Prof. Dr. Franz Josef Röll
Zur Person
Dekan des Fachbereichs Sozialpädagogik an der Fachhochschule Darmstadt. Seine Forschungsschwerpunkte sind E-Learning, Wirkung von Medien, Sozialraum und multimedia u. a.Beiträge in merz
- Franz Josef Röll: Gesellungsformen von Jugendlichen
Franz Josef Röll: Gesellungsformen von Jugendlichen
Räumlich, zeitlich und sozial durchdringen Medien den Alltag, die Erfahrungen, die sozialen Beziehungen und die Erlebnisse von Jugendlichen und geben gleichzeitig Impulse für die Bildung von Gesellungsformen. Es lassen sich Generationsüberlagerungen beobachten, das heißt Wahrnehmungsdispositionen werden tendenziell generationsbezogen angeeignet. Jedes Medium beeinflusst die Erlebnisqualität, die Teilhabe und die Aneignung von Realität und damit auch die Modalitäten des Denkens und Wahrnehmens. Wer in der Kindheit seine primäre Medienerfahrung mit Büchern macht, entwickelt andere Wahrnehmungsdispositionen als diejenigen, die mit Smartphones aufwachsen. Auf der anderen Seite prägt auch weiterhin der soziale Bezug das Milieu bzw. das Habitat die Bedarfe nach Gesellung. Beide Aspekte werden, bezogen auf die Auswirkungen auf Gesellungsformen, dargestellt.
Literatur:
Albert, Mathias/Hurrelmann, Klaus/Quenzel, Gudrun, TNS Infratest Sozialforschung (2015). Jugend 2015. www.shell.de/ueber-uns/die-shell-jugendstudie/freizeit-und-internet.html [Zugriff: 04.12.2017]
Beck, Ulrich (1986). Risikogesellschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.Bierhoff, Hans-Werner (2006). Sozialpsychologie [1984]. Ein Lehrbuch. 6. Aufl. Stuttgart: Kohlhammer.
Calmbach, Marc/Borgstedt, Silke/Borchard, Inga/Thomas, Peter Martin/Flaig, Berthold Flaig (2016). Wie ticken Jugendliche 2016? Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland. Wiesbaden: Springer VS.
Dunbar, Robin (1993). Coevolution of neocortical size, group size and language in humans. Behavioral and Brain Sciences, 16, S. 681–735.
DIVSI U25-Studie (2014). Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in der digitalen Welt. www.divsi.de/publikationen/studien/divsi-u25-studie-kinder-jugendliche-und-junge-erwachsene-in-der-digitalen-welt/1-einfuehrung-3 [Zugriff: 07.12.2017]
Fuchs, Benedikt/Sornette, Didier/Thurner, Stefan (2014). Fractal multi-level organisation of human groups in a virtual world. Scientific Reports, 4, doi:10.1038/srep06526 [Zugriff: 04.12.2017]
Granovetter, Mark S. (1973). The strength of weak ties. In: The American Journal of Sociology, 78 (6), S. 1360–1380.
Hepp, Andreas (2008). Medienkommunikation und deterritoriale Vergemeinschaftung. Medienwandel und die Posttraditionalisierung von translokalen Vergemeinschaftungen. In: Hitzler, Roland/Honer, Anne/Pfadenhauer, Michaela (Hrsg.), Posttraditionale Gemeinschaften: Theoretische und ethnografische Erkundungen. Wiesbaden: VS, S. 132–150.
Hugger, Kai Uwe (2009). Junge Migranten online. Suche nach sozialer Anerkennung und Vergewisserung von Zugehörigkeit. Wiesbaden: Springer VS.Hugger, Kai-Uwe (2014). Digitale Jugendkulturen. In: Hugger, Kai-Uwe (Hrsg.), Digitale Jugendkulturen. 2. Aufl. Wiesbaden: Springer VS, S. 11–28.
Karrierebibel (2016). Dunbar-Zahl: Nicht mehr als 200 Freunde! www.karrierebibel.de/dunbar-zahl-freunde [Zugriff: 08.12.2017]
Löw, Martina (2001). Raumsoziologie. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
McAfee, Andrew (2009). Enterprise 2.0. Boston: Harvard Business Press.
