Melanie Theissler
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- Melanie Theissler: Von der Straße ins Herrenhaus – und wieder zurück?
Melanie Theissler: Von der Straße ins Herrenhaus – und wieder zurück?
Ursula Poznanski (2015). Layers. Gelesen von Jens Wawrczeck. Hörverlag, 765 Min., 14,99 €.
Wo schlafe ich? Wo bekomme ich was zu essen? Solche Fragen stellt sich der 17-jährige Dorian. Er ist obdachlos, und das schon seit sechs Monaten. So lange versucht er schon, seinem gewalttätigen Vater zu entkommen. Tagtäglich kämpft er mit Sorgen über Kälte, Hunger, Schlafplatzmöglichkeiten, gegen die Polizei und potenziell gefährliche Menschen. Und so beginnt auch die Erzählung mitten in einer für Dorian brenzligen Situation, in der die Zuhörenden hineingezogen werden: Dorian wird mitten in der Nacht, die er in einem U-Bahnhof verbringt, urplötzlich der Rucksack entrissen. Der Dieb ist für Dorian ein altbekannter Obdachloser, der sich ebenfalls öfter im U-Bahnhof aufhält und Emil genannt wird. Er bereitet Dorian immer wieder Schwierigkeiten, doch er kann Emil für gewöhnlich ruhigstellen, indem er ihm ‚seinen‘ Alkohol besorgt. Doch da Emil sich diesmal nicht so einfach besänftigen lässt, muss Dorian ihn mittels körperlichen Einsatzes dazu zwingen, ihm seinen Rucksack, seine Wasserflasche und sein Taschenmesser wiederzugeben. Diese Geschehnisse werden emotional, eindrucksvoll und imaginativ beschrieben – und wechseln zwischen Dorians Gedanken und äußerlichen Beschreibungen. Grundsätzlich wird die Erzählung ausschließlich aus Dorians Perspektive dargestellt. So bekommen die Hörenden einen überaus anschaulichen Eindruck davon, welche Sorgen den 17-Jährigen anlässlich der aktuellen Umstände plagen; dass er zum Beispiel aufgrund der Kälte eine Winterjacke braucht, dass er nicht weiß, wann er in der Notunterkunft schlafen und wo er sein nächstes Essen besorgen soll, und wie oft er welchen Supermarkt aufsuchen kann. Denn eines möchte Dorian auf keinen Fall: Auffallen. Daher achtet er neben einem regelmäßigen Ortswechsel für die Nahrungsbeschaffung auch auf ein adäquates Aussehen und meidet Gewalt, wo es nur geht. Er möchte unerkannt bleiben. Dieses Verhalten passt auch sehr zu Dorians Charakter, der den Hörenden als sehr klug, freundlich, höflich, vorausschauend und planerisch sowie pazifistisch begegnet. Alkohol und Drogen lehnt er aus Prinzip ab, Betteln meidet er, bis es gar nicht mehr anders geht. Aufgrund seines jungen Alters, seiner Vorgeschichte und den eher untypischen Charakterzügen eines Obdachlosen, gibt Dorian einen bedauernswerten, aber gleichzeitig auch sehr liebevollen Protagonisten ab. Die Zuhörerinnen und Zuhörer können auf diese Weise einfach und sehr schnell eine emotionale und mitfühlende Bindung zu dem Teenager entwickeln. So auch, als Dorians Leben sich von einem auf den anderen Tag auf eine merkwürdige Weise ändert. Der findet nämlich eines Nachts seinen Bekannten Emil blutend, keine zwei Schritte neben seinem Schlafplatz entfernt. Erstochen – offenbar mir Dorians Taschenmesser, welches direkt neben Emil liegt. Aber Dorian kann sich nicht an die Tat erinnern. Er weiß lediglich, dass er mit dem Messer in der Hand eingeschlafen ist. Als Dorian völlig überfordert überlegt, was er nun tun soll, taucht wie aus dem Nichts ein fremder Mann auf, der sich ihm als Niko vorstellt und ihm anbietet, sich um die Leiche und die Angelegenheiten zu kümmern. Er möchte Dorian sogar aus der Obdachlosigkeit heraushelfen.
Die Hörerinnen und Hörer befinden sich an dieser Stelle noch in der Einleitung der Erzählung. Die Ereignisse werden zügig und spannungsreich erzählt, überfordern dennoch nicht. Informationen, die die Hörenden zum Verständnis der Charaktere oder der Handlung benötigen, werden geschickt an den richtigen Stellen erwähnt oder tauchen in Dorians Gedanken auf. So überlegt er beispielsweise, ob er dem fremden Mann trauen kann und auf sein Hilfsangebot eingehen soll. Denn er hat bereits jetzt schon gelernt: lieber einmal mehr misstrauisch sein, als aufgrund falschen Vertrauens in Schwierigkeiten geraten. Bei diesem seltsamen Angebot von Niko schreit eigentlich alles in ihm nach Misstrauen und die Hörenden erleben alles nahezu hautnah mit. Denn der Erzähler Wawrczeck weiß seine Stimme gekonnt einzusetzen. So emphatisiert er unterschiedlich stark, variiert gekonnt sein Sprachtempo und setzt an den richtigen Stellen Pausen, die für zusätzliche Spannung sorgen.
In der Haupthandlung entschließt sich Dorian tatsächlich, Nikos Hilfe anzunehmen, um sich dann – nach einer Fahrt in einem dubiosen Van – unerwartet in einem luxuriösen Herrenhaus wiederzufinden. Hier lernt er Antonia kennen, die ihn im Anwesen herumführt, ihm sein eigenes Zimmer zeigt und ihm erklärt, dass er von nun an wieder Schulunterricht hat. Als ihm Antonia klar macht, dass gewiss nicht jede Person in dem Haus aufgenommen wird, weiß Dorian nicht, ob er lachen oder weinen soll. Und er fragt sich erneut, was das alles soll, wer hinter all dem steckt und warum ausgerechnet er ‚auserwählt‘ wurde? Außerdem stutzt er darüber, dass es in dem prunkvollen Gebäude kein Internet und kein Fernsehen gibt. Wird Dorian in diesem Haus wirklich geholfen oder stellt es weitere Gefahren für ihn dar? Werden ihm seine neue Mitbewohnerin Stella oder sein Mitbewohner Melvin auf seinem Weg helfen, wenn es gefährlich wird?
