, Beruf oder Beziehung durch die ganze Welt, von einer Stadt in die nächste. Wenige können noch stolz von einer überschaubaren Wohnsitzanzahl reden, geschweige denn diese gemäß einer annähernd korrekten Chronologie noch aufzählen. Niemand kann gleichzeitig geistig und physisch an denselbem Ort weilen, aber der Drang, dies tun zu wollen, ja, – nahezu zu müssen, bewegt einige Jugendliche und junge Erwachsene dazu, alternative Kommunikationsstrategien und -praktiken auszuloten. WhatsApp, Facebook und Co. sind dabei treue Begleiter und dienten bisher zuverlässig dem Vorhaben und gleichzeitig Gemeinschaftsgedanken, die offline geschlossenen Kontakte auch online zu vernetzen. Für die dadurch vielfach erleichterte Organisation von Gruppenabsprachen und -information war man dankbar. Neuerdings tun sich jedoch von gruppenungebundenen Einzelnen initiierte Kommunikationspraktiken hervor, die mit einer Vielfalt an Gruppenanfragen das Social Web vereinnahmen, um Freundschaften geschehen zu lassen statt in Kauf zu nehmen. Ein ‚selbstloser‘ Plan, soziale Kreise zu generieren, wenn sie schon nicht allein entstehen. Jetzt geht es plötzlich nicht mehr nur darum, die gute alte Bekannte oder den treuen Bekannten zufällig in der Lieblingsbar anzutreffen oder den Sportkontakt mal zu einem Kaffee einzuladen, sondern Online- Offline-Räume zu schaffen, Vernetzungen online zu inszenieren und offline zu befördern – im ganz großen Stil! Man stelle sich vor, es gäbe einen unheimlichen Bedarf an der Rückkehr zu und einer Wiederentdeckung realer Kontakte, die – so die kleine entscheidende Änderung: Online und für jegliche Nischeninteressen generiert werden. Eine Gruppe für deine Altersgruppe, eine für dein Stadtviertel, eine die gern wandert, eine die kulturelle Unternehmungen anstrebt, eine fürs Skifahren… Die Gastgeberin bzw. der Gastgeber oder vielmehr der Admin bemüht sich dabei nicht nur um akkurate Selektion, Zuordnung und kleine Kommunikationsmotivationsschübe, sondern ebenso um Persönlichkeitsanalysen für Selektion nach der Selektion – bei Bedarf. Nicht nur, um ihrem bzw. seinem Ziel der Vernetzung nachzukommen, sondern um – fast schon pädagogisch – anderen zu zeigen, wie es geht. Jedes persönliche Scheitern an Online-Hatern oder Offline-Missachtung wird dabei registriert bis kontrolliert, falls nötig verwertet und wenn nötig weitergegeben. Die Radarfühler sind weit gestreckt und die Informationsweitergabe selbst zu nicht administrierten Bereichen funktioniert einwandfrei. Dabei steht und fällt die Party oder der Mädels-Treff mit dem Potenzial des Eingeladenen oder Hinzugefügten, die Chance zum Kontakteknüpfen nutzbar zu machen und, nicht zuletzt natürlich, mit der ‚Besonnenheit‘ des Admins, welche oder welcher die- oder denjenigen dann eventuell zur nächsten Connection beitreten lässt. Dankbar – hoffentlich – den organisatorischen Aufwand nicht selbst betreiben zu müssen!
- Antje Müller: stichwort Hashtag
Antje Müller: stichwort Hashtag
Ob für ein #BrexitVote, ein entwaffnendes #FcBayern, leidenschaftliches #GIGA oder einen engagierten #Aufschrei... Hashtags durchziehen die Soziale-Medien-Landschaft. Seit 2007 strukturiert das vertraute Rautensymbol, dank Rechtsanwalt und Internet-Aktivisten Chris Messina die „Trending Topics“ der Twitter-Gemeinde und durchzieht sämtliche Netzwerke. Zusammengesetzt aus den beiden Begriffen „hash“, wie „Doppelkreuz“, und „tag“, wie „Schlagwort“, markiert das # mit seinen nachgestellten Wörtern oder Zeichenketten ein bestimmtes Stichwort oder Thema zu einem Post oder Tweet. Diese – mit Blick auf die revolutionierende Tätigkeit der Bibliotheks- und Archivwissenschaften des frühen 20. Jahrhunderts – relativ neue Form der Verschlagwortung erleichtert nicht nur die Kategorisierung und Auffindbarkeit von Beiträgen, sondern entwickelte sich von einem Nischenelement zu einem Symbol mit gesellschaftspolitischer Schlagkraft. Das Hashtag hat als kollektives Instrument die Timelines erobert, generiert in Echtzeit geballte Aussagekraft und bestimmt unter Umständen die medienpolitische Agenda. In seiner inhärenten Hierarchiearmut setzt es bei einem nahezu schöpferischen Akt neue Zugänge, Partizipationsformen und kann sogar den Ursprung einer ganzen sozialen Bewegung stellen. Brisante Themen wie Rechtsextremismus (#WirSindMehr), hegemoniale Verhältnisse (#pinkhat) oder auch Anschläge (#NousSommesUnis) und Internetüberwachung (#landesverrat) erlangten mit Hilfe der Twitter-Gemeinde nicht nur einen Tweet, sie katapultierten sich in den Reiter „Trends“ – werden retweeted, gefollowed, geliked –, und prägen plötzlich Debatten, initiieren Aktionen auf der Straße (#BlackLivesMatter), bewirken Entlassungen in hohen Positionen (#MeToo), werden zum Emblem einer wütenden Bürgerbewegung (#NoMasSoldadoMicolta). Hashtags sind heute nicht mehr nur ein kurzlebiger, wirkungsloser Slacktivism, sondern erlangen durch die virale Verbreitung gebündelter Ideen Unterstützung für eine Sache, die eben nicht nur medial-gebunden aktiv werden. Gleichzeitig werden Hashtag-Kampagnen weltweit vor allem durch Marketing-Agenturen, PR-Expertinnen und -Experten, Werbetreibende und nicht zuletzt durch Influencerinnen und Influencer populär. Sie mobilisieren Tausende (#sogehtsaechsisch), vermischen im Hintergrund Authentizität mit Werbebotschaften und finanzieren letztlich Hotelketten oder Tourismusanbieter. Ein Hashtag ist als Chiffre der Gegenwart zu einem wirkmächtigen gesellschaftlichen Symbol geworden, das somit auch in den Bildungsbereich gehört. #EDchatDE, „Twitteratur“ und @Deutschstunde sowie @9nov38 machen es vor – von Bildungsthemen, nach amerikanischem Vorbild, Methoden zur Zusammenfassung der Weltliteratur in 140 Zeichen, über das Durchspielen der Kuba-Krise bis hin zu alternativen Formen des kreativen Schreibens und #Schulprojekten im historisch-politischen Kontext.
- Antje Müller: Möslein-Tröppner, Bodo/Bernhard, Willi (2018). Digitale Gamebooks in der Bildung. Spielerisch lehren und lernen mit interaktiven Stories. Wiesbaden: Springer Gabler. 171 S., 24,99 €.
Antje Müller: Möslein-Tröppner, Bodo/Bernhard, Willi (2018). Digitale Gamebooks in der Bildung. Spielerisch lehren und lernen mit interaktiven Stories. Wiesbaden: Springer Gabler. 171 S., 24,99 €.
Spielen gehört zu einer der intuitivsten und gleichzeitig effektivsten Lernformen. Zusammen mit der wachsenden Anerkennung des (Video-)Gamings, und zwar auch als Instrument zur Information und kulturellen Bildung, erfreut es sich insbesondere im Bildungsbereich wachsender Beliebtheit. Mit dem Format des Gamebooks, wie es Möslein-Tröppner und Bernhard in ihrem Band Digitale Gamebooks in der Bildung beschreiben, werden die Vorteile des spielerischen Lernens mit den digitalen Möglichkeiten verbunden und in einem neuartigen Game-based-Learning- Kontext integriert. Enthoben aus seinem klassischen Ursprung in der Unterhaltungsliteratur oder Computerspielindustrie bietet das kollaborative Gamebook eine alternative und zeitgemäße Methode zur Wissensvermittlung ausgehend von Textkomponenten, die sich in der Spielumgebung und individuellen Spielentscheidungen zu einer Story formen und fast nebenbei zum Lernen motivieren. Dabei spielt die Kollaboration mit anderen Spielenden eine wesentliche Rolle, um als Lesender wie auch Lernender ‚vorwärts‘ zu kommen. Die positive Wirkung des spannenden Kopfkinos im Lese- Spiel-Modus können Lehrende beispielsweise im Projektunterricht, als Aufklärungs- oder Prüfungsform einsetzen und Schülerinnen und Schüler dazu anregen sich Wissensgebiete in Eigenregie spielerisch anzueignen. In Digitale Gamebooks in der Bildung beschreiben die Autoren Schritt für Schritt wie dies zu bewerkstelligen ist. Angefangen von historischen Ursprüngen und Einsatzgebieten des Gamebooks, über dessen mögliche Komponenten bis hin zur Automatisierung der Erstellung via Templates, selbst an eine Handlungsanleitung zur Erstellung eines eigenen Gamebooks wird gedacht. Mit zahlreichen Beispielen unterschiedlichster Anforderungsgrade bietet der Band zugängliche Erklärungen, die den Gamebook-Anwendenden in einem angemessenen Tempo an das zunächst abstrakt anmutende Konstrukt Gamebook heranführen und ihn darüber hinaus auch zur selbstanwendenden Gamedesignerin bzw. -designer werden lassen. Die induktive Herangehensweise des Bandes mit vielen schematischen Darstellungen für beispielhafte Anwendungen, zur Ausgestaltung von Bausteinen oder des Story-Design, inklusive eines Downloadlinks zu einem Muster- Gamebook sichern, selbst für Einsteigerinnen und Einsteiger, eine machbare Umsetzung und zügige Integration in Lehrund Lernkontexte. Mitbringen sollten angehende Gamebook- Designerinnen und -Designer jedoch ein gewisses Interesse an logischen Prozessen sowie Freude an Kreativität und Storyfindung, die bei der Bewältigung der zunehmenden Komplexität des Bandes hilfreich ist. Digitale Gamebooks in der Bildung bietet insgesamt ein gut durchdachtes Bildungs-)Konzept, das ein vielversprechendes Tool ins Zentrum der Lernmethoden rückt.
Beitrag aus Heft »2019/01 Medien, Wohlbefinden, gelingendes Leben«
Autor: Antje Müller
Beitrag als PDF - Antje Müller: 35. GMK-Forum Kommunikationskultur
Antje Müller: 35. GMK-Forum Kommunikationskultur
Digitalisierung. Teilhabe. Vielfalt. Drei Schlagwörter, die das diesjährige Forum der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur bestimmten. Inklusion ist ein Thema, das den Fachdiskurs schon immer beschäftigt hat und seinem Wesen nach, nämlich andere einschließen und mitmachen lassen, schon immer zentraler Bestandteil der Medienwelt gewesen ist. Sei es bei der Informationssuche, Wissensbereitstellung, beim Produzieren oder Gestalten – es geht immer um ein ‚für‘ jemanden oder ‚mit‘ jemandem.
Potenziale digitaler Inklusion offenbaren sich dabei insbesondere in einem transdisziplinären Praxisfeld, das Benachteiligte durch Medien (wieder) einbeziehen lässt. Wichtig sei eine zielgruppenspezifische Bildung, so Ingo Bosse von der Universität Dortmund in seinem eröffnenden Impuls. Inklusive Teilhabe fange dabei an, ein Bewusstsein zu bilden, gemeinsam zu handeln und könne so in digitales Empowerment sowie Partizipationschancen münden, wie sie sich beispielsweise in der Bloggerszene eröffnet haben. Gestaltungsprinzipien gilt es dabei zu kennen und nutzbar zu machen. Und das heißt eben nicht nur Kompensation von Defiziten, sondern (Universal-)Gruppen einschließen. Es bedeutet miteinander und voneinander lernen, die jeweilige Lebenswelt zu berücksichtigen, zu kooperieren und Barrierefreiheit zu schaffen. Doch inklusives Denken UND auch Handeln ist leichter ausgerufen als umgesetzt. Eindrücklich schilderte dies die Moderatorin des Eröffnungstags und Autorin, Ninia LaGrande in ihrem abendschließenden Poetry-Slam. In rasanter, fast atemloser Rhythmik beschrieb sie ihr ‚Groß'-Werden, nur ohne das ‚groß'. Wir schluckten, aber LaGrande plauderte belustigt, manchmal zynisch und ab und an etwas genervt über die alltägliche Problematisierung des Nichtproblems ihrer Körpergröße von etwa 1,40 m. Über die Anteilnahme anderer, wo es eigentlich nichts anteilzuhaben gab. Über ein extra bisschen an Aufmerksamkeit, über Annahmen des Nicht-Könnens und vor allem -Erreichens. Spätestens hier wurde klar: Ungewohntes oder Unübliches kann keinen Maßstab stellen und trotzdem bewegt man sich träge im Kreis, eingekocht mit Stereotypen und Vorurteilen, verrührt mit Unmengen an Meinungen.
Aber wie über den Tellerrand schauen, im zähen Einheitsbrei? „Check your privilege!“ – so oder so ähnlich könnte ein erster Schritt hinaus in Richtung inklusives Denken aussehen. Mit dem Blick auf intersektionale Perspektiven digitaler Medienkulturen und dem Fokus auf sowohl Ein- als auch Ausschluss gesellschaftlicher Kategorien, wie unter anderem Herkunft oder Geschlecht, zeigte Ricarda Drüeke von der Universität Salzburg am zweiten Tag vor allem Eines auf: Wer alle teilhaben lassen möchte, muss bei sich selbst anfangen! Ohne ein ständiges Beobachten und kritisches Reflektieren des Selbst, des eigenen Standpunkts wie auch der Situation kann weder erfasst werden, welche Kategorien wirksam sind, noch aus welchen (historischen) Gründen sie aus Macht- und Herrschaftsverhältnissen geworden sind. Über aktuelle Beispiele wie Hashtags mit „Trending Topics“ (#IfTheyGunnedMeDown, #blacklivesmatter, #MeToo), Protesten mit pinken Katzenmützen bis hin zu Diskriminierungserfahrungen (Dunja Hayali, Collien Ulmen-Fernandes) via Hate Speech – das sogenannte „Traveling Concept“ zeigt beispielhaft, wie Diskriminierungen offengelegt und Teilhabemöglichkeiten erweitert können – auch wenn der Weg dorthin schwierig ist. Andere Wege und vor allem Perspektiven ließen sich in den anschließenden zahlreichen Workshops erkunden: Ob bei der Auseinandersetzung mit dem Einfluss der Algorithmen, die bei der „Inklusion des Exklusiven“ behilflich wie hinderlich sein können. Ob bei Beleuchtung von (digitalen) Bildungsmaterialien oder Apps und ihre Wirkung auf eine inklusive politische Bildung. Ob bei spielerischer Auseinandersetzung mit Fake News oder bei Einblicken in die inklusive Medienarbeit im schulischen wie auch außerschulischen Kontext.
War man nicht bereits beeindruckt von der Vielfältigkeit elektronischer Orientierungshilfen, die zum Beispiel Kommunikation unterstützen und als „expressiven“ Kanal für beeinträchtige Heranwachsende fungieren können, überraschten auch ganz grundsätzliche Fragen wie Zuständigkeiten, Rollenüberschneidungen, Anbieterverantwortlichkeit, Unterstützungsstrukturen und letztlich eben auch ein unvermeidlich großes Stück Selbstverantwortlichkeit und ein unverzichtbares Sich-Einbringen in der inklusiven Praxis. Die Qual der Wahl des passenden Inputs potenzierte sich nochmals in der zweiten nachmittäglichen Workshop-Runde. Es gab Tipps für Eltern, Medienmachende und bildungspolitisch Wirkende aber auch für pädagogische Fachkräfte, Sozialarbeitende und Therapeutinnen und Therapeuten – von allgemeiner inklusiver Medienbildung, über eine einfache Sprache oder Skills wie (Gaming-)Impulskontrolle, bis hin zum (beeinträchtigten) Sehen und Denken. Der Markt der Vielfalt mit seinen Medienkultur- und Aktivangeboten spiegelte sich nicht nur auf der Ausstellungsfläche mit Bee-Bots, Bloxel und Co., sondern kristallisierte sich als Wesensmerkmal des inhaltlichen Inputs wie auch des Outputs. Sichtbar machen. Einschließen. Aber auch Sehen und gesehen werden. Wer sich nicht zerteilen wollte, blieb im nahtlosen, rastlosen Austausch. Dies aber galt so oder so als Prämisse. Weite Wege wurden zum Teil auf sich genommen, um sich spätestens auf dem Netzwerkabend wiederzusehen und – oder vor allem: kennenzulernen. Krönenden Abschluss des GMK-Forums bildete traditionell die jährliche Dieter Baacke Preisverleihung mit ausgezeichneten Medienprojekten. Die Preisträgerinnen und Preisträger 2018 ragten insbesondere durch ihre einzigartigen Konzepte rund um Interkulturalität, Intergenerationalität, Minorität, Integration und Teilhabe heraus. Neben wieder auflebender und angereicherter klassischer Tools wie Video, Foto und Trickfilm, beeindruckten die damit neu verwobenen und folglich neu gedachten Möglichkeiten digitaler Synergien: Vom digitalen Storytelling, über ein Alternate Reality Game, interdisziplinäre Kunstformen und Patchwork-(Handyfoto-)Bildband bis hin zur App und letztlich auch Multimedialität – die gewählten Projekte standen auch hier ganz im Zeichen der Vielfalt. Und ja, endlich auch das mittlerweile 13-jährige Spieleratgeber-Projekt. Wir fragen uns auch, warum das so lang gedauert hat! Für Interessierte sei zum Weiterdenken zuletzt noch erwähnt: Das Positionspapier der GMK-Fachgruppe Inklusive Medienbildung, hervorgebracht und zur Diskussion gestellt am letzten Veranstaltungstag, bündelt zentrale Forderungen zur Weiterentwicklung inklusiver Medienbildung in Praxis und Theorie und fordert: „Medienbildung für alle: Medienbildung inklusiv gestalten!" Weitere Informationen unter: www.gmk-net.de/veranstaltungen/35-forum-kommunikationskultur-der-gmk-2018/
Beitrag aus Heft »2019/01 Medien, Wohlbefinden, gelingendes Leben«
Autor: Antje Müller
Beitrag als PDF - Antje Müller: nachgefragt
Antje Müller: nachgefragt
Die Medienpädagoginnen Natascha Könches und Kim Beck haben 2018 den Podcast Medially – der Medienkompetenzpodcast ins Leben gerufen. Antje Müller sprach mit den beiden über ihren Podcast und die Wichtigkeit, komplexe Sachverhalte in einfacher Sprache wiederzugeben.
merz Seit Juli 2018 kann man euren Podcast Medially hören. Was und wer steckt dahinter?Beck Wir sind beide Medienpädagoginnen und haben Medially gestartet, weil wir selbst gerne Podcasts hören. Wir richten uns an eine breite Masse und wollen explizit nicht ein wissenschaftliches Fachpublikum ansprechen.