Moser, Heinz (1999). Einführung in die Medienpädagogik. Aufwachsen im Medienzeitalter. Opladen: Westdeutscher Verlag.Rheingold, Howard (1994). Virtuelle Gemeinschaft. Soziale Beziehungen im Zeitalter des Computers. Bonn: Addison-Wesley.
Reißmann, Wolfgang (2014). Bildhandeln und Bildkommunikation in Social Network Sites. Reflexionen zum Wandel jugendkultureller Vergemeinschaftung. In: Hugger, Kai Uwe (Hrsg.), Digitale Jugendkulturen. 2. Aufl. Wiesbaden: Springer VS, S. 90–103.
Rettig, Daniel (2011). Begrenzt kontaktfähig – Twitter-Studie bestätigt die Dunbar-Zahl. www.alltagsforschung.de/begrenzt-kontaktfahig-twitter-studie-bestatigt-die-dunbar-zahl [Zugriff: 04.12.2017]
Röll, Franz Josef (2017). Social Networks. In: Friese, Heidrun/Rebane, Gala/Nolden, Marcus/Schreiter, Miriam (Hrsg.), Soziale Praktiken und digitale Alltagswelten. Wiesbaden: Springer VS, S. 1–12.
SINUS:akademie (2016). Wie ticken Jugendliche 2016. Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland. www.sinus-akademie.de/fileadmin/user_files/Wie_ticken_Jugendliche_2016/Presse/%C3%96ffentlicher_Foliensatz_u18_2016.pdf [Zugriff: 19.01.2018]
Stangl, Werner (2017). Stichwort: ‚Dunbar-Zahl‘. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik. lexikon.stangl.eu/12337/dunbar-zahl [Zugriff: 04.12.2017]
- Franz Josef Röll: Stichwort BYOD
Franz Josef Röll: Stichwort BYOD
Vorbei ist die Zeit mit Busladungen voller Geräte, um ein Computerseminar durchzuführen. Das Codewort dieser Entwicklung lautet BYOD – Bring Your Own Device. Wenn private oder selbst ausgewählte mobile Endgeräte wie Laptops, Tablets oder Smartphones mit den Netzwerken von (Bildungs-)Institutionen, Bibliotheken oder Unternehmen integriert werden, wird dies mit BYOD bezeichnet. Mit den persönlichen Geräten kann auf Organisationsserver oder -daten zugegriffen werden, Daten können bearbeitet und gespeichert werden – unabhängig von Zeit, Ort und Gerätetyp. Für die Schulpädagogik scheint BYOD eine Möglichkeit, vorhandene gerätetechnische Engpässe zu umgehen. In der schulischen (Medien-)Pädagogik, wenn man den Ergebnissen einer aktuellen Studie der Deutschen Telekom Stiftung glauben kann, sagen 48 Prozent aller befragten Lehrkräfte, dass ihre Schülerinnen und Schüler eigene Geräte im Unterricht nutzen können (vgl. Otto 2015). Allerdings befürchtet noch ein Viertel, die Kontrolle über den Unterricht zu verlieren, wenn sie Computer einsetzen. Offensichtlich ist aber eine Suchbewegung nach der Integration und Verankerung mobiler Medien in den Bildungsprozess zu beobachten.Bildungseinrichtungen haben den Vorteil, dass sie keine hohen Investitionskosten für die technische Infrastruktur benötigen, da privat bereits verfügbare Geräte der Lernenden eingesetzt werden können.
Der Anteil von internetfähigen Geräten im Unterricht oder in der Bildungsarbeit kann damit deutlich gesteigert werden. Es gibt allerdings im Alltag auch Hürden zu bewältigen. Meist bestimmen Organisationsrichtlinien die Regeln des Einsatzes und der Verwendung der mobilen Geräte. Das kann dazu führen, dass Einstellungen auf den Geräten vorgenommen werden müssen, um Sicherheit zu gewährleisten (z. B. eingeschränkte Dienste, Festplattenverschlüsselung). Die Geräte müssen zudem mit Bezug auf die Privatsphäre geschützt werden. Nicht unproblematisch ist die Delegation der Verantwortung für die Auswahl von mobilen Geräten, die an die Eltern fällt. Dies kann die Chancengleichheit finanziell schlechter gestellter Familien verhindern. Wettbewerb und Gruppenzwang kann zu Spannungen führen.Bezogen auf den pädagogischen Kontext lassen sich aber auch Vorteile feststellen. Die Motivation für Lernen und Bildung wird gefördert, wenn Jugendliche mit den ihnen vertrauten Geräten und einer personalisierten Arbeitsumgebung arbeiten. Zudem stehen die Lernmaterialien permanent zur Verfügung und besitzen umfangreiche Tool-Boxen: Hilfswerkzeuge und Tools wie der iRig-Mikrofonverstärker in Verbindung mit einer webbasierten Videoschnittsoftware eröffnen viele flexible Möglichkeiten im Bildungsbereich. Sozialrecherchen können über Google Maps oder andere Tools in Echtzeit zu einer Sozialraumkarte verdichtet werden.
