Kira Thiel
- Volontärin
Vita
Ich bin bei merz seit …
... März 2019
Aktivitäten
- Bachelorstudium Kommunikationswissenschaften (Hauptfach) und Psychologie (Nebenfach) an der LMU München
- Masterstudium Kinder- und Jugendmedien an der Universität Erfurt
Beiträge in merz
Kira Thiel: dpa unterstützt Facebook bei der Eindämmung von Fake News
Im Kampf gegen Fake News und Desinformation setzt Facebook auf die Zusammenarbeit mit externen, unabhängigen Partnerorganisationen. Im deutschsprachigen Raum prüfen seit März auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Deutschen Presse-Agentur (dpa), Deutschlands führender Nachrichtenagentur, Inhalte der Plattform auf ihren Wahrheitsgehalt. Damit unterstützen sie das gemeinnützige Recherchezentrum Correctiv, das bereits seit 2017 Teil des von Facebook initiierten Fact-Checking-Programms ist. Anlass für das verstärkte Vorgehen gegen die bewusste Verbreitung von Falschnachrichten im Netz war die Befürchtung einer gezielten Einflussnahme auf die Ende Mai abgehaltene Europawahl.
Bedenken, dass durch die Zusammenarbeit mit Facebook eine unabhängige Berichterstattung der dpa über den Social-Media-Konzern nicht gewährleistet werden könne, weist die Nachrichtenagentur mit der Begründung langjähriger Erfahrungen im Umgang mit Informationen sowie Qualitätsprüfung zurück.
Im Zuge des Faktenchecks werden Beiträge, Bilder und Videos zunächst von den Prüferinnen und Prüfern gesichtet und unglaubwürdige bzw. falsche Inhalte als solche markiert. Diese werden daraufhin zwar nicht endgültig gelöscht, im News Feed allerdings in ihrer Sichtbarkeit eingeschränkt. Facebook zufolge kann auf diese Weise die Zahl der Aufrufe bereits um mehr als 80 Prozent reduziert werden. Eine weitere Maßnahme zur Bekämpfung irreführender Nachrichten stellt das Löschen gefälschter Accounts sowie der von Social Bots verbreiteten Inhalte dar. Durch den Zugang zu weiterführenden Informationen soll den Nutzenden zudem eine Kontextualisierung und bessere Einschätzung der angezeigten Beiträge hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit ermöglicht werden.
Zusätzlich zur manuellen Überprüfung von Inhalten durch die externen Faktenprüferinnen und -prüfer arbeitet Facebook an der Optimierung seiner automatisierten Systeme. Mithilfe Künstlicher Intelligenz sollen bestimmte Muster identifiziert und die Verbreitung von Falschmeldungen nachhaltig eingeschränkt werden.
de.newsroom.fb.com news/2019/03/dpa_faktenpruefer
Kira Thiel: Eriksson, Maria/Fleischer, Rasmus/Johansson, Anna/Snickars, Pelle/Vonderau, Patrick (2019). Spotify Teardown. Inside the Black Box of Streaming Music. Massachusetts: MIT. 276 S., 16,99 €.
Mit der nahezu grenzenlosen Bereitstellung von Musik, kuratierten Playlists und algorithmusbasierten Musikempfehlungen hat der schwedische Streaming-Dienst Spotify seit seiner Markteinführung im Jahr 2008 die Musikindustrie nachhaltig verändert. Doch trotz seiner enormen Popularität ist über die interne Arbeitsweise des Unternehmens, insbesondere hinsichtlich des Umgangs mit benutzerbezogenen Daten, bisher wenig bekannt.
Analog zum im Bereich des Reverse Engineering beheimateten Prozess des Teardowns, der die schrittweise Zerlegung eines Produktes in seine Bestandteile umfasst, unternehmen die Autorinnen und Autoren daher den Versuch, die internen Unternehmensstrukturen zu demontieren und auf diese Weise Licht in die Black Box Spotify zu bringen. Zu diesem Zweck werden im Sinne eines sozialwissenschaftlichen Interventionismus gängige Forschungsmethoden wie Befragungen, Beobachtungen und weitere Analysen des Spotify Front Ends mit experimentellen, verdeckten Untersuchungen des Back Ends kombiniert. Insgesamt beinhaltet dieser methodische Rundumschlag sechs Teilprojekte, die in ihrer Gesamtheit zu einem besseren Verständnis der Funktionsweise sowie der (Vermittler-)Rolle digitaler Streaming-Plattformen bei der Verbreitung kultureller Güter beitragen sollen.