Layers kann aufgrund teils gewalttätiger Beschreibungen sowie der anspruchsvollen und komplexen Handlungen Jugendlichen ab 14 Jahren empfohlen werden. Die Zielgruppe wird zum einen mit alterstypischen Problemen (z. B. Interesse am anderen Geschlecht) als auch mit Komplikationen eines jugendlichen Obdachlosen konfrontiert. So können die Zuhörenden sich gut bis sehr gut mit dem Protagonisten identifizieren und werden gleichzeitig zum Nachdenken über die Probleme von Obdachlosen angeregt. Weiterhin begegnet dem Publikum in der Erzählung ein von der Gesellschaft abgeschnittenes soziales Hierarchie-System, welches in ähnlichen Formen ebenfalls in der Realität auftaucht. In der Geschichte wird überaus gut veranschaulicht, wie der Protagonist als Neuzugang in das System integriert wird. Da die gesamte Geschichte aus der Perspektive des Protagonisten erzählt wird, erleben die Zuhörenden sehr gut, wie es sich anfühlt, in so ein System integriert zu werden. Die Erzählung vermittelt Hintergrundinformationen über solche Systeme und macht ethische und soziale Werte wie Freundschaft erfahrbar. Es lädt die Zuhörenden aber auch dazu ein, gewisse Informationen kritisch zu hinterfragen.
- Schweiger, Wolfgang (2017). Der (des)informierten Bürger im Netz. Wie soziale Medien die Meinungsbildung verändern. Wiesbaden: Springer VS. 214 S., 14,99 €.
Schweiger, Wolfgang (2017). Der (des)informierten Bürger im Netz. Wie soziale Medien die Meinungsbildung verändern. Wiesbaden: Springer VS. 214 S., 14,99 €.
Immer häufiger stehen in den sozialen Medien Fakten neben Fake News, Lügen neben Wahrheiten und Wissenschaft neben Verschwörung. Das hat auch Auswirkungen auf die politische Meinungsbildung der Bevölkerung.
In Der (des)informierte Bürger im Netz diskutiert Schweiger daher die Rolle der sozialen Medien in der öffentlichen und akademischen Debatte. Schweiger geht es um die Sicherung des demokratischen Prinzips mit einem fairen Wettbewerb unter politischen Positionen und mittels öffentlicher Debatten, unabhängiger Nachrichtenmedien und freien Wahlen. Aus seiner Sicht ist die Zunahme nicht-journalistischer medialer Angebote wie Facebook, YouTube oder Twitter und der zunehmend sporadische Kontakt mit journalistischen Nachrichten problematisch. Für aufklärerische Zwecke setzt er sich demnach mit dem Demokratiebegriff, den Nachrichtenmedien und dem Internet auseinander, bevor er darauf aufbauend auf den Nachrichtenjournalismus, den Bürgerjournalismus sowie alternative und soziale Medien eingeht. Hiernach behandelt der Band das Informieren im Internet und maßgebliche Einflussfaktoren sowie Konsequenzen hinsichtlich der eigenen Person und der Politik, und erörtert die Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch Social Media. Zuletzt fokussiert er die sogenannte politisierte Bildungsmitte, die auch einen Beitrag zur Meinungsbildung im Internet beiträgt. Schließlich liefert Schweiger noch einen anwendungsbezogenen Ausblick zum Umgang mit der politischen Meinungsbildung.
Das gut aufgebaute Werk befasst sich intensiv mit einem sehr aktuellen, politischen Zeitgeschehen und kann daher Studierenden und medienpädagogischen Fachkräften empfohlen werden. Gerade die anwendungsbezogenen Empfehlungen des Autors liefern umfangreiches Material für Diskussionen, die für Fachkräfte in der Praxis relevant sind. Inhaltlich fallen die Nutzung von Grafiken und Tabellen, eine eloquente Sprache sowie die prägnanten Zusammenfassungen positiv auf, die die Publikation sehr anschaulich machen.
- Melanie Theissler: Unterrichtsmaterial zu Fake News und Social Bots
Melanie Theissler: Unterrichtsmaterial zu Fake News und Social Bots
Ob Scherznachrichten, Horrormeldungen, betrügerische Nachrichten, Beeinflussung – wahre Nachrichten von Falschen zu trennen kann zu einer Herausforderung werden. Besonders Jugendliche sollten daher über Fake News und deren Identifikation aufgeklärt werden. Mit dem Unterrichtsmaterial Fake News und Social Bots im digitalen Zeitalter halten nun Strategien für den Einsatz im Sekundarbereich I/BBS Einzug in das Bildungswesen. Dieses zielt darauf ab, mithilfe entsprechender Werkzeuge Medienkompetenz und die Fähigkeit des selbstständigen Reflektierens in Hinblick auf die Verifizierung von unwahren Meldungen und Social Bots im Unterricht zu fördern.
Dazu ist das Unterrichtsmaterial in drei Einheiten mit unterschiedlichen Schwerpunkten gegliedert: In der Einheit Irreführung durch Manipulation und Unwahrheiten im Internet erfahren Jugendliche, auf welche Art und Weise Inhalte im Internet gefälscht werden können. Die Schülerinnen und Schüler lernen, die eigene Nutzung von Internetquellen mithilfe von diversen Tools zu hinterfragen und setzen sich mit gesellschaftlichen und politischen Schwierigkeiten auseinander. Die Einheit Einschätzung von bekannten Quellen und Förderung der Quellenkritik soll die Lernenden zur selbstständigen Erarbeitung von Handlungsoptionen anregen. Hier entwickeln sie eine Checkliste zur Bewertung von Informationen und Bildern bzw. überprüfen anschließend ihre praktische Anwendung. In der Einheit Extremistische Inhalte im Netz arbeiten die Jugendlichen in Kleingruppen, um beispielhaft Fake News hinsichtlich Form, Sprache und Inhalt zu analysieren oder die Rolle von Social Bots zu erörtern. Erstellt wurde das Unterrichtsmaterial vom JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, dem FWU Institut für Film und Bild und dem Niedersächsischen Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung im Auftrag des Niedersächsischen Kultusministeriums.
- Melanie Theissler: Smartphone auf dem Vormarsch
Melanie Theissler: Smartphone auf dem Vormarsch
Das Smartphone ist das beliebteste Gerät zum Surfen. Das zeigt die ARD/ZDF-Onlinestudie 2016, die sich unter anderem mit den Funktionalitäten rund um den Cyberspace und damit verbundenen neuen Nutzungsformen und Angeboten beschäftigt hat. Demnach nutzen mittlerweile 58 Millionen Deutsche das Internet und verbringen dort täglich durchschnittlich 128 Minuten. Noch vor dem Laptop dient erstmalig das Smartphone (66 %) als wichtigstes Device dafür. Bereits 94 Prozent der 14- bis 29-Jährigen besitzen ein Smartphone oder ein internetfähiges Handy – und nutzen das Internet mit 245 Minuten täglich am längsten. Einen enormen Schub gibt es bei der Unterwegsnutzung: So gehen 28 Prozent der Bevölkerung täglich unterwegs ins Internet, sei es in der Bahn, im Café oder bei Freundinnen und Freunden; das sind zehn Prozent mehr als noch im Vorjahr. In der Altersgruppe der Unter 30-Jährigen sind es bereits 64 Prozent, die täglich unterwegs auf Netzinhalte zugreifen.