Dies eröffnet ganz neue Möglichkeiten der mobilen Jugendarbeit (Streetwork). Neue didaktische Nutzungsmöglichkeiten ergeben sich durch die Möglichkeit, dass an den begonnenen Produkten zu Hause weiter gearbeitet werden kann. Räumlichkeit und Zeitmanagement bilden kein Hindernis mehr für die Medienpädagogik. Allerdings gibt es auch Wermutstropfen. Immer wieder kommt es zu Kompatibilitätsproblemen, nicht alle Apps sind auf allen Geräten verfügbar. Einige geeignete Apps sind kostenpflichtig. Die Smartphones der Jugendlichen arbeiten mit unterschiedlichen Betriebssystemen. Bei Apps dominieren vorgegebene Betriebspfade, so ist eine eigenständige kreative Bearbeitung eingeschränkt. Die Komplexität und damit der Betriebsaufwand steigen. Zudem können technische Probleme den pädagogischen Nutzen be- oder verhindern und zu mehr Verwirrung führen.Wegen der hohen Vertrautheit, der Leichtigkeit im Umgang und weil es spätestens seit Montessori zum pädagogischen Selbstverständnis gehören sollte, die Jugendlichen da abzuholen, wo sie sind, ist es sinnvoll, BYOD in der (Medien-)Pädagogik einzusetzen. Aber nicht vergessen werden sollte, dass nicht die neuen technischen Medien die Lernchancen eröffnen, sondern die jeweils eingesetzten pädagogischen Konzepte. Durch die Nutzung mobiler Medien war es jedoch noch nie so einfach, das selbstgesteuerte Lernen zu fördern.
Das Stichwort finden Sie in einer ausführlicheren Version unter www.merz-zeitschrift.de/blog
Beitrag aus Heft »2016/02: 60 Jahre merz – 60 Jahre Medienpädagogik«
Autor: Franz Josef Röll
Beitrag als PDF - Franz Josef Röll: Digitale Heimat
Franz Josef Röll: Digitale Heimat
Der Begriff Heimat hat im Laufe der Zeit viele unterschiedliche Definitionen und Bedeutungszuschreibungen erfahren. Dies erstreckt sich vom Mittelalter über die Romantik hinweg in die Zeit des Nationalsozialismus bis heute. Von besonderem Interesse ist in der heutigen Zeit die Platzierung des Begriffs in der digitalen Medienwelt, da diese Welt bereits ein Teil des Habitats von Kindern und Jugendlichen ist.
Literatur:
Bausinger, Hermann (1980). Heimat und Identität. In: Köstlin, Konrad/Bausinger, Hermann (Hrsg.), Heimat und Identität. Probleme regionaler Kultur. 22. Deutscher Volkskunde-Kongress in Kiel vom 16. bis 21. Juni 1979. Neumünster: K. Wachholtz. S. 9-24.
Bourdieu, Pierre (1991). Physischer, sozialer und angeeigneter physischer Raum. In: Wentz, Martin (Hrsg.), Stadt-Räume. Frankfurt am Main: Grin. S. 25-34.
Bredow, Wilfried von/Foltin, Hans-Friedrich (1981). Zwiespältige Zufluchten zur Renaissance des Heimatgefühls. Berlin/Bonn: Dietz.
Doelker, Christian (1989). Kulturtechnik Fernsehen. Umgang mit einem Medium. Stuttgart: Klett-Cotta. Greverus, Ina-Maria (1979). Auf der Suche nach Heimat. München: C. H. Beck.
Hüppauf, Bernd (2007). Heimat – Die Wiederkehr eines verpönten Wortes. Ein Populärmythos im Zeitalter der Globalisierung. In: Gebhard, Gunther/Geisler, Oliver/Schröter, Steffen (Hrsg.), Heimat – Konturen und Konjunkturen eines umstrittenen Konzepts. Bielefeld: transcript. S. 109-140.
