Dr. Ida Pöttinger
Beiträge in merz
- Ida Pöttinger, Günther Anfang: Editorial
Ida Pöttinger, Günther Anfang: Editorial
Die Tendenz, dass in Deutschland immer mehr Ganztagsschulen eingerichtet werden, wird von Medienpädagoginnen und -pädagogen mit Freude wahrgenommen. Sie hoffen, dass sich dadurch die Chance erhöht, Medienpädagogik endlich in den Schulalltag integrieren zu können.Tatsächlich ist im Zuge der Ganztagsschuldiskussion in vielen Ländern Bewegung in die Förderung von Medienkompetenz gekommen: Einige Bundesländer investieren in die Zusammenarbeit von schulischen und außerschulischen Partnern, andere feilen an Standards zur Ergänzung von Bildungsplänen, wieder andere gründen Abteilungen, die gezielte Angebote an Schulen machen. Es tut sich etwas in der Medienbildungslandschaft, auch in Bezug auf die Stimmung.In den letzten Jahren erschienen sowohl auf Portalen als auch auf dem Fachbuchmarkt unzählige Projektbeschreibungen, Handreichungen und Medienmodule, die sich mehr oder weniger in Schule und Unterricht integrieren ließen. Während früher vor allem die außerschulische Medienpädagogik führend war, was Innovation und Kreativität anbelangt, so haben sich mittlerweile auch für den schulischen Bereich Neuerungen eingestellt. Die Beschreibungen sind so gut, dass sie auch Lehrkräften umsetzbar erscheinen. Auch die Angst, dass nur ausgewiesene Technikfreaks Medienprojekte an Schulen durchführen können, ist dank mehrjähriger Erfahrung der Lehrkräfte am eigenen PC einer größeren Gelassenheit gewichen. Für jeden ist in den Veröffentlichungen etwas dabei: Ob man nun den Zweiten Weltkrieg mit Medien plastischer darstellen möchte, ob man Arbeitsblätter zur Honigbiene braucht oder ob man Medien an sich thematisieren möchte. Jede und jeder findet im Netz oder bei Verlagen das, was sie oder er braucht. Das motiviert zumindest jene, die das Thema Medienkompetenz auf ihre Agenda gesetzt haben. Nicht immer kommt der Ruf nach Medienpädagogik an Ganztagsschulen aus der Ecke der Medieninteressierten. Einige Lehrkräfte haben das Potenzial von Medien in Bezug auf selbstgesteuertes Lernen mit Medien entdeckt. Die scharfe Trennung zwischen Mediendidaktik und Medienerziehung lässt sich nicht mehr aufrechterhalten. Der Umgang mit Medien wie PC und Internet zog eine Erosion des lehrerzentrierten Unterrichts mit sich. Und, auch wenn es manche nicht glauben, nicht allen Lehrkräften gefällt der Frontalunterricht. Sie genießen es, wenn Schülerinnen und Schüler selbständig in Gruppen arbeiten und eifrig nach eigenen Lösungen suchen. Es ist ihnen auch kein Dorn im Auge, wenn sie sich etwas beibringen lassen müssen und die kreative Gestaltung des Endprodukts einen Stellenwert einnimmt. Die Erkenntnis, dass Medienwissen zur Allgemeinbildung gehört, teilt vermutlich mittlerweile ein Großteil der Lehrkräfte.