Könches Außerdem besetzen wir damit eine Nische. Bisher ist uns kein anderer Podcast bekannt, der sich so breit mit dem Thema Medienkompetenz auseinandersetzt.
merz Das Medienradio, in dem Phillip Banse zuletzt 2017 mit jungen Gästen über Medien sprach, kommt einem Medienbildungspodcast noch am nächsten. In den wenigen anderen Podcasts geht es meist eher um sozialwissenschaftliche, netzpolitische oder -ethische Themen, wie etwa bei netzpolitik.org, IWMM oder auch #digitalsphere. Was macht euch besonders?
Beck Uns geht es darum, einen Austausch zwischen den Generationen zu ermöglichen, da die Medienwelten sehr stark auseinanderdriften. Hierzu versuchen wir Möglichkeiten aufzuzeigen, sich besser zu verständigen. Man wird bei uns auf eine ganz einfache Art und Weise zum Nachdenken angeregt und über Alltagsphänomene informiert.
Könches Wir bekommen auch Rückmeldung von Leuten, die keine Kinder haben oder etwas mit Jugendlichen zu tun haben. Wir versuchen oft auch neuere Phänomene wie die Problematik des Artikels 13 aus der Perspektive von Kindern und Jugendlichen
zu beleuchten, um hierfür Verständnis zu schaffen. Das machen wir auf eine persönliche, spaßige Art, sodass man unseren Podcast auch einfach zwischendrin hören kann. Wir erzählen dabei auch von persönlichen Erlebnissen und vergleichen Aktuelles mit unserer Kindheit.merz Ihr bezeichnet euch in Folge eins als „super social“, „super jung und super hip“. Ist das auch als auffordernde bzw. provokative Message an eure Hörerschaft zu verstehen?
Beck Als Zwischengeneration sind wir auf fast allen Sozialen Netzwerken unterwegs. Wir können das aus der Erwachsenenperspektive und aus der Perspektive der Medienpädagogik betrachten, gleichzeitig sind wir durch unsere praktische Tätigkeit viel mit Heranwachsenden zusammen und können so aus aus all diesen Perspektiven Einblicke geben. Wir versuchen dabei eine ‚Von-obendrauf- Perspektive' zu vermeiden und besprechen, warum das für die jüngere Zielgruppe anders ist.
Könches Wir sind in der Lage, beide Lebenswelten zu verknüpfen. Wichtig ist uns dabei, dass wir über Sachen sprechen, die wir tatsächlich selbst nutzen und von denen wir auch wirklich Ahnung haben. Wir nehmen uns selbst allerdings nicht immer ganz ernst. Wenn wir uns als „super jung und super hip“ bezeichnen, ist das auf jeden Fall mit einem Augenzwinkern zu verstehen.
merz Geht es euch auch darum, den Beruf und Stellenwert der Medienpädagogin bzw. des Medienpädagogen bekannter zu machen?
Beck Für mich ist das nicht die größte Motivation. Ich arbeite viel mit Eltern und Lehrkräften zusammen und habe dabei immer den Eindruck, dass noch mehr Leute über dieses Themengebiet Bescheid wissen müssen. Wir müssen Medienpädagogik auf eine Weise rüberbringen, dass sich die Leute damit auseinandersetzen können und wollen. Oft besteht die Hürde, sich aktiv zu informieren. Da erschien mir der Podcast als Möglichkeit zu sagen „Wir sind da. Wenn ihr uns hören wollt, müsst ihr nur einschalten“.
Könches Meine Wahrnehmung ist, dass im breiten Feld noch nicht angekommen ist, was ein Medienpädagoge ist. Aber wenn man darüber spricht, ist viel Interesse da. Es wird überlegt, wie man die Entwicklungen voran bringen könnte – Stichwort „in die Schulen“.
merz Wir erleben gerade einen regelrechten Podcast- und Audio-Boom. War das auch Teil eurer Entscheidung für Medially?
Könches Ich habe beim Hörfunk ein Volontariat gemacht und wollte auch weiterhin in dem Gebiet arbeiten. Podcasts haben unglaublich viele Vorteile. Man kann sich die Folge aussuchen, welche einen anspricht oder jemand, der zum Beispiel über die Stichwortsuche zu uns kommt, muss sich nicht alle Folgen des Podcasts anhören, um an die Information zu gelangen die er haben will. Mir gefällt außerdem, dass Podcasts nebenbei gehört werden können, zum Beispiel beim Autofahren oder kochen.
Beck Ich finde an Podcasts gut, dass der Inhalt, Ansichten und Meinungen klar im Vordergrund stehen und es weniger um die Präsentation geht, was bei Videos häufig der Fall ist. Eine Sache, die man allerdings bedenken muss, ist, dass es immer
schwierig ist, Leute von einem Medium zum anderen zu holen. Ich glaube, dass Leute, die Podcasts hören, einfach nur zuhören und nicht auch noch auf anderen Portalen aktiv sein wollen. Mit anderen Medienprodukten, wie zum Beispiel YouTube-
Videos ist es dafür viel leichter in eine Interaktion zu kommen.merz Ihr habt mittlerweile ein paar wiederkehrende Merkmale, die sich abzeichnen. Dazu ge-hört unter anderem ein Erklär-Teil, den ihr auch als extra Rubrik absetzt. In welche Richtung wollt ihr euch entwickeln?
Könches Wir haben zwar ein grobes Konzept, aber wir skripten uns unseren Podcast nicht. Das verleitet natürlich manchmal dazu, dass man in eine Richtung ausgaloppiert. Deswegen versuchen wir, am Ende eine Empfehlung oder einen Tipp mitzugeben. Ich finde es ganz wichtig, dass man positiv aus der Sache rausgeht und nicht nur Probleme aufzeigt, sondern auch Lösungsvorschläge bietet, vor allem solche, die wir selbst erprobt haben. „Was hast du diese Woche gelernt“ wird auch auf jeden Fall bleiben.
Beck Dazu kommen jetzt noch die neue Rubrik „Hashtag der Folge“, um das Netz-Geschehen abzubilden und eine Rubrik, in der man klar seine eigene Meinung vertreten kann. Auch die Tool-Tipps behalten wir im Auge. Vielleicht wird das eine Rubrik für die Zukunft: „Tool der Folge“.
merz Was möchtet ihr den merz-Lesenden zum Abschluss mitgeben?
Beck Viele wichtige Debatten im Kreis der Medienpädagogik werden abstrakt und mit vielen Fachbegriffen geführt. Wir finden, diese Themen gehen alle etwas an. Daher ist es für uns essentiell wichtig, auch komplexe Sachverhalte in einfacher Sprache zu vermitteln. Und das darf auch mal Spaß machen.
- Neue Kommunikationskulturen fordern neue Bildungssysteme
Neue Kommunikationskulturen fordern neue Bildungssysteme
Brüggemann, Marion/Knaus, Thomas/Meister, Dorothee (Hrsg.) (2016). Kommunikationskulturen in digitalen Welten. Konzepte und Strategien der Medienpädagogik und Medienbildung. München: kopaed. 256 S., 16 €.
Die digitale Gesellschaft ist das Hier und Jetzt und kann nicht mehr ohne weiteres als Zukunftsutopie abgetan werden. Sie ist Gegenwart und fordert verstärkt nach entsprechenden Handlungskonzepten. Der ständige Wandel des Kommunikationsverhaltens durch die Digitalisierung und die dadurch beschleunigten Entstehungsprozesse sowie Transformationen der sich ebenso stetig vervielfältigenden Interaktionsorte haben die medienpädagogische Arbeit stark verändert. Eine klare Positionierung wird unumgänglich. Denn Teilhabe wie auch zukunftsorientiere Gestaltung in der (Handlungs-)Praxis der Netzwerkgesellschaft(en) kann nur durch den Einbezug einer politischen Dimension des Wandels vollständig durchdrungen werden. Mit der Zielsetzung, Heranwachsende zu einer kompetenten und sozial verantwortlichen Kommunikation zu befähigen, fokussiert der Band Kommunikationskulturen in digitalen Welten vor dem Hintergrund des 32. Forum Kommunikationskultur der GMK – Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur aus unterschiedlichen Zielgruppenperspektiven neue Aufgaben und Chancen für die Medienpädagogik zu Zeiten von Big Data.
Ausgehend von einer notwendig erscheinenden „Neujustierung der kulturelle[n] Bildung und des Bildungssystems“ identifiziert das Herausgeberteam Brüggemann, Knaus und Meister eine soziokulturell unabhängige Stärkung der digitalen Artikulation und damit Emanzipation als wichtigstes Handlungsfeld. Die maßgeblichen Fragen dieser Publikation umfassen demnach nicht nur neu entstandene Kommunikationskulturen, sondern vor allem auch die Förderung kommunikativer Kompetenzen sowie neue Modelle und Strategien, um gleichberechtigte Teilhabe an der digitalen Gesellschaft zu ermöglichen. Im ersten Teil der Publikation beschäftigen sich die Autorinnen und Autoren vor allem mit politischen Dimensionen und der (medien-)pädagogischen Positionierung. Ausgehend vom Mediatisierungsansatz und dem Wandel sozialer Beziehungen durch eine computergesteuerte digitale Infrastruktur rangieren die Themen einerseits von befürwortenden Worten zu Vorteilen des medialen Einflusses und dem Nutzbarmachen neuer Normen und Werte innerhalb einer Netzwerkgesellschaft, bis hin zum Plädoyer für eine erforderliche Zuwendung der (Medien-)Pädagogik zu einer informatischen Bildung.
Auf der anderen Seite stehen Forderungen nach Rückbesinnung auf traditionelle Zugänge der Medienpädagogik und der Wiederbelebung ihres früheren Selbstbewusstseins sowie die Ermahnung, Medien als „Lebens-, Genuss- und Suchtmittel“ auch auf psychologischer Ebene ernst zu nehmen. Im zweiten Teil des GMK-Bandes setzten sich die Autorinnen und Autoren eingehend mit praxisnahen Ansätzen zur Bildung, Teilhabe und Gestaltung digitaler Kommunikationskulturen auseinander. Herausgestellt werden unter anderem Potenziale zivilgesellschaftlicher Organisationen für die politische Beteiligung Heranwachsender. Der Appell geht aber auch an einen größeren Vertrauensvorschuss gegenüber Jugendlichen sowie an die zunehmende Bedeutung, geeignete Erprobungsräume für soziale Vernetzung zu schaffen. Bei der Schärfung des Praxis-Blicks auf ( außer-) schulische Kommunikation zur Organisation pädagogischer Akteurinnen und Akteure eröffnet sich wiederum eine überwunden geglaubte Gradwanderung zwischen Integration medialer Errungenschaften und Pflege traditioneller Gewohnheiten in Schulen. Darüber hinaus werden Spannungen in der Kinder- und Jugendhilfe aufgezeigt, Potenziale zur Förderung der Medien- Lese-Schreib-Kompetenz in der Hörkultur hervorgehoben, das Problem der geschlechtsspezifischen Diskriminierung in digitalen Spielkulturen diskutiert und Praxisbeispiele zum inklusiven Wirken der Medienpädagogik zusammengetragen.
Der dritte und letzte große Themenbereich des Werks befasst sich schließlich mit den europäischen und internationalen Aufgaben der Disziplin. So werden anhand der Ergebnisse der EU Kids Online Schwierigkeiten in der Onlinenutzung aufgezeigt und damit die Kompetenz im Medienumgang auch auf internationaler Ebene in Frage gestellt. Für die genauere Erklärung der Befunde und den Einsatz entsprechender Fördermaßnahmen wird künftig der Einbezug weitere Kontextfaktoren gefordert. Auf europäischer Ebene werden schließlich Vernetzungsanstrengungen in Deutschland, Belgien und Frankreich beleuchtet, aber auch zahlreiche Hindernisse herausgestellt. Kommunikationskulturen in digitalen Welten richtet sich direkt an ein medienpädagogisches Fachpublikum. Dabei wird, insbesondere für Einsteigerinnen und Einsteiger, ein verständlicher Rundumschlag von theoretischer Grundlage, wichtigsten Studienergebnissen und grundlegenden Problemen wie auch Chancen innerhalb der digitalen Welt geboten. Der in der Einleitung angekündigte Fokus auf eine politische Dimension des medienpädagogischen Wirkens kommt in der Beitragsauswahl allerdings etwas zu kurz. Zwar werden mit YouCitizen, der Diskriminierung in Communitys und auch mit der Inklusionsperspektive wichtige politisch relevante Aspekte angesprochen, konkrete Bezüge zur Politik bleiben jedoch aus. Wer sich außerdem aufgrund des Titels erhofft hatte, mehr über neu entstandene digitale Kommunikationskulturen mit neuartigen Konventionen zu erfahren, wird leider enttäuscht. Verwiesen wird vorwiegend auf bekanntes Netzwerkverhalten und digitale Herausforderungen, denen die jungen Nutzerinnen und Nutzer gegenübertreten. Das Thema Kommunikationskulturen könnte zudem noch intensiver aus einer zukunftsausgerichteten Perspektive bearbeitet werden.
Bei der Auseinandersetzung mit Folgen der Digitalisierung wird jedoch eher auf Negativaspekte geschaut und weniger auf Nutzen bzw. Nutzbarmachen verwiesen. Einen – zudem noch wirklich guten – Neuigkeitswert bieten dagegen die Auseinandersetzungen mit Big Data. Hier werden nicht nur die Dimensionen des Themas beleuchtet, sondern es wird insbesondere auch nach Anknüpfungspunkten an bereits bestehende Konzepte der Medienpädagogik gesucht. Für die Neuausrichtung der Disziplin sind dabei vor allem die daraus resultierenden konkreten didaktischen Vorschläge zur Einbindung des Themenfeldes hilfreich. Hervorzuheben ist außerdem ein fiktives Streitgespräch zwischen Pädagoge, Bildungspolitikerin und Informatikerin, das einen humorvollen Zugang liefert und gleichzeitig eine philosophische Herangehensweise zur Aufarbeitung der Folgen der Digitalisierung zur Disposition stellt. Die Publikation überzeugt alles in allem mit einer hohen theoretischen Fundierung, die gleichzeitig leicht zugänglich gemacht wird und liefert wichtige Impulse für eine tiefere Durchdringung der zum Teil sehr speziellen Problematiken.
- Antje Müller: Lingumi Play
Antje Müller: Lingumi Play
Lingumi Ltd (2016). Lingumi Play. Box mit interaktiven Lernwürfeln, 49,90 €.
Globalisierung und ein beschleunigter interkultureller Austausch haben die uns heute vertraute Normalität geformt und fordern uns mit stetiger hochgradiger Offenheit und Toleranz gegenüber neuen Kulturen. Leben, arbeiten oder studieren findet kaum mehr an einem Ort oder auch in nur einem Land statt – und spätestens im alltäglichen interkulturellen Zusammenleben wird eine Kommunikation auf Augenhöhe erforderlich. Dies gelingt jedoch nur, wenn auf angemessene sprachliche Grundkenntnisse zurückgegriffen werden kann. Immer dringender wird das Bedürfnis, Heranwachsende so früh wie möglich an Fremdsprachen heranzuführen. Hierfür hat Lingumi ein appbasiertes Sprachlernspiel entwickelt, das sich für den ersten Kontakt mit einer fremden Sprache ideal eignet und sich gleichzeitig leicht in den Alltag eines Kindes integrieren lässt. Die selbsterklärende Spieloberfläche verbindet sowohl visuelle als auch auditive und taktile Lernprozesse und fördert auf spielerische Weise den Erwerb von Sprachkompetenz.
Lingumi Play ist ein soziales Spiel, das Kinder gemeinsam mit ihren Eltern, Erzieherinnen und Erziehern oder Geschwistern und deren Tablet oder Smartphone spielen können, und richtet sich insbesondere an Kinder im Alter von zwei bis fünf Jahren. Das Startset besteht aus einer stabilen Box, vier Schaumstoffwürfeln, einem Fortschrittsposter inklusive Fortschrittssticker und einer Halterung für das mobile Endgerät. Die Würfel sind frei von BPA und Lösungsmitteln, enthalten weder Magnete noch sonstige Kleinteile und können ohne Bedenken in den Mund genommen werden. Vor Spielbeginn wird das Tablet bzw. das Smartphone im Querformat in die Halterung gelegt. Zur Verbindung mit Lingumi Play müssen die Schaumstoffwürfel auf die Schachtel des Startsets direkt vor dem mobilen Endgerät positioniert werden. Die Augmented Reality-Technologie sorgt anschließend dafür, dass die Würfel – mit Hilfe der zuvor installierten App – per Tabletoder Smartphone-Kamera erfasst werden. Der auf der Schachtel positionierte Würfel fungiert im Spiel als Antwortmöglichkeit und kann alternativ zum Touchscreen genutzt werden. Diese taktile Sprachlernmethode eignet sich besonders gut für die Jüngsten der Zielgruppe; für ältere Kinder eignet sich die Variante ohne Würfel via Touchscreen.