Lobensommer, Andrea (2010). Die Suche nach Heimat. München: Peter Lang.Löw, Martina (2001). Raumsoziologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Mitzscherlich, Beate (1997). „Heimat ist etwas, was ich mache“. Eine psychologische Untersuchung zum individuellen Prozess von Beheimatung. Pfaffenweiler: Centaurus.
Moser, Heinz (1995). Einführung in die Medienpädagogik. Aufwachsen im Medienzeitalter. Opladen: VS Verlag.
Röll, Franz Josef (2003). Pädagogik der Navigation. Selbstgesteuertes Lernen mit Neuen Medien. München: kopaed.
Theunert, Helga/Wagner, Ulrike (2006). Neue Wege durch die konvergente Lebenswelt. München: Reinhard Fischer.Unger, Alexander (2010). Virtuelle Räume und die Hybridisierung von Alltagswelt. In: Grell, Petra/Marotzki, Winfried/Schelhowe, Heidi (2010). Neue digitale Kultur- und Bildungsräume. Wiesbaden: VS Verlag. S. 99-118.
Waldenfels, Bernhard (1990). Der Stachel des Fremden. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
- Franz Josef Röll: Von Kindern lernen
Franz Josef Röll: Von Kindern lernen
Bei einem Netzwerktreffen der Arbeitsgruppe „Digitalpakt“ diskutierten Vertreterinnen und Vertreter des hessischen Kultusministeriums, des Schulamtes Frankfurt, eine Lehrerin und ich als Hochschulvertreter. Ich hatte die Gelegenheit auszuführen, dass mit der Verbesserung der technischen Infrastruktur und dem Anschaffen von Hard- und Software die Lernsituation in der Schule nicht automatisch verbessert wird. Notwendig sei, so meine zentrale These, ein verändertes Verständnis von Lernen ins Zentrum der Bemühungen zu stellen. Verblüfft war ich, dass die von mir vorgestellte Vision einer zukünftigen Schule mit reformpädagogischem Ansatz von allen Beteiligten begrüßt wurde. Gleichwohl haben wir aber über diese Vision nicht diskutiert. Der Bedarf bei den anwesenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern war nicht die Auseinandersetzung mit veränderten Lernkonzepten in der digitalen Lebenswelt, sondern die Kritik an erheblichen Mängeln der Infrastrukturen in den Schulen, der mangelnden Mitsprache bei Entscheidungen, dem Regulierungswahn und dem Gefühl mit den Alltagsproblemen allein gelassen zu werden.
Gleichzeitig scheint es jedoch so zu sein, dass es nur in wenigen Fällen gelingt, kindliche Lernfreude mit Lernmethoden zu verknüpfen, die die Kinder handlungsfähig macht für die Zukunft. Stattdessen verlieren Kinder im Laufe der Zeit ihre Begeisterung für die Schule. Nach meinem Gefühl hat es jedoch noch nie eine so günstige Situation gegeben, die Lernutopien der Reformpädagogik umzusetzen und die spielerisch erworbenen kognitiven Lernkonzepte von Kindern in der Schule fortzusetzen. Im effizienten spielerischen Als-Ob verfügen sie über Potenziale der Weltaneignung, die anders sind als bei Erwachsenen – ganzheitlich, explorativ, assoziativ und spielerisch-simulativ.
Ich habe Soziologie und außerschulische Pädagogik studiert und promovierte nach mehrjähriger Tätigkeit als Bildungsreferent über ein medienpädagogisches Thema. Zu diesem Zeitpunkt verfügte ich über eine vielfältige medienpädagogische Handlungskompetenz – und die habe ich von Kindern und Jugendlichen gelernt. Durch Beobachtung, wie Kinder und Jugendliche mit Hilfe von Medien sich ihre Lebenswelt erschließen, richtete sich mein Blick auf die Ressourcen und die Potenziale. Zugleich agierte ich wie ein Ethnologe, der sich darum bemüht, das Anderssein einer Gruppe nachzuvollziehen. So wandelte ich mich von einem Pädagogen hin zu einem „Navigator“, der sich um die Lernumgebung kümmert, der die Rahmenbedingungen schafft und dem es nicht darum geht, seine vorher festgelegten Ziele erfüllt zu sehen. Mein „Lernziel“ war die Fähigkeit zu vermitteln, ein Verständnis für Wissensgebiete aus unterschiedlichen Perspektiven zu entwickeln. Und was ich dabei erlebte war, dass die Erfahrung selbstgesteuerten Lernens die Lust und Faszination des Lernens der Kindheit wieder erlebbar macht.