Obwohl das groß angelegte Forschungsprojekt vor seiner Beendigung von Spotify gestoppt wurde und dementsprechend einige Fragen unbeantwortet bleiben, bietet die Publikation, neben einer Diskussionsgrundlage hinsichtlich des unkonventionellen Forschungsdesigns, interessante Hintergrundinformationen zum Plattform-Verständnis und einen ersten Blick hinter die Kulissen des weltweit führenden Musik-Streaming-Dienstes. In Zeiten einer nahezu uneingeschränkten digitalen Bereitstellung von Songs, Büchern und Filmen bei gleichzeitiger Kommerzialisierung und Personalisierung der Angebote kann der hier gebotene Perspektivwechsel Nutzende dazu anregen, das Konzept von Streaming-Diensten, das eigene Nutzungsverhalten in Bezug auf kulturelle Güter sowie den Umgang mit personenbezogenen Daten zu reflektieren. Hier ergeben sich auch Ansatzpunkte für die praktische Medienarbeit mit Kindern und Jugendlichen. Eine kritische Auseinandersetzung mit den internen Strukturen eines großen Technologie-Startups kann aufzeigen, was hinter dem schicken Interface einer Plattform tatsächlich stecken kann und so die Fähigkeit zur Medienkritik schulen. kt
Kira Thiel: Reinemann, Carsten/Nienierza, Angela/Fawzi, Nayla/Riesmeyer, Claudia/Neumann, Katharina (2019). Jugend – Medien – Extremismus. Wo Jugendliche mit Extremismus in Kontakt kommen und wie sie ihn erkennen. Wiesbaden: Springer. 264 S., 44,99 €.
Extremistische Akteure machen sich die medial durchdrungene Lebenswelt vieler Jugendlicher zunutze, um im Internet mit der jungen Zielgruppe in Kontakt zu treten und ihre Ideologien zu bewerben. Dabei werden neben expliziten Aufrufen zu Hass und Gewalt auch subtile demokratiefeindliche und rassistische Botschaften verbreitet, die Jugendliche oftmals nur schwer als solche identifizieren können.
Trotz der hohen Relevanz der beschriebenen Problematik weist die kommunikationswissenschaftliche Forschung diesbezüglich noch einige Defizite auf. Welche (medialen) Kontaktpunkte mit Extremismus spielen im Alltag 14- bis 19-Jähriger tatsächlich eine Rolle? Wie werden entsprechende Inhalte wahrgenommen? Und welche Kompetenzen können dabei helfen, Radikalisierungsversuche zu durchschauen? Diese und weitere Fragestellungen untersucht erstmals die Forschungsgruppe um Carsten Reinemann mithilfe eines Mehr-Methoden-Designs, bestehend aus einer repräsentativen Face-to-Face-Befragung, qualitativen Interviews sowie einer Experimentalstudie. Die theoretische Grundlage des umfangreichen Forschungsprojekts bildet ein integratives Modell, das verschiedene Ansätze und Erkenntnisse aus der Medienrezeptions- und Medienwirkungsforschung sowie der Forschung zu Medienkompetenz und Extremismus im Netz zusammenführt. So finden in der Untersuchung nicht nur inhaltlich-medienbezogene, sondern auch intrapersonale Faktoren wie Prädispositionen und Kompetenzen Berücksichtigung.
Die Studie identifiziert vier Gruppen von Jugendlichen, die sich nicht nur in ihrem Zugang zu Extremismus, sondern auch in ihrem Mediennutzungsverhalten, ihren Einstellungen, Kompetenzen und letztlich in ihrer Empfänglichkeit für extremistische Propaganda unterscheiden. Offen bleibt jedoch, ob der Kontakt mit radikalen Inhalten, wie oftmals befürchtet, langfristig tatsächlich zu einer Radikalisierung führen kann.