Die meisten Onlinetätigkeiten sind in der Kategorie ‚Kommunikation und Medien‘ zu finden und machen 55 Minuten der täglichen Nutzungszeit aus. Besonders die jüngeren (14 bis 29 Jahre) bis mittleren (30 bis 49 Jahre) Altersgruppen verbringen viel Zeit mit diesen Onlinetätigkeiten. Durch die steigende Nutzung von Smartphones erhöht sich auch der Einsatz von Apps. Da besonders der Audiobereich – unter anderem Musik hören über das Internet, Live-Hören von Radioprogrammen und Musikstreaming – genutzt wird, erweitert dieser stets sein Spektrum hinsichtlich der Angebote und Nutzungsformen. Insbesondere da die jüngeren Onlinenutzerinnen und -nutzer jegliche Form der Audioangebote nutzen, konnte bei den Audioangeboten auf YouTube und Musikerkennungsdiensten das stärkste Wachstum beobachtet werden. Auch Streamingdienste wie Spotify oder Soundcloud werden von 46 Prozent dieser Gruppe wöchentlich genutzt, 22 Prozent nutzen sie sogar täglich. Auf fast allen Plattformen hat die Videonutzung zugenommen. Im Internet nutzen derzeit 72 Prozent der Bevölkerung Videos. Unter den kostenpflichtigen Videostreaming- Diensten führt aktuell Amazon Prime, gefolgt von Netflix und iTunes.
Mittlerweile erlauben Fernsehen und Internet eine Parallelnutzung von Smartphones und Tablets, die bereits 53 Prozent nutzen. Besonders die 14- bis 29-Jährigen nutzen beide Medien stark parallel, wobei das Smartphone hier als das wichtigere Gerät gilt. Auch das Radio wird noch von 78,7 Prozent der Bevölkerung täglich genutzt. Mit 77 Prozent durchschnittlicher Tagesreichweite steht das Radio nur knapp hinter dem Fernsehen (80 %). Das Radio hat so mit dem TV insgesamt wenig an Bedeutung im Alltag seiner Nutzerinnen und Nutzer verloren. Besonders die jungen Menschen nutzen das mobile Radio außer Haus über ihr Smartphone.
Für die ARD/ZDF-Onlinestudie 2016 wurden mittels Telefoninterviews insgesamt 1.508 Personen befragt.
- Melanie Theissler: Wie eine unsichtbare Freundin tödlich sein kann
Melanie Theissler: Wie eine unsichtbare Freundin tödlich sein kann
Interactive Media Foundation gGmbH (2016).
Ninette. www.ninette.berlin, interaktiver Comic, kostenfrei.
Kalorien zählen, Sport treiben, weniger oder gesünder Essen mit dem Ziel, endlich abzunehmen. All diese Gedanken um Gewicht und Gesundheit kennen viele von uns. Für manche Heranwachsenden können diese Gedanken jedoch so präsent werden, dass sie an nichts anderes mehr denken können und im schlimmsten Fall an einer Essstörung erkranken. Janette ist wohl eine von ihnen. Eigentlich ist sie, wie auch ihre beiden Freundinnen Lisa und Songül, einfach nur mitten in der Pubertät. Alle drei Mädchen beschäftigt ihre körperliche Veränderung, mit der jede von ihnen anders umzugehen scheint. Während bei Lisa die Pubertät gerade erst anfängt, gibt Songül mit ihrer Weiblichkeit regelrecht an. Beide Mädchen geben sich im Umgang mit sich und ihrem Umfeld selbstbewusst. Einzig Janette scheint mit ihrem wachsenden Busen und den weiblicheren Hüften eher überfordert zu sein. Interessierte Blicke oder kurze Berührungen der männlichen Gleichaltrigen irritieren sie, und beim Sport stört sie ihr Busen. Sie merkt, dass sich etwas verändert und ihre Freundinnen und Freunde damit scheinbar leichter umgehen können als sie. Ihrer Familie fällt Janettes Verunsicherung wegen ihres Körpers zunächst gar nicht auf. Im Gegenteil, sie necken sie diesbezüglich und fordern sie auf, mehr zu essen. Ihr Vater behauptet sogar, ihre Speckröllchen zu mögen und ärgert sie, indem er sie bei ihrem Spitznamen Nette ruft; ein Name, den sie nicht leiden kann. Als sie Leon, den neuen Klassenkameraden ihres Bruders, kennenlernt und auch noch Gefühle für ihn entwickelt, ist sie vollkommen verunsichert. Sie ist überzeugt, dass Leon sie aufgrund ihres Körpers nicht mögen kann. Und da beginnt die schon immer sehr disziplinierte Janette nun konsequent abzunehmen. Ninette – Dünn ist nicht dünn genug ist ein interaktiver Comic, der in elf Folgen das Leben der 14-jährigen Janette zeigt. Dieser steht unter www.ninette.berlin kostenfrei zur Verfügung. Die Interactive Media Fondation gGmbH hat das Projekt – in Kooperation mit Waage e. V. – das Fachzentrum für Essstörungen in Hamburg, mit dem Frankfurter Zentrum für Ess-Störungen und der Selbsthilfeorganisation ANAD e. V. – entwickelt, um über das Thema Essstörung zu informieren und aufzuklären. Janettes Geschichte wird als interaktive Bildergeschichte erzählt, die Nutzende selbstständig durchklicken können. Die Charaktere sind zwar im Comic-Stil illustriert, die Zeichnungen orientieren sich jedoch stark an realen Körperproportionen. Nutzende können somit Janettes Gewichtsreduktion und körperliche Veränderungen sehr gut anhand der Bilder mitverfolgen. Bis auf Geräusche aus der Umgebung finden keine hörbaren Dialoge statt, selbstverständlich gibt es die gewohnten Sprechblasen. Innerhalb der Geschichte tauchen außerdem immer wieder kleine pinkfarbene interaktive Schaltflächen in Form einer Glühbirne auf, die durch Anklicken weitere Informationen zum aktuellen Geschehen liefern. Dies kann beispielsweise eine kurze Erzählung einer Magersüchtigen sein oder weitere Tipps zum Klinikaufenthalt. Das Lesen der Zusatz informationen ist jedoch nicht maßgeblich für den Verlauf bzw. das Nachvollziehen der Geschichte.