Zur Visualisierung des Lernerfolges kann das Fortschrittsposter genutzt werden. Bisher sind zwei Apps kostenlos downloadbar: Play Words und Play Verbs. Beide sind für die Betriebssysteme iOS- und Android verfügbar. Nach dem Starten der App muss die Registrierung eines Elternteils sowie eines Kindes erfolgen. Hierbei müssen sowohl E-Mail-Adresse und Passwort des Elternteils festgelegt und Name, Geschlecht sowie Alter des Kindes angegeben werden. Dies ermöglicht die Speicherung der Spielstände bzw. der absolvierten Lerneinheiten. Das Anlegen mehrerer Profile ist möglich. Am Anfang des Spiels werden vier Charaktere vorgestellt, die farblich zu den Lernwürfeln passen: Peek (roter Würfel), Hush (grüner Würfel), Yum (gelber Würfel) und Boo (blauer Würfel). Zusammen mit dem Elternteil und ohne, dass das Kind den Bildschirm berühren muss, wird innerhalb der physischen Interaktion eine gemeinsame Gestaltung des Lernprozesses gefördert. Weitere Einstellungen sind durch eine Sicherheitsabfrage geschützt und sollten am besten von den Eltern vorgenommen werden.
Eine Lerneinheit dauert zehn bis 15 Minuten. Die Länge der täglichen Einheit entspricht damit der kindlichen Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit, wobei die Schaumstoffwürfel dafür sorgen, dass zwischen der Virtualität und Technik sowie zwischen Realität und Greifbarkeit eine Verbindung hergestellt wird. Das Spiel besteht aus mehreren Unterrichtseinheiten pro Level. Wenn genügend Einheiten absolviert wurden, wird das nächsthöhere Level freigeschaltet. Pro Tag darf maximal eine neue Lerneinheit gespielt werden. So wird verhindert, dass die Spielenden einen zu großen Input erhalten und überfordert sind.Durch Anregungen zum Mitmachen, Interagieren und Nachsprechen werden nicht nur Sinne wie Sehen und Zuhören angesprochen, sondern ebenso das Fühlen. In allen Lerneinheiten spielt das regelmäßige Wiederholen der einzelnen Begriffe eine zentrale Rolle. Durch unterschiedliche Schwierigkeitsstufen und Speichern des Lernfortschritts passt sich jede Lerneinheit ideal an das individuelle Lerntempo des Kindes an. Darüber hinaus wird durch Audioaufnahmen von Muttersprachlerinnen und -sprachlern ein akzentfreies Erlernen der Fremdsprache gewährleistet. B
asierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen wurde eine erprobte Methode entwickelt, die sich adaptiv an den Wissenstand des Kindes anpasst. So vermittelt Lingumi Play pro Sprache einen Grundwortschatz von über 100 Vokabeln mit landestypischer Aussprache und Syntax. Vor dem Start des Spiels kann zwischen den Sprachen Englisch und Deutsch ausgewählt werden. Als Einstiegsapp wird Play Words empfohlen, die ausschließlich Nomen wie Lebensmittel, Körperteile oder Tiere behandelt. In der weiterführenden App, Play Verbs, kommen Verben und Adjektive hinzu, die mit Nomen aus der ersten App kombiniert werden. In Play Verbs können – neben Englisch und Deutsch – auch Französisch, Italienisch, Chinesisch oder Spanisch erlernt werden. Mit Lingumi Play wird den jungen Einsteigerinnen und Einsteigern ein optimaler Start in eine Fremdsprache geebnet. Dabei bietet die Anwendung eine schnell erfassbare gut strukturierte Spieloberfläche sowie einfache Erklärungen, die der erwachsenen Spielpartnerin bzw. dem erwachsenen Spielpartner durch Instruktionserklärungen Anlass zur Interaktion und bei geringen Sprachkenntnissen auch Gelegenheit zum partizipativen Lernen gibt. Die einfach gestaltete Oberfläche und der dennoch kognitiv anspruchsvolle Spielaufbau ermöglichen nachhaltige Lerneffekte, die nach Belieben mehrfach täglich aufgefrischt werden können.
Die Registrierung für die Dokumentation des Lernerfolgs ist dabei hilfreich, beansprucht jedoch zusammen mit der Einstellung des Kamerawinkels vor Spielbeginn etwas Einrichtungszeit. Darüber hinaus sollte der begleitende Erwachsene über grundlegende Fremdsprachkenntnisse verfügen, um das Kind beim Ausführen der Spielinstruktionen unterstützen zu können. Dass auf ablenkende Kontextinformationen oder Hintergrundgeräusche verzichtet wurde, sorgt für eine hohe Zugänglichkeit, unterstützt eine schnelle Verarbeitung des Gehörten sowie Gesehenen und schafft eine insgesamt angenehme Lernatmosphäre. Einzig wünschenswert wäre, dass Play Words nachgerüstet wird auf die gleiche Vielfalt an Fremdsprachen wie Play Verbs. Darüber hinaus würden zusätzliche Einstellungen zur Sprechstimme für eine größere geschlechtsspezifische Variabilität sorgen und dem Kind die Möglichkeit bieten, das Spiel nach seinen eigenen Hörvorlieben mitzugestalten.
- Antje Müller: Jugendliche haben kaum Vertrauen in ihr Lieblingsmedium
Antje Müller: Jugendliche haben kaum Vertrauen in ihr Lieblingsmedium
Die meisten Jugendlichen (60 %) halten nach eigener Einschätzung einen Großteil der aktuellen Nachrichten in sozialen Netzwerken für falsch. Die Studienergebnisse von Gerüchte im Netz – Wie bewerten Jugendliche Informationen aus dem Internet der Initiative Saferinternet. at zeigen außerdem, dass Fernsehen und soziale Netzwerke (59 %) für Jugendliche von 14 bis 18 Jahren zu den wichtigsten Informationsquellen zählen. Tagesaktuelle Informationen ziehen sie zudem aus dem Radio (33 %), von YouTube (27 %), aus Tageszeitungen (25 %) und von Webseiten der Tageszeitungen (20 %). Den größten Vertrauensvorschuss erhalten jedoch eher traditionelle Medien. Dementsprechend werden Radio (32 %) und Fernsehen (29 %) als glaubwürdiger eingeschätzt als die Webseiten dieser klassischer Medien (23 %), soziale Netzwerke (10 %) oder YouTube (9 %). Zusammenhänge zur Einschätzung der Glaubwürdigkeit von Online-Medien zeigen sich im Grad der formalen Bildung. Demnach erhalten Wikipedia (15 % formal höher Gebildete, 29 % formal niedriger Gebildete), bestimmte YouTuber (3 % zu 23 %) oder soziale Netzwerke (3 % zu 19 %) mehr Zuspruch von Jugendlichen mit formal niedriger Bildung.
Besonders glaubwürdig erscheinen darüber hinaus ästhetische Bilder. Eigenen Angaben zufolge können 71 Prozent der Jugendlichen hier den Grad der Bearbeitung gut einschätzen. Bei der Bewältigung der Informationsflut besteht aber noch große Unsicherheit (86 %), wahre von falschen Meldungen zu unterscheiden. Abgefangen wird dies von einer erhöhten Bereitschaft (62 %) zur Recherche und Kontrolle fragwürdiger Informationen, welche mit dem Grad der Bildung zunimmt. Eine überwiegend oberflächliche Recherche sowie schwach ausgeprägte Kritikfähigkeiten zu Bildkontexten und zur Informationsbewertung steigern jedoch den Bedarf nach einer verbindlichen Förderung in der Schule und fordern auch Eltern in der Vermittlung eines kritischen Umgangs mit (Online-)Medien.
Im Rahmen der Initiative Saferinternet. at beauftragten das Österreichische Institut für angewandte Telekommunikation (ÖIAT) und die Internet Service Providers Austria (ISPA) das Institut für Jugendkulturforschung mit einer repräsentativen Online- Umfrage unter 400 Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jahren zum Umgang mit Informationen aus dem Netz.
Beitrag aus Heft »2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel«
Autor: Antje Müller
Beitrag als PDF - Self-Tracking-Tool: MoodPanda
Self-Tracking-Tool: MoodPanda
Viele Apps erfassen heutzutage unsere Vitaldaten oder Finanzen. Doch kann das digitale Self-Tracking auch Einblicke in Lebensbereiche geben, die nicht so leicht zu fassen sind? MoodPanda widmet sich dem abstrakten Bereich der Gefühle. Hier können die Nutzenden ihre tägliche Stimmung auf einer Skala zwischen 1 und 10 bewerten und mit Begründungen versehen. In kompakten Monatsübersichten können Stimmungsverläufe anschließend nachvollzogen werden, um so die Selbstwahrnehmung der eigenen Gefühlswelt gegebenenfalls zu verbessern. Daneben wirbt die App mit der Unterstützung einer großen Community und besitzt ähnliche Strukturen wie andere soziale Netzwerke. Auf der Startseite werden die Stimmungen anderer Mitglieder angezeigt, auf die durch Kommentare oder virtuelle Umarmungen reagiert werden kann. Das Fehlen einer Chatfunktion schränkt den weiteren Kontakt zu einzelnen Mitgliedern ein. Das Antreffen realer Bekanntschaften ist zudem durch eine fehlende Suchfunktion eher gering, wodurch die Unterstützung anonym bleibt.
Wer will, verbindet die App mit seinem Facebook- oder Twitter-Account und kann so seine Stimmung mit einer noch breiteren Öffentlichkeit teilen, dann allerdings nicht mehr anonym. Die Einstellungen zur Privatsphäre sind simpel gehalten. Entweder wird die App öffentlich oder nurprivat genutzt. Bezüglich der Usability sind Vor- und Nachteile zu nennen: Die wenigen zentralen Funktionen sorgen für eine gute Übersicht und schnelle Orientierung innerhalb der App. Der Verzicht auf Zusatzfunktionen kann allerdings schnell zu Langeweile führen. Darüber hinaus ist die App ausschließlich in englischer Sprache verfügbar und bietet daher eine Sprachbarriere. Der Verzicht auf Werbung und die ehrenamtliche Betreibung heben die App von anderen Angeboten ab. Jedoch kann die Preisgabe sensibler Daten wie Gefühle, Ängste oder Depressionen angreifbar machen und ist insbesondere im Hinblick auf jugendliche Nutzende sehr kritisch zu betrachten.
MoodPanda setzt ein Mindestalter von 13 Jahren an, falsche Altersangaben sind möglich.Android (kostenfrei); iOS (kostenfrei)
Beitrag aus Heft »2017/05 Self-Tracking. Lifelogging. Quantified Self.«
Autor: Antje Müller
Beitrag als PDF - Self-Tracking-Tool: Klout
Self-Tracking-Tool: Klout
Als Triebfeder für soziale Interaktion und gesellschaftliche Meinungsbildung besitzt das Social Web und somit der individuelle Status innerhalb der Online-Community für viele Menschen eine große Bedeutung. I>Klout hilft dabei, die eigenen Aktivitäten zu optimieren und den persönlichen Einfluss im Social Web zu erhöhen. Die Nutzung des Tools erfolgt über das Webportal oder die dazugehörige App; beide Versionen bieten identische Funktionen. Durch die Verknüpfung mit einem Facebook- oder Twitter-Account bzw. einigen weiteren sozialen Netzwerken wird der persönliche Klout Score gemessen. Dieser setzt sich aus der eigenen Aktivität sowie der Resonanz der Community auf die eigenen Posts zusammen und wird auf einer Skala von 10 bis 100 dargestellt.
Klout bietet außerdem Unterstützung bei der Erhöhung des Scores und präsentiert Post-Vorschläge in Form von aktuellen Neuigkeiten aus individuell zugeschnittenen Interessensgebieten, welche direkt über die App oder das Webportal in dem ausgewählten sozialen Netzwerk veröffentlicht werden können. Entwicklungen der letzten 90 Tage innerhalb des Klout Scores werden dokumentiert, deren Darstellung ist auf eine grobe Verlaufsübersicht reduziert. Einzelne Posts oder aktive Tage, welche die Erhöhung oder Herabsenkung des Scores beeinflusst haben, können nicht nachvollzogen werden. Eine mangelnde Transparenz hinsichtlich der konkreten Analyse des individuellen Scores erschwert die Nutzung des Tools. Es entsteht der Eindruck, dass lediglich die vorgeschlagenen Posts für die Analyse berücksichtigt werden, was zu einem sehr einseitigen Ergebnis führt. Individuelle Privatsphäre-Einstellungen führen zudem leider zu einer eingeschränkten Nutzung und können nach der Registrierung nicht mehr bearbeitet werden.
Klout adressiert die Bedürfnisse nach Aufmerksamkeit und Anerkennung im Social Web und ist demnach insbesondere für Jugendliche interessant. Zugleich wird mit diesem Bedürfnis gespielt, um eine Fülle an persönlichen Daten aus Social Web-Accounts zu erlangen. Die App ist im Playstore mit USK 12 eingestuft. Im Hinblick auf die medienpädagogische Praxis eignet sich das Tool, um die Wirkmechanismen und Motivationen der Preisgabe persönlicher Daten zusammen mit Jugendlichen kritisch zu hinterfragen.Android (kostenfrei); Webportal (kostenfrei)
Beitrag aus Heft »2017/05 Self-Tracking. Lifelogging. Quantified Self.«
Autor: Antje Müller
Beitrag als PDF - Antje Müller: Unentschlossen.
Antje Müller: Unentschlossen.
Die Wahl ist geschafft. Demokratisch, frei und natürlich geheim – ohne Frage! Stetig begleitet von einer leise fordernden, digitalen Stimme. Gestützt durch eine nicht abreißende Informationsflut. Versorgt mit hitzigem Austausch. Nützliche ‚Informantinnen‘ und ‚Informanten‘ sind immer ganz nah, hauchen zuverlässig Meinungen und wispern visionäre Vorhaben. Spielend beantworten sie Fragen, streuen Informationen, basteln Profile, wirken sympathisch. Sie, die Anderen, wirken in unserem kleinen digital-privaten Raum vertrauensvoll. Sie geben, was wir denken gerade zu brauchen: Aufmerksamkeit, Likes, Ranks. Bedeutsamkeit! Social Bots, ihr Name. Ursprünglich angesetzt, um Erkenntnisse aus Mustererkennung und Datenkorrelation zu gewinnen, simulieren sie menschliche Verhaltensmuster in einem ‚fiktiven‘ Gespräch mit echten Folgen – für uns! Ein komplexer Algorithmus, der es, auch dank dubiosen Bot-Wettrüstens, geschafft hat, das Social Web mit peniblen Sammel- und übermotivierten Streuaktionen zu kolonialisieren, um mit vermeintlich geringem Sinngehalt jederzeit gigantische Pseudoreichweiten zu erwirken. Seine Ziele können unterschiedlich sein, je nachdem was seine Entwicklerin bzw. sein Entwickler umgetrieben hat.
Ob sie nun Hilfestellungen geben, um sich im Meer überbordender Newsmeldungen zurechtzufinden, Trends aufspüren, ablenken, unterhalten, provozieren, verwirren – manipulieren?! Seit Snowden wissen wir, sie sind ein wesentlicher Teil des Überwachungsgefüges. Und seit Trump, Brexit und AfD wissen wir nun auch: Sie eignen sich hervorragend zur politischen Stimmungsmache. Ist es unsere Blindheit oder sind sie einfach begabt? Warum lassen sich Code und Neuronen nur noch mühsam unterscheiden? Vielleicht liegt es daran, dass wir Sozialität nicht mehr nur exklusiv dem Konstrukt Mensch zugestehen. Vielleicht ist Mensch aber auch zu sehr damit beschäftigt, das Wie zu analysieren statt zu hinterfragen wer mit wem und warum. Oder ist es etwa die Unsicherheit, wonach überhaupt Ausschau gehalten werden soll, in dieser mit allem so überfüllten techno-kulturellen Gesellschaft?
Da ist es doch schön, wenn so ein Bot den Spiegel hochhält und zeigt, wie wir uns bewegen, wonach wir suchen (werden) und wo es lang geht. Parameter für Paramater hat er sorgsam entschlüsselt, was soziales Verhalten ausmacht, worin Vertrauen besteht, und das in Algorithmen umgewandelt, was wir für glaubwürdig halten. Deviant. Konform. Neoliberal? Die Meinung wird niemandem aufgedrückt. Natürlich haben wir sorgsam hinterfragt, und sind auf verantwortungsvolle Weise unserem freien, unabhängigen Willen in einer geheimen Abstimmung gefolgt. Tweetstat, Botswatch oder Botometer haben im Zweifel geholfen. Doch die Frage ist: Wozu überhaupt informieren, wenn sich das Gesuchte aus den eigenen geistigen Erzeugnissen speist? Warum sollten Gütesiegel, Spamschutz, Meldepflichten und die geliebten Gesetze den Rettungsring noch auswerfen? Schließlich bereitet es doch so viel mehr Freude, im vertrauten Nest zu brüten. Außerdem soll doch anderen nicht der Spass genommen werden, das Projekt ‚Dekonstruktivismus: Mensch‘ voranzutreiben.
Beitrag aus Heft »2017/05 Self-Tracking. Lifelogging. Quantified Self.«
Autor: Antje Müller
Beitrag als PDF - Antje Müller: JIM-Studie 2017
Antje Müller: JIM-Studie 2017
In den Ergebnissen der JIM-Studie 2017 zeigen sich im Gerätebesitz Jugendlicher keine großen Dynamiken. So dominiert das Smartphone mit 97 Prozent weiterhin den Gerätebesitz der Zwölf- bis 19-Jährigen, die deutlich weniger über einen Laptop, Computer, Radio oder Fernseher verfügen. Der Besitz von Tablet-PCs stagniert seit 2015. 89 Prozent der Jugendlichen sind täglich online (2016: 87 %), was sich im Altersverlauf deutlich verstärkt (12 bis 13 Jahre: 78 %; 14 bis 15 Jahre: 89 %; 16 bis 17 Jahre: 94 %; 18 bis 19 Jahre: 94 %). Auch bei der Betrachtung der inhaltlichen Verteilung der Internetnutzung ist wenig Bewegung zum Vorjahr: Der Bereich der Kommunikation rutscht erstmals unter die 40 Prozent-Marke (2017: 39 %; 2016: 41 %), die unterhaltungsorientierte Nutzung steht bei 30 Prozent, Online- Spiele bei 20 Prozent, informative Inhalte bei elf Prozent. Der Anteil der Online-Spielenden nimmt mit dem Alter ab, Ältere wenden sich vermehrt informierenden Inhalten zu. Die Kommunikationsanwendungen Instagram (2017: 57 %; 2016: 51 %) und Snapchat (2017: 49 %; 2016: 45 %) konnten ihre Position ausbauen. WhatsApp bleibt mit Abstand auf Platz 1 (94 %).