Insgesamt bietet die Publikation eine erste Standortbestimmung, die zu einem besseren Verständnis des jugendlichen Kontakts und Umgangs mit medial vermitteltem Extremismus beiträgt. Dank der klaren theoretischen Verortung und der aus den empirischen Befunden abgeleiteten Handlungsempfehlungen für Politik, Schule und Medienschaffende ist die Publikation nicht nur für Forschende verschiedener Fachrichtungen, sondern auch für medienpädagogische Fachkräfte von Interesse. Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Bedarfs an Demokratie- und Medienkompetenzförderung sowie Extremismus-Präventionsmaßnahmen kann sie unter anderem eine fundierte Grundlage für die Projektkonzeption darstellen. kt
Kira Thiel: #werbung
Niedersächsisches Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung (2019). Influencer-Werkstatt. Interaktive Lernbausteine. https://apps.medienberatung.online/influencer, kostenfrei.
Auf ihren Social Media-Kanälen präsentieren sie sich im Fitnessstudio, beim Essen oder Schminken, mit den neuesten Sneakers, einem Kaffeebecher in der Hand oder im Flugzeug auf dem Weg in den Traumurlaub: Influencerinnen und Influencer. Zu den Fans der Internet-Stars zählen mehrheitlich Kinder und Jugendliche, die BibisBeautyPalace und Co. als Stars zum Anfassen erleben. Diese wahrgenommene Authentizität machen sich immer mehr Werbetreibende zunutze: Im Rahmen des sogenannten Influencer-Marketings (siehe stichwort in dieser Ausgabe, S. 4) binden sie Influencerinnen und Influencer gezielt in ihre Kampagnen ein, um die junge Zielgruppe mit ihren Werbebotschaften zu erreichen. Dabei integrieren die Internet-Testimonials die Produkte oft so geschickt in ihren Feed, dass es schwierig ist, entsprechende Inhalte als Werbung zu erkennen – insbesondere wenn eine eindeutige Kennzeichnung fehlt.Vor diesem Hintergrund hat das Niedersächsische Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung in Zusammenarbeit mit der AMMMa AG die Influencer-Werkstatt erstellt, eine Lernplattform zum Thema „Influencerinnen, Influencer und Werbung“. Die digitalen Unterrichtsmaterialien ermöglichen Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufen I und II, ihren Internet-Idolen auf den Zahn zu fühlen. In sechs interaktiven Lernbausteinen, die jeweils mehrere Aufgaben umfassen, wird das Phänomen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet: von einer ausführlichen Begriffsdefinition über die Betrachtung der wichtigsten Social Media-Plattformen und Marketingstrategien bis hin zu einer beispielhaften YouTube-Videoanalyse. Doch nicht nur die Meinungsmacherinnen und -macher stehen auf dem Prüfstand. Auch eine kritische Reflektion des eigenen Online- und Konsumverhaltens wird durch eine Selbsteinschätzung angeregt. Neben den sechs Basis-Bausteinen bietet die Website außerdem zwei praxisorientierte Module, die sich der selbstständigen und vergleichenden Filmanalyse sowie der Produktion eines eigenen Videos im Influencerinnen- bzw. Influencer-Stil widmen.
Der Aufbau der Lernplattform ist übersichtlich und verständlich. Die enthaltenen Arbeitsaufträge sind didaktisch bunt gemischt. Je nach Themenschwerpunkt sollen von den Schülerinnen und Schülern unter anderem Schaubilder und Steckbriefe erstellt und Texte sowie Praxisbeispiele in Form von Fotos und Videos analysiert werden. Letztere entstammen mehrheitlich den Plattformen YouTube und Instagram, die – wie die Leserinnen und Leser erfahren – im Influencerinnen- und Influencer-Business die größte Rolle spielen. Die Arbeitsaufträge sind dabei stets präzise formuliert. Sollten dennoch Verständnisschwierigkeiten auftreten, wird die Aufgabenstellung über verlinkte Schlüsselwörter noch einmal spezifiziert. Ebenso benutzerfreundlich ist die Bedienung der Plattform. Die Website kann ohne vorherige Anmeldung über jeden modernen Browser aufgerufen werden. Bei der Nutzung über ein mobiles Endgerät sollte für die Texteingabe allerdings eine externe Tastatur verwendet werden, da die virtuelle Tastatur am Tablet oder Smartphone einen großen Teil des Bildschirms verdeckt und somit die Bearbeitung erschwert. Ansonsten ist die Handhabung grundsätzlich selbsterklärend. Für den Fall, dass doch einmal technische Fragen auftreten sollten, gibt es im „Hilfe“-Bereich der Website ausführliche Erklärungen zur Nutzung der einzelnen Tools, die teilweise eigens für die Influencer-Werkstatt entwickelt wurden. Für die Videoanalysen beispielsweise steht den Schülerinnen und Schülern ein Auswertungswerkzeug zur Verfügung, mithilfe dessen Bildschirmfotos in ein Schaubild integriert werden können. Auf der virtuellen Arbeitsfläche sind zudem erklärende Elemente wie Textfelder, Pfeile und andere Symbole verfügbar, die einfach per Mausklick hinzugefügt und im Anschluss beliebig platziert werden können. Alternativ kann im Analyse-Modul das externe Tool Lichtblick verwendet werden. Praktischerweise besteht bereits eine Verknüpfung mit besagtem Programm, sodass ein Klick auf die verfügbaren Videos genügt, um den gewünschten Clip in diesem zu öffnen.