Neben den Comic-Folgen enthält die Webseite noch zwei Rubriken: ‚Mehr erfahren’ und ‚Hilfe erhalten‘. Unter ‚Mehr erfahren‘ sind alle Informationen der interaktiven Glühbirnen chronologisch aufgelistet, so dass sie unabhängig von der Geschichte (nach-)gelesen werden können. Hinter der Rubrik ‚Hilfe erhalten‘ verbirgt sich eine Eingabemaske, mit der sich Betroffene anonym direkt an Beratungsstellen wenden können. Auch enthält sie weitere Kontaktmöglichkeiten und Links zu Beratungsstellen. Ninette – Dünn ist nicht dünn genug ist liebevoll und realitätsnah illustriert, und modern und einfühlsam in Szene gesetzt. Die gesamte Internetseite, wie auch der Comic selbst, bedient sich freundlicher und heller Farben, wodurch eine offene, jedoch nicht zu kindliche Atmosphäre geschaffen wird. Einerseits werden gewöhnliche Probleme einer weiblichen Jugendlichen dargestellt, die in der Pubertät ist, sich zum ersten Mal in einen Jungen verliebt und immer wieder kleine Streitereien mit den Eltern hat. Anderseits werden den Nutzerinnen und Nutzern auch potenzielle Gefahrenbereiche sowie verzerrte authentische Gedankenmuster, die maßgeblich zur Entwicklung einer Magersucht beitragen können, sehr deutlich aufgezeigt. Letzteres zeigt sich beispielsweise in Form der personifizierten Darstellung der Magersucht, die mit immer stärkerem Wachstum grotesker und skurriler wird und nur von Janette selbst gesehen und gehört werden kann. Weiterhin befasst sich der Comic mit charakteristischen, (psycho-)sozialen Problemen bei Esstörungen, wie wechselseitigen Reaktionen zwischen Freundinnen bzw. Freunden und Janette. Auch werden Heilungsmethoden wie Klinikaufenthalte oder erste Orientierungsgedanken für Betroffene in Richtung einer Genesung bzw. auch für Angehörige von Betroffenen ausführlich erläutert. Ninette – Dünn ist nicht dünn genug richtet sich damit zum einen in sehr ansprechender Weise an jugendliche Betroffene, gleichzeitig auch an Eltern, Freundinnen und Freunde sowie an Interessierte, die Hilfestellungen suchen, wie sie erste Signale richtig deuten bzw. an welche Adressen sie sich wenden können, welche Gedanken und Gefühle eine magersüchtige Person oftmals hat oder wie dieser am besten geholfen werden kann. Sehr wertvoll dabei ist, dass die Aufbereitung ihnen die Möglichkeit gibt, die Geschwindigkeit der Geschichte selbst zu bestimmen sowie eigenständig zu entscheiden, an welcher Stelle sie tiefergehende Informationen interessieren. Zum anderen ist das äußerst ansprechend aufbereitete Material sehr empfehlenswert für die (medien-)pädagogische Praxis, und eignet sich zum Einsatz sowohl im schulischen wie auch außerschulischen Kontext, um Jugendliche für diese psychische Störung zu sensibilisieren und darüber aufzuklären.
- Melanie Theissler: Und welches Tier bist du?
Melanie Theissler: Und welches Tier bist du?
Brandis, Katja (2016). Woodwalkers – Carags Verwandlung. Hörbuch, Arenaaudio. 309 Min., 16,99 €.
Wie wäre es, wenn sich ein Mensch mittels seiner Gedanken plötzlich in ein Tier verwandeln könnte? Wie würde dieses Leben als Gestaltwandlerin bzw. -wandler wohl aussehen? Der Junge Carag im Hörspiel Woodwalkers – Carags Verwandlung besitzt diese Fähigkeit schon seit seiner Geburt. Doch Carag und seine Familie leben nicht als Menschen in Häusern, sondern in ihrer Tiergestalt als Pumas im Wald in der Region rund um den Grand Canyon und die Rocky Mountains. Menschliche Sitten und Gebräuche sind ihm größtenteils fremd. Als seine Mutter zusammen mit ihm und seiner Schwester Mia zum ersten Mal in Form der Menschengestalt einen Ausflug in die Welt der Menschen macht, ist Carag fasziniert von dieser Welt und deren Gestalt. Und so beschließt Carag im Alter von elf Jahren, seine Familie zu verlassen, und sich in die Welt der Menschen zu begeben, um dort sein Leben als Mensch weiterzuführen. Mittels eines raffiniert ausgearbeiteten Plans schafft er es, unter dem Decknamen Jay in eine Pflegefamilie aufgenommen zu werden. Seine Pflegefamilie glaubt, Carag hätte sein Gedächtnis verloren und bringt ihm daher alles Notwendige bei, um in der Welt wieder klar zu kommen. Carag lebt dort zwei Jahre, besucht die Junior High und hat trotz der Bemühungen seiner Pflegefamilie Schwierigkeiten, sich vollständig einzuleben. Seine Mitschülerinnen und Mitschüler mobben ihn, und er hat bis jetzt keine einzige Freundin und keinen einzigen Freund gefunden. Auch mit seinen Pflege-Geschwistern, besonders mit seinem Bruder, gibt es andauernd Streit. Mittlerweile belastet Carag sein neues Leben sehr, und er beginnt zu zweifeln, ob es eine gute Idee war, seine alte Familie hinter sich zu lassen und zu den Menschen zu ziehen. Als er sich eines Tages auf den Weg zur Schule macht, trifft er Lissa Clearwater, die ebenfalls eine Gestaltwandlerin – ein sogenannter Woodwalker – war. Sie erklärt ihm, dass sie ihn bereits seit geraumer Zeit beobachten lässt, dass Woodwalker andere Woodwalker wahrnehmen könnten, und dass sie ein Internat für Woodwalker gegründet habe: die Clearwater High. Sie lädt Carag ein, von nun an diese Schule zu besuchen, da ihm dort neben gewöhnlichen Fächern auch alles Notwendige über Gestaltwandlerinnen und -wandler beigebracht werden würde. Carag ist mit der Situation, dass es noch andere wie ihn gibt, zunächst überfordert und überlegt, wie er seiner Pflegefamilie erklären sollte, dass er ab sofort eine Schule für Gestaltwandlerinnen und -wandler besuchen möchte. In den darauffolgenden Tagen erhalten seine Pflegefamilie und er Besuch von Andrew Miller, einem sehr vermögenden, berühmten und einflussreichen Mann aus der Gegend, der behauptet, Carag fördern zu wollen. Tatsächlich spürt Carag, dass es sich hierbei um einen Gestaltwandler handelt, der ihm aber nicht wohlgesonnen ist. Trotz Millings zwielichtigem Erscheinen – und zu Carags völliger Überraschung – empfiehlt er Carags Familie die Clearwater High sehr. Seine Familie, die sich viel aus Millings Meinung macht, gibt Carag schlussendlich die Erlaubnis, die Clearwater High zu besuchen. Doch: Wie wird es ihm auf der neuen Schule unter seinesgleichen wirklich ergehen? Und welche Rolle spielt Andrew Milling noch für Carag?