Die Facebook- Nutzung ist weiter deutlich rückläufig (2017: 25 %; 2016: 43 %). Wird das Informationsbedürfnis fokussiert, zeichnet sich ein Zugewinn in Bezug auf die Themen Lokal-, Bundes-, Weltpolitik und Weltgeschehen. Dabei gibt jeder Zweite an, nach dem Fernsehen Nachrichten und Berichte aus dem Radio sowie aus Gesprächen im Freundes- oder Familienkreis zu beziehen. Andere Nachrichtenquellen im Internet werden (40 %) zudem gedrucktenTageszeitungen (18 %) bzw. Nachrichten aus dem Facebook-Feed (17 %) zur Informationsbeschaffung vorgezogen. Für Schulaufgaben arbeiten Jugendliche täglich eine dreiviertel Stunde am Computer oder im Internet, sieben Prozent sind auch täglich in der Schule online. Vorwiegend eingesetzt werden dort stationäre Computer (79 %) und Whiteboards (52 %). Die regelmäßige Nutzung von Smartphones (13 %), Laptops (9 %) und Tablet-PCs (4 %) spielt damit eine eher untergeordnete Rolle. Die repräsentative Studie zum Medienverhalten Jugendlicher in Deutschland wird vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest jährlich in Zusammenarbeit mit dem Südwestrundfunk durchgeführt. Für die Befragung wurden 1.200 Jugendliche zwischen zwölf und 19 Jahren telefonisch befragt (für mehr Informationen zur Studie siehe Rubrik ‚nachgefragt‘ in dieser Ausgabe).
- Antje Müller: nachgefragt
Antje Müller: nachgefragt
Wenn es um das mediale Nutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen geht, greifen Fachkräfte und Studierende sehr gern auf die Forschungsergebnisse des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest (mpfs) zurück. Antje Müller hat mit Sabine Feierabend, Co-Autorin der JIM- und KIM-Studie sowie Referentin Medienforschung/ Programmstrategie beim Südwestrundfunk, über die Relevanz und Aussagekraft der Studienanlagen sowie mögliche Veränderungen gesprochen.
merz: Die KIM- und JIM-Studien sind Trendstudien, was macht sie so besonders?
Feierabend: Besonders wertvoll ist aus meiner Sicht, dass wir (a) seit fast zwei Jahrzehnten das Medienverhalten von Kindern und Jugendlichen dokumentieren und (b) die Ergebnisse kostenfrei beziehbar sind und dadurch eine relativ breite Nutzerschaft erreicht wird. So gelingt es, Hürden und Barrieren für wichtige Themen wie Medienerziehung und -kompetenz so gering wie möglich zu halten, um möglichst viele Personen zu informieren. Daher sind die Studienberichte auch bewusst weniger wissenschaftlich aufgezogen, sondern mit einer starken Anwender- und Lesefreundlichkeit für Lehrende, Studierende, Interessierte oder Beschäftigte in Politik und Öffentlichkeit. Die wichtigsten Punkte sind aber, dass die einzelnen Kooperationspartner – mpfs, SWR, die Landesmedienanstalten Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz – zusammenarbeiten, anhand der Ergebnisse konkrete pädagogische Handreichungen entwickeln und damit ein Gegengewicht zu öffentlichen Debatten bilden können.Gerade im Bereich Medien muss mit Gerüchten stetig aufgeräumt werden. Hinsichtlichder Befragungsmethoden überlegen wir immer mal wieder, auf Onlinebefragungen umzusteigen;bisher ist das aber noch Zukunftsmusik.
merz: Es gibt in den Studien ein Bündel an gleichbleibenden Fragen. Nach welchen Kriterien wird entschieden, welches Thema vertieft erhoben wird?
Feierabend: Die gleichbleibenden Fragen dienen dazu, die allgemeinen Entwicklungen adäquat abzubilden. 20 bis 30 Prozent des Fragebogens sind für aktuelle bzw. tiefergehende Fragestellungen vorgesehen. In der JIM-Studie 2017 haben wir zum Beispiel die Nutzung englischsprachiger Filme und Serien aufgegriffen, da die Ergebnisse für uns als Fernsehveranstalter von Interesse sind. Relevant sind auch solche Spezifika, die sich einfach aus den Interessen und Fragestellungen der Landesmedienanstalten und deren Medienkompetenzangeboten insgesamt ableiten. So hatten wir 2016 beispielsweise abgefragt, ob YouNow tatsächlich ein besorgniserregendes Phänomen darstellt.
merz: Um Veränderungen im Altersverlauf erkennen zu können, wäre es sinnvoll, Schwerpunktthemen des Jugendalters schon der KIM grundzulegen. Wie werden solche Überlegungen bei der Konzeption der Studien einbezogen?
Feierabend: Wir haben in beiden Untersuchungen ähnliche Fragenkomplexe, die wir aber an das unterschiedliche Alter der Befragten anpassen müssen. Manche Fragen könnten wir bereits Sechs- oder Siebenjährigen stellen, manche nicht. Wir wissen, dass Artikulations- und Auskunftsfähigkeit noch nicht ausgeprägt genug sind. Einige haben oft nur mit Mühe und Not im Blick, was eine Woche ist, und ob etwas ein- oder mehrmals in der Woche stattgefunden hat. Daher nehmen wir Fragen, von denen wir glauben und wissen, dass auch Dritte darüber Auskunft geben können. Dazu brauchen wir in der KIM andere Skalen, da die Wahrnehmung und Nutzungsgewohnheiten der Kinder weniger differenziert ausgeprägt sind als die der Jugendlichen. Da beide Studien seit 1998 bzw. 1999 laufen, ist es dort möglich, zu erkennen, was bei den Kindern bereits festgestellt wurde und sich bei den Jugendlichen verlängert.
merz: Heranwachsende sehen heute auch auf dem PC fern – über YouTube, aber auch per Stream oder über Mediatheken. Was sagt die Kategorie Fernsehen im Zeitalter der Gerätekonvergenz noch aus?
Feierabend: In der JIM-Studie 2017 haben wir die Möglichkeiten des Fernsehens sehr differenziert abgefragt: live im TV, im Livestream, im Netz, in den Mediatheken et cetera. Da zeigt sich schon, dass Fernsehinhalte weiterhin intensiv linear genutzt werden. YouTube dient nicht in erster Linie im Sinne der Nutzung klassischer Fernsehinhalte, hier stehen andere Inhalte im Vordergrund. Immer weiter verbreitet sind Streamingdienste, die sich mit Netflix und Amazon Prime beispielsweise bei den Älteren deutlich etabliert haben; entsprechend hat sich auch die Haushaltsausstattung entwickelt. Eine Grenzziehung, ob das nun Fernsehen oder ‚Internet‘ ist, ist aber schwierig. Vor gut drei Jahren haben wir einen qualitativen Test dazu gemacht: Wir haben Jugendlichen identische Inhalte auf verschiedenen Endgeräten präsentiert und sie gefragt, was sie gerade machen – mit nicht repräsentativen, nur begrenzt zitierfähigen Ergebnissen. Deutlichzu erkennen war aber, dass Inhalte, die aus dem Fernsehen bekannt sind, wie Simpsons, für sie eine Fernsehserie sind; egal, wo sie diese gucken.
merz: In der medienpädagogischen Forschung und Praxis interessiert oft mehr die Frage, zu welchen Zwecken Heranwachsende Medien nutzen und welche Bedürfnisse sie damit erfüllen: Warum liegt der Fokus der Studien auf den genutzten Geräten, und nicht stärker auf deren Funktionen?
Feierabend: In einer telefonischen Befragung ist das nicht immer einfach. Wir untersuchen aber schon jetzt jenseits von Endgeräten die Bereiche Kommunikation, Unterhaltung und Recherche. Sicherlich haben wir noch nicht den Stein der Weisen gefunden und müssen uns mittelfristig weiterentwickeln. Aber die Geräte spielen eben auch eine Rolle, sie sind der Zugang zu den Inhalten: Mit dem Handy, einem sehr starken Gerät, aber nach wie vor auch mit dem Fernsehgerät, das zusätzliche Funktionen hat und entsprechend anders genutzt wird.
merz: Wie stehen Sie zu qualitativen Interviews als mögliche Zukunftsvariante?
Feierabend: Wir stehen eher in der Tradition quantitativer Forschung. Qualitative Fragestellung kommen bei uns in Betracht, wenn wir einzelne Punkte weiterentwickeln und mit quantitativer Forschung überprüfen. Aber die Studienreihen per se um qualitative Verfahren zu erweitern, ist derzeit nicht vorgesehen. Für die JIM-Studie hatten wir einige Zeit eine qualitative Nachbefragung mit einer kleineren Stichprobe – JIM Plus. Diese konnten wir aber leider nicht weiter stemmen.
merz: Wie werden Sie Fragestellungen oder Forschungsmethodiken weiterentwickeln?
Feierabend Wir entwickeln kontinuierlich sowohl einzelne Fragestellungen als auch die Methode bei Bedarf weiter, denken grundsätzlich aber von Jahr zu Jahr, anhand aktueller Entwicklungen. Ein wichtiges Ziel ist es immer, die Kontinuität soweit wie möglich beizubehalten. Das bedeutet, dass wir immer abwägen, ob neue Fragen wirklich spannender sind als unsere Vergleichbarkeit.
- Albert Fußmann, Antje Müller: Was Jugendliche denken und fühlen
Albert Fußmann, Antje Müller: Was Jugendliche denken und fühlen
Jugendliche und Politik? Aus erwachsener Perspektive umkreisen beide Parteien wohl oft eher eine antagonistische Hassliebe. Doch es gibt (politisches) Engagement, das sich auch direkt von Jugendlichen an Jugendliche richtet.
Livia Kerp hat aus einem ursprünglichen Interesse am Lifestyle und Spaß am Schreiben den Blog Livias Life Is Style aufgebaut, der sich nunmehr, insbesondere im neuen Magazin liviajosephine, vor allem auch politischen Themen zuwendet, die insbesondere Jugendliche bewegen, sie aus einem jugendlichen Blickwinkel beleuchtet und somit auch für Gleichaltrige leichter zugänglich macht.
- Albert Fußmann, Antje Müller: Hinter den Kulissen: WebDays laden zur Beteiligung
Albert Fußmann, Antje Müller: Hinter den Kulissen: WebDays laden zur Beteiligung
Alljährlich sind Rückgänge in der Wahlbeteiligung zu beobachten. Dabei wird zumeist von einer Politikverdrossenheit gesprochen, welche an eine diffuse systemische Unzufriedenheit gekoppelt istund den subtilen Eindruck einer allzu starr, fremdbestimmt und zuweilen illiberal anmutenden ‚Demokratie‘ unterstellt. Besonders Jugendliche stehen unter Verdacht einer mangelnden politischenBildung wie auch politischen Desinteresses. Einen wirkungsvollen und etablierten Raum zur Artikulation und Erprobung stellt die Jugendkonferenz WebDays dar. Hier wird sich gegen das Label Politikverdrossenheit formiert und für eine (politische) Partizipation Jugendlicher eingestanden.
Literatur:
IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e. V. (2017). WebDays 2017. Deine Daten. Deine Sicherheit. Deine Meinung. webdays.net [Zugriff: 28.12.2017]
Lange, Dirk/Onken, Holger/Korn, Tobias (2013). Politikunterricht im Fokus. Politische Bildung und Partizipation von Jugendlichen. Empirische Studie. Bonn: Friedrich-Ebert-Stiftung, Forum Politik und Gesellschaft.
- Antje Müller: D21-Digital-Index 2017/2018
Antje Müller: D21-Digital-Index 2017/2018
Innerhalb der erstmaligen Betrachtung der Akzeptanz und Nutzung intelligenter Geräte unter Onlinern und digital affinen Gruppen zeigt sich eine Zunahme bei der Kompetenz und Offenheit der Bundesbürgerinnen und -bürger ab 14 Jahren. Der Zuwachs in Offenheit auf 52 Punkten (+ 3), in Kompetenz auf 47 (+ 3) und im Zugang auf 66 Punkten (+ 1) lässt den D21-Digital-Index auf 53 Punkten (+ 2) ansteigen. Im Vergleich zu 2016 legt der Digital-Index 2017 eine Zunahme unter den digitalen Vorreitern (34 % vs. 31 %) offen, Digital Mithaltende (41 % vs. 43 %) sowie digital Abseitsstehende (25 % vs. 26 %) sind dagegen leicht rückläufig. Stark verbreitet unter den Bundesbürgerinnen und -bürgern, sind Smartphones (70 %) sowie Notebooks (62 %), Tablets werden dagegen weniger genutzt. Mobiles Arbeiten wird noch stark von den mangelnden Möglichkeiten im Beruf (58 %) bzw. Unternehmen (26 %) oder dem mangelnden Interesse (21 %) beeinflusst. Darüber hinaus besteht noch große Skepsis gegenüber Robotern im Job (50 %) oder digitalen Sprachassistenten (47 %) im privaten Bereich.
Auch eine systematische Wissensaneignung durch Trainings etc. findet noch kaum statt, und das Interesse an Fortbildung im digitalen Bereich ist gering. Für die 19 Prozent der Offliner, welche zu 94 Prozent im Alter von 50 Jahren oder älter sind, bestehen die Hauptgründe für den Verzicht auf digitale Geräte im fehlenden Interesse am Medium und mangelnden Nutzen für den Alltag. Bei den vorhandenen Digitalkompetenzen bleibt die Spaltung zwischen Jung und Alt sowie Mann und Frau weiter bestehen. Dagegen erwarten jedoch insgesamt zwei Drittel der Deutschen, dass der Umgang mit digitalen Medien und Programmierkenntnisse bereits in den Schulen vermittelt werden.
D21-Digital-Index 2017/2018 befragte 20.500 Bundesbürgerinnen und -bürger ab 14 Jahren, inklusive der Offliner. Seit 2013 werden die Schwerpunkte Digitalkompetenzen, Arbeit digital, Gerätenutzung, Zugang zum Internet, Vielfältigkeit der Nutzung und die Einstellung der Menschen zu digitalen Themen im Zeitverlauf betrachtet. Förderer und Schirmherr ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. D21 wird unterstützt von der Bertelsmann Stiftung, dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dem Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e. V., Capgemini Deutschland, dem Kompetenzzentrum Technik- Diversity-Chancengleichheit e. V. und Ricoh Deutschland GmbH.
- Antje Müller: kurz notiert
Antje Müller: kurz notiert
Knaus, Thomas (Hrsg.) (2017). Forschungswerkstatt Medienpädagogik: Projekt – Theorie – Methode. Bd. 1, München: kopaed. 350 S., 19,80 €.
Der Band Forschungswerkstatt Medienpädagogik: Projekt – Theorie – Methode des Herausgebers Thomas Knaus stellt die Frage nach der Existenz einer medienpädagogischen Forschung und rückt die Abbildung eines facettenreichen Standbilds aktueller Forschungsansätze und -methoden in der medienpädagogischen Forschung und Praxis ins Zentrum, mit dem Ziel, diese der Scientific Community als mehrbändige Printausgabe auch Open Access auf niedrigschwelliger Ebene zugänglich zu machen.
Ausgewählt wurden Werkstattbeiträge und Grundlagentexte nach ihren kreativen Ansätzen und innovativen Methoden, ohne den Blick ausschließlich auf Ergebnispräsentationen zu richten. Entsprechend den Zielstellungen, die Methodendiskussionen zu beleben, das ‚Wie‘ des Forschungsprozesses zu beleuchten und insbesondere Studierende und Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern Orientierung zu bieten, folgen alle Beiträge einer einheitlichen Struktur. Dabei wird auf eine Offenheit der Systematisierungen ohne lenkende Kategorisierungen Wert gelegt, die der multiparadigmatischen Beschaffenheit der Disziplin bei fortwährenden Umbrüchen gerecht wird. Ebenfalls der Orientierung dienend, erleichtern Verschlagwortung der Beiträge mittels Tags eine Einordnung der Beiträge und beschleunigen die Suche in Onlinedatenbanken. Darüber hinaus trägt die umfangreiche einschlägige Literatur zur Qualifizierung der Lesenden in wissenschaftlicher Aus- und Fortbildung bei.
Es findet sich überblicksartige Aufbereitungen bewährter Methoden, Entwicklungskontexte aber auch neue methodische Ansätze. Der Querschnitt durch eine Vielzahl angrenzender Fachbereiche, die die Medienpädagogik mit konstituieren, ein hoher Aktualitätsgrad der Forschungsliteratur und die Einhaltung einer stringent inhaltlichen Nachvollziehbarkeit kommen den adressierten Studierenden und Nachwuchswissenschaftlerinnen sowie -wissenschaftlern entgegen. Gemäß seines Anliegens gelingt es dem Herausgeber somit einen methodische Diskussionsgrundlage zu schaffen, die die Vernetzung von Wissen sowie die Weiterentwicklung medienpädagogischer Forschungsansätze, -zugänge und -methoden in den Mittelpunkt stellt.
- Antje Müller: kurz notiert
Antje Müller: kurz notiert
Fürst, Michael (2017). Emersive Bilder. Paderborn: Wilhelm Fink. 348 S., 49,90 €
Das Werk Emersive Bilder von Michael Fürst befasst sich intensiv mit spezifischen Wirkweisen von Bewegtbildern. Das Bild trägt dabei unterschiedliche Intentionen der Kunstsprache in sich und macht die Beziehung zwischen Subjekt und Objekt bewusst. Im Mittelpunkt des Interesses stehen daher die Entwicklungen eines spezifischen Verhältnisses zum Zuschauenden – von der Kontaktaufnahme bis hin zur Überschreitung der Bildgrenze, indem sich das Bild zum Betrachtenden hinzubewegen scheint. Solch emersive Bilder finden sich oft in Horrorfilmen, deren ‚Bildattacke‘ auf die Zuschauenden eine ganz eigene Lebendigkeit und Körperlichkeit entfaltet, nicht zuletzt, da sie die Zuschauenden zur Handlung auffordern. Am Beispiel von King Kong, Poltergeist und Videodrome untersucht Fürst dieses Eigenleben emersiver Wirkungen, welche im Resultat durch ein Zusammenspiel narrativer wie auch bildästhetischer Mittel gekennzeichnet sind und in enger Verbindung mit der Figur eines Monsters oder monströsen Erscheinungen stehen.