In einigen Modulen finden sich zudem aufklappbare Materialien-Texte, die grundlegende Informationen zur Bearbeitung des jeweiligen Themenschwerpunkts liefern. Bei der Zusammenstellung der Informationen wurde auf eine übersichtliche Textmenge geachtet. An manchen Stellen entsteht durch diese schülerfreundliche Komprimierung allerdings der Eindruck, dass komplexe Themen wie Schleichwerbung und Influencer-Marketing etwas zu oberflächlich behandelt werden. Hier wären weiterführende Informationen und Begriffsklärungen, beispielsweise in Form einer Linksammlung, wünschenswert.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die inhaltliche Zusammensetzung einzelner Bausteine. So folgt auf die Beantwortung der Frage „Was ist ein Influencer?“ im gleichnamigen Modul unvermittelt die Auseinandersetzung mit Schleichwerbung, ohne im Vorfeld den Aspekt der Werbung thematisiert zu haben.
Nichtsdestotrotz stellt das Webangebot eine gute Möglichkeit dar, das komplexe Thema „Influencerinnen, Influencer und Werbung“ im Unterricht aufzugreifen und multiperspektivisch zu bearbeiten. Durch die intensive Auseinandersetzung mit der Thematik werden die Schülerinnen und Schüler für persuasive Werbebotschaften im Netz sensibilisiert und ihre Medien- und Werbekompetenz gefördert. Zudem dürften sie sich über den Lebensweltbezug der Unterrichtseinheit freuen. Die Influencer-Werkstatt eignet sich insbesondere für den Einsatz in den Fächern Deutsch, Werte und Normen, Sozialkunde sowie Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Auch wenn sich die Plattform offiziell an alle Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufen I und II richtet, scheint eine Bearbeitung vor allem in der Unter- und Mittelstufe lohnenswert. Doch nicht nur Lehrkräfte können das umfangreiche Webangebot nutzen. Einige Lehrbausteine sind auch für (medien-)pädagogische Fachkräfte von Interesse. So kann unter anderem das Modul „Produktionsplanung“, das auf die Konzeption und Umsetzung eines eigenen Influencerinnen- bzw. Influencer-Videos abzielt, auch in der außerschulischen Jugendarbeit eingesetzt werden. Während einige Bausteine klassisch didaktische Aufgabentypen umfassen und entsprechend stark auf den Einsatz im Unterricht ausgerichtet sind, ermöglicht das beschriebene Praxismodul eine gemeinschaftliche kreative Auseinandersetzung mit den Social Media-Stars – auch fernab der Schule.
Kira Thiel: Müller, Patricia (2019). Social Media und Wissensklüfte. Nachrichtennutzung und politische Informiertheit junger Menschen. Wiesbaden: Springer VS. 347 S., 49,99 €.
Müller, Patricia (2019). Social Media und Wissensklüfte. Nachrichtennutzung und politische Informiertheit junger Menschen. Wiesbaden: Springer VS. 347 S., 49,99 €.
Das Nachrichtennutzungsverhalten junger Menschen hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Im digitalen Zeitalter werden Nachrichteninhalte nicht mehr nur über traditionelle Kanäle wie (Tages-)Zeitungen, Zeitschriften, das Fernsehen oder Radio, sondern immer häufiger auch online rezipiert. Insbesondere soziale Netzwerke gewinnen dabei als alternative Nachrichtenquellen an Bedeutung. Vor dem Hintergrund algorithmisch-personalisierter Newsfeeds auf Facebook, Twitter und Co. geht Patricia Müller in der gekürzten und überarbeiteten Fassung ihrer bereits 2017 verfassten Dissertation der Frage nach, ob und wie sich das veränderte Informationsverhalten auf den politischen Wissenserwerb Jugendlicher im Alter zwischen 16 und 29 Jahren auswirkt. Anknüpfend an die traditionsreiche Wissenskluftforschung untersucht sie mittels einer zweiwelligen Panelbefragung motivationale, kognitive, soziale und kommunikative Einflüsse auf die Entwicklung nachrichtenbezogener Wissensklüfte.