Das Hörspiel Woodwalkers – Carags Verwandlung nach dem gleichnamigen Roman von Katja Brandis ist der erste Teil der Woodwalkers-Reihe. Er wird sehr emotional, einfühlsam und mit einer hervorragenden Intonation von Timo Weisschnur gelesen. Er präsentiert sich mit einer sehr warmen, fast noch jugendlichen energischen Stimme, die die Geschichte noch lebendiger macht. Obwohl die Zuhörenden gleich zu Beginn der Erzählung mit vielen verschiedenen Personen konfrontiert werden, lassen sie sich dank Weisschnur, der jeder Person eine auf deren Persönlichkeit zugeschnittene Stimme verleiht, sehr gut voneinander unterscheiden. Die Geschichte wird in einem ansprechenden Tempo aus der Ich-Perspektive erzählt. Es wird eine im Jugendstil gehaltene Sprache mit altersgemäßen Sprachelementen (z. B. keine komplizierten Sätze) verwendet sowie Wörter, wie sie eine heranwachsende Person ebenfalls im Alltag nutzen würde. Beschreibungen von Örtlichkeiten stehen weniger im Fokus, sondern eher das Leben des jungen Carag. Umschreibungen von zwischenmenschlichen Aktionen, wie Konflikte oder die erste große Liebe, werden realitätsnah und gut verständlich dargestellt. Der Hauptprotagonist Carag verkörpert einen klassischen Außenseiter hinsichtlich seines Charakters und Aussehens, der von der gewöhnlichen Gesellschaft gemobbt wird und Schwierigkeiten hat, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Dafür zeigt er aber eine ungewöhnlich hohe mentale Reife für sein Alter. Er erkennt stets, dass die Diskriminierung durch die menschliche Gesellschaft falsch ist, und zweifelt zu keinem Zeitpunkt an seinem Aussehen und Charakter. Stattdessen zeichnen Gerechtigkeit, Besonnenheit, geistige Stärke und Empathie seine Persönlichkeit aus. Carag stellt eine Identifikations- und Vorbildfigur für alle Jugendlichen dar, die selbst Erfahrungen mit Mobbing machen oder gemacht haben.Am Beispiel der Woodwalker lassen sich gesellschaftliche Schwierigkeiten von Randgruppen sowie das allgemeine Zusammenleben dieser gut darstellen. Das Hörbuch befasst sich mit realen Problemen eines 13-jährigen Jungen, der auf dem Weg ist, erwachsenen zu werden: Abschied und Neuanfang wie auch Mobbing aufgrund eines veränderten Aussehens und Verhaltens sowie die ständige Suche nach einem Anschluss an eine Gruppe sind allesamt sehr alterstypisch. Hier liegt auch der (medien-)pädagogische Mehrwert: Jugendlichen werden, neben der Ermunterung zum Ausleben ihrer Fantasie, wertvolle moralische und ethische Werte vermittelt. So stehen in Carags Welt Loyalität, Freundschaft und Gerechtigkeit immer an erster Stelle – und auch mit Diskriminierung lehrt die Geschichte einen sensiblen Umgang.
Die Erzählung wird auf vier CDs erzählt und hat eine Gesamtlaufzeit von 309 Minuten. Woodwalkers eignet sich für Kinder zwischen zehn und 13 Jahren wie auch für alle (medien-)pädagogischen Fachkräfte in der Praxis, die Kindern wichtige moralischen Werte auf fantasiefördernde Weise vermitteln möchten.
Melanie Theissler ist studentische Hilfskraft bei merz | medien + erziehung. Sie studiert derzeit angewandte Psychologie an der Hochschule Fresenius.
Beitrag aus Heft »2017/02 Postfaktisch: Journalismus im medialen Wandel«
Autor: Melanie Theissler
Beitrag als PDF - Melanie Theissler: Fantastische Freie Software – und wo sie zu finden ist
Melanie Theissler: Fantastische Freie Software – und wo sie zu finden ist
Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e. V./Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e. V./Google Germany GmbH (Hrsg) (2016). Werkzeugkasten Freie Software im Projekt „Medien in die Schule“. Materialien für den Unterricht. www.medien-in-die
Was ist unter Soft- und Hardware zu verstehen? Wie kann Software im Unterricht genutzt werden? Und zu Hause? Das Herausgeberteam – Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e. V. (FSM), Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e. V. (fsf) und Google Germany GmbH – hat mit der Onlinepublikation Werkzeugkasten Freie Software eine Handreichung erstellt, in der verschiedene Software und sieben Werkzeuge ausführlich dargestellt sowie deren pädagogische Relevanz im Unterricht reflektiert werden. Die Onlinepublikation besitzt sechs Kapitel und ein Glossar: Zu Beginn werden Fachbegriffe aus der Informatik kurz erläutert und an metaphorischen Beispielen alltagsnah und anschaulich erklärt. Die Lesenden werden mit vielen Definitionen versorgt, die leicht verständliche Erklärungen enthalten und so für fachfremde Lesende bestens geeignet sind. Positiv hervorzuheben sind weiterhin die kapitelabschließenden und beratenden Hinweise bezüglich der Installation eines Programms.
Anschließend sind Begrifflichkeiten und Funktionen thematische Schwerpunkte. Es werden unter anderem verschiedene Softwaremodelle verglichen und rechtliche Faktoren vorgestellt. Grafiken unterstützen dabei komplexere Aspekte und begünstigen das Verständnis.
Nachfolgend wird erklärt, weshalb Freie Software eigentlich kostenfrei ist und sein kann. Dazu werden historische Einflüsse herangezogen, die die theoretische Basis bilden. Der Frage, weshalb Open Source kostenfrei ist, wird gesondert beantwortet. Das folgende Kapitel widmet sich Open Source in der Bildung. Hierzu werden Vorteile und Vorsichtsmaßnahmen hinsichtlich des Einsatzes von Freier Software in Schulen genannt. Dieser Abschnitt enthält nun vermehrt fortgeschrittenes Wissen über Freie Software und erfordert bereits einige Vorkenntnisse des Fachbereichs; wenn auch zu Kapitelbeginn die Erklärungen zur Freien Software aus den vorherigen Kapiteln wiederholt werden und damit das Kapitel eher für Neulinge gedacht zu sein scheint.
Das fünfte Kapitel stellt Beispiele für das Aufkommen und die Nutzung Freier Software in unter anderem der Textverarbeitung, der Kommunikation oder der fächerspezifischen Organisation bzw. Anwendung vor. Die Anwendungen werden hinsichtlich ihrer Funktionen erklärt und anschließend bewertet, inwieweit sie für den Einsatz in Schulen geeignet sind. Am Seitenrand finden sich außerdem weiterführende Links zu den Quellen oder Apps des jeweiligen Programms. Diese praxisorientierten Informationen sind für Lesende besonders empfehlenswert. Anschließend werden sieben der bereits erwähnten Werkzeuge detailliert erläutert, für den Einsatz im Unterricht bewertet und je in ein Anwendungsbeispiel praxisnah eingebettet.