Im Vergleich zu früheren audiovisuellen Produktionen unternehmen ‚Überwältigungsstrategien‘ der neuen digitalen Bildwelten so den Versuch, ihren Status als Bilder zugunsten eines stärkeren Realitätseindrucks zu überspielen.Emersive Bilder schafft einen spezifischen Zugang zu neueren filmtheoretischen Überlegungen, die im Einbezug zahlreicher Beispiele einen detailreichen, hoch analytischen Blick auf die reflexiven Wirkweisen von Bewegtbildern, insbesondere in Horrorfilmen, eröffnen. Trotz mühevoller Aufarbeitung theoretischer, historischer und aktueller Wissensbestände der audiovisuellen Mediendispositive Kino, Fernsehen und Video verfestigen sich nur einige Momente, während andere – auch aufgrund einer hohen sprachlichen Komplexität und häufigen inhaltlichen Repetition – ab und an die Spur verlieren lassen.
Der Band eignet sich insbesondere für Filmschaffende und Filmwissenschaftlerinnen sowie -wissenschaftler. Aber auch (medien-)pädagogische Fachkräfte im Bereich Film und Fernsehen können sich aus den präsentierten Studienergebnissen Anregungen für ihre Arbeit in Bezug auf Vermittlung von Wirkweisen und Stärkung kompetenter Nutzweisen herausziehen.
- Antje Müller: stichwort Augmented Reality
Antje Müller: stichwort Augmented Reality
Virtuelle Realitäten bereisen, die Lebenswelt mit digitalen Informationen anreichern oder sie um virtuelle Elemente erweitern – alles in 3D, live, intuitiv und Echtzeit. Das ist kein Zukunftsszenario eines Minority Reports, sondern seit den 1960er-Jahren integraler Bestandteil digitalisierender Verhältnisse. Anfänglich eingesetzt als Helmvisier zur Navigationsunterstützung für Kampfpiloten oder zur Positionsbestimmung auf hoher See, blieben Entwicklungen der Augmented Reality-Technologie (AR) bisweilen der IT-Branche und den Bereichen Produktion, Reparatur und Instandhaltung vorbehalten.
Seit den 2000er-Jahren drängt AR jedoch auch auf den öffentlichen Markt und revolutioniert zunehmend die postmoderne, analoge Art des Denkens und Handelns. Dabei ist das Prinzip relativ simpel: Man nehme einen AR-Browser wie Wikitude, layer, junaio oder blippar, ergänze diesen um eine kameragestützte Marker- oder Bilderkennung vordefinierter Trackingmotive, nutzt gegebenenfalls GPS-Sensoren zur Lokalisierung und stellt über einen robusten Internetzugang und geschmeidig tragbare Displays oder auch Wearables Zusatzinformationen zu etwa Shops, Produkten oder Sehenswürdigkeiten dar. Zur Verfügung stehen damit nicht mehr nur Apps zum Ausprobieren von Frisuren oder Stickern, sondern auch zur virtuellen Raumplanung oder zum interaktivem 360°-Storytelling. Virtuelle Kampfarenen verlagern sich spätestens seit Pokémon Go im waschechten Mixed Reality-Stil direkt vor unsere Füße und Smart Glasses wie HoloLens und Vuzix M300 springen auf den Google Glass-Bandwagon, gerüstet für eine neue Form der informationsgestützten Wahrnehmung.
Was hier einen Wow-Effekt suggeriert, ist jedoch erst der Anfang der Karriere dieses ausgeklügelten Verlinkungssystems: Animierte 3D-Inhalte ermöglichen mühelos Fehleranalysen und virtuelle Trainingsräume respektive -Werkstätten bieten platzsparende Alternativen zum Trimmen, Kreieren und Modellieren. So lassen sich nicht nur Vorstellungskraft, Sicherheit und Effizienz steigern, sondern auch Mobilität, Zweckentfremdung, Neuerschaffung und gläserne Transparenz. Weichen nun auch noch verwackelte Bilder, Regenbogeneffekte und Ladepausen einer passgenauen, konstanten Überlagerung der Darstellung mit komfortablem User-Interface, dürften sich, neben den veränderten Kommunikationsgewohnheiten, letztlich auch die Sinneswahrnehmungen wandeln. Lernen – Ausprobieren – Transformieren, aber auch Bewältigen – Beeinflussen – Überwachen könnten sich als bezeichnende Schlagworte dieses Meilensteins an Mensch-Maschine-Interaktion hervortun. Dabei wird es künftig vermutlich weniger ‚nur‘ um das Gut Information gehen als um das unausweichliche ‚Wissen-müssen‘ im Durchdringen von Big Data, Konvergenzen, Fragmentierungen und Co.
Beitrag aus Heft »2017/05 Self-Tracking. Lifelogging. Quantified Self.«
Autor: Antje Müller
Beitrag als PDF - Antje Müller: OER-Zertifizierung an österreichischen Hochschulen
Antje Müller: OER-Zertifizierung an österreichischen Hochschulen
Auf Basis eines Empfehlungsschreibens des Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft präsentiert die Arbeitsgruppe Open Educational Resources das Konzept OER-Zertifizierung an österreichischen Hochschulen, einen Vorschlag zur Zertifizierung von Open Educational Resources (OER) an Hochschulen. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass Hochschullehrende aufgrund ihrer Qualifizierung grundsätzlich qualitativ hochwertige Lernobjekte erstellen und diese rechtssicher als OER klassifizieren und ausweisen, wenn sie ausreichend und fachkundig geschult wurden. Die Aufgabe der Hochschule besteht dementsprechend in der Bereitstellung geeigneter Weiterbildungsmaßnahmen und der Schaffung einer entsprechenden Infrastruktur. Auf struktureller Ebene wird zu einer zwei- bis dreistufigen Zertifizierung für Hochschullehrende und Hochschulen sowie der Schaffung und Etablierung nationaler OER-Labels angeregt.
Für Hochschullehrende wird eine zweiteilige, nicht aufeinander aufbauende Zertifizierung vorgeschlagen. Dazu gehört unter anderem, bereits freie Bildungsressourcen produziert und veröffentlicht zu haben. Die Zertifizierung von Hochschulen besteht aus drei, ebenfalls nicht aufeinander aufbauenden Teilen: Neben der Sicherung einer ausreichenden Anzahl OERzertifizierter Lehrkräfte wird auf die Verfügbarkeit und öffentliche Bekennung zu OER- Qualifizierungsangeboten verwiesen. Die Sichtbarkeit der OER-Zertifizierung von Hochschule und Hochschullehrenden soll schließlich durch die Vergabe von verifizierbaren, portablen Open Badges, in Form von standardisierten digitalen ‚Abzeichen‘ gesichert werden. Hierzu schlägt die Arbeitsgruppe die Verwendung visueller und virtueller Repräsentationen vor, welche in Form von digitalen Bilddateien über Metadaten verfügen, welche die zertifizierten Fertigkeiten, Beziehungen und Interessen speichern und online zugänglich gemacht werden können. Eine Zertifizierung der inhaltlichen Qualitat und der Rechtssicherheit von Lernobjekten ist nicht vorgesehen.
- Antje Müller: stichwort Lifelogging
Antje Müller: stichwort Lifelogging
Seit es digitale Daten gibt, wird nach Möglichkeiten gesucht, diese nutzbar zu machen – und nützlich ist alles, was den Menschen besser leben lässt, was ihn schneller, höher und weiter kommen lässt. Erst vor fünf Jahren startete die sogenannte Quantified Self-Bewegung in Deutschland durch. Lifelogging entspricht dabei dem Zeitgeist und spiegelt gesellschaftliche Entwicklungen der Individualisierung, Ökonomisierung und Leistungsgesellschaft. So lässt sich durch das Sammeln und Aufzeichnen von Verhaltens- und Ereignisspuren nicht nur ein digitales Tagebuch führen, sondern insbesondere auch bei tagtäglichen Handlungen assistieren und diese optimieren. Self-Tracking als Gesundheitsmonitoring, Vermessung am Arbeitsplatz, Total Recall, Sleep- und Mood- bis hin zu Think- und Deathlogging – alles lässt sich dank der Unterstützung liebgewonnener Sensoren, vertrauensvoller Apps und smarter Wearables dokumentieren.
Die digitale Aura – geschaffen durch vibrierende Handgelenke, Datenbrillen, Kopfhörer oder smarte Alltagskleidung – suggeriert dabei vermehrt Sicherheit in einer sonst unsteten, beschleunigten Welt, in welcher Verzicht- und Austauschbarkeit großgeschrieben werden. Sie hilft zu verstehen, wie Menschsein funktioniert und eröffnet nicht zuletzt einen erlösenden Weg, die Fehlerquelle ‚Mensch‘ zu überwinden oder das gefühlt ungerichtete Leben durch Disziplin und Ordnung zumindest halbwegs akzeptabel zu gestalten. Dabei kommuniziert unser ‚digitaler Schutzschirm‘ bevorzugt mit Dienstleistern, Firmenkundinnen und -kunden oder Krankenkassen, meldet kalkulierbare Effizienz an Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und steigert Unternehmensgewinne – reproduziert schließlich das Qualitätsprodukt ‚Mensch', ohne auf Ausreißer zu achten.
Diese „rationale Diskriminierung", wie Stefan Selke (2016) es nennt, gibt Hinweise auf eine neue Ordnung in der Sozialität, in der das Recht auf Vergessen, Zufall, Intuition und Geheimnis erodieren. Auch wenn Gamifikation, Selbstexpertisierung oder auch Kollaborationsgedanken positive Ansätze bergen, bleibt offen, ob die Aufweichung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht letztlich nur noch einen Tropfen auf dem heißen Stein darstellt. Zumal bereits jetzt noch ausgereiftere Technologien wie Bio-Tattoos oder haltungskorrigierende Pflaster auf die Bildfläche treten, die sich noch unauffälliger in den Alltag integrieren lassen und immer mehr mit dem Menschen selbst konvergieren.
- Antja Müller: Neue Datenbank für Kindermedien
Antja Müller: Neue Datenbank für Kindermedien
Die Datenbank für Kindermedien des Initiativbüro Gutes Aufwachsen mit Medien bietet pädagogischen Fachkräften und Eltern geprüfte, altersgerechte Kinderwebseiten und Apps, die medienpädagogisch geprüft wurden. Mit einer einfachen Suchfunktion kann nach vielfältigen Themen recherchiert und passende Angebote für junge Nutzerinnen und Nutzer ausgewählt werden. Eine Filterfunktion erleichtert die weitere Eingrenzung auf bestimmte Zielgruppen und Schwerpunkte. Hierbei wird eine differenzierte Unterscheidung in fünf Alterskategorien vom Kleinkind bis zum Jugendlichen ermöglicht. Ebenso vielfältig gestaltet sich das Filtern nach 13 Schwerpunkten, beispielsweise nach instrumentellen Fertigkeiten (Motorik), Alltagskompetenzen oder praktischer Medienarbeit.
Bereits in der Vorschau zeigen die Sucherergebnisse die jeweilige Eignung für Kinder und Jugendliche von Null bis 18 Jahren an. Einmal ausgewählt, erscheint zur Kinderwebseite oder zur App ein detaillierter Angebotsüberblick. Hier erhalten pädagogische Fachkräfte sowie Eltern eine Kurzbeschreibung, eine Zusammenfassung behandelter Hauptthemen, Informationen zur Spracheinstellung und zur Eignung gemäß den Kinder- und Jugendschutz- Richtlinien. Hinzu kommen, je nach Anwendung, Erläuterungen zum Betriebssystem, zu Lauffähigkeiten, zum Preis oder zur Werbefreiheit. Insbesondere die Praxistipps mit Anwendungsvorschlägen für den medienpädagogischen bzw. medienkompetenzfördernden Einsatz des Mediums stechen hervor. Darüber hinaus wird jedes Angebot um eine Empfehlung für mögliche Lernbereiche bereichert, welche zusammen mit den identifizierten didaktischen Schwerpunkten eine gezieltere Auswahl für den Praxiseinsatz bietet.
Die neue Datenbank für Kindermedien umfasst erstmals ein umfangreich geprüftes, aktuelles Angebot von Kinderwebseiten, zertifiziert von den Initiativen klick-tipps, bibernetz sowie dem Erfurter Netcode, das Deutsche Jugendinstitut hat aus der Datenbank Apps für Kinder über 500 App-Bewertungen beigesteuert.
Beitrag aus Heft »2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel«
Autor: Antje Müller
Beitrag als PDF - Antje Müller: Online Hate Speech – Gift im Netz
Antje Müller: Online Hate Speech – Gift im Netz
Kasper, Kai/Gräßer, Lars/Riffi, Aycha (Hrsg.) (2017). Online Hate Speech. Perspektiven auf eine neue Form des Hasses. München: kopaed. 200 S., 18,80 €.
Eine niedrigere Hemmschwelle zur Herabsetzung von Mitmenschen zeigt sich nicht nur in der realen Lebenswelt. Auch im Netz machen Diffamierung und Diffusion der Sprache, gestützt und genährt von Anonymität und Passivität der Userinnen und User, zunehmend von sich Reden – eine explosive Mischung, die Hasskommentare zutage befördert hat und zunehmend organisierte Trolle, Flaming und Cybermobbing auf den Plan ruft. Es handelt sich dabei um ein Alltagsphänomen, das nicht neu ist und sowohl im analogen wie auch im digitalen Raum, je nach Kultur, unterschiedliche Ausprägungen annimmt. Dennoch ist eine neue virale Qualität des Hasses und der Ressentiments zu verzeichnen, die zugleich mit einem verstärkten Maß einer scheinbar etablierten ‚Umgangsform‘ – der Verdrängung – einhergeht. Wenn jedoch das Netz als öffentlicher Raum angesehen werden soll, dann sollte es vor Hetzerinnen und Hetzern, vor Terror-Propagandistinnen und -Propagandisten und vor Trollen verteidigt sowie die Würde der Andersdenkenden gesichert werden, so das Herausgeberteam der Publikation Online Hate Speech.
Der vierte Band der Schriftenreihe zur Digitalen Gesellschaft NRW betrachtet aus diesem Grund in einem interdisziplinären Ansatz Hassreden im Netz aus unterschiedlichsten Perspektiven. Mit einem multiperspektivisch differenzierten Blick und durch die Bündelung unterschiedlicher fachlicher Zugänge soll ein tieferes Verständnis für das Phänomen gefördert werden, um Hate Speech den Nährboden für die Verbreitung von Fehlinformationen und extremistischen Botschaften zu entziehen und eine Polarisierung oder gar Spaltung unserer Gesellschaft zu verhindern. Online Hate Speech nähert sich dem Gegenstand zunächst aus der zeitgeschichtlichen sowie politischen und juristischen Perspektive, wonach im Anschluss mit vorwiegend psychologischem und journalistischem Blick auf die Akteurinnen und Akteure des Hate Speech geschaut wird. Analysiert werden Verbreitungsmotivationen, Motive und Gründe für Hassattacken der Täterinnen und Täter, aber auch Strategien zur Verarbeitung durch die Opfer. Unter den Täterinnen und Tätern finden sich darüber hinaus nicht nur Einzelpersonen, die aus angestautem Ärger oder Machtgefühlen heraus agieren, sondern auch organisierte Auftragstrolle und Social Bots, welche automatisiert auf Basis von Empfehlungsalgorithmen für die Verbreitung von Cyberhate sorgen.
Im fließenden Übergang beschäftigt sich das folgende Kapitel mit den Bereichen des Auftretens von Hate Speech und schließt dabei auch eine wirtschaftliche Perspektive mit Folgen von Negativkommunikation in Unternehmen ein. Aus Sicht der Community-Nutzerinnen und -Nutzer wird sich außerdem mit Attacken im Computerspiel-Bereich auseinandergesetzt. Hier treten auch Flamerinnen und Flamer auf die Bildfläche und es gilt, sich mit einem hohen Maß an sexistischem Sprachgebrauch auseinanderzusetzen.Um mögliche Umgangsformen und Gegenstrategien für die Lesenden zu bieten, stellt Online Hate Speech im letzten Kapitel Praxisprojekte wie BRICkS und #denk_net vor, die Anregungen zur Konzeption und Durchführung von Workshops mit Jugendlichen geben und sich auch mit der irrational emotionalen Ebene von Hassreden befassen. Arbeitsergebnisse der Initiative Netzkodex zur Erarbeitung eines Kodexes sowie eine Sammlung an Kampagnen und Aktivitäten gegen Online Hate Speech runden schließlich den praxisorientierten Abschnitt gelungen ab.
Im Vergleich zu den bisherigen Veröffentlichungen der Schriftenreihe zur digitalen Gesellschaft NRW fügt sich das Thema nahtlos in die aktuellen Diskurse und Herausforderungen der Medienbildung ein. Während Social Web und Senioren (2013) Rezipierende über 60 fokussiert, Einfach fernsehen? (2013) Medienmacherinnen und -macher sowie Fernsehnutzende anspricht und Big Data und Medienbildung (2015) medienpädagogische Fachkräfte hinsichtlich der Vermittlung einer informatischen Perspektive bedient, richtet sich der aktuelle Band mit seinem Schwerpunkt der destruktiven Medieninhalte innerhalb der digitalen Interaktion an die Allgemeinheit. Diese profitiert von einem schlüssigen Aufbau, der sowohl Theorie- als auch Praxisanteile liefert, um sich dem Phänomen anzunehmen. Die wirklich gelungen umgesetzte Interdisziplinarität mit Perspektiven aus Politik, Wirtschaft, Recht, (Sozial-)Psychologie, Journalismus, Soziologie, Wissenschaft und Forschung sowie Medienbildung erfüllt dabei Vorbildcharakter.
