Christiane Schwinge
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- Christiane Schwinge: Einmal Corona und zurück
Christiane Schwinge: Einmal Corona und zurück
Nach über einem Jahr Pandemie ist weiterhin Vieles ungewiss. Als freiberufliche Medienpädagogin mit Schwerpunkt in der außerschulischen Jugendbildung arbeite ich seit März 2020, mit Ausnahme einiger weniger Präsenz-Workshops, ausschließlich im Homeoffice, ein Ende ist nicht in Sicht. Ein ebenso lehrreiches wie strapaziöses Jahr liegt hinter mir und mit Blick auf die medienpädagogische Praxis stellt sich die Frage: Welche Erfahrungswerte werden in die Arbeit nach der Pandemie einfließen? Zeit für eine kleine Zwischenbilanz.
Dem ersten Teil-Lockdown folgte nach einer Schockstarre die Erkenntnis, dass es rasch neuer und vor allem originärer Online-Angebote für die medienpädagogische Arbeit mit Jugendlichen und Erwachsenen bedarf. Entgegen mancher Einschätzung aus meinem erweiterten beruflichen Netzwerk: Hier herrschte nämlich die Annahme, ich sei durch meine Fokussierung auf die medienpädagogische Arbeit mit digitalen Spielen per se für rein digitale Projekte aufgestellt. Ich hingegen stellte mir viele Fragen: Wie die eigene pädagogische, konstruktivistisch geprägte Haltung digital einlösen? Wie online den Grundprinzipien aktiver Medienarbeit gerecht werden, wenn alle zu Hause allein vor dem Rechner sitzen? Wie nie zuvor habe ich meine pädagogische Haltung reflektiert und immer wieder galt es, angesichts von Tools, technischen Weiterentwicklungen und rein digitalen Angeboten die Perspektive auf das Subjekt nicht aus den Augen zu verlieren. Dass der Mensch im Mittelpunkt steht und mitnichten das Medium. Bei der Durchführung der neu konzipierten Angebote für Jugendliche zeigte sich, dass es auch Strategien bedarf, diese online zu erreichen. Es folgte mit der Gründung der ComputerSpielSchuleOnline der Versuch, Jugendlichen einen Anlaufpunkt zu bieten, der gleichzeitig medienpädagogischer Ausgangspunkt ist. Der Aufbau einer solchen Online-Community birgt hinsichtlich Nachhaltigkeit, Überregionalität und Lebensweltorientierung auch für die Zeit nach der Pandemie viel Potenzial. Im Bereich der Erwachsenenbildung und bei Elternangeboten waren hingegen eine höhere Teilnahme und bessere Erreichbarkeit zu verzeichnen. Online-Angebote für diese Zielgruppe sollten demnach unbedingt als Ergänzung des medienpädagogischen Repertoires verstanden werden, auch nach Corona.
Mit Blick auf die Medienpädagogik selbst haben das Interesse und die Aufmerksamkeit seit Ausbruch der Pandemie deutlich zugenommen. Erhöhte Mediennutzungszahlen, Schulschließungen und Online-Unterricht mündeten in der Suche nach Expert*innen und Best-Practice-Ansätzen. In Interviews und Expert*innenrunden musste nach wie vor Grundlagen- und Aufklärungsarbeit geleistet werden, zum Beispiel Medienkompetenz in ihrer Komplexität zu erfassen oder Medienpädagogik weder auf mediendidaktische Szenarien noch auf die Frage ‚Was kann man mit dem Medium lernen?‘ zu verkürzen. Es ist zu hoffen, dass dieser Fokus auf die Medienpädagogik bestehen bleibt und eine umfassende Institutionalisierung nach sich zieht.
Die Pandemie ist ein Brennglas für Themen, die schon vorher relevant waren. Ich wünsche mir, dass diese Aufmerksamkeit für die Medienpädagogik bestehen bleibt ebenso wie die Offenheit Neues zu wagen. Nicht zuletzt aber freue ich mich auf die Zeit nach der Pandemie – auf das Chaos von Workshops in Präsenz, darauf, in die lethargischen Gesichter Jugendlicher zu blicken, auf Gespräche über angesagte Games in Workshop-Pausen und auf die Zufriedenheit, die bei der Präsentation ihrer selbst produzierten Medien aufblitzt.