Insgesamt ist die Online-Publikation sehr gut geeignet, um der Zielgruppe Lehrkräfte ein erstes Verständnis für Open Source zu geben, deren Sinn und Einsatz im Unterricht zu vermitteln sowie ihnen den Zugang zu Freier Software zu vereinfachen. Die Veröffentlichungsform einer frei zugänglichen, interaktiv-gestaltbaren Online-Publikation ist in diesem Kontext nicht nur hervorragend gewählt, sondern mittels stetig weiterführender Links zu Definitionen, Apps oder inhaltsnahen Kapiteln auch ideal umgesetzt worden.
- Melanie Theissler: Wie erkenne ich Fake News?
Melanie Theissler: Wie erkenne ich Fake News?
Neue Wege des Lernens e. V. (2017). Fake News Check. iOS/Android, kostenfrei.
Auf Social Media nutzen sie gerne Schlagwörter, wie ‚Must see!‘ oder ‚unglaublich!‘, auf Onlinevideoplattformen treten sie häufig mittels sogenannter Clickbaits in der Videovorschau auf. Immer stärker rücken Fake News in den Fokus vieler sozialwissenschaftlicher Fachkräfte und Internetnutzender. Sie alle stellen sich dabei die Fragen, wie wahre von falschen Nachrichten unterschieden und welcher Quelle noch getraut werden kann. Der Verein Neue Wege des Lernens e. V. möchte Antworten darauf geben und stellt dazu die App Fake News Check als Hilfsmittel zur Aufklärung von Falschnachrichten zur Verfügung. Die Anwendung überprüft mithilfe eines Fragenkatalogs, ob es sich bei einer suspekten Nachricht um eine gefakte Meldung handelt oder ob ihrem Inhalt bedenkenlos vertraut werden kann.
Zur Überprüfung der Fake News werden die Userinnen und User durch 19 Fragen geführt, die auf virtuellen Karteikarten gezeigt werden. Jede Karteikarte beinhaltet eine Frage. Die nutzende Person kann diese Fragen in Bezug auf die von ihr verdächtige, falsche Nachricht beantworten. Die Fragen handeln von typischen Merkmalen falscher Nachrichten, ob es sich beispielsweise um besonders skandalöse Neuigkeiten handelt bzw. die Nachricht mit Quellen belegt wurde oder die Person zum Teilen der Nachricht aufgefordert wird. Nicht alle Fragen müssen beantwortet werden, um zur nächsten Frage zu gelangen. Am Ende der Befragung gibt Fake News Check in einer kurzen Auswertung eine Einschätzung, wie wahrscheinlich es ist, dass es sich bei der von Nutzenden verdächtigten Nachricht um Fake News handelt. Je mehr Fragen beantwortet werden, desto qualitativ hochwertiger ist auch die Einschätzung. Wenn die Userinnen und User während der Beantwortung der Fragen dem Hintergrund der ihnen gestellten Frage nachgehen wollen, können sie auf das Feld ‚Karte umdrehen‘ klicken. Hier wird der Hintergrund jeder Frage erläutert.
Wer noch keine genauen Vorstellungen hat, wie die App richtig zu bedienen ist, kann über das Feld ‚Bedienen‘ mehr erfahren. Hier wird erklärt, welche Funktion die App hat, welcher Nutzen sich dahinter verbirgt und vor allem auch, was die Anwendung nicht leisten kann. Fake News Check ist zugunsten des informativen Charakters gestalterisch einfach und von der generellen Farbnutzung schlicht-freundlich gehalten. Farben werden nur gezielt im Zusammenhang zur positiven oder negativen Auswertung der Nachricht eingesetzt. Auch die Handhabung der Anwendung ist sehr nutzerfreundlich. Durch den Homescreen, von welchem aus alle Funktionen erreicht werden können, finden sich die Nutzerinnen und Nutzer leicht und intuitiv gut in der Anwendung zurecht.
Die App Fake News Check eignet sich sehr gut für pädagogische Zwecke und die Förderung von Medienkompetenz im Unterricht. Gemeinsam mit (medien-)pädagogischen Fachkräften und in Form des Blended Learning können Kinder und Jugendliche entsprechende Medienkompetenzen zum selbstständigen Identifizieren von Fake News erwerben. Die App kann als unterstützende Methode bzw. als zusätzliche praktische Übung zu anderen didaktischen Mitteln fungieren. Unter einer professionellen Anleitung kann der eigentliche Nutzungszweck der App vermittelt und die Anwendung adäquat angewandt werden. So können Kinder und Jugendlichen gemeinsam mit den Lehrenden anhand typischer Kennzeichen den Unterschied lernen, vertrauenswürdige Quellen von nicht-vertrauenswürdigen zu unterscheiden. Unterstützend wirken dabei das in die App inkludierte Glossar sowie eine Linkliste mit thematisch weiterführenden Internetadressen. Beide Funktionen ermöglichen Projektarbeiten in medienpädagogischen Kontexten, wie zum Beispiel das Lernen entsprechender Fachtermini oder das Kennenlernen von gemeinnützigen Vereinen, Blogs oder EU-Initiativen, die für die Sicherstellung und Verbreitung von wahrheitsgetreuen News arbeiten.
Der Verein Neue Wege des Lernens e. V. bietet beispielsweise eine praktische Anleitung sowie Arbeitsmaterialien zum didaktischen Umgang mit der Anwendung Fake News Check im Unterricht. Dies bietet Lehrenden eine genaue Anweisung zum Umgang mit der Anwendung, um Schülerinnen und Schülern ein auf die App konzipiertes Projekt durchzuführen. Nach Beenden eines solchen Projekts helfen Fragenkatalog sowie Glossar den Jugendlichen, das erlernte Wissen beizubehalten und nach Belieben aufzufrischen. Personen außerhalb des (medien-)pädagogischen Rahmens allerdings, die sich nicht ausführlich mit der App Fake News Check beschäftigen und Nachrichten im Alltag kurzfristig auf ihre Tauglichkeit überprüfen möchten, neigen eher dazu, sich auf die Auswertungsergebnisse zu verlassen statt sich auf das eigene Hintergrundwissen und Reflexionsvermögen zu berufen. Der Namen der App ist hierbei tendenziell irreführend, da es die Nutzenden zur Annahme verleitet, sich auf die Richtigkeit des automatisch erzeugten Ergebnisses verlassen zu können. Zwar wird in der Anleitung der App erklärt, dass es sich hierbei um keine hundertprozentig zuverlässige Überprüfung von Falschnachrichten handelt, jedoch wird dies erst in der gesonderten weiterführenden Bedienungsanleitung deutlich.