Wir brauchen komplementären Lernkonzepte, die nicht auf Defizite gerichtet sind, sondern vor allem eine veränderte Haltung bzw. Einstellung der Lehrenden. Lehrende müssen sich auch als Lernende verstehen, nur dann profitieren Lehrende und Lernenden wechselseitig voneinander.
- Franz Josef Röll: Weblogs in der Bildungsarbeit
Franz Josef Röll: Weblogs in der Bildungsarbeit
Weblogs eröffnen neue Formen des dezentralisierenden Dialogs und damit neue individuelle und kollektive Kommunikationsformen. Es werden vier Nutzungsformen von Weblogs näher betrachtet: öffentliche und interpersonale Kommunikation, Identitätsarbeit und Wissensgenerierung. Weblogs sind demnach ein Instrument des Informations-, Beziehungs-, Identitäts- und Wissensmanagements. Im Folgenden wird skizziert, welche Bedeutung diese Nutzungsformen für die Bildungsarbeit haben.
Literatur
Habermas, Jürgen (1990). Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft. Neuwied: Luchterhand
Ketter, Verena (2008). Weblogs in der Kinder- und Jugendarbeit. In: Ertelt, Jürgen/Röll, Franz Josef (Hg.), Web 2.0: Jugend online als pädagogische Herausforderung. München: kopaed (Im Erscheinen)
MTV Networks (2008). Circuits of cool. www.goldbachmedia.at/.../_goldbachmedia/research/pdf/MTV_NICK_MSN_Circuits_of_Cool_Deutschland_2007- 09.pdf [Zugriff: 13.02.08]
Röll, Franz Josef (2003). Pädagogik der Navigation. Selbstgesteuertes Lernen mit Neuen Medien. München: kopaedSchmidt, Jan (2006). Weblogs – eine kommunikationssoziologische Studie. Konstanz: UvK
(merz 2008-3, S. 58-61)
- Franz Josef Röll: Die Bedeutung von Medien in frühkindlichen Bildungskonzepten
Franz Josef Röll: Die Bedeutung von Medien in frühkindlichen Bildungskonzepten
Die Elementarpädagogik gerät aus bildungspolitischer Sicht zunehmend unter Druck. In dem Kindergarten der Zukunft wird weniger eine Betreuungs-, sondern eher eine Bildungsinstitu-tion gesehen. Medienerziehung erhält in diesen Konzepten eine integrale Funktion. Parallel zu dieser Diskussion verschreckten Zitate wie „Medien machen dumm, faul und gefräßig“ (Pfeif-fer, Spitzer) die Öffentlichkeit.
Die Bedeutung der Medien in der frühkindlichen Erziehung steht in der Diskussion. Im Folgenden soll das Bildungsverständnis von ausgewählten Kon-zepten dargestellt und bezogen auf ihr medienpädagogisches Verständnis reflektiert werden.
(merz 2006-01, S. 11-18)
- Franz Josef Röll: Pädagogik der Navigation
Franz Josef Röll: Pädagogik der Navigation
„Pädagogik der Navigation“ meint die Hinwendung zu neuen Paradigmen des Lernens, mit denen selbstgesteuerte Lernprozesse gefördert werden können und sollen. Navigation ist die Bewegung, mit der Lernende neue Räume erkunden, sich Orientierung verschaffen, Ziele selbst und gemeinsam stecken, erkundetes Terrain begrifflich oder visuell anschaulich kartografieren (Abstraktion, Reflexion). Pädagogen als Navigatoren gestalten für Lernende Umgebungen, in denen solche Bewegungen möglich sind. Sie stellen Materialien bereit, begleiten bei der Suche nach Orientierung, regen Fragen an, helfen bei der Exploration, ermöglichen Aneignungs- und Ausdrucksprozesse. Medien, allen voran Multimedia und Internet, bieten bekanntlich hervorragende Potenziale, um Lernprozesse dieser Art zu fördern. Dies ist, kurz gefasst, die Kernaussage von Rölls Arbeit. Gleich bedeutend mit dem Begriff von der Navigation ist für den Autor die pädagogische Umkehr vom „Unter-Richten zum Auf-Richten“.