Ein ähnliches Aufweichen der Fronten zwischen Schule und außerschulischer Bildung ist in Bezug auf Kooperationen zu beobachten. Nicht nur (aber auch) wegen Sparmaßnahmen oder dem Nicht-Vorhanden-Sein öffentlicher Mittel sind beide Partner mehr und mehr gezwungen, Kooperationen einzugehen. Das Gerangel um Eigenständigkeit ist einer praktisch, pragmatischen Sichtweise gewichen: Während anfangs versucht wurde, Kinder und Jugendliche im Rahmen von Nachmittagsangeboten in die Jugendhäuser zu lotsen, hat sich herausgestellt, dass es einfacher ist, die Geräte statt der Personen zu transportieren. Umgekehrt erkennen Schulen an, dass Medienpädagoginnen und -pädagogen nicht einfach durch Lehrkräfte oder billiges Hilfspersonal zu ersetzen sind. Eines der wichtigsten Argumente für die Integration von Medienpädagogik in Ganztagsschulen ist, dass Schülerinnen und Schüler damit ein Angebot erhalten, bei dem sie Selbstwirksamkeit erfahren, das sie motiviert und in ihrer Persönlichkeitsentwicklung nachhaltig stärkt. Nicht das Wissen über die Funktionsweise von Medien spielt immer die entscheidende Rolle. Gerade in der Pubertät sind Experimente mit Ausdrucksmitteln und Identitätssuche entscheidend. Das Beispiel einer Brennpunkt-Hauptschule, in der mehrere Videokurse eingeführt wurden, zeigt, dass Gewalt auf Schulhöfen durch die vielfältigen Möglichkeiten der Medien zur Selbstdarstellung fast vollständig verschwand.Das entscheidende Argument vieler Planer von Ganztagsschulen ist, dass es endlich genügend Zeit gibt, um sich einem so wichtigen Thema wie Medienkompetenz zu widmen. Zwar gibt es noch eine Menge Verfechter von medienabstinenten Schulen, der Großteil der Menschen, die sich mit Zukunft und Bildung beschäftigen, wissen jedoch, dass zur Wahrnehmung eigener Interessen, zu einer vernünftigen Argumentationskultur, kurz zur Demokratie ein großer Fundus an Wissen über Medien gehört.Sowohl die Planer von Ganztagsschulen als auch Medienpädagoginnen und -pädagogen sollten in Zeiten des Umbruchs – also jetzt! – ihre Chance nutzen.
Die Politik in Deutschland ist in Bezug auf Ganztagsschulen sehr uneinheitlich. Umso genauer sollte man sich Modelle ansehen, die anderen Bundesländern besonders gut gelungen sind. Eine Auswahl innovativer Ideen wird in diesem Heft vorgestellt. Im einleitenden Artikel weist Gerhard Tulodziecki zunächst darauf hin, dass mit der zunehmenden Zahl von Ganztagsschulen vor allem die zeitlichen Bedingungen für eine Umsetzung der Medienbildung verbessert werden konnten. Allerdings bedarf es seiner Ansicht nach Standards für die Medienbildung, um sie auch in der notwendigen Breite und Tiefe an Ganztagsschulen umsetzen zu können. Eine ähnliche Ansicht vertritt Jürg Fraefel, der fordert, dass Schulen ihr jeweiliges Profil schärfen müssen. Eine Schule, die sich der Medienbildung verschrieben hat, muss somit Medien systematisch in den Unterricht und in die schulischen Handlungsfelder integrieren. Nur so kann gewährleistet werden, dass Medienbildung auch in allen Facetten an der Schule Fuß fasst und das Profil der Schule gestärkt wird. Wie Medienbildung konkret umgesetzt werden kann, zeigt das Beispiel der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (LMK). Unter dem Titel „Landesmedienanstalt goes Ganztagsschule“ beschreibt Katja Friedrich, Geschäftsführerin von medien+ bildung.com (m+b.com), einer Tochtergesellschaft der LMK, wie in Rheinland-Pfalz Medienbildung im Bildungsalltag verankert werden konnte. Einen anderen Weg beschritt das Bundesland Baden-Württemberg mit seinem Schüler-Medienmentoren-Programm (SMEP), den Ida Pöttinger, Karin Zinkgräf und Karin Schneider-Weber beschreiben. SMEP ist ein Projekt, das Schülerinnen und Schüler befähigt, an der eigenen Schule selbst Kurse zu Medienthemen anzubieten. Im Laufe eines Schuljahres erhalten sie Einblicke in multimediale Technik und außerdem das pädagogische Rüstzeug, eigene Arbeitsgemeinschaften zu leiten. Die Erfahrung zeigt, dass 75 Prozent der Schülerinnen und Schüler im darauffolgenden Jahr selbst aktiv werden. Ein weiteres Projekt, das bundesweit vom Verein Schulen ans Netz e. V. erprobt wurde, stellt schließlich Daniela Bickler vor. Unter dem Motto „Freie Lernorte – Raum für mehr“ haben sich 60 Schulen aus ganz Deutschland auf den Weg gemacht, das Potenzial (neuer) Medien für Schule und Unterricht mit dem Mehr an Zeit an Ganztagsschulen zu verbinden. Aus der anfangs vagen Idee von ‚Freien Lernorten’ als attraktive Medienräume im Schulalltag wurde mehr: Entstanden ist ein ganzheitlicher pädagogischer Ansatz, der konsequent die Schülerin bzw. den Schüler als Gestalter des eigenen Lernprozesses in den Vordergrund rückt. Damit wird Schule nicht nur inhaltlich in Bezug auf die Einbindung von Medien umgestaltet, sondern auch pädagogisch in Form von selbstbestimmtem Lernen. In diesem Sinne, denken wir, kann Medienpädagogik an der Ganztagesschule eine Menge verändern. Wir hoffen, die Beispiele geben dazu einige Anregungen.Medienpädagogik in Ganztagsschulen: Ihre Meinung, Ihre Erfahrungen ... diskutieren Sie mit im neu eingerichteten Forum.