Etwas geschmälert wird dieser Eindruck durch den im Theorieteil stark vertretenen und zum Teil sehr trocken anmutenden Fachjargon, der zuweilen gespickt ist mit für die allgemeine Leserschaft schwer zugänglichen Fachtermini oder schwergängigen Formulierungen, wie sie sich beispielsweise im juristischen Beitrag wiederfinden. Mithilfe eingestreuter Interviews und der Darlegung von Fallbeispielen ab dem zweiten Kapitel wird die inhaltliche Aufbereitung aber zunehmend aufgelockert und zeigt eine höhere lebensweltliche Nähe, durch die das Phänomen auch außerhalb der dominanten journalistischen und psychologischen Perspektive greifbarer wird. Insbesondere hilfreich für (medien-)pädagogische Praktikerinnen und Praktiker, Sozialarbeiterinnen und -arbeiter, aber auch für Eltern und Studierende wäre eine stärkere Variation an Inhaltsformen, die mit grafischen oder tabellarischen Aufbereitungen noch bereichert werden könnten. Die Verzahnung zwischen Theorie- und Praxisanteilen sowie die hohe Interdisziplinarität garantieren jedoch die Ansprache eines breiten Zielpublikums, dass das vielschichtige und bisher nur schwer handhabbare Phänomen des Online Hate Speech klarer umreißt und zugleich wichtige, innovative und wirklich lesenswerte Anstöße für die medienpädagogische Praxisarbeit liefert.
- Antje Müller: No secrets!
Antje Müller: No secrets!
Fast ununterbrochen sind wir online, berichten über unseren aktuellen Status oder unser Befinden, teilen unsere Selfies oder gestreamte Musik und tracken dazwischen noch kurz die aktuelle Fitnessleistung. Digitale Nähe gibt vielen von uns ein gutes Gefühl und vervollständigt das fragmentierte, sich ständig in Bewegung befindende Selbst. Unsicher, wer ‚da draußen‘ bewertet, und in Schach gehalten durch ‚globale‘ Konsequenzen wird unermüdlich nach geeigneten Mitteln gesucht, den Ansprüchen der fiktiven Anderen gerecht zu werden. Bereitwillig wird das Selbst kontrolliert – wenn es die Anderen nicht schon tun, dann wollen wir wenigstens gewappnet sein.
Im schwarzen Loch der Netzwelt wird der Drang nach Selbstoptimierung jedoch schnell zur Selbstüberwachung. Mit der leichtfertigen Entscheidung, die eigenen Schlafleistung oder tägliche Verhaltensmuster zu protokollieren, und im festen Glauben, alles bliebe auf der eigenen kleinen ‚Black Box‘, ignorieren wir, wo die digitale Vernetzung aufhört, und verlieren den Überblick – ungeachtet dessen, dass wir mit der Flut an digitalen Informationen gegenwärtige wie künftige Überwachungssysteme versorgen. Das Stadtmuseum München legt mit seiner Sonderausstellung No secrets! – Bilder der Überwachung Datenüberwachungsmittel offen, die nicht nur zeigen, wo wir uns aktuell befinden, sondern auch, auf welche Ziele und künftiges Verhalten wir zusteuern.
Die Ausstellung stellt sich der herausfordernden Aufgabe, die Allgemeinheit bei der Erinnerung an Staats- und Geheimdienstaktivitäten zu unterstützen, während im selben Zuge das kontrollaffine Internet der Dinge und das mediale Ausmaß von Big Data sichtbar gemacht werden. We know you better than you know yourself – dem Slogan möchte das Stadtmuseum etwas entgegensetzen. Hierzu beleuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Künstlerinnen und Künstler das aktuelle Phänomen hinsichtlich unter anderem der Fragestellungen ‚Wie lässt sich die Bereitschaft zur Selbstüberwachung erklären?‘ und ‚Welche Gefahren birgt der Hang – oder Zwang – zur Transparenz?‘.Erste Annäherungen an das oft emotionale und kontrovers diskutierte Thema finden durch einen kurzen Rückblick auf die früheren staatlichen Kontrollen von Mensch und Raum statt. Dabei zeigen die Einführung der öffentlichen Straßenbeleuchtung und die erkennungsdienstliche Fotografie erste Erfassungs- und Kontrollpotenziale.
Im Hauptteil widmet sich No secrets! zeitgenössischen Arbeiten aus den Bereichen Fotografie, Video, Malerei, Plakat und Installation, mit Schwerpunkt auf der fotografischen und plakativen Umsetzung. Die Künstlerinnen und Künstler – wie Peter Neusser, Florian Freier, Max Eicke, Sebastian Arlt, Timm Ulrichs, Philipp Messner, Gretta Louw, Jens Massmann oder Jens Klein – nutzen hierbei verschiedenste Herangehensweisen und Blickwinkel, um „die heutigen Praktiken der Überwachung zu torpedieren, zu reflektieren oder zumindest sichtbar zu machen“. Ergänzend zum Ausstellungsthema soll die freiwillige Selbstüberwachung via Internet, Smartphone und Social Media thematisiert werden.
Die Ausstellung präsentiert sich klar strukturiert, mit einer guten Mischung aus historischer Dokumentation, staatlicher, privater Raumerfassung und Personenkontrolle, kombiniert mit künstlerischer Neuinterpretation des Gegenstands. In sechs Räumlichkeiten bearbeiten die Kunstschaffenden alte wie neue Überwachungssysteme sowie verdächtige, beobachtete und kontrollierte Räume, Landschaften und Personen. Zudem setzen sie sich mit dem Wechselspiel aus Schutz, Verlust und Neukonstruktion der Identität aufgrund von Kontrolle und Überwachung auseinander. Die Ausstellungsstücke wurden in klare Themenbereiche wie ‚Orte der Überwachung‘ gebündelt und auf genügend Wirkraum ausgestellt Die Besucherin bzw. der Besucher erhält dadurch eine jeweils gut dosierte Informationsmenge, die bleibende Eindrücke hinterlässt und zum Nachdenken anregt. Trotz der anfangs überschaubar wirkenden Größe lädt No Secrets! durch kleine Enthüllungen und versteckte Funde zu neuen Entdeckungen ein, so dass auch ein längerer Aufenthalt nicht langweilig wird.
Für jede und jeden ist etwas dabei: Älteren Besucherinnen und Besuchern wird die RAF-Problematik wieder in Erinnerung gerufen. Jüngere werden durch Snowden-, Trump- und Cloud-Darstellungen zur kritischen Reflexion ihrer Lieblings-Datenspeichersysteme, ihres Nachrichtenkonsums in Filterbubbles, aber auch zur Hinterfragung der Verfolgung von Whistleblowern und Vigilanten angeregt. Sogar durchschnittliche, ‚Vater Staat‘ vertrauende Bürgerinnen und Bürger werden durch kontrollartig angeordnete Fotoserien von Briefkasten-Gängerinnen und -gängern wachgerüttelt. Die zeitgeschichtlich Interessierten kommen am stärksten auf ihre Kosten: Neben Miniaturkameras, versteckt im Herrenanzug, historischen Filmen zur Zeit der Berliner Mauer oder Plakaten zur Volkszählung finden sich auch Dokumentationen früherer und heutiger Überwachungsorte.
Die politische Brisanz und die ironisch bis zynische Bearbeitung der Überwachungs- und Kontrollthematik durchziehen die gesamte Ausstellung wie ein aufklärerischer roter Faden. Außenseitercharakter hat dagegen die künstlerische Auseinandersetzung mit den auf Datensammelalgorithmen basierenden Marktplätzen von unter anderem Facebook, YouTube oder Instagram. Auch von Apps zur Selbstkontrolle und deren Folgen für die eigene Identitätsausbildung oder -verformung ist leider kaum die Rede. No secrets! ist insgesamt eine sehenswerte Ausstellung, die sich kennzeichnet durch ihre zeitgeschichtlich vielfältige Zusammenstellung, welche eine Vielzahl von Sinnen anspricht und damit den Zugang zur Thematik für Klein und Groß ebnet. Trotz der Unterpräsenz von wirtschaftlichen wie neueren technischen Entwicklungen überzeugt die Ausstellung mit ihrer Einladung zum intergenerationalen Wissens- und Erfahrungsaustausch, mit hohem Gewicht auf der Reflexionsebene.
No secrets! wurde kuratiert von Rudolf Scheutle und in einem Projekt der ERES-Stiftung und dem Münchener Stadtmuseum realisiert. Die Ausstellung kann noch bis zum 16. Juli 2017 dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr im Münchner Stadtmuseum besucht werden.
- Antje Müller: nachgefragt
Antje Müller: nachgefragt
Der Medienpädagogik Praxis-Blog bietet Medienpädagoginnen und Medienpädagogen Materialien, Methoden, Projektbeispiele, Tipps und Tricks und aktuelle Informationen für die medienpädagogische Praxis in Jugendarbeit und Schule. Im vergangenen Jahr konnten Multiplikatorinnen bzw. Multiplikatoren sowie alle Interessierte an einem Praxis-Camp mitwirken, sich austauschen und Kontakte knüpfen. Antje Müller hat mit Eike Rösch über die Besonderheit eines Barcamps gesprochen, und wie er Köpfe aus Forschung und Praxis an einen Tisch holt.
merz: Das erste Barcamp entstand aus den sogenannten Foo Camps, die nur mit Einladung besuchbar waren. Was ist ein Barcamp – die sogenannte Unkonferenz – heute und was unterscheidet es aus deiner Sicht von Tagungen, Symposien, Kongressen oder Workshops?
Rösch: Für mich ist das Besondere an einem Barcamp, dass es vor allem teilnehmendenorientiert ist und das vorhandene Wissen wertschätzt. Ich finde das für die Medienpädagogik so wichtig, weil sie ein weites Arbeitsfeld ist, in dem ganz viel ausprobiert wird, speziell in der außerschulischen Medienpädagogik. Dort bringen die Fachkräfte ganz viele Erfahrungen mit. Und meiner Meinung nach ist das genau das, auf was bei einem Barcamp gesetzt wird. Wohingegen man sich bei einer Tagung im konventionellen Format immer überlegt, welche Workshops angeboten werden könnten. Das fokussiert dann auch sehr die Sicht der Organisierenden und ihren Wissensstand – und es gibt auch einfach einige Dinge, die sie nicht wissen, nicht wissen können. Was für mich bei einem Barcamp das Besondere ausmacht, ist die Wertschätzung für die Teilnehmenden, die große Flexibilität und, dass man das vorhandene Wissen von allen nutzen kann. Und es ist nach wie vor so, dass die Leute, die bei einer konventionellen Tagung einen Workshop machen würden, auf einem Barcamp auch eine Session anbieten können.
merz: Wer kommt nach deiner Erfahrung zu Barcamps?
Rösch: Der Medienpädagogik Praxis-Blog. Ich glaube, das sind Leute, die lernen und sich austauschen wollen. Ein Barcamp ist, finde ich, auch besonders für Einsteigerinnen und Einsteiger in die Szene geeignet. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man sehr viel mit Menschen in Kontakt kommt und sich auf Augenhöhe austauscht. Bei uns auf dem Medienpädagogik Praxis-Camp war das so, dass es eine sehr gute Mischung aus allen möglichen Leuten war, die aus der medienpädagogischen Praxis, aber auch der Forschung kamen, und die sich für aktuelle Entwicklungen in der Praxis interessierten. Dabei hatten wir bemerkenswerterweise von Anfang an eine sehr schöne Stimmung. Also, sehr harmonisch, auf Augenhöhe, sehr kommunikativ, sehr unterstützend, sehr hilfsbereit, sehr offen. Es gab auch Menschen, die über Fehler gesprochen haben, wie ihr Projekt schief ging, und wie man daraus lernen kann. Und bei den allermeisten Sessions war es eben auch so, dass die Leute weniger nur ihre eigene Position vorgestellt haben, sondern, dass es eben kurze Inputs gab und anschließend gemeinsam darüber an dem Thema diskutiert wurde.
merz: Innerhalb deiner Reflexion zu eurem Barcamp hast du darauf verwiesen, dass sehr viel von den Barcamp-Prinzipien Gebrauch gemacht wurde. Was meinst du damit?
Rösch: Es waren Menschen da, die mit der Erwartung angereist sind, sich einzubringen und eigene Gedanken und Inhalte zu präsentieren. Das ist ein wichtiges Ding bei Barcamps, dass man auch was anbieten und sich generell einbringen soll. Das hat auch, finde ich, glücklicherweise gut funktioniert. Es sind Menschen gekommen, die sich selber einbringen, sehr aktiv teilnehmen und auch eigene Sessions anbieten wollten. Schon im Vorfeld wurden online auf der Website sehr viele Session-Vorschläge eingereicht und zu denen kamen noch spontane Vorschläge. Die haben wir gesammelt und dann geschaut, ob es da eine Resonanz gibt, wobei wir versucht haben, alle Session-Ideen möglich zu machen. Die Ideen reichten von: „Ich hab da einmal ein Projekt und möchte es vorstellen” bis hin zu „Ich hab‘ da mal ‘ne Frage. Wer kann sie mir beantworten bzw. wer arbeitet mit mir an der Antwort?”.
merz: Wie war der Ablauf auf dem Medienpädagogik Praxis-Camp?
Rösch: Das besondere an unserer Barcamp-Struktur war, dass wir nach der typischen, kurzen Vorstellungsrunde mit inspirierenden Statements aus Praxis und Forschung in eine Gruppendiskussion eingestiegen sind. Das hat sich aus meiner Sicht bewährt und zu der sehr guten Stimmung und der großen Inhaltlichkeit beigetragen. Ansonsten haben wir uns an die klassische Struktur gehalten – Sessionplanung und -koordination, und dann ab in die Sessions. Ganz am Ende stand wie gewohnt ein gemeinsamer inhaltlicher Austausch mit Blick auf die Zukunft. Bemerkenswerterweise waren auch da fast alle bis zum Schluss da.
merz: Welches Minimum an Erfahrungen braucht man denn, um ein Barcamp zu organisieren?
Rösch: Also, ich finde, wer im pädagogischen Bereich tätig ist und Projekte mit Menschen macht, also die, die an den Teilnehmenden orientiert sind, die oder der kann das machen. Und ich finde, Mut und Selbstreflexion sind das Allerwichtigste. Also, immer wieder zu überlegen, orientiere ich mich wirklich an den Teilnehmenden und was passt am besten zu der Zielgruppe. Das muss man sich immer wieder vor Augen führen, damit man nicht in alte Bahnen zurückrutscht. Und vorher ein Barcamp besuchen, das ist sicher auch nicht schlecht ...
merz: Im letzten Praxis-Camp habt ihr bzw. die Teilnehmenden in den Sessions unter anderem die Themen Lightpainting und digitale Herrschaftsverhältnisse behandelt. Wie wird das in diesem Jahr am 22. und 23. September in Mainz aussehen?
Rösch: Es wird, glaube ich, sehr ähnlich aussehen. Und wir versuchen wieder einen Rahmen herzustellen, der Menschen dazu animiert, ihre Themen mitzubringen. Ich kann jetzt nicht genau sagen, was die Themen sein werden. Wir versuchen, die Menschen zu inspirieren und zählen dann darauf, dass sie ganz viele Fragen oder Informationen mitbringen. Ich bin aber zuversichtlich, dass das funktioniert. Es ist total faszinierend, wer beim letzten Mal da war: Studierende, Leute, die in der medienpädagogischen Praxis sind, Forschende, Menschen, die ein bisschen mit der Medienpädagogik in Berührung gekommen sind und vielleicht noch intensiver einsteigen wollen und alte Häsinnen und Hasen. Wer dieses Jahr dabei sein möchte, kann sich auf unserer Website unter www.barcamptools.eu registrieren und als Teilnehmerin bzw. Teilnehmer oder als Teilgeberin oder Teilgeber melden, und im Herbst seine eigenen Inhalte beisteuern.Eike Rösch ist Dozent für Medienbildung an der Pädagogischen Hochschule Zürich und Herausgeber des Medienpädagogik Praxis-Blog. Seine Schwerpunkte im Blog sind Video, Web, Gestaltung und Präsentation.
- Antje Müller: Generation What?
Antje Müller: Generation What?
Junge Erwachsene nehmen verstärkt soziale Ungleichheiten war, schätzen die kulturelle Vielfalt, aber auch die vorhandenen Freiheiten und den Individualismus in Deutschland. Das ist ein Ergebnis der europäische Umfrage Generation What? der ländereigenen Sendeanstalten, die jetzt abgeschlossen ist. Die jungen Erwachsenen haben zudem nur mäßiges Vertrauen in die Medien, wobei 41 Prozent kaum und 22 Prozent überhaupt kein Vertrauen schenken. Ohne Informationen wird die Generation allerdings auch nicht glücklich (56 %), überraschenderweise aber durchaus ohne Handy (62 %). Wird nach der Internetbindung gefragt. So zeigt sich, dass eine schwache Mehrheit sowohl unter den Schülerinnen, Schülern und Studierenden (52 %) als auch unter den Berufstätigen (51 %) nicht ohne Internet glücklich sein könnte. Dabei geben sogar 63 Prozent der Schülerinnen und Schüler sowie Studierenden an, dass sie nicht mit ihren Eltern auf Facebook befreundet sind. Die jungen Deutschen wünschen sich außerdem, dass am Ausmaß an Freiheiten und Individualismus nichts verändert wird (91 % und 80 %). Zum Glücklich-Sein werden aber noch andere Dinge benötigt: Die Mehrheit (71 %) kann sich nicht vorstellen, ohne Job glücklich zu sein – und auch nicht ohne andere Mitmenschen: 65 Prozent verneinen, dass sie sich nur auf sich selbst verlassen können. Was die befragten jungen Deutschen wirklich stört, sind erschlichene Leistungen vom Staat (60 %) und dass die soziale Ungleichheit immer mehr zunimmt (85 %). Weitere 52 Prozent finden zudem, dass das System nur teilweise Leistung adäquat belohnt. Generation What? ist ein multimediales Projekt, das vom Bayerischen Rundfunk, vom Südwestrundfunk und vom ZDF umgesetzt und international von der Europäischen Rundfunkunion koordiniert wurde. Von April 2016 bis April 2017 haben sich mehr als 940.000 Menschen aus 35 Ländern beteiligt. Damit ist es die größte europaweite Studie zur Lebenswelt junger Menschen im Alter von 18 bis 34 Jahren. Auf der Website lassen sich die Ergebnisse auch in Echtzeit länderübergreifend vergleichen.