Sicher würden die meisten Lernforscher und MedienpädagogInnen Rölls Postulat beipflichten, zumal in der außerschulischen Bildung, in der der Autor seinen Schwerpunkt hat. Die Diskussionen der letzten Jahre in der Folge der PISA-Studie und das Ringen um einen außerschulischen Bildungsbegriff haben die Notwendigkeit neuer Lernformen betont, und die lernpsychologische Forschung und konstruktivistische Modelle der Pädagogik liefern lange schon die theoretischen Grundlagen dafür. Projekt- und handlungsorientiertes Lernen in Gruppen, Lernen an authentischen Problemen, bei der Sozialraumerkundung, als Selbstermächtigung, kreative Imagination und mediale Expression, das sind Kernelemente in Rölls Theorie; und es geht ihm darum, die Möglichkeiten der aktiven Mediengestaltung zu nutzen, um Teilnehmerinnen und Teilnehmer in spielerische Lern- und (Selbst–) bildungsprozesse zu verwickeln, die Arbeit an der eigenen Identität ermöglichen und zugleich Spaß machen. Röll verortet sich selbst bei einem ursprünglichen Bildungsbegriff, der (Selbst-)Bildung als einheitsstiftenden, Orientierung schaffenden Faktor sieht, einem Bildungsbegriff, wie ihn vor allem die Reformpädagogik entwickelt hat (S.364).
Eine Voraussetzung für die Wende in der Pädagogik ist die Orientierung an den Lernenden anstatt am Unterrichten oder am „Lehrstoff“, und deshalb nimmt die Auseinandersetzung mit aktuellen Lerntheorien einen breiten Raum im Buch ein. Erweitert und bereichert wird die theoretische Auseinandersetzung durch ausgiebige Betrachtungen ausgewählter Anwendungsfelder, in denen Lernen stattfindet und organisiert werden kann: Computerprojekte mit Kindern, Lernen mit Medien in der Schule, Jugendliche im Netz, E-Learning in der Weiterbildung.
Wie erschließt man als Pädagoge Räume, in denen Navigation stattfindet, in denen Lernen ganzheitlich, mit allen Sinnen, in einer Wechselwirkung zwischen leibhaftig-sinnlicher und medialer Erfahrung (vireal), unter Einbeziehung vielfältiger Symbol- und Mediensysteme, geschieht? Die Aussage des Buchs erschöpft sich nicht im Postulat einer neuen Pädagogik. Röll unternimmt vielmehr den Versuch, die charakteristischen Merkmale seiner Pädagogik der Navigation zu systematisieren, mit den Modellen der Lernforschung abzugleichen, diese nicht nur umfassend darzustellen, sondern auch zu erweitern. Den großen Stellenwert der ästhetischen (Bild-)Wahrnehmung und der aktiven Imagination für das Lernen mit Medien, den der Autor schon andernorts ausgearbeitet hat, integriert er in lernpsychologische Modelle oder stellt ihn ergänzend zur Seite.
Die Vorgehensweise dabei entspricht mehr der kreativen Montage theoretischer Versatzstücke und eigener Konzepte, die der Autor über den Begriff der Navigation miteinander zu verzahnen sucht, als einem streng systematischen Vorgehen. Hier entsteht ein Panoptikum von Begriffen und Konzepten unterschiedlichster Provenienz, das aufgrund seiner Vielfalt manchmal auch verwirrt. Anhand unzähliger Projektbeispiele aus den Anwendungsgebieten werden Möglichkeiten zu einer medienpraktischen und -didaktischen Umsetzung aufgezeigt. Hier fließt der Erfahrungsreichtum des Autors in der medienpädagogischen Arbeit und der Mediengestaltung ein. Das Buch gibt einen tiefen Einblick in die Praxis, vor allem in den Anwendungsfeldern der Kinder- und Jugendarbeit. Die Theorie wird in der Praxis umgesetzt und an Beispielen erläutert. Anhand gut dargestellter Projektbeispiele wird die Frage nach der Didaktik und Methodik der Theorie aufgefächert. Dadurch gewinnt das Buch seine Qualität als Fundgrube für theoretisch reflektierte Projektideen. Im Kern sehe ich den Wert der Arbeit jedoch im Ansatz, eine neue Mediendidaktik auszuarbeiten, die von einem umfassenden Lernbegriff ausgeht.