Die Studie identifiziert fünf Nachrichtennutzungstypen, die sich erwartungsgemäß sowohl in ihrem politischen Vor- und Themenwissen als auch in ihrer Fähigkeit und Praxis der Informationsverarbeitung unterscheiden. Bei der Betrachtung der Befunde ist zu berücksichtigen, dass die Datenerhebung bereits 2012/13 erfolgt ist. Mit Blick auf die Schnelllebigkeit digitaler Plattformen sollten daher die Aktualität und Relevanz der Ergebnisse kritisch hinterfragt werden. Nichtsdestotrotz bietet die Publikation sowohl theoretisch als auch empirisch eine sorgfältige Auseinandersetzung mit der relevanten Thematik der OnlineNachrichtennutzung.
Im sogenannten postfaktischen Zeitalter erfordert die Nachrichtenrezeption auf Social Media mehr denn je eine ausgeprägte Quellenkompetenz der Nutzerinnen und Nutzer. Der systematisch aufbereitete Überblick über das nachrichtenbezogene Medienhandeln junger Menschen ermöglicht ein tiefergehendes Verständnis für die zugrundeliegenden Dynamiken und kann medienpädagogischen Fachkräften bei der Konzeption einschlägiger Praxisprojekte als theoretische Grundlage dienen. Zudem werden Anknüpfungspunkte für weiterführende kommunikations- und medienwissenschaftliche Forschung aufgezeigt, die durchaus lohnenswert erscheinen.
Kira Thiel: von Neumann-Cosel, Maxie/Yxalag (2019). Miloš und die verzauberte Klarinette. Hörspiel, Yxalag/German- Pops Media. 58 Min., 12,00 €.
Als der neunjährige Elias an diesem Tag von der Schule nach Hause kommt, hat er richtig schlechte Laune. Grußlos stapft er an Opa Miloš vorbei und verbarrikadiert sich in seinem Kinderzimmer. Es ist aber auch wirklich zu blöd! Sein bester Freund und dessen Familie sollen zurück in ihr Heimatdorf im Kosovo – und das obwohl Luca doch schon seit Ewigkeiten in Deutschland lebt. Um seinen Enkel aufzuheitern, überreicht Opa Miloš ihm ein schwarzes Instrument mit vielen kleinen, silbernen Knöpfen: eine Klarinette. Die gehörte vor langer Zeit einem jungen Prinzen namens Miloš – das behauptet zumindest der gleichnamige Großvater. Und nicht nur das. Neben seiner royalen Herkunft zeichne sich das Holzblasinstrument auch noch durch seine magischen Kräfte aus. So habe die Zauber-Klarinette Prinz Miloš auf der Flucht vor einem bösen König nicht nur vor gefährlichen Tieren und einer Horde wilder Räuber beschützt, sondern ihn schließlich sogar zu seiner großen Liebe geführt. Dass das Märchen von Prinz Miloš auffällige Parallelen zum Leben seines Lieblingsopas aufweist, wird Elias erst klar, als sein Vater ihn über dessen Vergangenheit aufklärt: Opa Miloš ist vor vielen Jahren aus einem kleinen Dorf im ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland geflohen – seine geliebte Klarinette im Gepäck.
Die märchenhafte Parabel vom Prinzen und seiner verzauberten Klarinette dürfte vor allem junge Hörspiel-Fans im Alter von sechs bis zehn Jahren begeistern. Kindgerecht illustriert sie, was Menschen dazu bewegt, ihre Heimat zu verlassen und wie es sich anfühlt, in der Fremde ein neues Leben zu beginnen. Dabei porträtiert das Musik-Hörspiel zwei entgegengesetzte migrantische Schicksale. So sind Luca und seine Familie gezwungen, ihre Wahlheimat zu verlassen und an einen Ort zurückzukehren, der für sie schon lange kein Zuhause mehr ist. Opa Miloš hingegen ist nach der Flucht nie wirklich angekommen und vermisst seine osteuropäische Heimat auch Jahrzehnte später noch schmerzlich. Diese beiden konträren Perspektiven verdeutlichen, dass Heimat subjektiv sehr unterschiedlich erlebt werden kann. Während der Begriff für die einen vor allem territoriale Aspekte wie das Herkunftsland, die Nationalität und kulturelle Eigenheiten umfasst, bedeutet er für die anderen ein ortsungebundenes Gefühl von Sicherheit und Zugehörigkeit.