- Antje Müller: Extreme Dialogue
Antje Müller: Extreme Dialogue
Institute of Strategic Dialogue, Duckrabbit, Tim Parry Johnathan Ball Foundation for Peace (Hrsg.) (2017). Extreme Dialogue. www.extremedialogue.org, kostenfrei.
Sich fremd, ausgegrenzt oder allein gelassen fühlen, auf sich gestellt sein, umgeben von Problemen – das schürt manchmal die Entwicklung extremer Vorstellungen und führt zu einer Spirale von Denkweisen, die unter anderem auch zur Festigung ideologisierter Haltungen und Einstellungen beiträgt, und sich in der Unterstützung extremistischer Gruppierungen kanalisiert.Mitwirkung, Offenheit und gemeinschaftliches Lernen ist aus diesem Grund der zentrale Ansatz des aus Großbritannien stammenden Lernbegleiters Extreme Dialogue, welcher für ‚schwierige‘ Themen wie Gewalt, Extremismus, Terrorismus und Islamismus bei der Aufklärung und Schulung 14- bis 16-Jähriger genutzt werden kann. Das kostenfreie Online-Materialpaket besteht aus einer Reihe dokumentarischer Kurzfilme und offen zugänglicher Lehrmittel für insgesamt dreieinhalb- bis viereinhalbstündige Workshops, die sich aus ein- bis eineinhalbstündigen Themenblöcke zusammensetzen.
Derzeit sind fünf Sets verfügbar, die sich mit erlebten und überlebten Taten auseinandersetzen. Gefördert werden sollen damit eine kritische Denkweise und die digitale Bildung, welche sich durch sichere und konstruktive Diskussionen über Extremismus und Radikalisierung in einem schulischen oder gemeinschaftlichen Rahmen entwickeln können. Extreme Dialogue möchte Kontakt zu den Menschen herstellen, mit denen das junge Zielpublikum normalerweise keinen Umgang hat, um so dem Schwarz-Weiß-Denken ‚wir gegen die Anderen‘ entgegenzuwirken.Kernelement des Präventionskonzepts sind persönliche Geschichten von internationalen Täterinnen und Tätern wie auch von Opfern, die von Extremismus aus dem gesamten ideologischen Spektrum betroffen sind. Darunter finden sich unter anderem ein ehemaliges Mitglied einer rechtsextremen Gruppe in Kanada, ein Flüchtling aus Syrien und ein ehemaliges Mitglied der Ulster Volunteer Force (UVF), dessen Vater von der IRA getötet wurde.
Innerhalb von etwa fünf bis zehn Minuten berichten die Männer in ihrer Landessprache – untertitelt in wahlweise deutscher, englischer, ungarischer oder französischer Sprache – von ihrem düsteren Lebensweg und ihrer Kindheit, die oft verkettet ist mit verstörenden Erfahrungen. Innerhalb emotional geladener Erklärungen machen sie mit deutlichen Worten die Beweggründe für die vom Hass getriebenen Taten und Erlebnisse klar, und beschreiben nachvollziehbar den schwierigen Prozess, diese zu überwinden. Neben den Dokumentarfilmen stehen Prezi-Präsentationen und Ressourcenpakete zur jeweiligen Falldarstellung bereit, die über den Link ‚Unterrichtsmaterial‘ auf Deutsch, Englisch, Ungarisch und Französisch abrufbar sind. Diese eignen sich daher auch für den Einsatz im deutschsprachigen Unterricht; übrigens sind alle Filme auf Anfrage auch in Britischer Gebärdensprache erhältlich.
Darin enthalten sind partizipative Übungen und Aktivitäten zur Anregung und sicheren Durchführung robuster Diskussionen. Mithilfe von zum Beispiel Fragestellungen zum explorativen Lernen und narrativen Übungen kann das Einfühlen in unterschiedliche Perspektiven und Standpunkte sowie das Engagement zur Richtigstellung fragwürdiger Aussagen gefördert werden. Weiterhin wird Anlass gegeben über die Auswirkungen von Handlungen und Entscheidungen nachzudenken und nach neuen Möglichkeiten und Alternativen zu suchen.In Anbetracht der vielfältigen und zahlreichen Formen von Gewalt, denen vor allem junge Menschen ausgesetzt sind und auf die sie selbst zurückgreifen, liefert das Materialpaket ein gut durchdachtes interaktives Präventionskonzept, um die online wie offline geführten Gespräche unter Gleichaltrigen auch in Gegenwart eines sachkundigen Erwachsenen zu führen. Medial gestützt und vorrangig mit Diskussionsübungen in Klein- bis Großgruppen können so problematische Verhaltensweisen – wie Misstrauen, Entfremdung und Entmenschlichung – wirksam aufgebrochen werden, bevor sich extreme Einstellungen festigen.
Gleichzeitig liefert das Konzept wichtige Impulse zur eigenen Meinungsäußerung und fördert das soziale Engagement in Schulklassen und Jugendgruppen – durch eine anregende Auswahl und eine prägnante Beschreibung von ‚Aktivitäten‘ und einen Überblick über potenzielle ‚Lernleistungen‘ und ‚Lehreinheiten‘ mit jeweiligen Lernzielen und Empfehlungen zu möglichen Reaktionen und Herausforderungen. Mit einer ansprechenden und schnell realisierbaren Methodenmischung aus geschlossenen Abschnitten und Gruppenarbeitsvariationen könnten die einzelnen Ressourcenpakete im Webangebot jedoch dominanter platziert und um Schnellhilfen mit geringeren Seitenumfängen ergänzt werden. Zudem geht nicht immer klar hervor, wie sich die Filme und Prezi-Präsentationen ergänzend in die Vorschläge zur Seminargestaltung einfügen sollen. Die Kurzfilme und Einzelinterviews verkörpern ein wirksames Element, um die Eindringlichkeit des Themas zu verdeutlichen. Eingebettet in persönlichen und emotional aufgeladenen Berichten erhalten die Nutzenden ein umfassendes Bild von der Täterin, dem Täter bzw. vom Opfer, die bewusst auf eine Verschleierung, Verklärung oder Verharmlosung ihrer Situation verzichten.
Trotz der Brisanz des Themas, das durchaus auch beängstigende Potenziale birgt, wird auf die visuelle Darstellung von Gräueltaten, widrigen Lebensumständen oder gewalttätigen Methoden verzichtet – das kommt der jungen Zielgruppe entgegen. Auffällig ist jedoch die überwiegende Täterperspektive, die zudem ausschließlich von älteren Männern geschildert wird. Für gefährdete junge Frauen bzw. zur Extremismus-Prävention für weibliche Risikogruppen findet sich hier leider noch kein Anknüpfungspunkt. auch stellt sich die Frage, ob diese Tatbeschreibungen für Jugendliche genügend anschlussfähig sind. Zu beachten ist darüber hinaus, dass fast alle Täterperspektiven aus einer vorab geschilderten selbst durchlebten Opferrolle resultieren und somit die filmische Dokumentation, sofern sie alleinstehend angewandt wird, vorhandenes extremistisches Gedankengut möglichweise eher schüren statt verhindern könnte.
Bei der reflexiven Einordnung und Brückenleistung kommt den Lehrenden dementsprechend eine wichtige Rolle zu. Extreme Dialogue ermutigt insgesamt zum kritischen Denken und gibt Anlass zum Nachdenken über eigene Grundwerte und gemeinsame Überzeugungen. Ziel des Partizipationskonzepts ist die Erlangung von Kenntnissen über Wurzeln und Auswüchse extremistischer Taten, wie auch das Verstehen von Motiven und die Infragestellung von Mythen und Missverständnissen im Zusammenhang mit extremistischen Gruppierungen. Das Konzept eignet sich daher weniger zur Entradikalisierung als vielmehr zur Prävention. Der Aufbau von Kompetenzen, wie die Fähigkeit zur Analyse von Konsequenzen und Wirkungen des gewalttätigen Extremismus, leistet auf diese Weise einen Beitrag dazu, dass junge Leute gesellschaftliche Veränderungen aktiver mitgestalten.
- Antje Müller: Abenteuerwelt zum Einsatz im Unterricht
Antje Müller: Abenteuerwelt zum Einsatz im Unterricht
jippie.life ist eine Multimedia-Onlineplattform und interaktiveErlebniswelt für Kinder von sieben bis 13 Jahren, die mit Geschichten auf die Anforderungen und Herausforderungen im neuen Medienzeitalter vorbereiten möchte. Das Gesamtkonzept des Webportals basiert auf einem Krimi-Abenteuer rund um das Weltkultur- und Naturerbe, welches zusammen mit Minispielen zum aktiven Einstieg in die Erlebniswelt der Plattform anregt. Die Abenteuer sind dabei als ‚Clickable-Comics‘ aufbereitet, in der die spielbare Hauptfigur, der elfjährige Tarek, für Interpol um die Welt reist, um zusammen mit der zwölfjährigen Freia und seinem Hund Kito die Behörden über die Machenschaften des berüchtigten Alpenköngis und dessen Schmugglerbande aufzuklären. Dabei bewegen sich die Spielerinnen und Spieler – ob mit eigenem Account oder ohne Log-in – frei durch die Stationen und Spielwelten, mit dem Ziel, durch das Erfüllen von Aufgaben ihr Reisegepäck aufzufüllen und Belohnungen im Abenteuerbuch zu sammeln.
Die Plattform verbindet damit spielerisch die Aneignung nützlichen Wissens über Kulturen, Völker oder Tiere mit kleinen unterhaltsamen Elementen. Zum medialen Austesten für Kinder und Jugendliche bietet die Erlebniswelt sowohl internationale Bezüge als auch Lern-Übungen, die in der Gestaltung der Spielwelt integriert sind. jippie.life regt darüber hinaus zur Entwicklung eigener Inhalte an, die mit Freundinnen und Freunden, Familie oder in der Schulklasse über verschiedene Medien weiterentwickelt werden können. Hierfür wird das JIPPIE-Schulforum zur Verfügung gestellt, das die Plattform für die Nutzung im Unterricht der dritten bis sechsten Klassen per Log-in zugänglich macht. Hier können Arbeitsergebnisse veröffentlicht oder ausgetauscht und Materialien wie digitale Arbeitshefte und fachspezifische Arbeitsblätter genutzt werden, um neue Medien stärker in den Unterricht einzubeziehen.
Das Webportal wird gefördert mit Mitteln der nordmedia Film- und Mediengesellschaft Niedersachsen/Bremen und der Staatsministerin für Kultur und Medien über das Programm Ein Netz für Kinder.
- Antje Müller: „musstewissen“, sagt funk
Antje Müller: „musstewissen“, sagt funk
„Im Unterricht nicht aufgepasst? Bei den Hausaufgaben keinen Plan und morgen eine Klassenarbeit? Hättste wisse müsse? Kannste wissen – musstewissen ...“ – seit Mitte März diesen Jahres ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinem Angebot musstewissen auf YouTube vertreten. Produziert von funk, entwickelt das ZDF in Kooperation mit der ARD ein schulbegleitendes Edutainment-Angebot, dass studierte Expertinnen und Experten aus Natur-, Geschichts- und Kommunikationswissenschaften zusammenführt und zu E-Lehrkräften macht. Adressiert an Achtklässlerinnen und -klässler soll Jugendlichen zwischen 14 und 29 Jahren Grundwissen in Mathe, Deutsch, Chemie, Geschichte und Physik vermittelt werden, das ihnen bei Klausuren, Referaten oder Hausarbeiten helfen und ganz nebenbei auch noch Spaß machen soll.
Die Playlist erweitert sich wöchentlich um ein neues Erklärvideo, wobei die Inhalte auf die Lehrpläne der verschiedenen Bundesländer und Schulformen abgestimmt sind. Immer montags stehen Formeln, Gleichungen und Textaufgaben mit dem journalistisch bewanderten ‚Mathe- Kumpel‘ Nicole Valenzuela auf dem Stundenplan. Dienstags läuft ‚Die Klugscheisserin‘ und musikalische Europaexpertin Lisa Ruhfus im Kanal musstewissen Deutsch zur theatralischen Höchstform auf. Bergfest gefeiert wird mit der smarten Polymerforscherin Mai-Thi Nguyen-Kim von schönschlau und Terra X Lesch & Co, die jeden Mittwoch zu einem charmanten Ausflug in die Welt der Chemie einlädt. Donnerstags wird mit dem unterhaltsamen, pädagogisch versierten Geschichtenerzähler MrWissen2go Mirko Drotschmann in historisch bewegte Zeiten und das Leben spannender Persönlichkeiten eingetaucht. Und schließlich wird am Freitag mit dem witzigen, sportlich-musikalischen Dreamteam Simon Weßel-Therhorn und Eduard Flemmer von LekkerWissen und einer doppelten Portion physikalischer Experimente ins verdiente Wochenende gejumpt. Wer trotzdem noch nicht gut genug vorbereitet fühlt, findet auf Instagram und Facebook den passenden Spickzettel, einschließlich weiterer spannender Fakten zum behandelten Stoff. Alle musstewissen-Kanäle zeichnen sich durch eine einheitliche Struktur und Aufbereitung aus. Eingesetzt werden zahlreiche animierte Erklärgrafiken, um das Gesagte verständlich zu machen. Typisch sind die immer wiederkehrenden Merkkästen mit Begriffsklärungen, Schlagwörtern, Formeln oder Zusammenfassungen. In den Geschichts-‚lesungen‘ wird darüber hinaus mit unaufgeregten Hintergrundbildern gearbeitet, die – wie in einer Diaprojektor-Vorführung – regelmäßig wechseln.
Jeder Kanal fokussiert die Stärken seines Fachgebiets. So nutzt das Physiker-Duo die Chance auf Experimente unter Einsatz abwechslungsreicher Beispiele wie Skateboards, Taschenlampen oder Holzstäbe, während sich in Deutsch auf aufwendig produzierte, humorvolle Bühnendarbietungen mit Aha-Effekt konzentriert wird. In Mathematik gibt es dagegen Schritt-für-Schritt-Anleitungen für schwierige Formeln mit einer angenehmen Vortragsgeschwindigkeit und musstewissen Chemie wiederum bewegt sich im Spannungsfeld informatives Labor mit Coolnessfaktor und Augenzwinkern. Manche Themen werden relativ zügig innerhalb von drei Minuten erklärt, mit anderen setzt sich das YouTuber-Team in bis zu elf Minuten auseinander – und das gern auch auf Wunsch der Community. Generell wird auf Anschlusskommunikation und Interaktion in den Kommentaren hoher Wert gelegt. Die überwiegend positiven Resonanzen fallen dabei recht unterschiedlich aus und stammen gerade in den Kanälen Mathe und Deutsch häufig von Älteren, wie Studierenden oder auch kritischen pädagogischen Fachkräften. Auffallend hoch frequentiert kommt dagegen Geschichte bei der eigentlich adressierten Zielgruppe an. Die hohe Eignung zum Zuschauen oder auch Nebenbeihören der ersten musstewissen Geschichte- Produktionen scheinen einen Nerv zu treffen. Wer es dagegen lieber unterhaltsamer und dynamischer mag, schaltet musstewissen Deutsch oder Physik ein. Obgleich der zahlreichen humorvollen Analogien, Metaphern und anderer abwechslungsreicher (sprachlicher) Erklärmittel ist das Informationslevel mindestens immer gleich auf mit dem Unterhaltungslevel und hält konstant die Erklärlinie vom Einfachen zum Komplizierten, vom Konkreten zum Abstrakten. Doch trotz innovativer Elemente bleibt musstewissen eher dem klassischen Frontallehrer-Unterrichtsstil zugeneigt, der Schrift und Zahlen fixiert. Die Gestaltungsmittel sind zwar vielfältiger und helfen den visuellen Lerntypen, dennoch ist die Nähe zur Kindernachrichtensendung logo! auffällig.
Insbesondere die Animationen erinnern häufig an das bekannte Erklärstück. Dieses zentrale Element, welches alle Kanäle verbindet, könnte – entsprechend dem Innovationscharakter des Formats – einen eigenständigen Anstrich vertragen. Neben zum Teil hohen Sprechgeschwindigkeiten und Inhalte-Dynamiken, die je nach Thema auch gut angekommen, zeigt sich eine Entwicklung zum ‚Glattmachen‘ des Edutainment- Angebots. Wo sich am Anfang noch Versprecher, Lacher und sichtbare Begeisterung zeigten, stehen mittlerweile häufiger perfektionierte, monotone Vorträge ohne Höhen und Tiefen und konventionelle Unterrichtsbeispiele auf dem Plan. Mit Blick auf die beliebtesten YouTuberinnen und YouTuber der 14- bis 29-Jährigen und die hohe Bedeutsamkeit ihrer Persönlichkeit, besteht Potenzial, die Community mit einer stärkeren Nähe ganz individuell und authentisch anzusprechen. musstewissen bietet dennoch mit seinem umfangreichen Lernvideoangebot eine gute Ergänzung zum Unterricht. Durch die Besetzung wird das Klischeebild einzelner Fachgebiete aufgeweicht und die hohe Varianz eingesetzter Gestaltungs- und Aufbereitungsmittel zeigt die Experimentierfreudigkeit wie auch hohes Engagement der Macherinnen und Macher. Zwar erreicht das Angebot noch vorwiegend Studierende, Erwachsene und pädagogische Fachkräfte, nichtsdestotrotz schafft musstewissen ein gut aufbereitetes, ansprechendes Angebot, dass zum freiwilligen selbstständigen Lernen motiviert und denjenigen helfen kann, die neben der direkten Schüler-Lehrer-Interaktion nach alternativen, leicht verständlichen Lernmitteln suchen.
- Antje Müller: Jugend-Medien-Studie 2017
Antje Müller: Jugend-Medien-Studie 2017
Klassisches Fernsehen wird verdrängt und Medienkompetenz setzt sich im Lehrplan durch. Die Oö. Jugend-Medien-Studie 2017 hat das Medienverhalten der Elf- bis 18-Jährigen untersucht und stellt fest: On Demand ist weiter auf dem Vormarsch. Streaming-Dienste wie Netflix (26 %) und Amazon (23 %) sowie Internetplattformen wie YouTube (77 %) stellen für Jugendliche die Hauptquelle für Filme und Videos dar. Im Freizeitverhalten sind die Elf- bis 18-Jährigen jedoch nicht ausschließlich den neuen Medien zugewandt. So kommt noch vor der Kommunikation via WhatsApp und Facebook (73 %), Freunde offline zu treffen (80 %) und mit Familie und/oder Fernsehen Zeit zu verbringen (65 %). Auch die Lesefreude aller Medienangebote bleibt ungebrochen. Unter den genutzten Medien bekommt der Computer Konkurrenz durch den Alleskönner Smartphone, mit dem die Jugendlichen chatten (68 %), YouTube schauen (68 %), telefonieren und surfen (je 63 %).