Damit hebt es sich von vorhandenen mediendidaktischen Modellen ab. Rölls ganzheitlicher Lernbegriff geht in seinem Anspruch über den üblichen Begriff von Lernen als Vermittlung von Inhalten hinaus und damit über Didaktiken, die Theorien des Lehrens sind oder Mediendidaktik als Frage der effizienten und funktionalen Gestaltung von Software begreifen. Röll sucht – gemäß seinen eigenen Wurzeln in der außerschulischen Bildung und getreu konstruktivistischer Modelle – Lernen mit Bezug zur Mediensozialisation als Identitätsentwicklung zu verorten. Dieses sehr viel anspruchsvollere Modell des Lernens kann allerdings nicht in allen Anwendungsgebieten gleichermaßen gut funktionieren. Da in der bisherigen (Medien-)Wissenschaft Lernen und Identität / Sozialisation zwei schwierig zu versöhnende theoretische Konzepte sind, fehlen hier (noch) weitgehend die Brückenglieder und die empirische Forschung.
Die Breite der Anwendungsgebiete – vom Kindergarten bis zum E-Learning –, in denen Röll Realisierungspotenziale und Good-Practice Beispiele für die Pädagogik der Navigation sieht, zeigt die Grenzen für eine umfassende Mediendidaktik auf und macht deutlich, dass wohl kaum eine Theorie allen Bereichen, in denen Lernen stattfindet, gleichermaßen gut gerecht werden kann. Allein schon die Anwendungsformen und die Literatur zum E-Learning entwickeln sich in einer so rasanten Geschwindigkeit, dass es für einen aktuellen Einblick immer wieder notwendig sein wird, vertiefende Literatur hinzuzuziehen. Bedauerlich finde ich, dass die teilnehmer- und prozessorientierte Perspektive, die in den Theoriekapiteln eingenommen wird, sich in den Praxisbeispielen nicht konsequent als empirische Lernforschung in der Beschreibung aller Projekte fortsetzt.
Hier wünsche ich mir, mehr zu erfahren von den Überraschungen, die die Praxis der Navigationspädagogik für die Teilnehmerinnen und Pädagogen bereit hält und die letztendlich der Prüfstein für eine gute Theorie sind. Damit zeigt das Buch auch, wo weiterer Forschungsbedarf besteht.
- Franz Josef Röll: Mythische Bildmotive in der Werbung
Franz Josef Röll: Mythische Bildmotive in der Werbung
Auch die Konzepte der Werbung setzen auf den Bedarf nach Mythen. Die symbolisch aufgeladenen Bilder enthalten Motive, die Orientierung bieten können. Sie einzuordnen verlangt jedoch Kenntnisse unserer religiösen Bildkultur.
(merz 2001-01, S. 30-36)
- Franz Josef Röll: Visionen zukünftiger Medienpraxis
Franz Josef Röll: Visionen zukünftiger Medienpraxis
Drei Visionen zukünftiger Medienpraxis möchte ich skizzieren. Im ersten negativen Szenario wird die Medienpraxis als Instrument der Prävention und der Intervention eingesetzt. Bei diesem Modell erhält die Medienpraxis die Funktion eines Instrumentes sozialpolitischer Instrumentierung. Im zweiten negativen Szenario wird die Medienpraxis zum Erfüllungsgehilfen eines technologischen Bildungsverständnisses.
Im dritten positiven Szenario wird die Medienpraxis integriert in ein ganzheitliches Lernkonzept, bei dem mittels zielorientiertem Lernen im Kontext zur jeweiligen Lebenswelt Kompetenzen erworben werden. Grundprinzip dieses Szenarios ist die Navigationskompetenz. Die Medienpädagogen werden zu Navigatoren. Sie schaffen die Lernumgebung, die den Lernenden die Chance zur Selbstermächtigung, der Befähigung zum selbstgesteuerten Lernen, eröffnen ...(merz 04/2003, S. 33-41)
Beitrag aus Heft »2003/04: Medienpraxis - Konzepte und Perspektiven«
Autor: Franz Josef Röll
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