Neben der Frage, was Heimat eigentlich ausmacht, stellt das Abschiednehmen ein zentrales Motiv innerhalb der Geschichte dar. Einfühlsam behandelt das Hörspiel damit einen in Kindermedien vernachlässigten Themenbereich. So sieht sich Elias nicht nur mit dem nahenden Abschied seines besten Freundes konfrontiert. Auch sein alter, kranker Opa, das ahnt er, wird nicht für immer bei ihm bleiben. Umso schöner ist es, dass er mit der Klarinette nun ein Andenken an seine wichtigste Bezugsperson besitzt.
Generell wirkt das Hörspiel trotz der nicht ganz leichten Kost nie bedrückend oder beängstigend. Sein positiv-hoffnungsvoller Charakter ist nicht zuletzt auf die unaufgeregte, eher implizite Sprache zurückzuführen, in welcher der Text gehalten ist. Zudem ist Autorin Maxie von Neumann-Cosel offenkundig darum bemüht, den jungen Zuhörerinnen und Zuhörern in der Kürze der Handlung ein zufriedenstellendes Happy End zu bieten. Was gut gemeint ist, will angesichts der Komplexität der behandelten Thematik allerdings nicht so recht gelingen. Die Vorstellung, dass er seinen Freund in den nächsten Ferien im Kosovo besuchen wird, der Abschied also nicht für immer ist, mag aus Sicht von Elias tröstlich sein. Lucas Perspektive – was die Abschiebung für die Familie bedeutet und wie es fernab der Heimat für sie weitergeht – wird durch diese einseitige Fokussierung allerdings gänzlich außer Acht gelassen. Hierdurch wirkt das Ende der Geschichte bedauerlicherweise etwas unvermittelt und eindimensional.
Nichtsdestotrotz ermöglicht das Hörspiel Kindern im Grundschulalter eine altersgerechte Annäherung an die Themen Heimat, Zuwanderung und Flucht. Vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftspolitischer Entwicklungen kann die Geschichte Eltern und Großeltern Anknüpfungspunkte für weiterführende Gespräche zur Flüchtlingsthematik bieten. Auch in der (medien-)pädagogischen Arbeit ist der Einsatz des Hörspiels denkbar. Vor allem in multikulturellen Kontexten kann es einen wertvollen Perspektivwechsel ermöglichen und auf diese Weise das Einfühlungsvermögen und Verständnis für die Lebenssituation von Menschen aus anderen Kulturkreisen fördern.
Musikalisch untermalt wird die Geschichte von abwechslungsreichen Klängen im Klezmer-Stil. Die jüdische Volksmusiktradition kombiniert melancholische Moll- mit fröhlichen, tanzbaren Dur-Melodien und erschafft auf diese Weise einen einzigartig stimmungsvollen Sound. Die deutsche Klezmer-Band Yxalag, die in ihren Stücken passenderweise Einflüsse aus verschiedenen Kulturkreisen zusammenführt, unterstreicht durch den Wechsel von schwermütigen und beschwingten Klängen die innere Zerrissenheit vieler Migrantinnen und Migranten: Ihrer Hoffnung auf eine bessere Zukunft in der Ferne stehen Ungewissheit und Abschiedsschmerz gegenüber. Unabhängig von der beschriebenen Metaphorik und Symbolik, die die junge Zielgruppe ohne eine elterliche bzw. (medien-)pädagogische Begleitung ohnehin kaum durchschauen dürfte, ist Miloš und die verzauberte Klarinette vor allem eines: die rührende Geschichte einer ganz besonderen Opa-Enkel-Beziehung mit einer schwungvollen musikalischen Begleitung.