Die edukativen Zwecke, nämlich das Lehren des selbstständigen Erkennens sowie ein sicherer Umgang mit Fake News, könnten zum Beispiel in Form eines im Homescreen inkludierten Hinweises verdeutlicht werden. Grundsätzlich erreicht der Weg des virtuellen Lernens insbesondere Kinder und Jugendliche aber hervorragend, da sie mit Apps ohnehin nahezu ausnahmslos vertraut sind. Jedoch könnte aufgrund einer vorschnellen Annahme über den Gebrauch der App als unhinterfragter Qualitätscheck der positive Anreiz schnell verloren gehen. Die ursprüngliche Intention, die Zielgruppe beim Kompetenzerwerb zu unterstützen, würde damit untergraben werden. Dieser ambivalente Charakter lässt fragen, ob junge Nutzende mit wenig Erfahrung im Umgang mit Falschberichterstattung den Fragenkatalog selbstständig und mit einer hohen sowie sicheren Antwortquote bearbeiten können. Daher kann die Anwendung verstärkt (medien-)pädagogischen Fachkräften der Praxis sowie Lehrkräften empfohlen werden, die das Ziel der Entwicklungsförderung von Kindern und Jugendlichen verfolgen.
Die Anwendung kann im Google Playstore bzw. Apple Store kostenfrei heruntergeladen werden.
- Melanie Theissler: Studie: Wahrnehmung von Fake News
Melanie Theissler: Studie: Wahrnehmung von Fake News
Fake News bedrohen die Demokratie – zumindest für 61 Prozent der Befragten. Doch wie werden Falschnachrichten in der deutschen Bevölkerung überhaupt wahrgenommen? Mit den Ergebnissen der Studie Wahrnehmung von Fake News liegen erstmals valide Daten zu Fake News und deren Wahrnehmung im deutschsprachigen Raum vor. Knapp über die Hälfte der deutschen Onlinenutzenden sind mit Fake News schon einmal in Berührung gekommen, in der Gruppe der 14- bis 24-Jährigen sogar bereits 77 Prozent. Jede zweite befragte Person ist über Berichte in den Medien auf unwahre Meldungen aufmerksam geworden. Immerhin 45 Prozent kontrollieren die dargestellten Fakten und Sachverhalte. Nutzende nennen als Überprüfungsmethoden die Untersuchung auf Absender, Impressum bzw. der Namen der Autorinnen und Autoren oder fragen die URL der Quelle ab. Vorzugsweise Männer und die Altersgruppe der 14- bis 24-Jährigen beleuchten tendenziell am häufigsten dargestellte Fakten und Sachverhalte.
Mit steigendem Alter überprüfen immer weniger Personen die erhaltenen Informationen. Mit 86 Prozent sind sich die Befragten einig, dass es für Nutzende einfacher sein sollte, falsche Nachrichten durch eine Kennzeichnung erkennen zu können. Darüber hinaus befürworten sie mehrheitlich eine Gesetzesänderung zur schnelleren Entfernung von Fake News auf Social Media-Plattformen. Befragte Personen über 60 Jahren vertreten diesen Standpunkt stärker als Jüngere. Westdeutsche geben häufiger an, dass sie auf Falschnachrichten aufmerksam wurden und sind an Fake News generell interessierter als Ostdeutsche. Letztere sind auch häufiger der Meinung, dass es sich bei unwahren Meldungen um freie Meinungsäußerungen handele. Im Vergleich zu Frauen sind Männer gegenüber Fake News aufgebrachter. Auch sind sie verstärkt der Meinung, dass es keine Gesetzesänderung benötige, da Fake News kein neues Phänomen darstelle. Die repräsentative Studie wurde im Auftrag der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) von forsa durchgeführt. Insgesamt wurden 1.011 Personen ab 14 Jahren befragt, die privat das Internet nutzen.
- Melanie Theissler: Die Wahrheit auf den Kassetten
Melanie Theissler: Die Wahrheit auf den Kassetten
Wie geht man am besten mit Mobbing um, wenn man bereits tot ist? In der Serie Tote Mädchen lügen nicht zeigt Hannah, wie das möglich ist. Eine Schülerin ist tot. Ihr Spind in ihrer amerikanischen High School ist mit Fotos und Blumen dekoriert. Das ist jetzt eine Woche her. Zwei Schülerinnen besuchen auch jetzt noch diesen Ort. Man würde vermuten, dass sie etwa stehen bleiben und kurz inne halten, in Gedanken an die Verstorbene. Doch das wäre nicht mehr zeitgemäß und uncool … und so stellen sich diese zwei Mädchen vor den Spind der Toten und schießen ein Selfie. Damit auch jede andere Person ihres Freundeskreises mitbekommt, dass sie ‚angemessen‘ trauern, stellen sie dieses Selfie ins Internet, verlinken es mit #nievergessen und gehen weiter.
Ganz anders geht Clay mit dem Tod seiner toten Mitschülerin Hannah um. Sein Gesicht ist auch nach einer Woche noch von Trauer und Betroffenheit gezeichnet als er den Spind betrachtet. Der ruhige und sensible ‚Nerd‘ ist keiner der ‚coolen‘ Schüler seiner Schule, wird aber von den meisten in Ruhe gelassen. Sein bester Freund ist Tony, der ganz fasziniert ist von nostalgischen Gegenständen, daher einen alten Mustang fährt, Kassetten liebt und alte Modetrends verfolgt. Er fährt Clay gelegentlich von der Schule nach Hause. Mit ihm und Hannah hat Clay bisher die meiste Zeit verbracht. Hannah hatte versucht, den stillen Teenager ein wenig aus der Reserve zu locken und ihn auch auf ihre einzige Party eingeladen.
Dort hatte Clay beobachtet wie Hannah einen Jungen kennengelernt hat. Clay wusste, dass dieser keiner von denen war, die es gut mit Hannah meinen würden. Doch Hannah hatte ein weiteres Date mit ihrem neuen Schwarm Justin und keine Ahnung, dass er anzügliche Fotos von ihr machen und in der ganzen Klasse verbreiten werden würde. Ab hier hatte Hannahs Unglück seinen Lauf genommen. Als Tony Clay wieder einmal von der Schule nach Hause fährt, findet dieser vor seiner Haustür ein Päckchen mit Kassetten, auf dem kein Absender steht. Beim Abspielen erkennt er Hannahs Stimme sofort, die, trotz ihres Todes, ein ausgeklügeltes Spiel geplant hat. Für Clay steht die Welt Kopf und es beginnt eine nervenaufreibende Jagd nach der Wahrheit.
Tote Mädchen lügen nicht behandelt das omnipräsente Thema (Cyber-)Mobbing an Schulen sowie dessen Folgen. Im Gegensatz zu vielen anderen Filmen, die zeigen, wie Mobbing beginnt und anschließend seinen Verlauf nimmt, wird gezeigt, wie sich die Mitschülerinnen und Mitschüler nach dem Tod ihres Mobbingopfers verhalten. Sowohl inhaltlich wie auch strukturell ist die Serie komplex aufgebaut. Während hauptsächlich das Geschehen aus der Sicht des Hauptprotagonisten Clay gezeigt wird, hört das Publikum zeitweise gleichzeitig Hannahs Stimme, die ihre Geschichte im Hintergrund mithilfe der Kassettenaufnahmen berichtet.