- Ida Pöttinger: Jedem das Seine?
Ida Pöttinger: Jedem das Seine?
In dem Beitrag wird zuerst der historische Werdegang von Institutionen beschrieben, die sich auf verschiedene Weise mit dem Thema Medien und Medienpädagogik beschäftigen. Weiter wird eine bessere Kooperation unter den Einrichtungen gefordert, um ein kohärentes Licht in die Öffentlichkeit zu tragen.Dr. Ida Pöttinger ist Vorsitzende der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg in den Bereichen Medienkompetenz und Programmforschung.
Literatur:
BMBF (2010). www.bmbf.de/pub/kompetenzen_in_digitaler_kultur.pdf [Zugriff:18.05.2009].
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.) (2011). KIM 2010: Kinder und Medien. Computer und Internet. Basisuntersuchung zum Medienumgang 6- bis 13-Jähriger. Stuttgart.
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.) (2011). JIM 2011: Jugend, Information und (Multi-)Media zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. Stuttgart.
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.) (2012). FIM 2011: Familie, Interaktion & Medien. Untersuchung zur Kommunikation und Mediennutzung in Familien. Stuttgart.
Sarcinelli, Ulrich (2002). Medienkompetenz in der politischen Bildung. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, 2000 B 25,. www.bpb.de/publikationen/O97BSZ,3,0,Medienkompetenz_in_der_politischen_Bildung.html [Zugriff: 26.5.2002].
Der Bericht der Expertenkommission ist unter www.bmbf.de/pub/kompetenzen_in_digitaler_kultur.pdf abrufbar. [Zugriff:18.05.2009].
- Ida Pöttinger, Karin Zinkgräf, Karin Schneider-Weber: SMEP oder Learning by Dewey
Ida Pöttinger, Karin Zinkgräf, Karin Schneider-Weber: SMEP oder Learning by Dewey
Das Schüler-Medienmentoren-Programm (SMEP) ist ein Projekt, das Schülerinnen und Schüler befähigt, an der eigenen Schule selbst Kurse zu Medienthemen anzubieten. Im Laufe eines Schuljahres erhalten sie Einblicke in multimediale Technik und außerdem das pädagogische Rüstzeug, eigene Arbeitsgemeinschaften zu leiten. Die Erfahrung zeigt, dass 75 Prozent der Schülerinnen und Schüler im Jahr darauf selbst aktiv werden.
- Ida Pöttinger: Wieviel Körper braucht der Mensch?
Ida Pöttinger: Wieviel Körper braucht der Mensch?
Entwicklung und Gebrauch unseres Körpers scheinen sich im Zeitalter von Internet und Cyberspace drastische verändert zu haben.
Ein Appell an die Medienpädagogik, Körperlichkeit und Sinnlichkeit verstärkt zu reflektieren.
(merz 2000-05, S. 301-305)
Beitrag aus Heft »2000/05: Aktuelle Medientheoretische Reflexionen«
Autor: Ida Pöttinger
Beitrag als PDF - Ida Pöttinger: Senil mit Stil – Sind wir nicht alle ein bisschen MNT?