Miloš und die verzauberte Klarinette wurde vom Verband deutscher Musikschulen für den Medienpreis LEOPOLD – Gute Musik fürKinder 2019/2020 nominiert und steht dementsprechend auf der Hörmedien-Empfehlungsliste des Verbandes. Preisgekrönt ist zudem Synchronsprecher Jonas Nay, der 2016 bereits mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde. Die Geschichte ist auf CD erhältlich und hat eine Gesamtlaufzeit von 58 Minuten. Alternativ kann sie über die Streamingplattformen Spotify, Deezer und Google Play Music abgerufen werden. Einen Anreiz für den Kauf der CD stellt das beiliegende illustrierte Booklet dar, welches die serbische Künstlerin Andja Stanković fantasievoll gestaltet hat.
Kira Thiel war Volontärin bei merz | medien + erziehung und kopaed. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (HBI).
Kira Thiel/Claudia Lampert/Uwe Hasebrink: Same same, but different. Online-Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen in Europa
2010 veröffentlichte der Forschungsverbund EU Kids Online Ergebnisse einer umfassenden internationalen Vergleichsstudie zu Online-Erfahrungen von Neun- bis 16-Jährigen in 25 Ländern. Zehn Jahre später ist nun erneut eine vergleichende Auswertung erschienen, die inhaltlich und methodisch an die vorherige Studie anknüpft und Ergebnisse aus insgesamt 19 Ländern präsentiert. Die Befunde verweisen einerseits auf übergreifende Trends und andererseits auf länderspezifische Besonderheiten. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die vergleichende Studie und ausgewählte Befunde.
Literatur:
Hasebrink, Uwe/Lampert, Claudia/Thiel, Kira (2019). Online-Erfahrungen von 9- bis 17-Jährigen. Ergebnisse der EU Kids Online-Befragung in Deutschland 2019. 2. überarb. Auflage. Hamburg: Verlag Hans-Bredow-Institut. https://www.hans-bredow-institut.de/uploads/media/default/cms/media/9rqoihm_EUKO_DE_191209.pdf [Zugriff: 28.04.2020]
Hasebrink, Uwe/Lampert, Claudia/Thiel, Kira (2020).Digitale Teilhabe von Kindern und Jugendlichen. Ergebnisse der EU Kids Online-Befragung in Deutschland 2019. Hamburg: Verlag Hans-Bredow-Institut. https://leibniz-hbi.de/uploads/media/Publikationen/cms/media/m5ggcq0_EUKidsDigitaleTeilhabe200207.pdf [Zugriff: 28.04.2020]
Livingstone, Sonia/Haddon, Leslie/Görzig, Anke (Eds.) (2012). Children, Risk and Safety Online: Research and Policy Challenges in Comparative Perspective. Bristol: Policy Press.
Livingstone, Sonia/Haddon, Leslie/Görzig, Anke/Ólafsson, Kjartan (2011). Risks and Safety on the Internet: The Perspective of European Children. Full Findings. London: LSE, EU Kids Online. http://eprints.lse.ac.uk/33731/ [Zugriff: 28.04.2020]
Livingstone, Sonia (2014). Risk and Harm on the Internet. In: Jordan, Amy/Romer, Daniel (Eds.), Media and the well-being of children and adolescents. Oxford: Oxford University Press. pp. 129–-146. http://eprints.lse.ac.uk/62124/1/Risk_and_harrm_on%20_the%20_internet.pdf [Zugriff: 28.04.2020]
Livingstone, Sonia/Mascheroni, Giovanna/Staksrud, Elisabeth (2015). Developing a framework for researching children’s online risks and opportunities in Europe. EU Kids Online. London. http://eprints.lse.ac.uk/64470/1/__lse.ac.uk_storage_LIBRARY_Secondary_libfile_shared_repository_Content_EU%20Kids%20Online_EU%20Kids%20Online_Developing%20framework%20for%20researching_2015.pdf [Zugriff: 28.04.2020]
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2019). KIM-Studie 2018. Kindheit, Internet, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 6- bis 13-Jähriger. Stuttgart: MPFS. www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/KIM/2018/KIM-Studie_2018_web.pdf [Zugriff: 28.04.2020]
Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs) (2020). JIM-Studie 2019. Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. Stuttgart: MPFS. www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2019/JIM_2019.pdf [Zugriff: 28.04.2020]
Smahel, David/Machackova, Hana/Mascheroni, Giovanna/Dedkova, Lenka/Staksrud, Elisabeth/Ólafsson, Kjartan/Livingstone, Sonia/Hasebrink, Uwe (2020). EU Kids Online 2020: Survey results from 19 countries. Doi: 10.21953/lse.47fdeqj01ofo