Mit jeder Folge lernt das Publikum mindestens eine weitere neue Person kennen, die von Bedeutung für den Verlauf der Geschichte ist. Dadurch gewinnt die Erzählung an zwischenmenschlicher Komplexität. Die Erzählung beginnt in der Gegenwart, springt jedoch immer wieder in die Vergangenheit, um so die Beziehung zwischen Hannah zu ihren nach und nach auftretenden Mitschülerinnen und Mitschülern zu erläutern. Die Serie zeigt auf diesem Weg erst Stück für Stück die gesamte Mobbinggeschichte auf.Auffallend sind emotionale und physische Gewalt, die grafisch teilweise sehr detailliert gezeigt werden und mithilfe von bewusst eingesetzten Farben, Musik und Kameraeinstellungen für eine äußerst düstere Stimmung sorgen.
Selbst auf erwachsene Zuschauerinnen und Zuschauer kann dies verstörend wirken. Für Jugendliche ist das hohe Identifikationspotenzial, das die Serie gekonnt einzusetzen weiß, mit Vorsicht zu beachten. Unter anderem verkörpern die Protagonistin Hannah und der Protagonist Clay mehrdimensionale, aber auch ambivalente Charaktere mit entsprechend breiter Projektionsfläche, deren Persönlichkeitsentwicklung sich wohlgemerkt im Verlauf der Serie unvorhersehbar gestaltet und die Handlungsweisen zum Teil fragwürdig erscheinen lässt. Dennoch kann gerade die Kombination aus sehr detaillierten, dramatisch untermalten Darstellungsweisen und lebensweltnahen Situationen zur Faszination und damit gar zu Nachahmung anregen.
Die Serie Tote Mädchen lügen nicht fällt mit hochaktuellen Situationen, schwierigen und in ihrer Darstellung zum Teil schwer aushaltbaren Themen, aber auch mit einer neuen Herangehensweise zur Behandlung von Mobbing sowie mit authentischen Akteurinnen und Akteuren auf. Aufgrund der drastischen emotionalen und physischen Gewaltszenen wird Jugendlichen empfohlen, die Serie nur mit entsprechender Betreuung von pädagogischen Fachkräften, Eltern oder Lehrkräften anzusehen. Unter diesen Nutzungsvoraussetzungen kann die Geschichte wiederum einen pädagogischen Mehrwert aufweisen. Sie kann Jugendlichen Sozialkompetenzen wie Wachsamkeit gegenüber Mobbingvermitteln und dazu anregen, den Mut zu haben, Opfern zu helfen. Weiterhin lehrt sie verändertes Verhalten bei Freundinnen und Freunden zu beobachten und ernst zu nehmen.
Pädagogische Fachkräfte können Jugendlichen dabei helfen, die Geschehnisse der Serie zu analysieren, zu reflektieren, einzuordnen und so beim Aufbau und der Festigung dieser sozialen Kernkompetenzen unterstützend zu wirken. Obwohl die Serie vorwiegend für den Privatgebrauch angeboten wird, kann sie als Lehrmaterial fungieren. Denn im Vergleich zu konventionellen Unterrichtsmaterialien bietet sie einen erhöhten emotionalen sowie kognitiven Zugang und gleichzeitig Anlass zur reflektierten Bearbeitung von selten so offen thematisierten Lebensthemen und Problemen wie Mobbing, Gewalt, Suizid oder sexuelle Belästigung. Genau deshalb kann eine pädagogische Verwendung allerdings nur unter Vorbehalt und unter verstärkter Berücksichtigung psychischer Verfassungen der Jugendlichen empfohlen werden.
Tote Mädchen lügen nicht (13 Reasons Why)USA 2017, 49 bis 61 Minuten13 Episoden in einer StaffelProduktion: Joseph IncapreraIdee: Brian YorkeyKamera: Ivan Strasburg, Andrij ParekhAusstrahlung: seit 31. März 2017 auf NetflixAltersfreigabe bei Netflix: 16 Jahre
Beitrag aus Heft »2017/05 Self-Tracking. Lifelogging. Quantified Self.«
Autor: Melanie Theissler
Beitrag als PDF - Autenrieht, Ulla/Bizzarri, Sarah/Lützel, Nadja (2017). Kinderbilder im Social Web. Eine empirische Studie zu Internet-basierter Bildpräsenz und Bildnutzung von unter 12-Jährigen. Short Cuts | Cross Media Bd. 12. Baden-Baden: Nomos. 153 S., 29,00 €.
Autenrieht, Ulla/Bizzarri, Sarah/Lützel, Nadja (2017). Kinderbilder im Social Web. Eine empirische Studie zu Internet-basierter Bildpräsenz und Bildnutzung von unter 12-Jährigen. Short Cuts | Cross Media Bd. 12. Baden-Baden: Nomos. 153 S., 29,00 €.
Kommunikation in Bildern statt in Worten. Knapp zwei Milliarden Fotos werden täglich in den sozialen Medien kommuniziert und verteilt. Die Erstellerinnen und Ersteller werden dabei immer jünger. Die Publikation Kinderbilder im Social Web widmet sich daher den Funktionen und Bedeutungen privater Bilder in Social Media-Plattformen mit Blick auf Elf- und Zwölfjährige, da diese Altersgruppe bereits einen sicheren Umgang mit dem Internet hat und sich aktiv in Facebook und Co. mitteilt. Die Handhabung, das Handeln und die Einstellung der Kinder wie auch ihrer Familien mit und zu Bildern im Internet ist daher zentraler Fokus der Basler Studie. Die Publikation ist in sieben Kapitel gegliedert. Das erste Kapitel leitet thematisch zu Kindern und (Bild-)Medien mittels diverser Studien zur Mediatisierung des Alltags ein. Die beiden folgenden Kapitel stellen das methodologische und methodische Vorgehen der Studie mittels qualitativer Interviews vor. Anschließend werden die Ergebnisse der Interviewanalysen präsentiert, eine Zusammenfassung sowie ein Ausblick über die gewonnenen Ergebnisse folgen. Das siebte und letzte Kapitel rundet die Publikation mit einem anwendungsbezogenen Konzept in Form von Tipps und Informationen für Familien hinsichtlich des Umgangs mit Kinderbildern ab. Kinderbilder im Social Web ist gut verständlich, erkenntnisreich und dabei bespickt mit hilfreichen Tabellen und Grafiken. Aufgrund der guten Nachvollziehbarkeit und vieler anwendungsbezogener Tipps ist das Werk sowohl für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlicher als auch für (medien-)pädagogische Fachkräfte geeignet, die erstmalig in diesem Gebiet praktizieren. Aber auch Eltern können insbesondere die Studienzusammenfassung und die anwendungsbezogenen Kapitel empfohlen werden, da sie kompaktes, spannendes Wissen über das Verhalten von Kindern im Umgang mit digitalen Bildern im Internet vermitteln.