Zunehmend unbeliebter wird der Computer bereits in Sachen Games. Nur noch 23 Prozent spielen fast jeden Tag mit ihm (2013: 37 %). Die bevorzugten Internetplattformen beinhalten Musikvideos (50 %), lustige Clips (44 %), Comedy von YouTubern (34 %) und Tutorials (25%). Obwohl sich Eltern im Vergleich zu 2015 (32 %) weniger Sorgen machen (24 %) und sich gelassener zeigen, wenn ihr Kind online ist, werden vermehrt Regeln aufgestellt. Nur noch 45 Prozent (2015: 59 %) erlauben ihren Kindern eine uneingeschränkte Smartphone-Nutzung, 64 Prozent (2015: 59 %) haben Verhaltensregeln zur Internetnutzung aufgestellt. Zu den wichtigsten Regeln zählen, keine persönlichen Daten preiszugegeben (79 %), nichts im Internet zu kaufen (76 %), bestimmte Websites nicht zu besuchen (69 %) und das Internet nur zu vorgegebenen Zeiten zu nutzen (64 %).
In Anbetracht der Entwicklungen reagieren auch Lehrkräfte und halten die Vermittlung von Medienkompetenz an der Schule für ein zentrales Thema (93 %). Neue Medien bzw. Technologien werden dementsprechend für die Erstellung von Arbeitsmitteln (96 %), zum Suchen und Sammeln von Informationen (90 %), zur Video- oder Audiowiedergabe (89 %), für Apps und Lernprogramme (72 %) und für E-Learning-Aktivitäten (63 %) eingesetzt. Die Oö. Jugend-Medien- Studie wird jährlich von der Education Group durchgeführt und befragt Jugendliche zwischen elf und 18 Jahren, Eltern mit Kindern im Alter zwischen elf und 18 Jahren und pädagogische Fachkräfte der Sekundarstufe I zum Medienverhalten österreichischer Jugendlicher.
- Antje Müller: Gender und Gaming
Antje Müller: Gender und Gaming
Hahn, Sabine (2017). Gender und Gaming. Frauen im Fokus der Games-Industrie. Bielefeld: transcript. 226 S., 34,99 €.
Spielen ist ein zentraler Bestandteil verschiedenster Kulturen. Es ist nicht nur unterhaltend oder dient eskapistischen Motiven, vielmehr transportiert es eine Fülle an kulturtypischen Besonderheiten, Normen und Werten. Ganz allgemein genießt Spielen aber auch gesellschaftsübergreifendes Ansehen, das mit seinem interaktionistischen Charakter mit Leichtigkeit soziale Gruppen zusammenführt, Fremdheit in Freundschaft verwandelt und sich dabei einem zur Sprache alternativen Kommunikationsmedium bedient. Diese positive Zuschreibung, oft verbunden mit einer freudigen, kindlichen Erinnerung, stand lange Zeit in Kontrast zum Ruf digitaler Spiele. Verpönt als ‚Killerspiele‘, die nicht zuletzt durch vermehrte Amokläufe skandalisiert wurden, galten sie allein durch ihre Neuartigkeit in der Medienlandschaft als verhaltenspsychologisch riskant.
Erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts konnten sie einen kulturellen wie auch wirtschaftlichen Aufstieg verzeichnen. Als fester Bestandteil des Medienalltags breiter Bevölkerungsschichten erreichen digitale Spiele inzwischen jeden zweiten Deutschen und gelten seit 2008 ganz offiziell als Medium mit Kulturgutcharakter. Entwicklungen wie diese fördern digitale Spiele in ihrer Zugänglichkeit für Randgruppen. Führende Personen des öffentlichen Lebens und der Politik zeigen eine höhere Aufgeschlossenheit, aber vor allem auch weibliche Spielerinnen interessieren sich zunehmend für die immer vielfältiger werdenden Spieledesigns und -content. Unlängst stellen Gamerinnen mit einem Anteil von rund 50 Prozent eine wirtschaftlich hoch relevante Zielgruppe dar, die nicht zuletzt die Kaufentscheidungen männlicher Familienangehöriger treffen.
Die ehemalige Games-Entwicklerin, Sabine Hahn, unternimmt aus diesem Grund mit ihrem Werk Gender und Gaming den notwendigen Schritt, digitale Spiele von ihrem überholten ‚Boys Toys‘-Image zu lösen und verdeutlicht, dass Konsuminteressen weiblicher Gamerinnen und die erhöhte Offenheit gegenüber Games-Entwicklerinnen eine stärkere Berücksichtigung finden sollten. Ausgehend vom theoretischen Ansatz des Virtuous Cycle untersucht sie das ‚Henne-Ei-Problem‘, dass der Annahme unterliegt, dass der wachsende Anteil der von weiblichen Spielerinnen bevorzugt gespielten Games zusammen mit einer erhöhten Unterstützung der im Arbeitsumfeld integrierten weiblichen Werte sowie Arbeitsstile dazu führt, dass sich mehr Mädchen und Frauen für Games interessieren. Der Virtous Cycle bewirkt dementsprechend die Herstellung solcher digitaler Spiele, die sich insbesondere an Frauen und Mädchen wenden, weil mehr Entwicklerinnen an Games arbeiten und dieser Umstand wiederum dazu führt, dass mehr Spiele entstehen, die Frauen und Mädchen anziehen. Als Kulturwissenschaftlerin, Soziologin und Journalistin untersucht Hahn, die selbst zehn Jahre in der englischen, koreanischen und amerikanischen Spieleindustrie beschäftigt war, konsequenterweise die weiblichen (Konsum-)Interessen und Bedingungen zur Schaffung attraktiver Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Frauen und Mädchen.
Sie widmet sich in der Publikation der Wirksamkeit des sozio-kulturellen Geschlechts und dessen Rolle in der Gamer-Industrie und -Kultur. Der Grundannahme folgend, dass alle Ebenen in einem positiven Zusammenhang des Virtuous Cycle stehen, konzentriert sie sich darüber hinaus auf die Situation der Frauen innerhalb der Unternehmen der Spieleindustrie und erörtert unterschiedliche Fragestellungen im Hinblick auf Frauen und digitale Spiele. Der Band beschäftigt sich ausführlich mit der Begriffsbestimmung und Einordnung digitaler Spiele. Es werden nicht nur Definitionen aus unterschiedlichen kommunikations- und kulturwissenschaftlichen Perspektiven herausgearbeitet, sondern parallel auch die Relevanz und das Erkenntnisinteresse digitaler Spiele als Kulturgut, als Medium und als Wirtschaftsfaktor transparent gemacht. Innerhalb der theoretischen Perspektiven bedient sich Hahn grundlegenden Erkenntnissen der Games Studies, arbeitet Genderaspekte in Games und Gaming heraus und erläutert die Wirkweise des Virtuous Cycle.
Dieser eröffnet eine spannende neue Sicht auf das Forschungsfeld der Computerspiele und unterstreicht die Forderung nach Diversity, welche sich implizit an die marktentscheidenden, an der Formung und Internalisierung von stereotypen Werten und Einstellungen beteiligten Urheberinnen und Urheber richtet. Das Wirkkonzept sowie die Tragweite des Virtuous Cycle verdeutlicht Hahn unter anderem durch Exkurse zu Die Sims, das erstmals einen meßbaren, wirtschaftlichen Erfolg bei Gamerinnen erzielte. Weitere Ausführungen, wie zur #GamerGate- Debatte oder zum Girl Game Movement, vermitteln darüber hinaus wichtiges Insiderwissen und eine kritische Auseinandersetzung mit bisher eher unterbeleuchteten Entwicklungen in der Computerspielbranche. Im zweiten Teil des Bandes setzt sich Hahn intensiv mit dem Forschungsstand zu Frauen und digitalen Spielen auseinander, wobei es ihr gelingt, sowohl die wichtigsten Vertreterinnen und Vertreter aus dem Fachbereich Gender und Games mit deren aktuellsten Forschungsergebnisse zu bündeln als auch eine hochgradige Internationalität abzubilden.
Einen stärkeren synoptischen und wissenschaftlich-analytischen Blick kann und will dieser Band zwar nicht leisten, dafür unterstützen die gesammelten Ergebnisse jeden wissenschaftlich Interessierten und Arbeitenden bei der Gewinnung eines Überblicks über das noch junge Forschungsfeld. Abgesehen von einer mitunter auftretenden inhaltlichen Überschneidung wird mit einer einfachen und verständlichen Sprache und mithilfe zahlreicher Studien- und Hintergrundinformationen die wissenschaftliche und wirtschaftliche Relevanz des Themas nachvollziehbar gemacht. Auch wenn der Einsatz einer gendersensiblen Sprache den Eindruck des Bandes nicht gemindert hätte, wurden wichtige neue Aspekte wie die Bedeutsamkeit von Games als Werte- und Rollenmodell- Lieferant oder die Relevanz von Narration in Games sowie die sozialen und ökonomischen Auswirkungen des Geschlechts bei der Produktentwicklung zu Tage gefördert.
Der Fokus im Gender- und Gaming- Diskurs auf den Virtuous Cycle als Kernursache für die Abwesenheit von Interessentinnen und Konsumentinnen hätte mit einer Ausweitung des Blicks auf andere relevante Ursachen, die beispielsweise der strukturellen Gewalt inhärent sind, noch abgerundet werden können. Insgesamt liefert Gender und Gaming eine empfehlenswerte Überblicksarbeit mit einem ersten Zugang auf die Expertenperspektive der Produzenten zu einem kulturell bedeutsamen Forschungsgebiet. Im Wirkkreis der Computerspiele werden Frauen als relevante Zielgruppe betrachtet, die nicht nur als Konsumenten Schnittpunkte liefern, sondern zugleich auch in der Spielindustrie sowie als Spielfiguren Einfluss auf die Entwicklung stereotyper Wertvorstellungen nehmen. Die Publikation präsentiert sich mit eine gelungenen Verzahnung unterschiedlichster Forschungsperspektiven und lädt mit einem zu Recht erhaltenen Platz im Forschungsbereich der Gender und Games Studies zur näheren Überprüfung des Virtuous Cycle ein.
- Antje Müller: nachgefragt
Antje Müller: nachgefragt
Antje Müller sprach mit Dr. Ida Pöttinger, Sprecherin der GMK-Fachgruppe Global Media Literacy und Gründungsmitglied der International Association for Media Education (IAME), über Zielstellungen und Beweggründe für den Aufbau des gemeinnützigen medienpädagogischen Vereins und Netzwerks IAME.
merz Sie haben als Vertreterin der GMK Ende 2016 den medienpädagogischen Verein IAME in Brüssel mit begründet. Womit befasst sich IAME?PöttingerIAME ist ein Zusammenschluss verschiedener Organisationen und Personen. Die Gründungsmitglieder arbeiten fast ausschließlich ehrenamtlich am Aufbau mit. Uns eint die Erkenntnis, dass eine Arbeit auf nationaler Ebene nicht ausreichend ist. Medien und die Medienindustrie arbeiten international. Die Probleme hinsichtlich Datenschutz, Fake News, Social Media oder der Algorithmisierung des Alltags sind weltweit dieselben. Auch die Strukturen sind zum Teil identisch: Viel Informatikunterricht, wenig kreativer oder reflektierter Umgang mit Medien. Der inhaltliche Druck auf die Politik ist höher, wenn man gemeinsam auftritt. Es gibt zwar mit der Global Alliance for Partnerships on Media and Information Literacy (GAPMIL) eine aktive UNESCO-Organisation. Sie erarbeitet medienpädagogische Programme für die Lehrerbildung, unter anderem für Kenia, Puerto Rico oder Korea. Das Problem bei dieser Organisation ist allerdings, dass sie nach dem Top-Down- Prinzip funktioniert. IAME dagegen ist eher eine Bottom-Up-Community, in der sich Mitglieder einbringen sollen und ein gleichberechtigter Austausch zu aktuellen Themen angestrebt wird.
merz An wen richtet sich IAME genau?Pöttinger An alle, die mit Medienpädagogik zu tun haben. Hier in Deutschland ist die Struktur ja relativ einfach, es gibt das JFF und die GMK. Alle Medienpädagoginnen und Medienpädagogen, egal ob sie einzeln oder in einem größeren Verband arbeiten, erhalten über diese Organisationen Informationen und können sich untereinander austauschen. In anderen Ländern ist das ganz anders. In Frankreich zum Beispiel wird Medienpädagogik in den Ganztagsschulunterricht integriert. Das heißt, es gibt viele über das ganze Land verstreute Lehrkräfte, die sich allein gelassen fühlen und höchstens auf verschiedenen Tagungen zusammenkommen. An die wendet sich unser Verein auch.
merz Auf welche Themenfelder und Arbeitsbereiche hat sich IAME spezialisiert?Pöttinger Wir verstehen uns in erster Linie als Austauschplattform und widmen uns aus diesem Grund in sieben Arbeitsgruppen sieben verschiedenen Themenfeldern. Dabei haben wir eine ähnliche Struktur wie die GMK. Dort ist es so, dass es Untergruppen gibt, die sich um bestimmte Themenbereiche kümmern, die sogenannten Fachgruppen. So in etwa machen wir das auch. Eine Arbeitsgruppe befasst sich mit Forschung auf dem Gebiet Medienbildung. Eine andere Gruppe hat sich den Schwerpunkt neue Medien und ihre Herausforderungen gesetzt. Wieder eine andere Arbeitsgruppe beschäftigt sich beispielsweise mit Produktionen in der medienpädagogischen Praxis, eine weitere mit neuen Medien und Kultur. Es gibt zudem eine Gruppe, die sich mit rein strategischen Fragen befasst. Also beispielsweise mit der Frage, wie Medienpädagogik in die internationale Politik einfließen kann. Im sechsten Aufgabenbereich geht es um Medienerziehung in inter- sowie transkulturellen Gesellschaften. Und schließlich gibt es noch eine Arbeitsgruppe zum frühkindlichen Medienzugang. Die medienpädagogische Praxis ist also gut abgebildet.
merz Was wären Gründe für Medienpädagoginnen und Medienpädagogen dem Verein beizutreten?Pöttinger Zu unseren drei Hauptzielen gehört erstens, dass Medienbildung überall in Europa sichtbar wird, und nicht nur wahrgenommen wird, wenn etwas schief gegangen ist. Zweitens wollen wir Ressourcen, didaktische Ansätze und Wissen austauschen. Drittens unterstützen wir uns gegenseitig und treten als Interessensvertretung auf. Aus diesen drei Hauptzielen kann abgeleitet werden, wie die künftige Arbeit aussehen wird. Im Vordergrund stehen das gegenseitige Kennenlernen und das Knüpfen von Partnerschaften. Wenn ich bestimmte Vorstellungen von einem Projekt habe und Partner suche, dann kann ich mich beispielsweise an IAME wenden. Hilfreich sind zudem länderübergreifende Diskussionen von Forschungsergebnissen, von fachlichen Stellungnahmen zu aktuellen Themen oder der Austausch von Informationen zu Tagungen in ganz Europa.
merz Gibt es schon konkrete Planungen für einen regelmäßigen Mitgliederaustausch?Pöttinger Ja, die gibt es. Wir sind gerade dabei, die erste Tagung und die Wahl eines Vorstandes zu planen. Die erste Generalversammlung und eine damit verbundene Tagung findet vom 1. bis 3. Juli 2018 in Lucca, Italien statt. Zu dem dreitägigen englischsprachigen Treffen werden unter anderem David Buckingham aus Großbritannien und Normand Landry aus Kanada erwartet. Sie werden die Keynote-Speaker sein. Dazu wird es, ausgehend von den beschriebenen Arbeitsbereichen, mehrere Workshops geben. Der Fokus der Tagung liegt auf dem Thema Fake News. Was kann strategisch und pädagogisch getan werden, damit Informationsbeschaffung transparenter wird? Kann man beispielsweise gesetzliche Regulierungen einführen? Ist es gut, wenn der Staat diese Regulierungen vollzieht?
merz In welche Richtung möchte sich der Verein weiterentwickeln, wenn er sich etabliert hat?Pöttinger Wir hoffen natürlich, dass IAME eine Art ‚pressure group‘ wird, die gemeinsam beschlossene Vorschläge durchsetzt, sodass wir der Politik als starker Verband ein Signal senden können. Es gibt noch keine konkrete Agenda. Tatsache ist jedoch, dass sich auch in anderen Gründungsländern die Medienpädagoginnen und -pädagogen überfordert fühlen. Medienpädagogik soll alles richten, was Politik falsch macht oder wo sie vor großen Konzernen einknickt. Die IAME-Gründungsmitglieder sind unabhängig, verfügen über langjährige Erfahrung und sind oft genug empört, dass sich so wenig tut. Fake News ist nur unser erstes Thema, das wir mit Expertinnen und Experten aus mehreren Ländern diskutieren und unter medienpädagogischen und politischen Aspekten auswerten möchten. Es werden andere Themen folgen, aber wir möchten, dass die Mitglieder die Themen bestimmen. Die Pannen, die trotz Verschlüsselung von Daten passieren und die unübersichtlichen Hackerangriffe, das Darknet mit seinen Waffen- und Pornoangeboten liefern Themen genug. Wir möchten uns aber nicht auf die Jugendschutzseite konzentrieren, sondern darauf, wie wir Kinder, Jugendliche und Erwachsene in dieser komplizierten Welt begleiten können. Meine Vorstellung wäre, bürgernahe Hotspots zu schaffen, an denen alle Menschen konkrete Unterstützung bei Problemen mit Medien erhalten. Darüber hinaus könnten Kreativ-Kurse für Kinder und Jugendliche angeboten werden, um die Möglichkeiten und Grenzen beim Umgang mit Medien aufzuzeigen. Das PIXEL am Kulturzentrum Gasteig in München wäre so ein Beispiel. Aber das ist Zukunftsmusik.
Weitere Informationen: www.iame.education