Ida Pöttinger: Senil mit Stil – Sind wir nicht alle ein bisschen MNT?
Und welcher MNT sind Sie? Was, das wissen Sie nicht? Sie brauchen sich doch nur die Ausgabe von Media Perspektiven 5/2007 ansehen. Dort hat man die neuen MedienNutzer-Typologien (MNT) beschrieben. Und da können Sie nachsehen, welcher Mediennutzer-Typ Sie sind. Unter der Bezeichnung MNT 2.0 findet man zehn Nutzertypen, die „trennscharf“ unsere Mediengesellschaft widerspiegeln. Laut Autor kann die Typisierung in Bezug auf Konsumenten- und Dienstleistungsmärkte „Erklärungskraft entfalten“, das heißt wahrscheinlich, dass sie passgenaue Werbeplatzierung ermöglichen soll.Dafür hat die MNT-Forschungsgruppe nicht nur die Mediennutzung (Hörfunk-, Fernseh- und Internetnutzung) abgefragt, sondern das Gesamtpaket, also auch die Alters- und Bildungsgruppe, Geschmacks- und Interessenvorlieben, Kleidermode, Lebensziele, Grundwerte – einfach alles. Respekt! Na, dachte ich mir, das ist alles Quatsch. Ich passe ganz bestimmt nicht in eure Rasterfahndung. Aber nach den ersten Zeilen, fühlte ich mich bereits ertappt: Während Jüngere das Internet zur „Lifestyle- Profilierung“ benutzen, gehöre ich offensichtlich zu den Älteren, die die „Linearität der klassischen Medien als ausreichend oder auch entlastend empfinden“.
Da ist etwas dran. Ich habe oft nicht die Disziplin mich von den vielen Links zu lösen, die mich immer weiter und weiter in den Dschungel der Websites eindringen lassen bis ich überhaupt keinen Plan mehr habe, was ich eigentlich wollte. In diesen Augenblicken wünsche ich mich wieder in die Gutenbergzeit zurück, in dem es durchnummerierte Kapitel gab und am Ende ein Fazit. Ja, Linearität hat schon was. Das finde ich eindeutig entlastend. Und in der Tat, als Lifestyle-Profilierung möchte ich das Netz gar nicht nutzen. Ich möchte kein Haus im Second Life haben. Mir reicht schon eine Wohnung zum Aufräumen! Aha, ich gehöre also zum Typ „alt“. Aber geht es nicht etwas genauer? Ja, selbstverständlich. Im Abgleich mit den Charakteristika der „Lebensstilgruppen“ kann man sich selbst testen. Klar, gehöre ich nicht zu den „Jungen Wilden“, die hedonistisch, materialistisch, konsumorientiert, selbstbezüglich und unsicher eine Phase des Erwachsenwerdens durchleben.
Aber ab da wird es schwierig: Bin ich etwa „zielstrebige Trendsetterin“, „aktiv Familienorientierte“, „Berufsorientierte“, „traditionell Kulturorientierte“, „vielseitig Interessierte“, „Häusliche“, „Zurückgezogene“ oder gehöre ich gar zu der Kategorie der „Unauffälligen“, was ja geradezu katastrophal wäre? Zu den „zielstrebigen Trendsettern“ passe ich nicht, weil ich keine Bloggerin bin, aber ein bisschen familien-, berufs- und kulturorientiert bin ich ja schon, obwohl ich verheiratet bin. So richtig passt das alles nicht. Oh, da gibt es noch einen Typ, den hatte ich glatt überlesen: „Moderne Kulturorientierte“. Sie wird so beschrieben: „(Ehemalige) kulturelle Avantgarde, unter anderem arrivierte „68er“, intellektueller Typ, hohes Aktivitätsniveau...“. „Moderne Kulturorientierte können als jene Gruppe gelten, die am kritischsten mit Medien umgeht“. Mist, doch erwischt! Wie blauäugig! Und so eine wie ich nennt sich Medienpädagogin!
Beitrag aus Heft »2008/01: Jugendmedienschutz auf dem Prüfstand«
Autor: Ida Pöttinger
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